Transkript
ASH 2022
64th ASH Annual Meeting and Exposition, 10.–13. Dezember 2022, New Orleans
Indolente Lymphome
Vielversprechende Therapiestrategien für Mantelzell- und follikuläres Lymphom
Das Mantelzelllymphom wird histologisch zu den indolenten Lymphomen gezählt, zeigt aber bei vielen Patienten einen aggressiven Verlauf. Beim ASH 2022 wurden vielversprechende Studienergebnisse mit andauernden tiefen Remissionen für die rezidivierte oder refraktäre Situation präsentiert. Auch beim follikulären Lymphom brauchen Patienten häufiger mehrere Therapielinien und profitieren von den neuen Therapiestrategien.
Vergleich mit der ASCT oder der Ibrutinib-Gabe einher. Auch die Anzahl von Todesfällen aufgrund von begleitenden Erkrankungen sowie die Anzahl von therapieassoziierten Todesfällen war höher in den ASCT-Studienarmen verglichen mit der alleinigen Ibrutinib-Erhaltung.
Ibrutinib ist ohne autologe Stammzelltransplantation wirksam und sicher
Die autologe Stammzelltransplantation (ASCT) als Erstlinientherapie und Ibrutinib in der rezidivierten Situation sind Standards in der Behandlung des Mantelzelllymphoms (MCL). In der dreiarmigen akademischen TRIANGLE-Studie wurde nun die Kombination von ASCT mit 2 Jahren Ibrutinib-Erhaltungstherapie geprüft (1). Die dreiarmige randomisierte TRIANGLEStudie untersuchte in zwei experi mentellen Studienarmen die Induktion mit je 3 Zyklen R-CHOP plus Ibrutinib und R-DHAP gefolgt von entweder ASCT und 2 Jahren Ibrutinib-Erhaltungstherapie oder der alleinigen Ibrutinib-Erhaltungstherapie. Als Kontrollgruppe wurden MCL-Patienten mit R-CHOP/R-DHAP induziert und erhielten im Anschluss eine ASCT. Eingeschlossen waren 870 Patienten mit unbehandeltem MCL im Stadium II–IV. Der primäre Studienendpunkt war das FFS (Failure-Free Survival), definiert als Überleben ohne Rezidiv oder ohne tumorbedingten Todesfall. Die eingeschlossenen Patienten waren median 57 Jahre alt, gemäss den Einschlusskriterien alle ≤ 66 Jahre, und zu 87% im Ann-Arbor-Stadium IV. 58% der Patienten wiesen ein niedriges Risiko laut MIPI (Mantle Cell Lymphoma International Prognostic Index) auf, 27% ein intermediäres Risiko und 15% waren Hochrisikopatienten. Nach der Induktionstherapie sprachen 97% der Patienten an, 42% zeigten eine komplette Remission (CR).
Im Vergleich der beiden Studienarme mit ASCT wurde die 3-Jahres-FFS-Rate durch Ibrutinib von 72 auf 88% erhöht (Hazard Ratio [HR]: 0,52; p = 0,0008). Subgruppenanalysen zeigten einen ähnlichen Effekt für alle MIPI-Gruppen und im Trend eine höhere Effektivität der Ibrutinib-haltigen Therapie bei Patienten mit Hochrisikobiologie. Insbesondere bei Patienten mit hoher p53-Expression (> 50%) wurde ein relevanter FFS-Vorteil durch die Ibrutinib-Gabe erzielt. Der Vergleich der Ibrutinib-haltigen Therapie ohne ASCT gegenüber dem Kontrollarm zeigte, dass die autologe Stammzelltransplantation der Ibrutinib-Erhaltungstherapie nicht überlegen ist (HR: 1,77). Nach 3 Jahren lebten 72% der Patienten mit ASCT versus 86% der Patienten unter Ibrutinib-Erhaltungstherapie ohne Therapieversagen. Im direkten Vergleich der Ibrutinib-haltigen Induktion und der 2-jährigen Ibrutinib-Erhaltungstherapie mit oder ohne ASCT wurde bisher kein Unterschied im FFS gesehen. Bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) war der Median in keinem der drei Studienarme erreicht. Die 3-Jahres-OSRate betrug 86% im Kontrollarm, 91% mit ASCT plus Ibrutinib sowie 92% mit Ibrutinib. Für eine statistische Auswertung der Signifikanz war der Zeitpunkt noch zu früh. Die Toxizität des Induktionsregimes wurde durch Ibrutinib nicht relevant erhöht. Die Kombination von ASCT plus Ibrutinib ging allerdings mit einer deutlich höheren Rate an Störungen im Blut und lymphatischen System und einer erhöhten Inzidenz von Infektionen im
Hohe Rate an Komplett remissionen unter Glofitamab-Monotherapie
