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UEG WEEK 2022
30th UEG Week , 8 bis 11. Oktober 2022, Wien
Mikrobiom und Immunfunktion
Darmflora beeinflusst Ansprechen auf die Immuntherapie bei Melanompatienten
Mehr als 10 800 Teilnehmer aus 115 Ländern besuchten den gastroenterologischen Kongress «United European Gastroenterology Week (UEGW)», der erstmalig als Hybridkongress virtuell und in Wien stattfand. Die Vorträge waren auch für andere Fachdisziplinen relevant, z. B. die nachfolgenden Erkenntnisse, wie das Mikrobiom im Darm das Ansprechen auf die Immuntherapie beeinflusst, das bei Patienten mit malignem Melanom untersucht wurde.
Die Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) stellen einen Meilenstein in der Onkologie dar; sie haben das metastasierte Melanom zu einer behandelbaren Erkrankung gemacht. Sie verstärken die durch T-Zellen vermittelten Immunreaktionen gegen Tumoren, was bei Krebspatienten in fortgeschrittenen Stadien zu einem verbesserten Gesamtüberleben führt. Leider zeigt nur ein Teil der Patienten ein dauerhaftes Ansprechen. Jüngste Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass das Darmmikrobiom die Reaktionen auf ICI beeinflussen könnte. Beispielsweise ist bekannt, dass die Einnahme von Antibiotika zu einer geringeren Wirksamkeit von ICI führen kann (1). Zudem zeigten Patienten, die nicht mehr auf ICI ansprachen, nach einer fäkalen Stuhltransplantation ein erneutes Ansprechen (1). Bis anhin fehlen allerdings Daten darüber, wie sich das Mikrobiom im Verlauf einer ICI-Therapie verändert. Dieser Frage ging Dr. Johannes Björk aus Groningen (NL) im Rahmen der Beobachtungsstudie «Predicting response to immunotherapy for melanoma with gut microbiome and metabolomics (PRIMM)» auf den Grund, indem er longitudinale Veränderungen des Darmmikrobioms als Reaktion auf die Behandlung mit ICI analysierte (2). Zu diesem Zweck wurde das Darmmikrobiom von 175 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, die sich in Krebszentren in Grossbritannien und den Niederlanden einer ICI-Behandlung unterzogen, untersucht. Untersuchungsmethode war die sogenannte Schrotschuss-Sequenzierung (ShotgunMetagenom-Sequenzierung), mit der Tausende von Organismen parallel analysiert werden können. Damit wurden die Stuhl-
proben aller Studienteilnehmer vor und während der Behandlung an bis zu 4 Zeitpunkten untersucht und miteinander verglichen. Zudem analysierte man eine mögliche Korrelation zum Behandlungserfolg, beurteilt anhand des 12-monatigen progressionsfreien Überlebens. Die Forscher verwendeten ein Regressionsmodell mit Interaktionen höherer Ordnung, um abzuschätzen, wie sich die Häufigkeit von Bakterienarten und Stoffwechselwegen in den verschiedenen Proben je nach Therapieansprechen vom Ausgangswert bis nach der letzten Behandlungsinjektion veränderte. Sie entschlüsselten auch den longitudinalen möglichen Einfluss der folgenden Behandlungsmerkmale: die Verwendung einer Monotherapie (mit einem PD-1-Inhibitor) oder einer KombinationsICI-Behandlung (mit einem PD-1- und einem CTLA-4-Inhibitor), die vorherige Exposition gegenüber Antibiotika oder Protonenpumpeninhibitoren (PPI) oder die Auswirkung von immunbedingten unerwünschten Ereignissen (irAE) wie einer Kolitis. Die Ergebnisse bestätigten, dass einige der Mikrobiota, die in früheren Untersuchungen mit gutem Ansprechen assoziiert waren (z. B. Faecalibacterium prausnitzii und Bifidobacterium longum), in der vorliegenden Studie bei Therapierespondern häufig waren und zudem während der Behandlung weiter zunahmen. Diese positive Korrelation wurde allerdings oft zusätzlich durch begleitende Faktoren beeinflusst.
