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ASH 2022
64th ASH Annual Meeting and Exposition, 10.–13. Dezember 2022, New Orleans
Multiples Myelom
Neue Erkenntnisse zur CD38-Antikörper- und CAR-T-Zell-Therapie
Die Therapielandschaft des multiplen Myeloms hat sich durch die Einführung der CD38-Antikörper bedeutend verändert. Am Jahrestreffen der American Society of Hematology wurden diverse Studienergebnisse zur Patientenselektion und der Therapiesequenz präsentiert. Erste Ergebnisse zur CAR-T-Zell-Therapie bei transplantationsgeeigneten Hochrisiko-Patienten in der Erstlinie sind vielversprechend.
Isatuximab bei frühem sowie spätem Rezidiv in letzter Therapielinie vorteilhaft
In der Phase-III-Studie IKEMA erhielten 302 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom (RRMM) 3:2-randomisiert Isatuximab plus Carfilzomib und Dexamethason (Isa-Kd) oder alleiniges Kd (1). Das Risiko für einen Progress wurde durch den CD38-Antikörper um 62% reduziert (Hazard Ratio [HR]: 0,58; 95,4%-Konfidenzintervall [KI]: 0,42–0,79). In einer Posthoc-Subgruppenanalyse wurde auf Basis der präspezifizierten finalen Analyse zum progressionsfreien Überleben (PFS) der Therapieerfolg bei Patienten mit frühem (n = 107) oder spätem Rezidiv (n = 176) untersucht. Als frühes Rezidiv wurde ein Intervall < 12 Monate von Beginn der letzten Therapielinie für Patienten mit ≥ 2 vorangegangenen Therapielinien sowie für Patienten nach Stammzelltransplantation und ein Intervall < 18 Monaten bei 1 vorangegangenen Therapielinie definiert. Das späte Rezidiv wurde entsprechend definiert als Rückfall ≥ 12 Monate nach Beginn der letzten Therapielinie für Patienten mit ≥ 2 vorangegangenen Therapielinien oder ≥ 18 Monate bei 1 vorangegangenen Therapielinie. Die Patientencharakteristik unterschied sich in den Subgruppen bezüglich dem ISS-Stadium und der Hochrisikozytogenetik. Patienten mit frühem Rezidiv wiesen aggressivere Krankheitsparameter auf. Ausserdem wurde beobachtet, dass ein früher Rückfall mit mehr vorangegangenen Therapielinien, weniger Stammzelltransplantationen und refraktärer Erkrankung assoziiert war. Die mediane Therapiedauer war bei Patienten mit spätem Rezidiv länger, während die relative Dosisintensität etwas niedriger war als bei Patienten mit frühem Rezidiv.
Für beide Subgruppen war das PFS unter der Isatuximab-haltigen Therapie länger als unter alleinigem Kd. Bei Patienten mit frühem Rezidiv in der letzten vorangegangenen Therapielinie betrug das mediane PFS 24,7 versus 17,2 Monate (HR: 0,662) und in der Gruppe mit spätem Rezidiv 42,7 versus 21,9 Monate (HR: 0,542). Patienten mit refraktärer Erkrankung profitierten stärker von zusätzlichem Isatuximab beim frühen (HR: 0,544) und beim späten Rückfall (HR: 0,552). Für alle Subgruppen wurde ein tieferes Ansprechen unter Isatuximab-haltigem Regime gesehen.
Einfluss der Sequenz auf Isatuximab-Pomalidomid- Therapie
Auch die zusätzliche Gabe von Isatuximab zu Pomalidomid und Dexamethason (Pd) verbesserte die Prognose von RRMM-Patienten. In der ICARIA-MM- Studie erhielten 307 Patienten randomisiert Isa-Pd oder Pd bis zur Krankheitsprogression oder bis zu nicht akzeptablen Nebenwirkungen. Die finale Analyse für das Gesamtüberleben (OS) zeigte einen klinisch relevanten, jedoch nicht signifikanten Vorteil für Patienten im Isa-PdArm (HR: 0,776; 95%-KI: 0,594–1,015; p = 0,0319). Da im Pd-Arm häufiger eine weitere Therapie mit Daratumumab erfolgte, wurde in einer Post-hoc-Analyse untersucht, ob die Nachfolgetherapie das OS beeinflusst haben könnte (2). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 52,4 (Isa-Pd) bzw. 52,6 Monaten (Pd) waren 10,4 versus 2,0% der Patienten weiterhin unter Studienmedikation. Die mediane Therapiedauer betrug 47,6 versus 24,0 Monate, wobei es im Isa-Pd-Arm häufiger zu Dosisreduktionen von Pomalidomid und/oder Dexamethason kam. 12,3 versus 14,4% der Patienten brachen die
Therapie mit Isa-Pd bzw. Pd aufgrund von Nebenwirkungen und 65,5 versus 76,5% aufgrund eines Krankheitsprogresses ab. Die Zeit bis zur nächsten Therapielinie wurde mit dem Isatuximab-haltigen Regime signifikant verzögert. Im Median erhielten Patienten eine Nachfolgetherapie nach median 15,51 versus 8,87 Monaten (HR: 0,548; 95%-KI: 0,417–0,718; p < 0,0001). Irgendeine nachfolgende antimyeloische Therapie erhielten 66,2 versus 77,8% der Patienten. Bei 22,5% im Isa-Pd-Arm versus 59,7% im Pd-Arm enthielt die Nach folgetherapie Daratumumab. Wurden Patienten mit anschliessender Daratu mumab-Behandlung aus der Bewertung genommen, so zeigten sich höhere Ansprechraten bei Einsatz von nicht-IMiDbasierten Regimen. Wie zu erwarten war, wurde mit Daratumumab im Pd-Arm ein höherer Nutzen erreicht als im Isa-Pd-Arm. Daratumumab-Kombinationstherapien führten in beiden Studienarmen zu höheren Ansprechraten verglichen mit der Daratumumab-Monotherapie. Nichtsdestotrotz war das mediane PFS2 signifikant länger für Patienten des Isa-Pd-Arms.
