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ASH 2022
64th ASH Annual Meeting and Exposition, 10.–13. Dezember 2022, New Orleans
Aggressive Lymphome
Vielversprechende Ergebnisse mit neuen Substanzen
Die Prognose von Patienten mit aggressiven Lymphomen kann durch neue Substanzen verbessert werden. Der Stellenwert einer allogenen Stammzell transplantation zur Konsolidierung des Ansprechens wurde in einigen der beim ASH präsentierten Studien bestätigt.
Blinatumomab-Konsolidierung bei neu diagnostizierter B-ALL
Erwachsene Patienten mit neu diagnostizierter BCR-ABL1-negativer B-Zell akuter lymphatischer Leukämie (ALL) erhielten in der Phase-III-Studie ECOG-ACRIN-E1910 bei kompletter Remission (CR/CRi) nach Induktionstherapie randomisiert in Studienarm C eine Konsolidierung mit dem CD19/CD3-gerichteten bispezifischen TZell-Engager Blinatumomab plus Chemotherapie oder in Studienarm D eine alleinige Chemotherapiekonsolidierung, jeweils gefolgt von einer Erhaltungstherapie (1). Es wurden 488 Patienten in einem Alter von 30–70 Jahren eingeschlossen. Das mediane Alter betrug 51 Jahre. Mit einer CR/CRi-Rate von 81% erreichten 395 Patienten, von denen 72% Blinatumomab-geeignet waren, die Randomisierung. Insgesamt wurden 286 Patienten in Arm C und D randomisiert, davon zeigten 224 Patienten keine messbare Resterkrankung (MRD–) und 62 Patienten eine messbare Resterkrankung (MRD+). Weitere 18 MRD+-Patienten wurden, aufgrund der Blinatumomab-Zulassung für MRD+, ohne Randomisierung in den Blinatumomab-Arm eingeschlossen. Die Ergebnisse für die MRD-negativen Patienten wurden mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 43 Monaten veröffentlicht. Von den 224 Patienten waren 22 je Studienarm einer allogenen Stammzelltransplantation zugeführt worden. Für das Gesamtüberleben (OS) (primärer Studienendpunkt) war der Median im Blinatumomab-Arm noch nicht erreicht, im Chemotherapie-Arm lag er bei 71,4 Monaten (Hazard Ratio [HR]: 0,42; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,24–0,75; p = 0,003). Bezüglich des rückfallfreien Überlebens (RFS) wurde ein Median von «nicht erreicht» versus 22,4 Monaten beobachtet (HR: 0,46; 95%-KI: 0,27–0,78; p = 0,004).
Die Auswertung der MRD+-Patienten bestätigte mit einer Hazard Ratio von 0,39 ebenfalls einen Vorteil zugunsten der Blinatumomab-haltigen Therapie, überschritt aber aufgrund der kleinen Patientenzahl die statistische Signifikanzgrenze nicht (95%-KI: 0,14–1,10; p=0,066). Der Median war auch für diese Patientenkohorte im BlinatumomabArm noch nicht erreicht und betrug 22,4 Monate im Chemotherapie-Arm.
Intensivierte Chemoimmuntherapie überwindet biologische Risikofaktoren Die Nordische Lymphomgruppe erreichte mit ihren Studien eine Verbesserung der Prognose von Patienten mit grosszelligem B-Zell-Lymphom (LBCL) und hohem Risiko. In der NLG-LBC-6-Studie untersuchte sie eine intensivierte Chemoimmuntherapie mit früher ZNSProphylaxe bei biologischen Risikofaktoren (2). Die Phase-II-Studie NLG-LBC-6 (BIOCHIC) schloss Patienten mit CD20-positivem diffusem grosszelligem B-Zell-Lymphom im Alter von 18–65 Jahren ein. Die Patienten erhielten 2 Zyklen R-CHOP-21 plus Hochdosis (HD)-Melphalan. Patienten ohne progrediente Erkrankung laut CT-Bildgebung wurden stratifiziert nach biologischen Risikofaktoren (MYC [zsingle], DHL, P53-Deletion, P53+, MYC+ und BCL2+ sowie CD5+). Patienten mit Risikofaktoren erhielten 4 Zyklen R-DAEPOCH-21 und Patienten ohne biologische Risikofaktoren 4 Zyklen R-CHOEP-14. Beide Kohorten wurden, bei Ansprechen, anschliessend mit R-HD-AraC behandelt. Bei PET-positiver Erkrankung erhielten die Patienten zudem eine Radiatio. Der primäre Endpunkt war das 3-Jahres-versagenfreie Überleben (FFS) der Patienten mit Risikofaktoren.
