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FOKUS BRONCHIALKARZINOM: KONGRESSBERICHT
2022 World Conference on Lung Cancer, 6. bis 9. August, Wien
Fortgeschrittene NSCLC
Onkogene Treibermutationen – die Grenzen der Immuntherapie
Die Substanzgruppe der Checkpointinhibitoren hat die Therapie des fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms deutlich verändert und verhilft vielen Patienten zu längerem Überleben. Allerdings profitieren nicht alle Betroffenen. Zu den Gründen für schlechtes oder überhaupt fehlendes Ansprechen auf Immuntherapien zählen sogenannte onkogene Treibermutationen (EGFR, ALK usw.). Für die Betroffenen werden wirksame Therapiestrategien dringend gesucht.
Patienten mit einem nicht resezierbaren nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) Stadium III profitieren von einer Kombination aus Radiochemotherapie und nachfolgender Immuntherapie mit dem Checkpointinhibitor Durvalumab, der in dieser Indikation aktuell eine Standardtherapie darstellt. Durvalumab führte in dieser Indikation in der PACIFIC-Studie zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (1), was sich letztlich in einer Verlängerung des Gesamtüberlebens über fünf Jahre niederschlägt (2). Dies dürfte jedoch nicht auf alle Patienten zutreffen, so Dr. Ross Soo vom Nationalen Universitätsspital in Singapur. Denn exploratorische Subgruppenanalysen der PACIFIC- Studie legen nahe, dass Patienten mit EGFR- oder ALK-Mutationen nicht von Durvalumab profitieren. Dies sei von Bedeutung, so Soo, da Checkpointinhibitoren durchaus Nebenwirkungen und Risiken mit sich bringen und daher eine Exposition der Patienten, die voraussichtlich nicht von diesen Therapien profitieren werden, vermieden werden sollte (3). Hinzu kommen spezielle Bedenken, dass eine Vorbehandlung mit einem Checkpointinhibitor im Falle einer späteren Therapie mit einem Tyrosinkinaseinhibitor das Risiko von Toxizitäten erhöht.
Immuntherapie bei EGFRMutationen nicht besser als Zweitlinienchemotherapie
Insgesamt stelle sich die Frage, so Soo, ob Patienten mit onkogenen Treibermutationen von einer Behandlung mit Checkpointinhibitoren profitieren. So erwiesen sich Checkpointinhibitoren in einem Review mit Metaanalyse bei Pati-
enten mit EGFR Wild Type als signifikant überlegen im Vergleich zu Docetaxel, während bei Patienten mit EGFR-Mutationen dieser Vorteil nicht nachweisbar war (4). Ebenso zeigt die Registerstudie Immunotarget, dass das progressionsfreie Überleben unter Immuntherapie für Patienten mit EGFR- oder ALK-Mutationen deutlich ungünstiger ausfällt als für alle anderen Patientengruppen (5). Und bereits in den Phase-II-Studien zu Pembrolizumab zeigte sich, dass Patienten mit onkogenen Treibermutationen auch dann nicht auf die Immuntherapie ansprechen, wenn sie PD-L1 exprimieren (6). Mehrere retrospektive Studien zeigen Ähnliches für Durvalumab bei einem Karzinom Stadium III (7). Im Gegensatz dazu ist das Ansprechen auf Checkpointinhibitoren bei KRASMutationen jedoch nicht eingeschränkt (8). Patienten mit onkogenen Treibermutationen zeigten nach Radiochemo therapie ein längeres progressionsfreies Überleben, wenn sie kein Durvalumab erhielten. Eine Analyse einer kleinen Subpopulation dieser Studie ergab, dass Patienten, die einen gegen EGFR gerichteten Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) entweder als Induktions- oder Konsolidierungstherapie erhielten, eine deutliche Verbesserung des progressionsfreien Überlebens zeigten (9). Als mechanistischer Hintergrund wird vermutet, dass Tumoren mit onkogenen Treibermutationen ein für Checkpointinhibitoren ungünstiges Milieu erzeugen, in dem zahlreiche immunsupprimierende Faktoren wirksam werden, erklärt Soo. Dies führe dazu, dass die betroffenen Patienten generell ein kürzeres progressionsfreies Überleben (PFS) und kürzeres Gesamtüberleben (OS) zeigen.
Auch die Metastasierung verläuft nach einem spezifischen Muster mit vermehrtem Auftreten von ZNS-Metastasen (10).
