Transkript
EHA2022
Jahreskongress der European Hematology Association, 15. bis 17. Juni 2022, Wien und online
Multiples Myelom
Update zu unterschiedlichen Therapieansätzen bei stark vorbehandelten Patienten
In verschiedenen laufenden Studien werden therapeutische Ansätze wie eine BCMAgerichtete CAR-T-Zelltherapie oder der bispezifische Antikörper Teclistamab bei stark vorbehandelten Patienten mit Multiplem Myelom untersucht. Am diesjährigen EHA-Kongress gab es zu einigen dieser Studien ein Update. Bei neudiagnostizierten Patienten verglich die ATLAS-Studie den Effekt eines Triplets als Erhaltungstherapie nach der Transplantation mit dem aktuellen Standard Lenalidomid.
Auf dem Gebiet des rezidivierten/refraktären Multiplen Myeloms (MM) wurden unter anderem aktuelle Resultate der Kohorte B der Studie CARTITUDE-2 vorgestellt (1). Diese Phase-II-Multikohorten-Studie untersucht die Sicherheit und Wirksamkeit der gegen BCMA-gerichteten CAR-T-Zelltherapie mit Ciltacabtagene autoleucel (Cilta-Cel). Kohorte B beinhaltet dabei Patienten mit einem frühen Rezidiv nach einer initialen Proteasominhibitor/Immunmodulator-Therapie, definiert als Rezidiv innerhalb von 12 Monaten nach einer autologen Stammzelltransplantation (ASCT) oder innerhalb von 12 Monaten nach Start einer MM-Therapie bei nicht transplantierten Patienten.
Cilta-Cel bei rezidivierten/ refraktären Patienten
Die am EHA vorgestellte Analyse umfasste 19 Patienten (79% mit vorgängiger ASCT) und ein medianes Follow-up von 13,4 Monaten. Zu Studienbeginn waren 15,8% dieser Patienten triple refraktär. Die Analyse zeigte schliesslich eine Gesamtansprechrate (ORR) von 100%, bei 90% mit mindestens komplettem Ansprechen (CR) und 95% mit mindestens sehr gutem partiellem Ansprechen (VGPR). Die mediane Zeit bis zum ersten Ansprechen betrug 1 Monat und die mediane Zeit bis zum besten Ansprechen 5,1 Monate. Eine negative MRD (minimale Resterkrankung, 10-5, 15 Patienten auswertbar) erreichten 14 Patienten (93%). Das 1-Jahres-PFS (progressionsfreies Überleben) betrug 89,5%. Die mediane Persistenz der CAR-T-Zellen lag bei 77 Tagen.
Ein Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) trat bei 16 Patienten (84,1%) auf (ein Patient mit Grad 3/4). Alle Ereignisse bildeten sich wieder zurück. Zur Behandlung des CRS wurden Tocilizumab (n = 12) und/oder Steroide (n = 4) eingesetzt. Eine Neurotoxizität konnte bei 5 Patienten (26%) beobachtet werden. Sie bildete sich in 3 Fällen zurück. Als ePoster präsentierten Lin et al. aktuelle Daten der Phase-Ib/II-Studie CARTITUDE-1 (2). In diese Studie wurden sehr stark vorbehandelte Patienten (im Median 6 Therapielinien, 88% triple-, 42% pentarefraktär) eingeschlossen und mit Cilta-Cel behandelt. Die Analyse umfasst ein medianes Followup von 28 Monaten und zeigte ein anhaltendes und sich vertiefendes Ansprechen (ORR 98%, stringent CR 83%) mit einem noch nicht erreichten medianen PFS und medianen Gesamtüberleben (OS) und einem handhabbaren Sicherheitsprofil.
CAR-T-Zell-vortherapierte Patienten profitieren auch
CT103A stellt eine vollständig humane BCMA-gerichtete CAR-T-Zelltherapie der zweiten Generation dar. Die bisherige Analyse der laufenden Phase-I/IIStudie FUMAMBA-1 bei Patienten mit einem rezidivierten/refraktären MM ergab für CT103A eine gute Sicherheit bei einer vielversprechenden Wirksamkeit (3). An dieser Studie konnten erstmals auch Patienten teilnehmen, die bereits mit einer nicht-humanen BCMAgerichteten CAR-T-Zelltherapie vorbehandelt waren. Li et al. präsentierten am EHA aktuelle Daten zu 79 Patienten
mit einem medianen Follow-up von 9,6 Monaten (4). Die mediane Anzahl an Vortherapien betrug 5. Dreizehn Patienten (16,5%) hatten bereits eine nichthumane BCMA-CAR-T-Zelltherapie erhalten. Der Anteil an Patienten mit einer Hochrisiko-Zytogenetik betrug 34%. Die ORR für alle Patienten lag bei 94,9%, mit 69,9% CR/sCR und 89,9% > VGPR. Im Median dauerte es 16 Tage bis zum Ansprechen und 95 Tage bis zu einem CR/sCR. Bei den 13 bereits mit CAR-TZellen vorbehandelten Patienten betrug die ORR 98,5%, mit 46,2% CR/sCR. Alle Patienten mit einer CR/sCR waren MRD-negativ. Bei 66% der Patienten waren die CAR-T-Zellen nach 6 Monaten und bei 62% nach 12 Monaten noch nachweisbar. Ein CRS trat bei 95% der Behandelten auf (Grad 3: 2,5%, d.h. 2 Patienten). Dieses bildete sich bei allen Patienten unter Behandlung mit Tocilizumab/Steroiden wieder zurück. Die häufigsten Nebenwirkungen > Grad 3 waren Neutropenie (78,5%), Leukopenie (74,4%), Lymphopenie (55,7%), Thrombozytopenie (54,4%) und Anämie (46,8%).