Lebensqualität gebrechlicher Patienten in MAIA-Studie verbessert
Die zusätzliche Gabe von Daratumumab zu Lenalidomid und Dexamethason führte in der Phase-III-Studie MAIA zu einer signifikanten Verlängerung von PFS und OS bei neu diagnostizierten MM-Patienten, die nicht für eine Stammzelltransplantation geeignet waren. Zudem wurde eine klinisch relevante Verbesserung der Lebensqualität gezeigt. Ob Letzteres auch für gebrechliche Patienten gilt, wurde mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 64,5 Monaten untersucht (3). Für den Parameter «Gebrechlichkeit» wurden retrospektiv das Alter, der ECOG Performance Status (ECOG PS) und der Charlson Comorbidity Index aus den Routine-Aufzeichnungen erhoben. Mithilfe des EORTC-QLQ C30-Fragebogens wurden die MAIA-Studienteilnehmer bei Studienbeginn und am ersten Tag des 3.,
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6., 9. und 12. Zyklus und danach alle 6 Monate zu ihrer Lebensqualität befragt. Die Charakteristika der Patienten in den Studienarmen waren innerhalb der gebrechlichen Studienpopulation gut ausgewogen. Im Median waren die Patienten 77 Jahre alt und zeigten einen ECOG PS von mehrheitlich 1 (51,7 vs. 54,4%) oder ≥ 2 (36,6 vs. 34,9%). 16,3 versus 15,6% der Patienten wiesen ein zytogenetisches Hochrisikoprofil auf. Die durchschnittliche gesundheitsbezogene Lebensqualität zu Studienbeginn betrug im EORTCQLQ-30 Score (1–100 Punkte) 50,4 versus 51,6 Punkte. Die durchschnittliche Veränderung des Scores für verschiedene Symptome zeigte zum Teil eine Verbesserung und bestätigte zum Teil keine Verschlechterung unter dem D-Rd-Regime. Für Schmerzen wurde eine durchschnittliche Verbesserung ≥ 20 Punkte unter D-Rd berichtet. Auch unter Rd kam es zu einer Verbesserung des Schmerzscores, allerdings in weniger grossem Ausmass. Die Fatigue besserte sich in beiden Studienarmen moderat, was im Umkehrschluss bedeutet, dass es durch die Triplett-Therapie nicht zu einer Verschlechterung der Fatigue kam. Die globale gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde in beiden Studienarmen konsistent verbessert. Für die körperliche Funktion zeigte sich eine Verbesserung in beiden Studienarmen, die unter D-Rd konsistent anhielt. Emotionale und soziale Funktionen verbesserten sich ebenfalls in beiden Studienarmen, wobei die Werte unter D-Rd numerisch besser waren als unter Rd. Die Alltagsbewältigung fiel in beiden Studienarmen besser aus, die Parameter Übelkeit und Erbrechen hingegen blieben in beiden Studienarmen verglichen mit Studienbeginn unverändert. Die mediane Zeit bis zur Verschlechterung der EORTC-QLQ-30-Subskalen betrug für die körperliche Funktion 68,1 versus 39,6 Monate im D-Rd versus Rd-Arm. Mit einer Nachbeobachtungszeit von 64,5 Monaten war eine Verschlechterung der Schmerzsymptomatik im D-Rd-Arm noch nicht erreicht. Fatiguesymptome verstärkten sich im D-Rd-Arm über median 22 Monate und im Rd-Arm über median 35 Monate nicht. Die kognitiven Symptome verschlechterten sich in beiden Studienarmen innerhalb eines Jah-
res, nach median 8 Monaten unter D-Rd und nach 10 Monaten unter Rd. Die Ergebnisse bestätigen, dass auch gebrechliche Patienten von der Wirksamkeit des D-Rd-Regimes profitieren, ohne dass die Lebensqualität negativ beeinflusst wird.