Tyrosinkinaseinhibitoren nach
Radiochemotherapie
Aktuell wird in mehreren Studien ver-
sucht, Strategien und Sequenzen zu de-
finieren, von denen Patienten mit NSCLC
und onkogenen Treibermutationen pro-
fitieren können. Eine dieser Strategien
verwendet EGFR-TKI als Induktionsthe-
rapie. In einer einarmigen japanischen
Studie wurde so ein medianes Gesamt-
überleben von fünf Jahren erreicht (11).
In einer koreanischen Studie zeigte die
Kombination von Induktionstherapie
mit Erlotinib, gefolgt von Strahlenthera-
pie und Konsolidierung, hohe Ansprech-
raten und verlängertes Überleben (12).
Für den EGFR-TKI Gefitinib in Kombina-
tion mit Strahlentherapie wurden eine
Ansprechrate von mehr als 80% sowie
ein progressionsfreies Überleben von
fast 30 Monaten gezeigt (13). Ein unge-
löstes Problem bleibt in allen diesen Stu-
dien das Auftreten von Gehirnmetasta-
sen, so Soo. In der zuletzt genannten
Studie mit Gefitinib waren 44% der Pati-
enten davon betroffen. Mit grosser
Spannung werden die Ergebnisse der
Phase-III-Studie LAURA erwartet, die
den Tyrosinkinaseinhibitor Osimertinib
als Konsolidierungstherapie nach Radio-
chemotherapie im Vergleich zu Plazebo
untersucht.
n
Reno Barth
Quelle: WCLC 2022, Session «Optimizing Radio-ChemoImmunotherapy for Locally Advanced NSCLC», am 8. August in Wien
Referenzen: 1. Antonia SJ et al.: Durvalumab after Chemoradiothe-
rapy in Stage III Non-Small-Cell Lung Cancer. N Engl J Med. 2017;377(20):1919-1929. 2. Spigel DR et al.: Five-Year Survival Outcomes From the PACIFIC Trial: Durvalumab After Chemoradiotherapy in Stage III Non-Small-Cell Lung Cancer. J Clin Oncol. 2022;40(12):1301-1311. 3. Schoenfeld AJ et al.: Severe immune-related adverse events are common with sequential PD-(L)1 blockade and osimertinib. Ann Oncol. 2019;30(5):839-844.
16 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2022
FOKUS BRONCHIALKARZINOM: KONGRESSBERICHT
2022 World Conference on Lung Cancer, 6. bis 9. August, Wien
4. Lee CK et al.: Clinical and Molecular Charac teristics Associated With Survival Among Patients Treated With Checkpoint Inhibitors for Advanced Non-Small Cell Lung Carcinoma: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Oncol. 2018;4(2):210-216.
5. Mazieres J et al.: Immune checkpoint inhibitors for patients with advanced lung cancer and oncogenic driver alterations: results from the IMMUNOTARGET registry. Ann Oncol. 2019;30(8):1321-1328.
6. Lisberg A et al.: A Phase II Study of Pembrolizumab in EGFR-Mutant, PD-L1+, Tyrosine Kinase Inhibitor Naïve Patients With Advanced NSCLC. J Thorac Oncol. 2018;13(8):1138-1145.
7. Hellyer JA et al.: Role of Consolidation Durvalumab in Patients With EGFR- and HER2-Mutant Unresectable Stage III NSCLC. J Thorac Oncol. 2021;16(5):868-872.
8. Riudavets M et al.: Durvalumab consolidation in patients with unresectable stage III non-small-cell lung cancer with driver genomic alterations. Eur J Cancer. 2022;167:142-148.
9. Aredo JV et al.: Durvalumab for Stage III EGFR-Mutated NSCLC After Definitive Chemoradiotherapy. J Thorac Oncol. 2021;16(6):1030-1041.
10. Tanaka K et al.: EGFR Mutation Impact on Definitive Concurrent Chemoradiation Therapy for Inoperable Stage III Adenocarcinoma. J Thorac Oncol. 2015;10(12):1720-5.
11. Hotta K et al.: Gefitinib induction followed by chemoradiotherapy in EGFR-mutant, locally advanced non-small-cell lung cancer: LOGIK0902/OLCSG0905 phase II study. ESMO Open. 2021;6(4):100191.
12. Lee Y et al.: Incorporating Erlotinib or Irinotecan Plus Cisplatin into Chemoradiotherapy for Stage III Non-small Cell Lung Cancer According to EGFR Mutation Status. Cancer Res Treat. 2017;49(4):981-989.
13. Akamatsu H et al.: Gefitinib With Concurrent Thoracic Radiotherapy in Unresectable Locally Advanced NSCLC With EGFR Mutation; West Japan Oncology Group 6911L. J Thorac Oncol. 2021;16(10):1745-1752.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2022
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