Transkript
SERIE Fortbildung Onkologie am LUKS
1. Luzerner Brustkrebs-Symposium – November 2015
Aktuelles in der Therapie des frühen Mammakarzinoms
Im Rahmen des 1. Brustkrebs-Symposiums Luzern für Kliniker und niedergelassene Kollegen erläuterten nationale und internationale Experten aktuelle Themen rund um Bildgebung, Systemtherapie, Genexpressionstests und Axillachirurgie. Die leitenden Ärzte am Brustzentrum der Neuen Frauenklinik Luzern fassten die wichtigsten Inhalte und Diskussionsaspekte zusammen.
Das Team Senologie – Brustzentrum am Luzerner Kantonsspital (LUKS) – um
Dr. med. Susanne Bucher, Prof. Andreas Günthert und Dr. med. Kathrin Schwedler fasst wichtige Optionen zum ärztlichen Management bei Brustkrebspatientinnen aus dem Symposium zusammen.
Die adjuvante endokrine Therapie des Mammakarzinoms
Seit Langem ist bekannt, dass jede Patientin mit einem hormonrezeptorpositiven Brustkrebs im Hinblick auf die Mortalität und das krankheitsfreie Überleben von einer adjuvanten endokrinen Behandlung profitiert – und dies unabhängig vom Tumorstadium, der Tumorbiologie oder einer vorausgegangenen Chemotherapie. Bei der Behandlung prämenopausaler Patientinnen haben sich die Therapiemöglichkeiten seit der Publikation der SOFT- und TEXT-Studiendaten umfassend erweitert. Auch für die postmenopausale Patientin, für die bereits in der Vergangenheit unterschiedliche Behandlungsmodelle zur Verfügung standen, konnten in den letzten Jahren neue Ansätze in Studien aufgezeigt werden.
Optionen bei postmenopausalen Patientinnen
Neben den etablierten Therapieansätzen wie der 5-jährigen Behandlung mit einem Aromatasehemmer stellt sich mittlerweile vor allem in der sequenziellen Therapie mit Tamoxifen und dem Aromatasehemmer die Frage nach der optimalen Behandlungsdauer und auch der Medikamentenfolge. Jedoch sollte vor allem bei postmenopausalen Patientinnen in einer «low risk»-Situation («luminal A-like»-Tumo-
ren) die Möglichkeit einer alleinigen Behandlung mit Tamoxifen nicht vergessen werden: In einer Studie der EBCTCG (Early Breast Cancer Trialist’s Collaborative Group) konnte so die brustkrebsspezifische Mortalität bei 4373 Frauen 15 Jahre nach der Diagnosestellung signifikant um 11,7% gesenkt werden (2). Bei Vorhandensein von Risikofaktoren sollte aber möglichst der Einsatz eines Aromatasehemmers erwogen werden, dessen Wirkung bei einer höheren Rezidivwahrscheinlichkeit der alleinigen Tamoxifenbehandlung signifikant überlegen ist (3). Im Kollektiv der BIG-1.98-Studie scheint der sequenzielle Einsatz beider endokriner Therapien in seiner Wirksamkeit gleichwertig zu einer alleinigen Letrozolbehandlung zu sein (3). Betrachtet man jedoch die Gruppe der nodal positiven Patientinnen, so zeigen sich bereits nach 2 Jahren Therapiedauer messbare Nachteile hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens, wenn mit Tamoxifen begonnen wurde. Dieser Unterschied findet sich im nodal negativen Kollektiv nicht. Startet man allerdings im Sinne einer «inversen Sequenz» mit Letrozol und nimmt nach 2 Jahren einen Wechsel auf Tamoxifen vor, so bleibt der negative Effekt aus – dies sowohl bei positivem als auch bei negativem Nodalstatus (3).
