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KONGRESSBERICHT
Gastrointestinal Cancers Symposium (ASCO GI), 19.–21. Januar 2023, San Francisco
Leberzell-, Pankreas- und Cholangiokarzinom
Fortschritte mit Therapieoptimierungen und neuen Therapiestrategien
Leberzell-, Pankreas- und Cholangiokarzinome gehören zu den schwer behandelbaren Entitäten mit einer schlechten Prognose. Beim ASCO GI wurden zu diesen einerseits Studienergebnisse präsentiert, die mit geringen Optimierungen eine Verbesserung des Gesamtüberlebens bewirken, und andererseits Studien zu vielversprechenden neuen Strategien, die eine eher moderate Wirkung zeigten.
Adjuvantes Sorafenib plus TACE verlängert Gesamtüberleben
Patienten mit Leberzellkarzinom weisen bei Diagnosestellung in mehr als der Hälfte der Fälle eine Pfortaderthrombose (PVT) auf. Einem Teil der Patienten wird eine Operation empfohlen, um die Prognose zu verbessern, allerdings ist die Rückfallrate hoch. Da in retrospektiven Untersuchungen die adjuvante Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) und transarterieller Chemoembolisation (TACE) Hinweise auf ein verlängertes Überleben gezeigt haben, wurde in einer Phase-III-Studie die Wirksamkeit und Sicherheit von Sorafenib plus TACE bei Patienten mit PVT prospektiv untersucht (1). Eingeschlossen wurden 158 Patienten mit einem resektablen fortgeschrittenen Leberzellkarzinom, einem ECOG PS ≤ 1, Child-Pugh A und einer Lebenserwartung ≥ 3 Monate. Die Patienten erhielten Sorafenib plus TACE oder alleiniges Sorafenib. Primärer Studienendpunkt war das rezidivfreie Überleben (RFS). Durch die zusätzliche TACE gelang es, das mediane RFS von 12,6 auf 16,8 Monate signifikant zu verlängern (Hazard Ratio [HR]: 0,57; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,39–0,83; p = 0,0024). Der RFS-Vorteil übertrug sich auf das Gesamtüberleben (OS). Im Median lebten die Patienten 30,4 Monate mit versus 22,5 Monate ohne TACE. Das Risiko zu versterben wurde um 43 % reduziert (HR: 0,57; 95 %-KI: 0,36–0,91; p = 0,0174). Bezüglich der Nebenwirkungen wurden keine relevanten Unterschiede zwischen den Studienarmen beobachtet. Die Kombination von Sorafenib plus TACE als
adjuvante Therapie könnte eine wirksame Strategie zur Kontrolle des fortgeschrittenen Leberzellkarzinoms sein, resümierten die Autoren.
Vergleichbare Lebensqualität mit Pembrolizumab zusätzlich zur Lenvatinib-Therapie
Die plazebokontrollierte, randomisierte Phase-III-Studie LEAP-002 untersuchte die Gabe von Pembrolizumab zusätzlich zu Lenvatinib in der ersten Therapielinie bei 794 Patienten mit einem hepatozellulärem Karzinom (HCC). Unter der Kombination wurde eine numerisch verbesserte Wirksamkeit beobachtet, die Studie erreichte aber nicht die primären Endpunkte: eine Überlegenheit der Kombinationstherapie in Bezug auf das OS (HR: 0,84; 95 %-KI: 0,708–0,997) und das progressionsfreie Überleben (PFS) (HR: 0,867; 95 %-KI: 0,734–1,024). Beim ASCO GI-Kongress wurde nun die Analyse zur Lebensqualität der Patienten veröffentlicht (2). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 32,1 Monaten zeigte sich eine vergleichbare Abnahme bei den Studienteilnehmern, die den EORTC QLQ-C30-Fragenbogen ausfüllten, von nahezu 100 % bei Therapiebeginn bis auf ca. 40 % nach 51 Wochen in beiden Studienarmen. Die Verschlechterung der gesamten gesundheitsbezogenen Lebensqualität gemäss EORTC QLQC30 erfolgte im Median nach 11,47 Monaten im Lenvatinib plus Pembrolizumab-Arm versus 4,34 Monaten im Lenvatinib plus Plazebo-Arm (HR: 0,80; 95 %-KI: 0,65–0,98). Die Zeit bis zur Verschlechterung der körperlichen Funktion (HR: 1,14; 95 %-KI: 0,93–1,41) und der
Alltagsbewältigung (HR: 0,98; 95 %-KI: 0,81–1,20) war unter beiden Studienmedikationen vergleichbar. Auch bezüglich der Zeit bis zur Verschlechterung von abdominalen Schwellungen (HR: 1,19; 95 %-KI: 0,89–1,60), Fatigue (HR: 0,98; 95 %-KI: 0,81–1,19) und Schmerzen (HR: 0,93; 95 %-KI: 0,75–1,16) wurden mittels QLQ-HCC18 keine Unterschiede zwischen den Studienarmen beobachtet. Zusammen mit den Wirksamkeits- und Sicherheitsergebnissen stützen die neuen Daten die weitere Entwicklung von Lenvatinib plus Pembrolizumab beim HCC, so das Fazit der Autoren.