Wichtiger Einfluss: Begleitmedikation ...
So zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Mikrobiota bei Patienten,
die keine PPI und keine Antibiotika einnahmen, sowie zwischen einer ICI-Monotherapie und einer Kombinationsbehandlung: Im Vergleich zu Nonrespondern wurden bei Respondern, die nur einen ICI einnahmen, über den gesamten Behandlungszeitraum höhere und zunehmende Häufigkeiten von Butyratproduzenten aus der Familie der Lachnospiraceae-Arten festgestellt. «Das ist natürlich eine Information, die wir aufgrund früherer Vorhersagen nicht feststellen konnten», betonte Björk angesichts der Tatsache, dass diese Studie erstmalig longitudinal den Zusammenhang zwischen Mikrobiota und ICI erhob. Im Gegensatz dazu wurde ein Nichtansprechen mit höheren und zunehmenden Häufigkeiten mehrerer Bacteroides-Arten in Verbindung gebracht. Einige von ihnen, z. B. Bacteriodetes thetaiotaomicron, wurden bereits in früheren punktuellen Untersuchungen mit einem Nichtansprechen assoziiert. Björk betonte die Störfaktoren PPI-Einnahme oder Antibiotika. Die Einnahme von PPI wurde mit einem Anstieg von Klebsiella pneumoniae bei Nonrespondern in Verbindung gebracht. Das war bei Nonrespondern, die keine PPI einnahmen, nicht der Fall.
... sowie immunbedingte Nebenwirkungen
Schliesslich verglichen die Forscher die Veränderungen der Mikrobiota bei Respondern, die eine Kolitis entwickelten, mit denen, die keine entwickelten. Im Allgemeinen ähnelt die durch die Immuntherapie ausgelöste Kolitis dem Darm mikrobiom bei entzündlichen Darm erkrankungen. Bacteriodes caccae war bei Respondern, die eine Kolitis entwickelten, im Vergleich zu denen, die keine entwickelten, erhöht. Bei Therapierespondern, die keine Kolitis entwickelten, fanden sich häufige und stabile Populationen von Faecalibacterium prausnitzii, ebenfalls ein Butyratproduzent; dies war
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2023
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UEG WEEK 2022
30th UEG Week , 8 bis 11. Oktober 2022, Wien
Wahrscheinlichkeit für eine Toxizität
Verarbeitetes Fleisch (g/Tag)
vAebrbairlbdeuintegt:eNnicFhletisncuhrphriondsiuckhttelinchudndesroCtOem2-ImFlperisincths
von Nachteil: Ein hoher Konsum erhöht auch das Risiko für eine
von
ICI-Toxizität (3).
bei Studienteilnehmern, die eine Kolitis entwickelten, nicht der Fall. «Ich hoffe, dass ich Sie davon überzeugen konnte, dass mikrobiombasierte Interventionen nicht nur auf einer einmaligen Bestimmung zu Studienbeginn basieren sollten. Das ist der Schlüssel zur Steigerung der Wirksamkeit von ICI. Wir müssen die Dynamik des Systems, das wir modulieren wollen, verstehen», schloss Björk. Mögliche klinische Implikationen der (komplexen) Mikrobiomforschung bestehen darin, Spezies, die kontinuierlich mit einem Ansprechen assoziiert sind, per Stuhltransplantation auf Nonresponder zu übertragen, sowie Spezies, bei denen ein signifikanter Unterschied zwischen Respondern und Nonrespondern besteht, für diagnostische Zwecke heranzuziehen.