Gute Resultate mit neuem Immuntherapieansatz
Einen neuen, Immuntherapie-basierten Ansatz zur Behandlung rezidivierter/refraktärer MM-Patienten stellten Otero et al. mit ihrer Kombination aus Teclistamab (bispezifischer BCMA x CD3-Antikörper) und dem Anti-CD38-Antikörper Daratumumab vor (5). In der Phase-IbStudie TRIMM-2 wird Teclistamab (1,5–3 mg/kg subkutan wöchentlich oder alle 2 Wochen) in Kombination mit Daratumumab (1800 mg) untersucht. Die aktuelle Präsentation mit einem medianen Follow-up von 7,2 Monaten beinhaltete die Daten von 46 Patienten mit im Median 6 Vortherapien. Das Ansprechen konnte bei 37 Patienten ausgewertet werden. Es zeigte sich eine ORR von 78%, mit > VGPR bei 73% der Patienten.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2022
23
EHA2022
Jahreskongress der European Hematology Association, 15. bis 17. Juni 2022, Wien und online
Bei 91% der Patienten kam es zu mindestens einer Nebenwirkung (alle Grade), 78% hatten eine Nebenwirkung vom Grad 3/4. Am häufigsten trat ein CRS auf (61%, alle Grad 1/2); weitere häufige Nebenwirkungen waren Neutropenie (54%), Anämie (46%), Thrombozytopenie (33%) und Durchfall (33%). Damit könnte Teclistamab in Kombination mit Daratumumab einen neuartigen Immuntherapieansatz mit verbesserter Wirksamkeit bei stark vorbehandelten Patienten darstellen.
KRd nach ASCT besser als R-Erhaltungstherapie
Nicht nur das rezidivierte/refraktäre Setting, sondern auch die Behandlung von MM-Patienten nach einer ASCT autologen Stammzelltransplantation stellt ein Gebiet aktiver Forschungen dar. Bisheriger Standard ist hier eine Lenalidomid(R)-Erhaltungstherapie. Resultate einer Phase-II-Studie zeigten jedoch, dass eine erweiterte PostASCT-Behandlung mit Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason (KRd) nach einer KRd-Induktion die Tiefe und Dauer des Ansprechens verbesserte (6). In der laufenden Phase-III-Studie ATLAS wurden nun 180 Patienten mit neu diagnostiziertem MM eingeschlossen, die über einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten eine beliebige Induktionstherapie gefolgt von einer einmaligen ASCT erhalten und innerhalb von 100 Tagen mindestens eine stabile Erkrankung erreicht hatten (7). Die Patienten wurden dann entweder zur KRd (n = 93) oder R (n = 87) randomisiert. Bei Patienten mit normalem zytogenetischen Risiko, die nach Zyklus 6 MRD negativ waren, wurde KRd nach 8 Zyklen abgesetzt und mit einer R-Erhaltungstherapie begonnen. Patienten mit hohem zytogenetischen Risiko oder solche, die nach Zyklus 6 nicht MRD-negativ waren, blieben für weitere 28 Zyklen bei KRd, bevor sie zur R-Erhaltungstherapie wechselten. Bei allen Patienten wurde die R-Erhaltungstherapie bis zur Unverträglichkeit oder zum Fortschreiten der Krankheit fortgesetzt. Die am EHA-Kongress präsentierte Analyse beinhaltete 92 auswertbare Patienten aus dem KRdund 86 aus dem R-Arm.
Nach 6 Zyklen waren 47% der Patienten mit KRd und 29% mit R MRD-negativ. Bei einem medianen Follow-up von 33,8 Monaten waren 23 Patienten (25%) des KRd-Arms und 38 Patienten (44%) des R-Arms progredient. Das geschätzte mediane PFS betrug 59 Monate für KRd und 41,1 Monate für R (Hazard Ratio [HR]: 0,56; p = 0,026). Zum Cut-off waren 90% der Patienten unter KRd und 87% der Patienten unter R am Leben. Keiner der Todesfälle stand im Zusammenhang mit der Therapie. Nebenwirkungen aller Grade waren in beiden Therapiearmen vergleichbar. Die häufigsten Nebenwirkungen > Grad 3 und diejenigen von besonderem Interesse waren Neutropenie (KRd: 47%; R: 59%), Thrombozytopenie (KRd: 13%; R: 7%), Infektionen (KRd: 15%; R: 6%), kardiovaskuläre Toxizitäten (KRd: 4%; R: 5%) und Zweitmalignome (je 2 Patienten pro Arm). Dr. med. Dominik Dytfeld (Polen), der die Resultate vorstellte, meinte zum Schluss seiner Präsentation: «ATLAS ist die erste randomisierte Phase-III-Studie, die ein besseres PFS mit einer verlängerten KRd-Therapie nach Transplantation im Vergleich zur R-Erhaltung zeigte. Eine MRD-gesteuerte, Risikoadaptierte KRd-Erhaltungstherapie nach ASCT könnte damit einen neuen Therapiestandard darstellen.»
