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KONGRESSBERICHT
European Lung Cancer Congress (ELCC) 2023, 29. März bis 1. April 2023, Kopenhagen
ALK-positives Lungenkarzinom
Wirksame Firstline-Therapie mit ALK-Inhibitor der dritten Generation
Eine besondere Subpopulation innerhalb der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) stellen Patienten mit ALK-Mutationen dar. Diese onkogene Treibermutation ist einerseits mit ungünstiger Prognose und einer hohen Inzidenz von Hirnmetastasen assoziiert, spricht aber andererseits gut auf gezielte Therapien mit Tyrosinkinase-Inhibitoren an. Mit Lorlatinib, einem ALK-Inhibitor der dritten Generation, liegt das progressionsfreie Überleben nach drei Jahren bei 64 Prozent (1).
ALK-Mutationen liegen bei rund fünf Prozent der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) vor. Die Betroffenen sind typischerweise jünger, häufig Niemals-Raucher und werden in vielen Fällen erst mit weit fortgeschrittener Erkrankung diagnostiziert. Beide Geschlechter sind mit etwa gleicher Häufigkeit betroffen (2–4). Rund ein Drittel der Patienten mit ALK-Mutationen würden zum Diagnosezeitpunkt bereits Gehirnmetastasen aufweisen, wie Prof. Dr. Geoffrey Liu, University of Toronto und Princess Margaret Cancer Center, betonte. Im Verlauf der Erkrankung stellen sich Metastasen im ZNS bei 50 bis 60 Prozent der Erkrankten ein (5–7). Allerdings bietet die ALK-Mutation auch einen potenziellen Vorteil, so Prof. Dr. Petros Christopoulos, Universität Heidelberg. Sie eignet sich nämlich als Angriffspunkt für gezielte Therapien gegen onkogene Treibermutationen. Voraussetzung für eine zielgerichtete Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) sei jedoch, dass die Mutation auch diagnostiziert werde, was im klinischen Alltag nicht immer geschehe. Christopoulos ergänzte, dass Next Generation Sequencing (NGS) die Methode der Wahl in der Diagnostik von Mutationen sei, da FISH zu viele falsch negative und Immunhistochemie zu viele falsch positive Resultate liefert (8).
ALK-Inhibitoren: Von Generation zu Generation bessere Wirksamkeit
Seit dem Jahr 2014 wurden mehrere gegen ALK-Mutationen gerichtete TKI zugelassen. Mit den Jahren nahmen die Wirksamkeit dieser Substanzen gegen
ALK und gegen sekundäre ALK-Mutationen sowie ihre Fähigkeit, die Blut-HirnSchranke zu durchdringen, zu (9, 10). Die jüngste Substanz in dieser Abfolge und damit ein ALK-Inhibitor der 3. Generation ist Lorlatinib, das die Rezeptortyrosinkinasen ALK (anaplastische Lymphomkinase) und Ros1 (C-ros Onkogen 1) hemmt. In der Zulassungsstudie CROWN führte die Firstline-Therapie mit Lorlatinib in einer Population von Patienten mit fortgeschrittenem ALKpositivem NSCLC zu einem progressionsfreien Überleben von 64 Prozent nach drei Jahren. Das mediane PFS sei nach wie vor nicht erreicht, so Christopoulos. Im Kontrollarm lag das PFS nach 36 Monaten unter Therapie mit dem TKI Crizotinib bei 19 Monaten (1). Damit schneidet Lorlatinib besser ab als die ALK-Inhibitoren Alectinib (36% PFS nach 36 Monaten) und Brigatinib (43% PFS nach 30 Monaten) in deren PhaseIII-Studien (11, 12). Direkte Vergleichsdaten zwischen Lorlatinib und diesen beiden TKI liegen allerdings nicht vor. Christopoulos wies auch auf die enorme Bedeutung hin, die Hirnmetastasen für die Symptomatik und Lebensqualität von NSCLC-Patienten haben (13). Insofern ist die Wirksamkeit auf Hirnmetastasen bzw. die Chance auf deren Prävention ein wichtiger Parameter bei der Wahl einer Therapie für Patienten mit ALK-positivem NSCLC. In den Studien mit ALK-Inhibitoren kam es pro Jahr unter Crizotinib bei 18,8 Prozent der Patienten zur Progression von Hirnmetastasen; mit Alectinib und Brigatinib gelang bereits eine markante Reduktion dieses Wertes auf 9,4 bzw. 8,8 Prozent (12, 14). In der Studie CROWN wurde pro
Jahr lediglich bei 2,8 Prozent der Patienten mit Hirnmetastasen eine Progression festgestellt (1).
