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SABCS 2022
San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2022, 6.–10. Dezember 2022, San Antonio
Fortgeschrittenes Mammakarzinom
Mit zielgerichteten Therapien das Gesamtüberleben verlängern
Zielgerichtete Therapien sind aus der alltäglichen Praxis nicht mehr weg zudenken. Das Mammakarzinom gehört mit seinen molekularbiologischen Subtypen zu den Vorreitern der personalisierten Medizin. Beim SABCS wurden neue zielgerichtete Therapieansätze vorgestellt.
Gutes Nutzen-Risiko-Profil von T-DXd bei HER2-positiver Erkrankung
Für das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat T-DXd wurde in den Studien DESTINYBreast03 und DESTINY-Breast01 eine gute Wirksamkeit bei HER2-positivem (HER2+), metastasiertem Mammakarzinom gezeigt. Die DESTINY-Breast02Studie verglich die Sicherheit und Wirksamkeit von Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) versus Therapie nach Wahl des Behandlers (TPC) bei Betroffenen mit HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs, die im Vorfeld der Studie mit Trastuzumab emtansin (T-DM1) behandelt wurden (1). Mit den primären Studienergebnissen wurde ein gutes Nutzen-Risiko-Profil von T-DXd bestätigt. Die randomisierte, offene Phase-III-Studie schloss Patientinnen und Patienten (n = 608) ein, die bereits mit T-DM1 behandelt wurden. 2:1-randomisiert erhielten sie T-DXd oder, nach Wahl des Behandlers, Trastuzumab plus Capecitabin oder Lapatinib plus Capecitabin. Der primäre Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 21,5 Monaten für T-DXd und 18,6 Monaten für TPC waren noch 23,3% der Patientinnen im T-DXd- versus 2,6% der Patientinnen im TPC-Arm unter Studienbehandlung. Der häufigste Grund für das Abbrechen der Therapie war in 43,1 versus 72,3% der Fälle die progrediente Tumorerkrankung sowie bei 18,3 versus 7,2% der Patientinnen das Auftreten von Nebenwirkungen. Die Studienteilnehmerinnen waren median 54–55 Jahre alt und hatten median 2 Therapielinien erhalten. Das Risiko für einen Tumorprogress war im T-DXd-Arm im Vergleich zur Wahl des Behandlers um 64% verringert (Hazard
Ratio [HR]: 0,36; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,28–0,45; p < 0,0001). Im Median betrug das PFS 17,8 versus 6,9 Monate. Nach 12 Monaten lebten 62,3 versus 27,2% der Patientinnen ohne Progress, nach 24 Monaten 42,2 versus 13,9%. Der Vorteil der T-DXd-Therapie wurde für alle untersuchten Subgruppen beobachtet. Als wichtigster sekundärer Endpunkt wurde das Gesamtüberleben (OS) ausgewertet. Das Risiko zu Versterben wurde um 34% reduziert (HR: 0,66; 95%KI: 0,50–0,86; p = 0,0021). Im Median lebten die Patientinnen 39,2 versus 26,5 Monate. Die 12- und 24-Monats-OS-Raten betrugen 89,4 versus 74,7% bzw. 65,9 versus 54,3%. Ein Ansprechen zeigten 69,7 versus 29,2% der Patientinnen (p < 0,0001) und die mediane Dauer des Ansprechens betrug 19,6 versus 8,3 Monate. Das Sicherheitsprofil für T-DXd war konsistent mit den bekannten Daten. Insgesamt trat eine interstitielle Lungenerkrankung bei 10,4% der Patientinnen im T-DXd-Arm auf, bei der Mehrheit nur in moderater Ausprägung (Grad 1–2: 9,2%). Auch für die Studie DESTINY-Breast-03 wurden neue Daten präsentiert, die zusätzlich zu einem anhaltend längeren PFS in der zweiten Zwischenanalyse auch eine Verlängerung des Gesamtüberlebens zeigen konnten. Durch den Einsatz von T-DXd konnte das Risiko, zu versterben im Vergleich zur Gabe von T-DM1 um 36% reduziert werden (siehe auch Seite 22–23) (2). Neue Therapieoption für Hormonrezeptor-positiven fortgeschrittenen Brustkrebs Ein neuer Angriffspunkt in der Behandlung des fortgeschrittenen Mammakarzinoms ist der AKT-Signalweg. Dieser kann beim Hormonrezeptor-positiven (HR+), HER2-negativen (HER2-) fortgeschrittenen Mammakarzinom aufgrund von Alterationen in den Genen PIK3CA, AKT1 und PTEN aktiviert sein, wie auch bei Tumoren ohne diese Mutationen. Der AKT-Signalweg ist zudem bei der Entwicklung von Resistenzen gegen endokrine Therapien involviert. Die Therapie mit dem selektiven Inhibitor der drei