VMP: schlechtere Lebens qualität zu Therapiebeginn
D’Agostino et al. untersuchten bei nicht transplantierbaren Patienten den Einfluss einer Erstlinientherapie mit Bortezomib-Melphalan-Prednison (VMP, 9 Zyklen, n = 56) im Vergleich zu einer rein oralen Therapie mit Lenalidomid-Dexamethason (Rd, kontinuierliche Gabe, n = 48) auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) (8). Insgesamt waren 46% der Patienten älter als 75 Jahre und 40% waren gebrechlich. Daten wurden mittels EORTC-QLQ-C30Fragebogen und der EQ-5D-5L visuellen Analogskala (VAS) zu Studienbeginn und danach für die Dauer von einem Jahr alle 3 Monate erhoben. Beide Behandlungsgruppen zeigten bezüglich Ausgangscharakteristiken und Ansprechen auf die Therapie keine Unterschiede. Die HRQoL war in beiden
Auf einen Blick
■ Bei stark vorbehandelten Patienten zeigten Ansätze wie die CAR-T-Zelltherapie mit Ciltacabtagene Autoleucel und der bispezifische Antikörper Teclistamab in Kombination mit Daratumumab vielversprechende Resultate (1, 3, 5).
■ CT1103A, vollständig humane BCMA-ge richtete CAR-T-Zellen, führten auch bei bereits mit einer nicht-humanen BCMA- gerichteten CAR-T-Zelltherapie vor behandelten Patienten zu vielversprechenden Ansprechraten (4).
■ Eine MRD-gesteuerte, Risiko-adaptierte KRd-Erhaltungstherapie erreichte bei neu diagnostizierten MM-Patienten nach ASCT ein besseres PFS als eine R-Erhaltungstherapie (7).
Gruppen zu Studienbeginn durch die Myelom-Erkrankung gleichermassen beeinträchtigt. Nach drei Monaten wiesen die Patienten unter einer VMP-Therapie in allen Bereichen (globaler Gesundheitszustand, körperliche Funk tionsfähigkeit, Rollenfunktion, Müdigkeit, Übelkeit, Appetitlosigkeit, EQ5D-5L-VAS) schlechtere Werte auf als die Patienten unter Rd. Im weiteren Verlauf der Therapie kam es zu einer Verbesserung der Werte im VMP-Arm auf ein mit Rd vergleichbares Niveau. n
Therese Schwender
Referenzen: 1. Agha ME et al.: Cartitude-2 Cohort B: Updated
Clinical Data And Biological Correlative Analyses Of Ciltacabtagene Autoleucel In Patients With Multiple Myeloma And Early Relapse After Initial Therapy. EHA 2022, Abstract S185. 2. Lin Y et al.: Ciltacabtagene Autoleucel, A BCMA Directed CAR-T Cell Therapy, In Patients With Relapsed/Refractory Multiple Myeloma: 2-Year Post LPI Results From The Phase 1b/2 CARTITUDE-1 Study. EHA 2022, Abstract P961. 3. Li C et al.: A Phase 1/2 Study of a Novel Fully Human B-Cell Maturation Antigen-Specific CAR-T Cells (CT103A) in Patients with Relapsed and/or Refractory Multiple Myeloma. ASH 2021, Abstract 547. 4. Li C et al.: Updated Phase 1/2 Data of Safety and Efficacy of CT103A, Fully Human BCMA-Directed CAR-T Cells, in Relapsed/Refractory Multiple Myeloma. EHA 2022, Abstract S187. 5. Otero PR et al.: Teclistamab In Combination With Daratumumab, A Novel, Immunotherapy-Based Approach For The Treatment Of Relapsed/Refractory Multiple Myeloma: Updated Phase 1b Results. EHA 2022, Abstract S188. 6. Jasielec JK et al.: Carfilzomib, lenalidomide, and dexamethasone plus transplant in newly diagnosed multiple myeloma. Blood 2020;136(22):25132523.
24 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2022
EHA2022
Jahreskongress der European Hematology Association, 15. bis 17. Juni 2022, Wien und online
7. Dytfeld D et al.: ATLAS: A Phase 3 Randomized Trial Of Carfilzomib, Lenalidomide, And Dexamethasone Versus Lenalidomide Alone After StemCell Transplant For Multiple Myeloma. EHA 2022, Abstract S175.
8. D’Agostino M et al.: Health-Related Quality Of Life In Transplant-Ineligible Real-Life Multiple Myeloma Patients Treated With Bortezomib-Melphalan-Prednisone (VMP) Vs. Lenalidomide-Dexamethasone (RD). EHA 2022, Abstract S300.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2022
25