123 Patienten wurden in der Intend-totreat (ITT)-Population behandelt. 112 Patienten komplettierten die Immunchemotherapie und 23 Patienten erhielten eine Radiatio. Die Patienten waren im Median 55 Jahre alt, 68% im Stadium IV, 59% mit B-Symptomen und 87% mit erhöhtem LDH-Wert. Bei 17% der Patienten wurde eine 17p/p53-Deletion identifiziert. Die Hälfte der Patienten zeigte ein biologisches Hochrisiko. Eine Komplettremission erreichten 15% der Patienten nach den ersten 2 Zyklen und 79% beim letzten Staging. 84% der Patienten zeigten nach 2 Zyklen eine partielle Remission sowie 19% beim letzten Staging. Nur 5 Patienten (4,3%), alle in der Gruppe der 23 PET-positiven Fälle, waren im letzten Staging progredient. Insgesamt wurde eine Progression bei 12% der Patienten beobachtet, 16% bei Patienten mit biologischem Hochrisiko und 8,1% bei biologisch niedrigem Risiko. Aufgrund von Toxizitäten beendeten 4,9% der Patienten die Therapie, 3,3% der Hochrisikogruppe und 6,4% bei niedrigem Risiko. Nur in einem Fall kam es zu einer ZNSProgression. Nach drei Jahren betrug die FFS-Rate 79%, die PFS-Rate 84% und die OS-Rate 90%. DA-EPOCH-R wurde gut vertragen und konnte die schlechte Prognose durch biologische Risikofaktoren, mit Ausnahme von 17p/p53-Deletion, p53-Mutation und zirkulierender Tumor-DNA-Last, überwinden.
Neue Substanzen sind nach CAR-T-Zell-Therapieversagen zu bevorzugen
Bei rezidiviertem oder refraktärem LBCL wurden nach CAR-T-Zell-Therapie anhaltende Remissionen bei 40–50% der Patienten beobachtet. Für Patienten mit Progress nach CAR-T-Zell-Therapie gibt es keine Standard-Salvage-Therapie und die Datenlage ist begrenzt. Auch wenn diese Patienten in klinische Studien eingeschlossen werden sollen, haben nicht alle Patienten Zugang. Um mehr Informationen zu erhalten, wurden in eine retro-
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2023
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ASH 2022
64th ASH Annual Meeting and Exposition, 10.–13. Dezember 2022, New Orleans
spektive Analyse alle Patienten in Spanien eingeschlossen, die zwischen Januar 2019 und Juni 2022 einen bestätigten Progress nach einer CAR-T-Zell-Infusion aufwiesen und wenigstens einen Monat nachbeobachtet wurden (3). Untersucht wurden die Patientencharakteristika und verschiedene Therapiemöglichkeiten mit Ansprechraten, PFS und OS. Von 481 Patienten mit CAR-T-Zell-Infusion zeigten 226 einen bestätigten Progress. 36% von 217 Patienten mit Progress und verfügbaren Daten wurden nicht weiter behandelt und 64% erhielten eine weitere Therapie. Patienten, die keine weitere Therapie erhielten, waren älter, hatten häufiger bereits mehr als 2 Therapielinien erhalten und wiesen einen IPI-Score 3–5 und/oder einen ECOG PS > 1 auf. Patienten mit einem Ansprechen auf die CAR-T-Zell-Therapie und einem längeren Intervall bis zum Krankheitsprogress erhielten häufiger eine weitere Behandlung. Die häufigsten Therapien nach CAR-TZell-Versagen waren R-Pola-Benda (23%), BITE (20%), Chemotherapie (20%) oder Immuncheckpointinhibitoren (17%). Die Ansprechrate betrug in diesen 4 Therapiegruppen 62, 48, 32 und 22%. Mit median 17 Monaten Nachbeobachtungszeit lag das mediane PFS bei 6,11, 4,7, 2,69 sowie 1,94 Monaten und das mediane OS bei 10,22, 6,41, 5,19 und 5,68 Monaten. Von 15 Patienten, die einer allogenen Stammzelltransplantation zugeführt werden konnten, waren 73% bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 11,1 Monaten am Leben. Eine Konsolidierung mit einer allogenen Stammzelltransplantation bei Therapieansprechen sollte daher mit potenziellen Kandidaten diskutiert werden.
Stammzelltransplantation effektiver als konventionelle Immunchemotherapie
Das primäre ZNS-Lymphom (PZNSL) ist eine aggressive Entität, die aufgrund der problematischen Medikamentengabe und dem sensiblen umgebenden Tumorgewebe eine besondere Herausforderung darstellt. In der offenen, randomisierten Phase-III-Studie MATRix/IELSG43 der German Cooperative Study Group
Auf einen Blick
■ Mit einem signifikant verlängerten Gesamtüberleben gegenüber der alleinigen Chemotherapie ist die Blinatumomab-haltige Konsolidierung ein neuer Standard bei neu diagnostizierter B-Zell-ALL bei Erwachsenen mit MRD-negativem Ergebnis nach Induktionschemotherapie.