In der MA.17-Studie konnte die Verlängerung der Behandlungsdauer durch 5 Jahre Letrozol nach initialer Tamoxifenbehandlung unabhängig vom Nodalstatus einen signifikanten Benefit auf das Lokalrezidiv- und Metastasierungsrisiko sowie das Risiko für ein kontralaterales Karzinom bewirken. Ein signifikanter Einfluss auf das Gesamtüberleben konnte jedoch nicht gezeigt werden (4). Ebenso konnte die ATLAS-Studie eine signifikante Verbesserung der Rezidivwahrscheinlichkeit (21,4% vs. 25,1%, p = 0,002) durch eine Verlängerung der Behandlung mit Tamoxifen von 5 auf 10 Jahre aufzeigen – dies in einem Kollektiv überwiegend postmenopausaler Patientinnen, von denen 25% einen positiven Nodalstatus aufwiesen (5). Die Datenlage für eine Verlängerung der Behandlung mit dem Aromatasehemmer über 5 Jahre hinaus scheint dagegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch ungenügend, diese Behandlung kann derzeit noch nicht uneingeschränkt empfohlen werden – zu diesem Schluss kam das Expertenpanel des letzten St.-Gallen-Konsensus-Meetings (6).
Optionen bei prämenopausalen Patientinnen
Für prämenopausale Patientinnen war bisher die Therapie mit dem Antiöstrogen Tamoxifen über mindestens 5 Jahre der Standard. In der Vergangenheit wurde in diesem Zusammenhang als therapeutische Alternative vor allem die
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Suppression der Ovarialfunktion (OFS) durch die Addition eines GnRH-Analogons diskutiert. Mit den Ergebnissen der Studien SOFT (n = 3047; Tamoxifen [TAM] vs. TAM + OFS vs. Exemestan [EXE] + OFS) und TEXT (n = 2672; TAM + OFS vs. EXE + OFS) kann nun auch in der Prämenopause eine evidenzbasierte, risikoangepasste individuelle Behandlung erfolgen. Die gemeinsame Analyse der Studien TEXT und SOFT, die die Daten von 4690 Patientinnen auswertete, konnte nachweisen, dass die Kombination von Exemestan und der Ovarialsuppression effektiver vor einem Tumorrezidiv schützt als die bisherige Standardbehandlung mit Tamoxifen. Die Addition der OFS zur endokrinen Therapie zeigte bei Patientinnen, die nach Abschluss einer Chemotherapie weiterhin prämenopausal waren, eine deutliche Verbesserung hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens. Exemestan plus OFS war hier der Behandlung mit Tamoxifen plus OFS überlegen. Am deutlichsten war der Nutzen für die Subgruppe der Patientinnen < 35 Jahre (OFS vs. Exemestan vs. Exemestan + OFS: 67,7% vs. 78,9% vs. 83,4%), die mehrheitlich (zu 94%) zuvor eine Chemotherapie erhalten hatten. Der positive Nutzen konnte jedoch auch für Patientinnen ohne vorherige Chemotherapie (n = 1996) belegt werden. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug in der Exemestangruppe 92,8% und in der Tamoxifengruppe 88,8%. Hinsichtlich des Gesamtüberle- bens konnten keine Unterschiede in den Gruppen nachgewiesen werden. Allerdings traten unter der Behandlung mit Exemestan plus OFS vor allem in den ersten Monaten deutlich mehr Nebenwirkungen auf. Die schlechtere Verträglichkeit der Therapie im Vergleich zu den anderen Behandlungsarmen scheint sich allerdings im Behandlungsverlauf recht rasch zu nivellieren (7). Offene Fragen Auch mit den neuen Daten zur endokrinen Therapie wird die Frage nach der optimalen Sequenz und Dauer der endokrinen Therapie nicht abschliessend beantwortet. Allerdings stehen nun deutlich mehr validierte Optionen für alle Patientinnengruppen zur Verfügung, die eine individuellere Behandlung ermöglichen und auch eine Anpassung des Nebenwirkungsprofils