AKT-Isoformen (AKT1/2/3) Capivasertib zeigte in der plazebokontrollierten Phase-II-Studie FAKTION in Kombination mit Fulvestrant vielversprechende Ergebnisse. Beim SABCS 2022 wurden nun die Ergebnisse der Phase-III-Studie CAPItello-291 präsentiert (3). Insgesamt 708 Patientinnen und Patienten mit Aromataseinhibitor (AI)-resistentem, Hormonrezeptor-positivem (HR+), HER2-negativem (HER2-) fortgeschrittenem Brustkrebs erhielten in der doppelblinden CAPItello-291-Studie randomisiert Capivasertib plus Fulvestrant oder Plazebo plus Fulvestrant. Zu den Einschlusskriterien gehörten ein Krankheitsrückfall innerhalb von 12 Monaten nach Beendigung der adjuvanten AITherapie oder ein Progress unter AI-Therapie in der fortgeschrittenen Situation (entsprechend einer Behandlung mit maximal 2 endokrinen Therapielinien und maximal 1 Chemotherapielinie). Vorangegangene CDK4/6-Inhibitoren waren erlaubt. Stratifiziert wurde nach Vorhandensein von Lebermetastasen und der vorangegangenen CDK4/6-InhibitorTherapie. Als dualer primärer Endpunkt wurden das PFS der gesamten Studienpopulation sowie das der Patientinnen mit Alterationen im AKT-Signalweg untersucht. Die in die Studie eingeschlossenen Patientinnen waren median 58–60 Jahre alt und mehrheitlich in der Postmenopause (74–84%). Bei 36–41% der Patientinnen lag eine primäre endokrine Resistenz vor, bei 59–64% eine sekundäre Resistenz. 68–73% der Patientinnen hatten zuvor eine CDK4/6-Inhibitor-Therapie erhal- SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2023 15 SABCS 2022 San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2022, 6.–10. Dezember 2022, San Antonio ten, 48–51% eine (neo)adjuvante Chemotherapie und 17–19% eine Chemotherapie, im fortgeschrittenen Stadium. AKT-Signalweg-Alterationen lagen bei 43,7 versus 38,0% der Patientinnen im Capivasertib- bzw. Kontrollarm vor, dabei am häufigsten eine alleinige PIK3CAMutation. Der duale Endpunkt der Studie wurde erreicht. Das mediane PFS für die gesamte Population betrug 7,2 Monate im Capivasertib-Arm versus 3,6 Monate unter Plazebo plus Fulvestrant. Das Risiko für einen Progress wurde um 40% reduziert (HR: 0,60; 95%-KI: 0,51–0,71; p < 0,001). Innerhalb der Population mit AKT-Signalweg-Alterationen betrug das mediane PFS 7,3 versus 3,1 Monate (HR: 0,50; 95%-KI: 0,38–0,65; p < 0,001). Auch die explorative Analyse der nicht-AKTSignalweg-alterierten Population – einschliesslich der Patientinnen mit unbekanntem AKT-Alterationsstatus – bestätigte den Vorteil durch die zusätzliche Capivasertib-Therapie mit einem Median von 7,2 versus 3,7 Monaten (HR: 0,70; 95%-KI: 0,56–0,88). Blieben die Patientinnen mit unbekanntem AKT-Status in der Auswertung unberücksichtigt, verfehlte der Unterschied die statistische Signifikanz knapp (HR: 0,79; 95%-KI: Auf einen Blick ■ In der DESTINY-Breast02-Studie wurde ein gutes Nutzen-Risiko-Profil für T-DXd bei HER2-positiver T-DM1-vorbehandelter Erkrankung gezeigt. Das gegenüber der Wahl des Behandlers signifikant verlängerte progressionsfreie Überleben übertrug sich auch auf das Gesamtüberleben. ■ Die Kombination Capivasertib plus Fulvestrant verdoppelte bei Patientinnen mit HR-positivem fortgeschrittenem Brustkrebs, deren Erkrankung unter einem endokrinbasierten Regime progredient war, das mediane progressionsfreie Überleben. ■ Lösliches E-Cadherin hat das Potenzial zum unabhängigen Prädiktor für das Gesamtüberleben bei Patientinnen mit inflammatorischem Brustkrebs und kommt auch als therapeutische Zielstruktur in Frage. ■ Prämenopausales Östradiol fördert die Hirnmetastasierung. Die Kombination von Östradioldepletion und stereotaktischer Bestrahlung könnte somit die Progression von Hirnmetastasen bei jüngeren Patientinnen mit tripelnegativem Brustkrebs hemmen. 