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2022 ASCO
Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology, 3. bis 7. Juni 2022, Chicago und online
Lungenkarzinom
Studien zu den drei wichtigen Therapiesäulen und deren Kombination
Die Behandlung des fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) alleinigen Immuntherapie. Die Autoren
bleibt trotz vieler Therapieoptionen eine Herausforderung. Insbesondere die Einordnung der verfügbaren Wirksubstanzen anhand der bekannten Studienergebnisse kann nicht ohne kritische Betrachtung erfolgen. Beim diesjährigen ASCO wurden in der «Oral Session» Auswertungen zum Stellenwert von Immun- und Chemotherapie
schlussfolgerten, dass ihre Untersuchung nicht auf einen Unterschied zwischen Chemo-Immuntherapie versus alleinige Checkpoint-Immuntherapie schliessen lässt und die Unterschiede
der FDA präsentiert und weitere zielgerichtete Strategien vorgestellt.
beim PFS und ORR im Kontext der OS-
Ergebnisse zu deuten seien.
Für die Behandlung des Lungenkarzi- delt. Im Ergebnis war die Kombination Die zweite FDA-Analyse fokussierte auf
noms stehen als wichtige Therapiesäu- von Checkpoint-Inhibitor plus Chemo- den Einfluss des KRAS-Mutationsstatus
len die Immun-Checkpoint-Therapie, therapie mit median 25,0 Monaten Ge- und der PD-L1-Expression auf die Erst-
zielgerichtete Therapien und Chemo- samtüberleben vergleichbar mit der al- linientherapie mit Checkpoint-Inhibitor
therapien zur Verfügung. Durch die leinigen Checkpoint-Immuntherapie mit oder ohne Chemotherapie (2). In
ständig fortschreitende Entwicklung mit median 20,9 Monaten. Die Hazard dieser Untersuchung wurden die Daten
neuer Wirksubstanzen und die Unter- Ratio [HR] zeigt einen numerischen von 1430 NSCLC-Patienten ausgewer-
suchung neuer Kombinationen in un- Nutzen der zusätzlichen Chemothera- tet, von denen 61% den KRAS-Wildtyp
terschiedlichen Therapielinien bedarf pie (HR: 0,82; 95%-Konfidenzintervall (KRASwt) und 39% eine KRAS-Mutation
es einer ständigen Überarbeitung des [KI]: 0,62–1,08). Für das progressions- (KRASm; 11% eine KRASG12C-Punktmu-
Therapiealgorithmus. Die amerikani- freie Überleben (PFS: median 9,6 vs. 7,1 tation [KRASG12C]) aufwiesen. Die An-
sche Behörde FDA (U.S. Food and Drug Monate; HR: 0,69; 95%-KI: 0,55-0,87) sprechraten lagen für Patienten unter
Administration) präsentierte beim und das Ansprechen (ORR: 61 vs. 43%; einer Kombination von Checkpoint-In-
ASCO in zwei Vorträgen die Analyse OR: 1,2; 95%-KI: 1,1–1,3), explorative se- hibitor plus Chemotherapie unabhän-
der eingereichten Daten zur Optimie- kundäre Studienendpunkte, lag ein sig- gig vom KRAS-Status bei vergleichba-
rung der Erstlinientherapie beim fort- nifikanter Vorteil für die Kombination ren 51% (KRASwt), 46% (KRASm) und
geschrittenen nicht kleinzelligen Lun- der Behandlungsstrategien vor (Abb). 47% (KRASG12C). Ebenfalls vergleich-
genkarzinom (NSCLC) (1, 2).
In den Subgruppenanalysen zum OS bare Ansprechraten wurden unter all
Stellenwert der Chemotherapie im Kontext diskutieren
und PFS zeigte sich in der Gruppe der Patienten ≥ 75 Jahre ein Hinweis auf einen besseren oder zumindest keinen
einiger Checkpoint-Immuntherapie (33%, 37%, 33%) und alleiniger Chemotherapie gesehen (32%, 33%, 44%).