Mediterrane Kost verbessert progressionsfreies Überleben und reduziert ICI-Toxizität
Auch eine Ernährung gemäss den Prinzipien der sogenannten mediterranen Ernährung scheint mit einer verbesserten Ansprechrate auf die Immuntherapie und einem besseren progressionsfreien Überleben bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom verbunden zu sein. So die Ergebnisse einer multizentrischen Studie aus Grossbritannien und den Niederlanden (3). Ausschlag für diese Untersuchung gaben frühere Beobachtungen,
gemäss denen Mikrobiota, die eine Rolle beim Abbau von Ballaststoffen spielen, mit einem positiven Ansprechen auf ICI assoziiert sind. Die mediterrane Ernährungsweise mit einer Betonung auf dem Verzehr von Gemüse, Hülsenfrüchten, Olivenöl, Nüssen und Fisch ist ballaststoffreich. Diese Untersuchung wurde ebenfalls an Patienten der PRIMM-Studie durchgeführt. In dieser Auswertung wurde die Nahrungsaufnahme von 91 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, die mit ICI behandelt wurden, vor Therapiebeginn anhand von Fragebögen erfasst. Patienten, die sich mit mediterraner Kost ernährten, wiesen insgesamt ein hohes Ansprechen auf die ICI-Therapie auf. Das wurde sowohl in der britischen als auch in der niederländischen Kohorte beobachtet. Es fand sich ein linearer Zusammenhang zwischen der Höhe der Aufnahme von Nahrungsmitteln, welche die Grundsätze einer mediterranen Kost erfüllen, und dem Ansprechen. Die mediterrane Kost stand nicht nur in signifikantem Zusammenhang mit der Gesamt ansprechrate, sondern auch mit dem progressionsfreien Überleben nach 12 Monaten. Das galt ebenso für spezifische Nahrungsbestandteile: So korrelierte die Aufnahme von nicht gesättigten Fettsäuren, z. B. aus Oliven, Avocado und fettreichem Fisch, positiv mit dem progressionsfreien Überleben nach 1 Jahr.
Derselbe Zusammenhang zeigte sich für
den Verzehr von Hülsenfrüchten und Kar-
toffeln.
Interessanterweise waren Hülsenfrüchte
und Vollkornprodukte nicht nur mit einem
besseren progressionsfreien Überleben
nach 12 Monaten assoziiert, sondern auch
mit einer geringeren Toxizität: Patienten,
die sich so ernährten, entwickelten selte-
ner medikamentenbedingte immunologi-
sche Nebenwirkungen, wie z. B. eine Koli-
tis. Gegenteilig verhielt es sich mit dem
Verzehr von rotem und verarbeitetem
Fleisch: Je häufiger sie auf dem Speiseplan
standen, umso höher war das Risiko für
eine ICI-bedingte Toxizität (Abbildung).
«ICI haben dazu beigetragen, die Be-
handlung verschiedener fortgeschritte-
ner Krebserkrankungen zu revolutionie-
ren. Unsere Studie unterstreicht die
Bedeutung der Ernährungsweise von
Krebspatienten, die mit einer ICI-Be-
handlung beginnen, und untermauert die
Bedeutung von Ernährungsstrategien für
die Verbesserung der Behandlungs
ergebnisse und des Überlebens der Pa-
tienten», so das Fazit von Laura Bolte,
Diätassistentin und Medizinstudentin am
University Medical Center Groningen
(Niederlande). Die Autoren planen jetzt,
ihre Studien auszuweiten, um die Ergeb-
nisse für diverse andere onkologische
Erkrankungen zu untersuchen.
«Der Zusammenhang zwischen dem An-
sprechen auf ICI und der Ernährung so-
wie dem Darmmikrobiom eröffnet eine
vielversprechende und spannende Zu-
kunft zur Verbesserung des Behand-
lungserfolgs», so Bolte weiter. «Klinische
Studien, die die Wirkung einer ballast-
stoffreichen Ernährung, einer ketogenen
Diät und einer Supplementierung mit
Omega-3-Fettsäuren untersuchen, sind
im Gange.»
n
Susanne Kammerer
Referenzen: 1. Hayase E, Jenq RR: Role of the intestinal microbiome
and microbial-derived metabolites in immune checkpoint blockade immunotherapy of cancer. Genome Med. 2021;13(1):107. 2. Björk J et al.: Longitudinal changes in the gut microbiome in response to immune checkpoint blockade. OP042, UEG Week 2022 vom 8. bis 11. Oktober 2022 in Wien (Österreich). 3. Bolte LA et al.: Dietary intake influences the response to cancer immunotherapy. OP021, UEG Week 2022 vom 8. bis 11. Oktober 2022 in Wien (Österreich).
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