Transkript
Aktuelle Studien der SAKK
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe zwei offene Studien vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organisation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für eine der hier vorgestellten Studien oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möchten, kontaktieren Sie bitte den Studienleiter (Coordinating Investigator) oder die Studienkoordinatoren (Clinical Project Manager).
Infos zur SAKK: www.sakk.ch
Prof. Dr. med. Roger von Moos Präsident der SAKK E-Mail: roger.vonmoos@ksgr.ch
a k t u e l l Seite der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK)
SAKK 09/18 Radikale Prostatektomie bei Prostatakarzinom: Wie hilfreich ist eine ausgedehnte Lymphknotendissektion?
Bei vielen Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom erfolgt eine radikale Prostatektomie mit gleichzeitiger Lymphknotendissektion inklusive Entfernung von Fett- und Bindegewebe im ganzen Beckenraum (extended pelvic lymph node dissection, ePLND). Der Nutzen einer ePLND in Bezug auf den Krankheitsverlauf wird allerdings kontrovers diskutiert. Es ist erwiesen, dass die Entfernung der Lymphknoten das Staging verbessert, hingegen fehlen prospektiv randomisierte Studien, die eine verbesserte Prognose der Erkrankung durch die Entfernung der Lymphknoten zeigen können. Zudem verlängert eine ePLND die Dauer der Operation um rund 40 bis 60 Minuten, und entsprechend verändert sich das Komplikationsspektrum. In der Studie SAKK 09/18 wird deshalb untersucht, wie sich eine ePLND auf den Krankheitsverlauf und die Prognose der Patienten auswirkt. An der Studie können Männer im Alter zwischen 18 und 80 Jahren mit lokalisiertem Prostatakarzinom teilnehmen, die ein Risiko für Lymphknotenmetastasen von über 5% haben und bei denen eine radikale Prostatektomie geplant ist. Patienten, bei denen vor der Operation mittels Bildgebung Lymphknotenmetastasen festgestellt werden, können nicht teilnehmen. Die Studienteilnehmer werden in zwei Gruppen randomisiert: Bei der einen wird eine radikale Prostatektomie mit ePLND, bei der anderen eine radikale Prostatektomie ohne ePLND durchgeführt. Danach erfolgen regelmässige Nachkontrollen bis zu 15 Jahre nach
Abbildung: Ablauf der Studie SAKK 09/18 Entfernung der Beckenlymphknoten oder keine Entfernung der Beckenlymphknoten bei radikaler Prostataentfernung bei Prostatakarzinom mit mittlerem oder hohem Risiko: eine internationale, multizentrische (an verschiedenen medizinischen Zentren durchgeführte), randomisierte Phase-III-Studie.
der Operation. Der primäre Endpunkt besteht in der Zeit bis zum Auftreten eines «biochemischen Rezidivs», also im Anstieg des PSA ≥ 0,2 ng/ml. Sekundäre Endpunkte sind unter anderem das Gesamtüberleben, die Dauer bis zum Auftreten eines lokalen Rezidivs oder von Fernmetastasen sowie die Lebensqualität. Diese Studie wird unterstützt von: ● Rising Tide Foundation for Clinical Cancer
Research ● Krebsliga Schweiz ● Krebsliga beider Basel.
Teilnehmende Zentren: Kantonsspital Aarau Universitätsspital Basel Inselspital Bern Kantonsspital Graubünden Hôpitaux Universitaires de Genève Kantonsspital Baselland, Liestal Luzerner Kantonsspital, Luzern Kantonsspital St. Gallen Network – Spital Thurgau Stadtspital Triemli, Zürich Universitätsspital Zürich Charité – Universitätsmedizin Berlin St. Antonius-Hospital Gronau
Studienname: Extended pelvic lymph node dissection vs. no pelvic lymph node dissection at radical prostatectomy for intermediate- and highrisk prostate cancer: an international, multicenter, randomized phase III trial.
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aktuell
Seite der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK)
Coordinating Investigator: Prof. Dr. med. Cyrill Rentsch MD-PhD, Leitender Arzt, Leiter Klinische Forschung Urologie, Universitätsspital Basel, cyrill.rentsch@usb.ch
Supporting Coordinating Investigator: Prof. Dr. med. George Thalmann Chefarzt und Direktor, Inselspital Bern, george.thalmann@insel.ch
PD Dr. med. Richard Cathomas Stv. Chefarzt Onkologie, Kantonsspital Graubünden, richard.cathomas@ksgr.ch
Clinical Project Manager: Corinne Schär SAKK Bern corinne.schaer@sakk.ch
Kommentar vom Coordinating Investigator Prof. Dr. med. Cyrill Rentsch:
In 10 bis 50 Prozent der Fälle leiden die Betroffenen nach Entfernung der Lymphknoten unter vorübergehenden Komplikationen, wie Wassereinlagerungen in den Beinen und Infekten im Becken, und selten kommt es zur Verletzung von Gefässen und Nerven im Bereich der Lymphknoten. Es ist daher eigentlich erstaunlich, dass die Empfehlung einer ePLND trotz fehlender randomisierter Studien, die einen verbesserten onkologischen Verlauf gezeigt hätten, in die Richtlinien gelangt ist. Die urologische Gemeinschaft ist diesbezüglich gespalten, ein Teil glaubt an einen Nutzen, der andere nicht. Bei Brustkrebs ist die wissenschaftliche Evidenz zur Entfernung von Lymphknoten seit vielen Jahren vorhanden. Bei Prostatakarzinom hingegen brauchte es mehrere Versuche, die entsprechende Studie zu lancieren, da solche Forschung kaum wirtschaftlichen Anreiz bietet und die Finanzierung entsprechend anspruchsvoll war. Nun ist es Zeit, endlich Klarheit zu schaffen. Deshalb haben wir diese Studie lanciert und untersuchen, ob die Entfernung der Beckenlymphknoten hilft, Rückfälle zu vermeiden und das Überleben der Männer zu verlängern. Insgesamt möchten wir über 900 Prostatakrebspatienten mit mittlerem und hohem Rückfallrisiko einschliessen. Viele Urologen und Urologinnen der grossen Schweizer Spitäler und namhafte Kliniken aus Deutschland nehmen an derStudie teil. Erweist sich die Entfernung der Beckenlymphknoten als nützlich, profitieren in Zukunft alle Patienten von einem Überlebensvorteil. Tritt das Gegenteil ein, kann man den Patienten in Zukunft wahrscheinlich die Entfernung der Beckenlymphknoten und womöglich unnötige Komplikationen ersparen. Bis Klarheit herrscht, dauert es allerdings noch gut sieben Jahre. Dann sollen die ersten Studienresultate vorliegen.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2020
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