0,61–1,02). Ein PFS-Vorteil durch die zusätzliche Capivasertib-Gabe wurde für alle untersuchten Subgruppen bestätigt. Von der gesamten Studienpopulation sprachen 22,9% der Patientinnen auf die Capivasertib-haltige Therapie an versus 12,2% der Patientinnen im Kontrollarm sowie 28,8 versus 9,7% der AKT-Signalweg-alterierten Population. Mit einer Reife von 28% für das OS wurde bereits der Capivasertib-Vorteil mit einer Hazard Ratio von 0,74 (95%-KI: 0,56–0,98) für die gesamte Studienpopulation sowie von 0,69 (95%-KI: 0,45–1,05) für Patientinnen mit AKT-Signalweg-Alterationen beobachtet. Unter der zusätzlichen Therapie mit Capivasertib erhöhte sich das Auftreten klinisch relevanter Nebenwirkungen von 8,0 auf 16,1%. 13,0 versus 2,3% der Patientinnen brachen die Therapie aufgrund der Toxizität ab. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhoe (72,4 vs. 20,0%) und Übelkeit (34,6 vs. 15,4%). Lösliches E-Cadherin ist prognostischer Marker bei IBC Neben wirksamen Therapien ist auch das Erkennen von Risikofaktoren bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen von hohem Stellenwert. Das inflammatorische Mammakarzinom (IBC) beispielsweise ist mit einer erhöhten Inzidenz von Hirnmetastasen assoziiert und hat insgesamt eine schlechtere Prognose als ein nicht inflammatorisches Mammakarzinom. Die Entzündung führt zudem häufig zu einer falschen Beurteilung und damit zu einer verzögerten Diagnose der onkologischen Erkrankung. Wie beim SABCS gezeigt wurde, scheint beim IBC das Protein E-Cadherin eine onkogene Funktion zu spielen. Bei IBCTumoren und Tumorembolien kann vermehrt eine Überexpression des Proteins beobachtet werden. Hohe Spiegel von löslichem E-Cadherin können im Serum, im Urin und im Plasma von Krebspatientinnen gemessen werden und gehen mit einer schlechten Prognose einher. Damit kann, so das Ergebnis einer beim SABCS 2022 präsentierten Studie, lösliches ECadherin als unabhängiger Prädiktor für das OS bei IBC-Patientinnen verwendet werden (4). Ausserdem könnte lösliches E-Cadherin ein potenzielles therapeutisches Ziel in der Tumormikroumgebung bei Patientinnen mit metastasiertem IBC werden, bemerkten die Autoren. Östradiol unterdrückt anti-tumorale Immunantwort Jüngere Frauen (< 45 Jahre) haben bei einer Brustkrebserkrankung ein erhöh- tes Risiko für die Entwicklung von Hirn- metastasen. Auch das aggressive tri- pelnegative Mammakarzinom entsteht häufiger bei jüngeren Frauen, erklärt aber nicht das häufigere Auftreten der Hirnmetastasierung. Im Mausmodell wurde nun untersucht, ob Östradiol möglicherweise das Wachstum von Hirnmetastasen fördert (5). Es wurde gezeigt, dass prämenopausale Östradiolspiegel das immunsuppressive Tumorumfeld fördern, was zur Hirnme- tastasierung beitragen kann. Durch eine Depletion von Östradiol kann die antitu- morale Immunantwort wiederhergestellt werden, einschliesslich der erhöhten Produktion von T- und B-Zellen. Daher könnte eine Östradioldepletion zusam- men mit einer stereotaktischen Bestrah- lung verwendet werden, um die Progres- sion von Hirnmetastasen bei jüngeren Patientinnen mit tripelnegativem Brust- krebs, mit oder ohne extrakranielle Er- krankung, zu vermindern. n Ine Schmale Referenzen 1. Krop I et al.: Trastuzumab deruxtecan vs physician´s choice in patients with HER2+ unresectable and/or metastatic breast cancer previously treated with trastuzumab emtansine: Primary results of the randomized phase 3 study DESTINY-Breast02. SABCS 2022, Abstr. #G2-01. 2. Hurvitz SA et al.: Trastuzumab deruxtecan versus trastuzumab emtansine in patients with HER2-positive metastatic breast cancer: Updated results of the randomized, phase 3 study DESTINY-Breast03. SABCS 2022, Abstr. #G2-02. 3. Turner NC et al.: Capivasertib and fulvestrant for patients with aromatase inhibitor-resistant hormone receptor-positive/human epidermal growth factor receptor 2-negative advanced breast cancer: Results from the phase III CAPItello-291-trial. SABCS 2022, Abstr. #G3-04. 4. Hu X et al.: Soluble E-cadherin: A novel prognostic biomarker and driver of brain metastasis in inflammatory breast cancer. SABCS 2022, Abstr. #G5-08. 5. Contreras-Zarate MJ et al.: Estradiol represses antitumoral immune response to promote progression of triple-negative breast cancer brain metastases. SABCS 2022, Abstr. #G5-07. 16 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2023