gewährleisten. L Dr. med. Kathrin Schwedler Leitende Ärztin Neue Frauenklinik Luzern Luzerner Kantonsspital Merkpunkte L Die endokrine Therapie in der Postme- nopause sollte in der Regel einen Aro- matasehemmer enthalten; bei höherem Rezidivrisiko ist dabei die inverse se- quenzielle Behandlung eine Option. L Die endokrine Therapie mit Exemestan und der Ovarialsuppression mit einem GnRH-Analogon stellt eine hochwirk- same neue Behandlungsmöglichkeit in der Prämenopause dar. Es handelt sich um die Zusammenfassung des Vortrags von Frau Dr. med. Olivia Pagani, klinische Direktorin des Brustzentrums der italienischen Schweiz in Lugano. Dr. Pagani ist international renommierte Expertin auf dem Gebiet der endokrinen Therapie des Mammakarzinoms. Als Mitglied der IBCSG war sie federführend für die Publikation der TEXT- und SOFT- Studiendaten verantwortlich. Quellen: 1. Early Breast Cancer Trialist’s Collaborative Group (EBCTCG): Relevance of breast cancer hormone receptors and other factors to the efficacy of adjuvant tamoxifen: patient-level meta-analysis of randomised trials. The Lancet 2011; 378: 771–784. 2. Regan MM et al.: Assessment of letrozole and tamoxifen alone and in sequence for postmenopausal women with steroid hormone receptor-positive breast cancer: the BIG 1-98 randomised clinical trial at 8·1 years median follow-up. Lancet Oncology 2011; 12: 1101–1108. 3. Goss PE et al.: Randomized trial of letrozole following tamoxifen as extended adjuvant therapy in receptor-positive breast cancer: updated findings from NCIC CTG MA.17. J Natl Cancer Inst. 2005; Sep 7; 97(17): 1262– 1271. 4. Davies C et al.: Long-term effects of continuing adjuvant tamoxifen to 10 years versus stopping at 5 years after diagnosis of oestrogen receptor-positive breast cancer: ATLAS, a randomised trial. Lancet 2013; Mar 9: 381(9869): 805–816. 5. Coates A et al.: Tailoring therapies – improving the management of early breast cancer: St Gallen International Expert Consensus on the Primary Therapy of Early Breast Cancer. Ann Oncol 2015 Aug; 26(8): 1533–1546. 6. Bernhard J et al.: Patient-reported outcomes with adjuvant exemestane versus tamoxifen in premenopausal women with early breast cancer undergoing ovarian suppression (TEXT and SOFT): a combined analysis of two phase 3 randomised trials. Lancet Oncol. 2015 Jul;16(7): 848–858. Genexpressionstests – «must have» oder überflüssig? Im Zweifelsfall pro Chemo? Die bis vor wenigen Jahren noch vorhandene Doktrin «Im Zweifelsfall pro Chemotherapie» ist aus heutiger Sicht wohl kaum noch vertretbar, zumal der Effekt der Chemotherapie auf das Überleben in der adjuvanten Situation nur bei einer umschriebenen Subgruppe nennenswert ist (1). Bei der Entscheidung zu einer adjuvanten Therapie stehen vier einfache, aber wichtige Fragen im Vordergrund: Wen muss ich behandeln? Wen muss ich nicht behandeln? Wen muss ich wie behandeln? Was wünscht die Patientin? Obwohl wir erstaunlich viele neue Erkenntnisse aus der Molekularbiologie zum Mammakarzinom haben, beruhen unsere Entscheidungen im Wesentlichen auf sehr traditionellen Faktoren wie Nodalstatus, Tumorgrösse, Grading, Östrogen- und Progesteronrezeptoren und der HER2-Expression. Das Modell der «Intrinsic Subtypes» hat sich im Fachjargon mehr oder weniger etabliert und nimmt wahrscheinlich bereits bei der Therapieentscheidung einen gewissen Einfluss. So gehen wir davon aus, dass ein Luminal-A-Mammakarzinom sehr wahrscheinlich mit einer alleinigen endo- 24 