Einmalige Bestrahlung mildert Schmerzen und verlängert Gesamtüberleben Ein Leberzellkarzinom im Endstadium und Lebermetastasen rufen bei einigen Patienten Schmerzen hervor, die durch eine systemische Therapie nicht schnell gemildert werden können. Die Bestrahlung der Leber ist eine wenig angewendete, sichere und effektive Behandlung von Leberschmerzen, wie beim ASCO GI gezeigt wurde (3). In der Annahme, dass die Radiotherapie Schmerzen von Patienten im Vergleich zur besten supportiven Behandlung (BSC) verbessern kann, erhielten 66 Patienten randomisiert entweder eine einmalige Bestrahlung mit 8 Gy plus BSC oder die alleinige BSC. Primärer Endpunkt war der Anteil an Patienten mit Verbesserung des Schmerzprofils ≥ 2 Punkte im BPI (Brief Pain Inventory) ab Studienbeginn bis zu einem Monat nach Behandlung. Als sekundäre Endpunkte wurden die Anteile der Patienten untersucht, die nach 3 Monaten am Leben waren und die einen um ≥ 2 Punkte verbesserten BPI nach 1 und 3 Monaten aufwiesen. Nach einem Monat konnten Patienten des BSC-Arms auf Wunsch ebenfalls eine Radiatio erhalten. 67 % (Radiatio) versus 22 % (BSC) der Patienten, die den Fragebogen zu Stu-
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dienbeginn und nach einem Monat ausgefüllt hatten, gaben eine Verbesserung der schlimmsten Schmerzen in den letzten 24 Stunden an (p = 0,004), 63 versus 28 % der Patienten eine Verbesserung ihrer geringsten Schmerzen (p = 0,03) und 59 versus 25 % eine Schmerzlinderung durch die Behandlung (p = 0,04). Die Auswertung aller Patienten – mit der Annahme, dass der fehlende 1-Monats-Fragebogen keine Verbesserung bedeutet – zeigte eine Verbesserung der schlimmsten Schmerzen bei 49 versus 12 % der Patienten (p = 0,002). Die OS-Analyse zeigte, dass Patienten mit einer einmaligen Bestrahlung tendenziell häufiger 3 Monate überleben als Patienten mit alleiniger BSC (51 versus 33 %; p = 0,07).
Wirksame und handhabbare Erstlinienoption beim Pankreaskarzinom NALIRIFOX ist ein neuer Standard in der Behandlung des metastasierten Adenokarzinoms des Pankreas und das Referenzregime für weitere Erstlinienstudien, so die beim ASCO GI präsentierten Ergebnisse der Phase-III-Studie NAPOLI-3. Gezeigt wurde ein Überlebensvorteil der Chemoquadrupeltherapie gegenüber Gemcitabin plus nabPaclitaxel in der ersten Therapielinie sowie ein handhabbares Nebenwirkungsprofil (4). In die NAPOLI-3-Studie wurden 770 Patienten im medianen Alter von 64–65 Jahren eingeschlossen und randomisiert mit NALIRIFOX oder Gemcitabin plus nab-Paclitaxel behandelt. NALIRIFOX besteht aus liposomalem Irinotecan (50 mg/m2), 5-FU (2,400 mg/m2), LV (400 mg/m2) und Oxaliplatin (60 mg/m2) an den Tagen 1 und 15 eines 28-tägigen Zyklus. Gemcitabin (1,000 mg/m2) und nab-Paclitaxel (125 mg/m2) wurde an den Tagen 1, 8 und 15 eines 28-tägigen Zyklus verabreicht. Als primärer Endpunkt wurde das OS untersucht. Mit einer Risikoreduktion um 17 % (HR: 0,83; 95 %-KI: 0,70–0,99; p = 0,04) und einem Median von 11,1 versus 9,2 Monaten wurde eine signifikante OSÜberlegenheit von NALIRIFOX beobachtet. Auch bezüglich des PFS war NALIRIFOX gegenüber Gemcitabin plus nab-Paclitaxel überlegen (HR:
Auf einen Blick
■ Die Kombination von Sorafenib plus TACE als adjuvante Therapie erwies sich in einer Phase-III-Studie als wirksame Strategie zur Kontrolle des fortgeschrittenen Leberzellkarzinoms (HCC).
■ Die Phase-III-Studie LEAP-002 untersuchte die Gabe von Pembrolizumab zusätzlich zu Lenvatinib in der ersten Therapielinie beim metastasierten HCC. Die erhaltene Lebensqualität sowie zuvor berichtete Wirksamkeits- und Sicherheitsergebnisse sprechen für eine weitere Entwicklung der Kombination.