■ In der NLG-LBC-6-Studie wurde eine intensivierte Chemoimmuntherapie mit früher ZNS-Prophylaxe bei Patienten mit grosszelligem B-Zell-Lymphom (LBCL) und hohem Risiko untersucht. DA-EPOCH-R wurde gut vertragen und konnte die schlechte Prognose der meisten biologischen Risikofaktoren überwinden.
■ LBCL-Patienten mit Therapieversagen nach CAR-T-Zell-Therapie haben einen besseren Therapieerfolg mit Polatuzumab-haltigen Regimen oder bispezifischen Antikörpern verglichen zu Standard chemotherapien. Geeignete Patienten profitierten bei Ansprechen von der Konsolidierung mit einer allogenen Stammzelltransplantation.
■ Bei Patienten mit primärem ZNS-Lymphom (PZNSL) verlängert die Hochdosischemotherapie plus autologe Stammzelltransplantation das progressionsfreie und das Gesamtüberleben signifikant gegenüber einer konventionellen Immunchemotherapie. Toxizitäten von Grad 3–4 traten häufiger im Stammzelltransplantationsarm auf.
CNS Lymphoma und der International Extranodal Lymphoma Study Group (IELSG) erhielten Patienten mit neu diagnostizierter PZNSL eine Induktionschemotherapie mit Rituximab, HochdosisMethotrexat, Cytarabin und Thiotepa (MATRix) (4). 230 Patienten sprachen auf die Therapie an und erhielten randomisiert eine Konsolidierung mit HochdosisChemotherapie und autologer Stammzelltransplantation (HDT-ASCT) oder zwei Zyklen R-DeVIC (Rituximab, Dexamethason, Etoposid, Ifosfamid, Carboplatin). Toxizitäten Grad 3–4 wurden generell häufiger im HDT-ASCT-Arm beobachtet. Bezüglich der Neurotoxizität Grad 3–4 wurde mit bisher 5% in beiden Studienarmen kein Unterschied gesehen. Es kam bei 3,4 versus 0% der Patienten zu therapieassoziierten Todesfällen. Ein komplettes Ansprechen (CR/uCR) wurde im HDT-ASCT-Arm bei 39,5% der Patienten vor und 67,5% nach der Transplantation gesehen, ein partielles Ansprechen (PR) bei 60,5% vor und 21,1% nach der Konsolidierung. Im R-DeVICArm lagen die CR/uCR- und PR-Raten vor Konsolidierung bei 40,0 und 60,0% und nach der Therapie bei 65,2 und 15,7%. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 45,3 Monaten war das PFS im HDT-ASCT-Arm signifikant verbessert gegenüber R-DeVIC (HR: 0,405; 95%-KI: 0,252–0,650; p = 0,0002). Die 3-Jahres-PFS-Rate betrug 79 versus 53% und scheint ein Plateau zu bilden. Subgruppenanalysen zeigten den PFS-Vor-
teil für alle Altersklassen, ein komplettes
und partielles Ansprechen, für normale
und erhöhte CSF-Proteinspiegel sowie
normale und erhöhte LDH-Werte. Das
Risiko zu Versterben war im HDT-ASCT-
Arm um 54% gegenüber der Konsolidie-
rung mit R-DeVIC signifikant reduziert
(HR: 0,456; 95%-KI: 0,256–0,812; p =
0,0077). Nach 3 Jahren lebten 86 versus
71% der Patienten.
Mit dem Ziel, die Toxizität der Indukti-
onstherapie zu reduzieren, wird nun in
der randomisierten OptiMATe-Studie
eine kürzere Option mit R-MTX-Vorthe-
rapie gefolgt von 2 Zyklen MATRix unter-
sucht.
n
Ine Schmale
Referenzen: 1. Litzow M et al.: ECOG-ACRIN-E1910
NCTN clinical trial: A phase III randomized trial of blinatumomab for newly diagnosed BCR-ABL-negative B lineage acute lymphoblastic leukemia in adults. ASH 2022, Abstr. #LBA-1. 2. Leppä S et al.: Biomarker-driven strategy in high risk large B-cell lymphoma: Final results of a Nordic LBC-06 phase II study. ASH 2022, Abstr. #734. 3. Iacoboni G et al.: Salvage treatment with novel agents is preferable to standard chemotherapy in patients with large B-cell lymphoma progressing after chimeric antigen receptor T-cell therapy. ASH 2022, Abstr. #155. 4. Illerhaus G et al.: Effects on survival of non-myeloablative chemoimmunotherapy compared to high-dose chemotherapy followed by autologous stem cell transplantation as consolidation therapy in patients with primary CNS lymphoma – results of an international randomized phase III trial (MATRix/IELSG43). ASH 2022, Abstr. #LBA-3.
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