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2016 SERIE Fortbildung Onkologie am LUKS Abbildung 1: Geschätzte Verteilung der unterschiedlichen Risikogruppen, bezogen auf die Mammakarzinom-Inzidenz der Schweiz. krinen Therapie ausreichend gut behandelt ist und/oder der Tumor tendenziell ohnehin chemoresistent sein könnte. Genau umgekehrt verhält es sich vermutlich mit den Basal-like oder den HER2überexprimierenden Mammakarzinomen, wobei Letztere die Option der AntiHER2-Therapie mit sich bringen. Sehr unsicher sind wir bei der Entscheidungsfindung bei den Tumoren, die wir den Luminal-B-Mammakarzinomen zuordnen. Allerdings muss festgehalten werden, dass wir nicht routinemässig die «Intrinsic Subtypes» korrekt mit Genexpressionsanalysen bestimmen und uns nur mit einer relativen Ungenauigkeit diesen Subtypen mittels der Immunhistochemie annähern. Zudem wurde das Modell der «Intrinsic Subtypes» hinsichtlich Prognose und Prädiktion bisher nicht prospektiv in Studien validiert. Eine andere Sichtweise, die sich nicht unbedingt mit unserer molekularbiologischen Vorstellung der Chemoresistenz oder -sensitivität deckt, ist diejenige des relativen Benefits. So liegt der relative Benefit einer Chemotherapie bei einer Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens bei prognostisch günstigen Tumoren von 96% auf 97% bei 25%, der absolute Benefit jedoch lediglich bei 1%. Bei prognostisch ungünstigen Tumoren, die wir nach unseren Modellen eher als chemosensitiv beschreiben würden, erhöht die Chemotherapie das krankheitsfreie Überleben von etwa 70% auf 80% und hat damit einen relativen Benefit von 33%, aber einen absoluten Benefit von 10%. Hinzu kommt, dass durch die Chemotherapie auch Langzeitrisiken entstehen, beispielsweise ein Risiko für eine chronische Herzinsuffizienz, ein myelodysplastisches Syndrom oder neurotoxische Effekte. Bei der Empfehlung zur Chemotherapie spielt daher die KostenNutzen-Analyse eine wesentliche Rolle, sodass ein internationaler Konsensus besteht, dass eine Chemotherapie nur ab einem Rezidivrisiko von mindestens 10% gerechtfertigt ist (2). Bessere Selektion von Patientinnen in der mittleren Risikogruppe Die Schwierigkeit liegt zweifelsohne in der Selektion der Patientinnen mit einem intermediären Risiko bei positivem Rezeptorstatus, negativem HER2- sowie 0 bis 3 befallenen Lymphknoten. Von diesen sind etwa 70% durch die Primärtherapie allein geheilt und entwickeln keine Metastasen. In diese Gruppe fallen etwa ein Drittel aller Patientinnen mit Mammakarzinom. Es fehlen bis anhin leider vali- Tabelle: Kommerziell erwerbliche Genexpressionstests (modifiziert nach Guideline Breast Version 2015.1D; www.ago-online.de) Anbieter Markteinführung Assaytyp zentrales Labor erforderliches Gewebe Technik Indikation laufende prospektive Studien 70-gene signature 21-gene Recurrence Mamma Score Print® Oncotype DX® Agendia Genomic Health 2006 2004 70-gene assay 21-gene recurrence score ja ja ursprünglich Frisch- Formalin-fixiert gewebe, inzwischen auch Formalin-fixiert Microarray für RNS qRT-PCR 8-gene signature Endopredict® Sividon 2011 11-gene assay nein Formalin-fixiert qRT-PCR prognostisch N-/+, < 61 Jahre MINDACT prognostisch N-/+, ER+ antihormonelle Therapie TailorX RxPONDER Plan B ADAPT prognostisch N-/+, ER+, HER2postmenopausal antihormonelle Therapie PAM 50 Prosigna™ Nano-String 2013 50-gene assay nein Formalin-fixiert direkte Hybridisierung Korrelation mit klinischen Parametern (EPclin) prognostisch N-/+, ER+, HER2postmenopausal