In der ersten Analyse wurden von der schlechteren Therapieerfolg mit der Für das Gesamtüberleben wurde kein
FDA zugelassene Regime für Tumoren
ohne genetische Alterationen darauf
Überlebenswahrscheinlichkeit
untersucht, ob bei einer PD-L1-Expression ≥ 50% die Kombination einer im-
1,00
munonkologischen Substanz mit einer Chemotherapie notwendig ist (1). In die
0,75
Auswertung flossen die Daten von 9084 therapienaiven NSCLC-Patienten aus
0,50
12 randomisierten Studien ein, von denen 3189 Patienten einen PD-L1-Score
0,25
≥ 50% aufwiesen. Das exploratorische primäre Studienziel war das Gesamtüberleben (OS). In den Studien wurden 455 Patienten mit einer Checkpoint-Immuntherapie plus Chemotherapie, 1298 Patienten mit einer alleinigen Checkpoint-Im-
0,00
0
6 12 18 24 30
Zeit (Monate) Medianes PFS – Immuntherapie: 7,1 Monate (95%-Konfidenzintervall: 6,3 – 8,3) – Immuntherapie + Chemotherapie: 9,6 Monate (95%-Konfidenzintervall: 8,4–11,1)
muntherapie und 1436 Patienten mit Abb.: Progressionsfreies Überleben (PFS) unter Erstlinientherapie mit Immuntherapie
einer alleinigen Chemotherapie behan- oder Immuntherapie plus Chemotherapie (mod. nach [1])
6 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2022
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prädiktiver Einfluss des KRAS-Status beobachtet. Im Median überlebten die Patienten 18,7 (KRASwt), 22,4 (KRASm) und 20,8 Monate (KRASG12C) bei Behandlung mit Immun- und Chemotherapie sowie 16,4 (KRASwt), 16,2 (KRASm) und 11,8 Monate (KRASG12C) unter alleiniger Checkpoint-Immuntherapie. Alle Patienten scheinen laut dieser Untersuchung von der zusätzlichen Chemotherapie zur Immuntherapie zu profitieren, unabhängig vom PD-L1- und KRAS-Status. Somit sei aus Sicht der FDA für klinische Studien zur Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC in der ersten Therapielinie als optimaler Kontrollarm eine Kombination von Checkpoint-Immuntherapie plus Chemotherapie zu verwenden, bemerkten die Autoren dieser Auswertung.
Erfolge mit LAG-3 und PD-1-gerichteter Kombination
Eine vielversprechende neue Kombination könnte, laut Ergebnissen der multinationalen, offenen Phase-II-Studie TACTI-002, aus Eftilagimod alpha plus Pembrolizumab bestehen. Eftilagimod alpha ist ein lösliches LAG3-Protein, welches über den MHC Klasse-II-Komplex (MHC-II) antigenpräsentierende Zellen (APC) und CD8 T-Zellen aktiviert. Beim ASCO wurde der Studienarm der Kombinationstherapie für PD-L1-unselektierte NSCLCPatienten in der ersten Therapielinie vorgestellt (3). 114 Patienten mit fortgeschrittenem (Stadium IIIB) oder metastasiertem NSCLC erhielten 8 Zyklen der Kombination von Eftilagimod alpha (q2w) plus Pembrolizumab (q3w) gefolgt von Eftilagimod alpha plus Pembrolizumab (beide q3w) für weitere 9 Zyklen, gefolgt von einer Pembrolizumab-Monotherapie über die Dauer von 16 Zyklen (q3w). Primärer Studienendpunkt war die Ansprechrate nach iRECISTKriterien. Ein Ansprechen wurde mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 11,2 Monaten bei 38,6% der Patienten festgestellt. Tumoren mit höherer PD-L1Expression sprachen besser auf die Therapie an. 2 Patienten zeigten ein komplettes Ansprechen und bei 19,4%
der Patienten wurde ein Rückgang der Zielläsionen um mindestens 50% beobachtet. Die Remissionen waren tief und langanhaltend. Nur 8,6% der Patienten mit bestätigtem Ansprechen hatten innerhalb von ≤ 6 Monaten eine progrediente Erkrankung. Das PFS dauerte im Median 6,9 Monate an, mit längerem PFS für die Subgruppe der Patienten mit PD-L1-Expression ≥ 50% (median 11,8 Monate) und 1 bis 49% (median 9,3 Monate). Im Median wurden die Patienten 23,1 Wochen mit Eftilagimod alpha und 21,8 Wochen mit Pembrolizumab behandelt. Bisher komplettierten 5 Patienten 2 Therapiejahre. 11 Patienten (9,6%) beendeten die Studienmedikation aufgrund von therapieassoziierten Nebenwirkungen. Als häufigste Nebenwirkungen wurden Dyspnoe (34,2%), Asthenie (30,7%), verminderter Appetit (23,7%), Husten (23,7%), Anämie (21,1%) und Fatigue (20,2%) beobachtet. Insgesamt waren die Nebenwirkungen mehrheitlich von Grad 1–2. Immunbezogene Nebenwirkungen traten selten und dann mit Grad 1–2 auf. Ein Zytokinsturm wurde nicht beobachtet.