CAR-T-Zell-Therapie bei neu diagnostizierten Hochrisikopatienten erfolgreich
Die CAR-T-Zell-Therapie hat die Prognose
von Patienten mit hämatologischen Er-
krankungen in vielen Bereichen vielver-
sprechend verbessert. In die einarmige
Studie zur Verträglichkeit und Wirksam-
keit von GC012F, einem BCMA- und
CD19-gerichteten CAR-T-Zell-Produkt,
wurden bislang 16 neu diagnostizierte,
transplantationsgeeignete Patienten mit
Hochrisiko-Myelom eingeschlossen (4).
Das zu erwartende Überleben musste ≥
3 Monate betragen. Die Patienten waren
median 59 Jahre alt und zeigten ein
Hochrisiko bezüglich des R-ISS-Stadiums
(94%), der Zytogenetik (47%), des extra-
medullären Plasmazytoms (69%), der
mSMART3.0-Kriterien (94%) und/oder
des LDH-Werts (19%).
Die Therapie erwies sich als gut durchführ-
bar, die häufigsten hämatologischen
Toxizitäten waren Neutropenie (alle
Grade: 88%; Grad ≥ 3: 44%), Lymphozyto-
penie (88%; 81%), Leukopenie (88%; 50%),
Thrombozytopenie (25%; 0%) und Anämie
(44%; 6%). Ein Zytokinsturm (nur Grad 1–2)
wurde bei 25% der Patienten mit einer me-
dianen Dauer von 2 Tagen beobachtet.
Bei allen betroffenen Patienten klang der
Zytokinsturm innerhalb von 4 Tagen ab.
Ein Immuneffektorzell-assoziiertes Neuro-
toxizitätssyndrom (ICANS) trat nicht auf.
Mit einer medianen Nachbeobachtungs-
zeit von 8 Monaten zeigte sich bei allen in
die Studie eingeschlossenen Patienten
ein anhaltendes Ansprechen. Das beste
erreichte Ansprechen war bei 88% der
Patienten ein MRD-(minimale Resterkran-
kung-)negatives stringentes komplettes
Ansprechen (MRD-sCR) und bei 100% ein
mindestens sehr gutes partielles Anspre-
chen (≥ VGPR). Untersuchungen zur Phar-
makokinetik zeigten ein Maximum der
CAR-T-Zell-Konzentration an Tag 9–14
nach der Infusion.
n
Ine Schmale
Auf einen Blick
■ In der IKEMA-Studie zeigte die Kombination von Isatuximab plus Kd beim rezidivierten oder refraktären Myelom einen Vorteil im progressionsfreien Überleben gegenüber Kd. In einer Subgruppenanalyse wurde die Wirkung von zusätzlichem Isatuximab bei Patienten mit frühem sowie spätem Rezidiv bestätigt.
■ Isatuximab plus Pd versus Pd im fortgeschrittenen Setting wurde in der Studie ICARIA-MM untersucht. Eine nachfolgende Therapielinie wurde durch die zusätzliche Isatuximab-Gabe signifikant verzögert. Obwohl mehr als die Hälfte der Patienten im Pd-Arm Daratumumab als Nachfolge therapie erhielten, war das PFS2 im Isa-PdArm länger, verglichen mit dem Pd-Arm.
■ Mit der zusätzlichen Gabe von Daratumumab zu Lenalidomid und Dexamethason wird das progressionsfreie und Gesamtüberleben von gebrechlichen Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom verbessert. Auswertungen in Bezug auf die Lebensqualität zeigten insgesamt eine Verbesserung, mit langanhaltenden Symptomreduktionen, die z. B. bei der Schmerzsymptomatik stärker als unter dem Rd-Regime war.
■ Transplantationsgeeignete Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom haben bei hohem Rezidivrisiko eine schlechte Prognose. Eine BCMA- und CD19gerichtete CAR-T-Zell-Therapie bei neu diagnostizierten Patienten könnte laut einer chinesischen Phase-I-Studie die bestehende Therapielücke füllen.
Referenzen: 1. Facon T et al.: Isatuximab plus carfilzomib and dexa-
methasone in patients with early versus late relapsed multiple myeloma: IKEMA subgroup analysis. ASH 2022, Abstr. #753. 2. Richardson P et al.: Isatuximab plus pomalidomide/ low-dose dexamethasone versus pomalidomide/ low-dose dexamethasone in patients with relapsed/ refractory multiple myeloma (ICARIA-MM): Characterization of subsequent antimyeloma therapies. ASH 2022, Abstr. #247. 3. Perrot A et al.: Health-related quality of life for frail transplant-ineligible patients with newly diagnosed multiple myeloma treated with daratumumab, lenalidomide and dexamethasone: Subgroup analysis of MAIA trial. ASH 2022, Abstr. #472. 4. Du Juan et al.: Phase I open-label single-arm study of BCMA/CD19 dual-targeting FasTCAR-T cells (GC012F) as first-line therapy for transplant-eligible newly diagnosed high-risk multiple myeloma. ASH 2022, Abstr. #366.
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