Häufigste Nebenwirkung: Anstieg des Cholesterinspiegels
Unerwünschte Wirkungen vom Grad 3
oder 4 waren in CROWN unter Lorlatinib
häufiger als unter Crizotinib, wobei es im
Crizotinib-Arm zu mehr Therapieabbrü-
chen wegen unerwünschter Wirkungen
kam als im Lorlatinib-Arm. Die Rate an
Nebenwirkungen vom Grad 3–4 war unter
Lorlatinib auch höher als in den Studien
mit Alectinib und Brigatinib. Allerdings, so
Christopoulos, handelte es sich bei vielen
dieser unerwünschten Ereignisse um Auf-
fälligkeiten im Labor; die Abbruchraten in
den Zulassungsstudien der ALK-Inhibito-
ren seien sehr ähnlich. Die häufigsten un-
erwünschten Wirkungen in CROWN wa-
ren Anstiege von Cholesterin und
Triglyzeriden (15). Eine Hyperlipidämie
kann und soll mit Statinen behandelt wer-
den. In schweren Fällen oder bei mangeln-
dem Ansprechen auf die Statintherapie
könne auch eine Dosisreduktion von Lor-
latinib erforderlich werden, so Liu.
Nicht zuletzt unterstrich Christopoulos,
dass eine Eskalationsstrategie, die erst in
der Zweitlinie auf den wirksamsten ALK-
Inhibitor setzt, nicht sinnvoll sei, da es bei
Therapieversagen bei einem hohen Pro-
zentsatz der Patienten zu rapider Ver-
schlechterung und zum Tod komme, be-
vor eine Secondline-Therapie überhaupt
begonnen werden kann (16). Christopou-
los: «Das bedeutet, dass es für viele
NSCLC-Patienten mit ALK-Mutationen
über den gesamten Krankheitsverlauf nur
eine Chance geben wird, um die beste
verfügbare Therapie zu bekommen. Der
Zeitpunkt dafür ist unmittelbar nach der
Diagnose.»
n
Reno Barth
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2023
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European Lung Cancer Congress (ELCC) 2023, 29. März bis 1. April 2023, Kopenhagen
Referenzen: 1. Solomon BJ et al.: Efficacy and safety of first-line lor-
latinib versus crizotinib in patients with advanced, ALK-positive non-small-cell lung cancer: updated analysis of data from the phase 3, randomised, open-label CROWN study. Lancet Respir Med. 2023;11(4):354-366. 2. Chan BA, Hughes BG: Targeted therapy for nonsmall cell lung cancer: current standards and the promise of the future. Transl Lung Cancer Res. 2015;4(1):36-54. 3. Zhao F et al.: Clinicopathological characteristics of patients with non-small-cell lung cancer who harbor EML4-ALK fusion gene: a meta-analysis. PLoS One. 2015;10(2):e0117333. 4. Fan L et al.: Clinicopathological and demographical characteristics of non-small cell lung cancer patients with ALK rearrangements: a systematic review and meta-analysis. PLoS One. 2014;9(6):e100866. 5. Jablonska PA et al.: Challenges and Novel Opportunities of Radiation Therapy for Brain Metastases in Non-Small Cell Lung Cancer. Cancers (Basel). 2021;13(9):2141. 6. Patil T et al.: The Incidence of Brain Metastases in Stage IV ROS1-Rearranged Non-Small Cell Lung Cancer and Rate of Central Nervous System Progression on Crizotinib. J Thorac Oncol.
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Quelle: «Raising the bar for patients with ALK+ NSCLC throughout their treatment journey», Satellitensymposium, veranstaltet von Pfizer im Rahmen des ELC 2023 am 29. März 2023 in Kopenhagen.
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