Der Einsatz eines neuen Wirkmechanismus bei intensiv vorbehandelten rezidivierten oder refraktären MCL-Patienten ergab hohe Raten an Komplettremissionen (2). In der beim ASH 2022 präsentierten Phase-I-Studie erhielten insgesamt 37 Patienten den CD20- und CD3-gerichteten bispezifischen Antikörper Glofitamab, in einer schrittweise auf 30 mg ansteigenden Dosierung über die Dauer von ca. 8 Monaten (12 Zyklen), sowie als Vortherapie Obinutuzumab in den Dosierungen 1 x 1000 mg oder 1 x 2000 mg zur Vermeidung eines Zytokinsturms. Die Patienten waren median 72 Jahre alt und hatten im Median bereits 3 Therapielinien erhalten. Etwa zwei Drittel der Patienten wurden mit einem BTK-Inhibitor behandelt, ein Viertel der Patienten wurde stammzelltransplantiert. 89% der Patienten waren refraktär gegenüber einer der vorangegangenen Therapielinien, 73% gegenüber der letzten verabreichten Behandlung. Bei 83,8% der Patienten wurde ein Ansprechen beobachtet, davon in 73,0% der Fälle ein komplettes (CMR) und in 10,8% ein partielles metabolisches Ansprechen (PMR). Innerhalb der Subgruppe mit BTK-Inhibitor-Vorbehandlung sprachen 75,0% der Patienten auf Glofitamab an (CMR: 66,7%; PMR: 8,3%). Insgesamt wurden bei einer Vortherapie mit 2000 mg Obinutuzumab höhere Ansprechraten beobachtet. Die mediane Dauer der CR betrug, mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5,1 Monaten, 10,0 Monate. Zum Zeitpunkt der
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2023
13
ASH 2022
64th ASH Annual Meeting and Exposition, 10.–13. Dezember 2022, New Orleans
Auswertung befanden sich 74,1% der Patienten mit CR in anhaltender Remission, wobei 4 Patienten (alle in CR) an COVID-19 verstarben. Ein anhaltendes Ansprechen wurde auch nach Absetzen der Therapie weiter beobachtet. Schwere Nebenwirkungen traten bei 78,4% der Patienten auf, Glofitamab-assoziierte schwere Nebenwirkungen bei 62,2% der Patienten. Mit der höheren Obinutuzumab-Dosierung reduzierte sich die Inzidenz dieser Nebenwirkungen auf 76,2% bzw. 52,4%. Es wurden insgesamt 4 fatale Ereignisse mit und 6 ohne Bezug auf Nebenwirkungen berichtet, keine letale Toxizität wurde als Glofitamab-assoziiert eingestuft. Es kam nicht zu Therapieabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen. Die häufigsten Nebenwirkungen mit Bezug zu Glofitamab waren Zytokinsturm und Neutropenie. Mit der höheren Dosierung von Obinutuzumab im Vorfeld der Glofitamab-Therapie war ein Zytokinsturm weniger häufig (45,0 versus 66,8%) und verlief milder. Eine Phase-III-Studie zur Glofitamab-Monotherapie beim rezidivierten oder refraktären MCL ist in Planung.
Kombination von BTK-Inhibitor und CAR-T-Zell-Therapie
Ebenfalls bei Patienten mit MCL wurde in der Phase-II-Studie TARMAC die Kombination von Ibrutinib über eine begrenzte Dauer plus eine Gabe Tisagenlecleucel untersucht (3). Hintergrund der Studie war, dass Patienten einerseits nur begrenzt tiefe Remissionen unter BTKi zeigen und andererseits eine CAR-TZell-Therapie nach BTKi-Therapie häufig nicht mehr möglich ist. Insgesamt 20 MCL-Patienten mit Versagen einer vorangegangenen Therapielinie oder nicht ausreichendem Ansprechen auf eine Induktionstherapie wurden eingeschlossen. Ibrutinib wurde 7 Tage vor der Leukapherese gegeben und 6 Monate nach der Tisagenlecleucel-Gabe abgesetzt, falls die MRD (minimale Resterkrankung)-Negativität erreicht wurde. Die Patienten waren median 66 Jahre alt und hatten median 2 Therapielinien erhalten. Die Hälfte der Patienten war re-
Auf einen Blick
■ Es konnte in der TRIANGLE-Studie nicht eindeutig geklärt werden, ob die autologe Stammzelltransplantation als Ergänzung zu Ibrutinib die Wirksamkeit der Behandlung des Mantellzelllymphoms erhöht. Aufgrund der Toxizität solle aber die alleinige Ibrutinib-Erhaltungstherapie favorisiert werden.