■ Die einmalige Bestrahlung mit 8 Gy verbessert hepatische Schmerzen bei der Mehrheit der Patienten mit schmerzhaftem HCC im Endstadium oder bei Lebermetastasierung, mit einem Trend zu einem verlängerten Gesamtüberleben.
■ NALIRIFOX ist ein neuer Standard in der Behandlung des metastasierten Adenokarzinoms des Pankreas und das Referenzregime für weitere Erstlinienstudien.
■ Für intensiv vorbehandelte Cholangiokarzinom-Patienten wurde mit dem LAT1-Inhibitor Nanvuranlat in einer Phase-II-Studie ein signifikanter PFS-Vorteil gegenüber Plazebo erreicht.
0,69; 95 %-KI: 0,58–0,83; p < 0,0001). Das mediane PFS lag bei 7,4 versus 6,6 Monaten. In den Subgruppenanalysen zu OS und PFS wurden keine Subgruppen identifiziert, die nicht von NALIRIFOX profitierten. Die objektive Ansprechrate betrug 41,8 % im NALIRIFOX-Arm und 36,2 % unter Gemcitabin plus nab-Paclitaxel. Eine stabile Erkrankung erreichten zudem 25,8 versus 26,1 % der Patienten. 50,5 versus 54,4 % der Patienten erhielten nach der Studienmedikation eine weitere antiTumor-Therapie. Das Nebenwirkungsprofil von NALIRIFOX war handhabbar und konsistent mit den Nebenwirkungsprofilen der Einzelsubstanzen. Schwere Nebenwirkungen traten bei 54,3 % der Patienten auf und 26,5 % waren mit der Therapie assoziiert. 5,9 % der Patienten verstarben im Zusammenhang mit Nebenwirkungen, 1,6 % mit Korrelation zum NALIRIFOXRegime. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Kleine Fortschritte für intensiv vorbehandelte Patienten mit Cholangiokarzinom Für Patienten mit Cholangiokarzinom wurden eher moderate Fortschritte gezeigt. In einer doppelblinden PhaseII-Studie erhielten 104 Patienten mit fortgeschrittenem refraktären Cholan giokarzinom 2:1-randomisiert den L-Typ-Aminosäuretransporter (LAT1)Inhibitor Nanvuranlat oder Plazebo (5). Die eingeschlossenen Patienten waren zu zwei Drittel ≥ 65 Jahre alt und hatten in 43–44 % bereits 2 vorherige sowie in 39–40 % ≥ 3 Vortherapien erhalten. Bei etwa der Hälfte der Patienten war eine primäre Resektion des Tumors erfolgt. Primärer Studienendpunkt war das PFS, ein sekundärer Endpunkt die Krank- heitskontrollrate (DCR). Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt, die signifikant verbesserte Reduktion des Risikos für einen Pro- gress (HR: 0,56; 95 %-KI: 0,34–0,90; p = 0,0164). Das mediane PFS lag in beiden Studienarmen vergleichbar unter 2 Monaten. Ein Ansprechen wurde bei 1,4 versus 0 % der Patienten im Nanvuran- lat- bzw. Plazebo-Arm gesehen, eine DCR wurde bei 24,6 versus 11,4 % erreicht. Das Nebenwirkungsprofil von Nanvuranlat war jenem im Plazeboarm vergleichbar. n Ine Schmale Referenzen: 1. Kuang M et al.: Adjvuvant transarterial chemoembo- lization with sorafenib for patients with hepatocellular carcinoma with portal vein tumor thrombus after surgery: A phase III, multicenter, randomized, controlled trial. ASCO GI 2023, Abstr. #493. 2. Llovet JM et al.: Health-related quality of life impact of lenvatinib (len) plus pembrolizumab versus len plus placebo as first-line therapy for advanced hepatocellular carcinoma: Phase 3 LEAP-002 study. ASCO GI 2023, Abstr. #506. 3. Dawson LA et al.: Canadian Cancer Trials Group HE.1: A phase III study of palliative radiotherapy for symptomatic hepatocellular carcinoma and liver metastasis. ASCO GI 2023, Abstr. #LBA492. 4. Wainberg ZA et al.: NAPOLI-3: A randomized, openlabel phase 3 study of liposomal irinotecan + 5-fluorouracil/leucovorin + oxaliplatin (NALLIRIFOX) versus nab-paclitaxel + gemcitabine in treatment-naive patients with metastatic pancreatic ductal adenocarcinoma. ASCO GI 2023, Abstr. #LBA661. 5. Furuse J et al.: Nanvuranlat, an L-type amino acid transporter (LAT1) inhibitor for patients with pretreated advanced refractory biliary tract cancer: Primary endpoint results of a randomized, double-blind, placebo-controlled phase 2 study. ASCO GI 2023, Abstr. #494. 38 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2023