Neue Auswertungen zur KRASG12C-gerichteten Therapie
Die KRAS-Mutation ist seit langer Zeit als onkogene Treibermutation für verschiedene Krebsentitäten bekannt. Mit Adagrasib wurde nun eine zielgerichtete Substanz für KRASG12C-Punktmutationen entwickelt. Der KRASG12C- Inhibitor wird in der Phase-II-Studie KRYSTAL-1 bei Patienten mit verschiedenen Tumorentitäten untersucht. In Kohorte A der Studie wurden 116 vorbehandelte Patienten mit NSCLC eingeschlossen (4). Die meisten dieser Patienten (98%) hatten bereits eine platinbasierte Therapie und einen Checkpoint-Inhibitor erhalten. Die Ergebnisse der Phase-II-Studie sind vielversprechend. Ein Ansprechen wurde bei 43% der Patienten gesehen, wobei es sich im Wesentlichen um partielle Remissionen handelte. 37% der Patienten erreichten eine Stabilisierung der Erkrankung. Das mediane PFS betrug 6,5 Monate (95%-KI: 4,7–8,4) und das mediane OS 12,6 Monate (95%-KI:
Auf einen Blick
■ Die Kombination von Immuntherapie und Chemotherapie ist laut zwei Auswertungen der FDA in jedem Fall nicht schlechter als die alleinige Immuntherapie. Bei Patienten mit PD-L1-Expression ≥ 50% wurden keine OS-Unterschiede mit zusätzlicher Chemotherapie gesehen, bei verschiedenen KRASKohorten war die kombinierte Therapie überlegen.
■ Die Kombination von LAG-3 und PD-1- gerichteten Therapien könnte eine neue Standardtherapie für die erste Therapielinie beim NSCLC werden, so die Ergebnisse der Phase-II-Studie TACTI-002.
■ Ergebnisse der Phase-II-Studie KRYSTAL-1 zeigen auch für Patienten mit NSCLC vielversprechende Ergebnisse für die Therapie von KRASG12C-mutierten Tumoren mit dem KRASG12C-Inhibitor Adagrasib.
9,2–19,2). Nach 6 Monaten lebten 71%
und nach 12 Monaten noch mehr als die
Hälfte der Patienten (51%). Adagrasib
wird nun in der konfirmatorischen
Phase-III-Studie KRYSTAL-12 versus Do-
cetaxel bei vorbehandelten Patienten
mit KRASG12C-mutiertem NSCLC unter-
sucht.
n
Ine Schmale
Referenzen: 1. Akinboro O et al.: Outcomes of anti-PD-(L)1 the-
rapy with or without chemotherapy for first-line treatment of advanced non-small cell lung cancer with PD-L1 score ≥50%: FDA pooled analysis. ASCO 2022, Abstract 9000. 2. Nakajima EC et al.: Outcomes of first-line immune checkpoint inhibitors with or without cehmotherapy according to KRAS mutational status and PDL1 expression in patients with advanced NSCLC: FDA pooled analysis. ASCO 2022, Abstract 9001. 3. Felip E et al.: A phase II study (TACTI-002) in 1st line metastatic non-small cell lung cancer investigating eftilagimod alpha (soluble LAG-3 protein) and pembrolizumab: Updated results from a PDL1 unselected population. ASCO 2022, Abstract 9003. 4. Spira AI et al.: KRYSTAL-1: Activity and safety of adagrasib (MRTX849) in patients with advanced/ metastatic non-small cell lung cancer harboring a KRASG12C mutation. ASCO 2022, Abstract 9002.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2022
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