■ Eine Glofitamab-Monotherapie für die Dauer von 12 Zyklen induziert hohe und anhaltende Ansprechraten bei intensiv vorbehandelten Patienten mit Mantelzelllymphom. Zur Vermeidung eines Zytokinsturms hat sich eine Vortherapie mit höher dosiertem Obinutuzumab (2000 mg) bewährt.
■ Mit der Kombination von Ibrutinib und Tisagenlecleucel wurde beim rezidivierten oder refraktären Mantelzelllymphom eine vielversprechende Wirksamkeit bei insgesamt guter Verträglichkeit erreicht. Die Strategie sollte weiterverfolgt werden, so die Autoren der Phase-II-Studie TARMAC.
■ Obwohl das follikuläre Lymphom zu den indolenten Lymphomen gehört, brauchen Patienten häufig mehrere Therapielinien. Patienten mit einem Hochrisiko-Rezidiv haben eine schlechte Prognose, die mit Tisagenlecleucel laut aktuellen Ergebnissen der ELARA-Studie anhaltend verbessert werden kann.
fraktär gegenüber der letzten Therapielinie. 55% der Patienten hatten eine ASCT und 50% einen BTKi erhalten. Bei 80% der Patienten wurde nach 4 Monaten eine Komplettremission (primärer Endpunkt) beobachtet. Bei BTKi-naiven Patienten betrug die CR-Rate nach 4 Monaten 90% und bei BTKi-erfahrenen Patienten 70%. MRD-negativ waren 70% der Patienten. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 13,0 Monaten war das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) noch nicht erreicht. Nach 6 Monaten lebten 85% der Patienten und nach 12 Monaten 75% progressionsfrei. Die OS-Rate betrug zum Zeitpunkt der Auswertung 100%. Ein Zytokinsturm wurde bei 75% der Patienten berichtet, alle von Grad 1–3 und handhabbar. Neurotoxizität trat nur bei einem Patienten (5%) auf und dauerte 5 Tage an.
Langanhaltende und hohe Ansprechraten mit Tisagenlecleucel
Die CAR-T-Zell-Therapie mit Tisagenlecleucel führte in der ELARA-Studie bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem follikulärem Lymphom (FL) zu hohen Ansprechraten (ORR 86%) sowie Komplettremissionen bei 69% der Patienten. Nach 12 Monaten waren 67% der Patienten progressionsfrei. Beim ASH 2022 wurden nun aktualisierte Daten mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 29 Monaten präsentiert (4). Die mediane Dauer des Ansprechens (DOR) war für alle auswertbaren Patien-
ten (n = 84) und für Patienten mit CR (n =
64) noch nicht erreicht. Nach 12 Monaten
zeigten 74 bzw. 87% der Patienten, nach
24 Monaten 66 bzw. 78% weiterhin ein An-
sprechen bzw. eine CR. Auch für das PFS
und das OS war der Median für alle Pati-
enten sowie Patienten mit CR noch nicht
erreicht. Für Patienten mit partieller Re-
mission (PR) lag die mediane DOR bei 3
Monaten, das mediane PFS bei 6 Mona-
ten und das mediane OS bei 26 Monaten.
Eine exploratorische Analyse ergab Hin-
weise auf POD24, Lymphknoteninvolvie-
rung, Tumorvolumen und einen erhöh-
ten Anteil an LAG3-positiven T-Zellen als
negative prognostische Marker für das
PFS. Machten erschöpfte LAG3-positive
T-Zellen weniger als 3% der gesamten
T-Zellen aus, so war die Prognose mit
einem signifikant verlängertem DOR
und PFS vorteilhafter.
n
Ine Schmale
Referenzen: 1. Dreyling M et al.: TRIANGLE: Autologous transplan-
tation after a rituximab/ibrutinib/Ara-C containing induction in generalized mantle cell lymphoma – a randomized European MCL network trial. ASH 2022, Abstr. #1. 2. Philips T et al.: Glofitamab monotherapy induces high complete response rates in patients with heavily pretreated relapsed or refractory mantle cell lymphoma. ASH 2022, Abstr. #74. 3. Minson A et al.: Time-limited ibrutinib and tisagenlecleucel is highly effective in the treatment of patients with relapsed or refractory mantle cell lymphoma, including those with TP53 mutated and BKTi-refractory disease: First repor of the TARMAC study. ASH 2022, Abstr. #75. 4. Dreyling M et al.: Long-term clinical outcomes and correlative efficacy analyses in patients with relapsed/ refractory follicular lymphoma treated with Tisagenlecleucel in the ELARA trial. ASH 2022, Abstr. #608.
14 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2023