antihormonelle Therapie SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2016 25 SERIE Fortbildung Onkologie am LUKS dierte Parameter, die als prädiktiver Faktor für den Nutzen einer Chemotherapie eingesetzt werden könnten. Es gelingt bis heute lediglich durch die Bestimmung prognostischer Faktoren, Patientinnen zu identifizieren, die voraussichtlich mit fünf Jahren antihormoneller Therapie und ohne Chemotherapie optimal behandelt sind (Abbildung 1). Etabliert haben sich hierfür diverse Genexpressionstests, die im Wesentlichen auf Analyse der Expression von Proliferationsgenen im Tumorgewebe abzielen (Tabelle). Diese Tests haben nur eine geringe Konkordanz untereinander und wurden bisher nicht direkt miteinander verglichen. Zudem fehlen bis jetzt weitestgehend Publikationen zu prospektiven Validierungsstudien, sodass das Evidenzniveau eingeschränkt ist. Bei einem Vergleich verschiedener exprimierter Gene fällt auf, dass prognostisch relevant insbesondere die Ko-Expression verschiedener Proliferationsgene ist, wobei Gene der rezeptorvermittelten Signaltransduktion, wie Hormonrezeptoren oder HER2, nur einen indirekten Einfluss auf die Prognose haben, nämlich durch die Beeinflussung der Proliferation (3). Mit der Bestimmung des Gradings und der immunhistochemischen Bestimmung von Ki-67 erhält man bereits aufschlussreiche Hinweise auf die Proliferation des Tumors. Allerdings untersteht insbesondere das Ki-67 einer erheblichen «Intra- und Inter-Observer»-Variabilität, und gerade bei der Patientengruppe mit mittlerem Risiko sollten eine Interpretation und Therapieentscheidung basierend auf Ki-67 vorsichtig erfolgen (4). Genexpressionsprofile messen die Proliferation breiter aufgestellt und sind durch die Methode der Analyse objektiver. Bei der Auswahl der Tests müssen verschiedene Parameter berücksichtigt werden: Eine Rolle spielen dabei sowohl die Infrastruktur in Zusammenarbeit mit der Pathologie (damit ein zeitnahes Ergebnis erhalten werden kann) als auch die korrekte Auswahl der Patientinnen (wurde z.B. ein Test bei prämenopausalen Patientinnen auch ausreichend evaluiert?). Welche Genexpressionstests bei wem? Der Nodalstatus ist immer noch ein entscheidender prognostischer Faktor, al- lerdings nicht geeignet als prädiktiver Faktor für die Wirksamkeit einer Systemtherapie. Auch die Tumorgrösse (wenn auch nicht unabhängig) spielt als prognostischer Faktor weiterhin eine wesentliche Rolle bei der Therapieentscheidung. Der Test Endopredict® wird dezentral in etablierten Pathologielabors durchgeführt, erlaubt anhand einer Analyse von acht spezifischen Genen eine Zuteilung in «low risk»-(EP < 5)- und «high risk»(EP ≥ 5)-Gruppen, und dies auch unabhängig vom Nodalstatus (5). Eine Besonderheit des Tests ist, dass er mit dem Nodalstatus und der Tumorgrösse kombiniert werden kann (EPclin) und damit eine noch detailliertere Einschränkung ermöglicht. Eine Prädiktion zur Wirksamkeit einer Chemotherapie erlaubt der Test nicht, sondern vielmehr die Aussage, ob bei niedrigem Risiko die Patientin mit einer alleinigen antihormonellen Therapie voraussichtlich ausreichend therapiert sein wird. Eine prospektive Evaluation des Tests zur Prädiktion findet derzeit nicht unter Studienbedingungen statt. Wesentlich umfangreicher analysiert ist der OncotypeDX®, der auch in prospektiven Studien evaluiert wird und von dem teilweise erste Daten der TailorXStudie bereits veröffentlicht wurden (6). Hier konnte bestätigt werden, dass bei einem ermittelten geringen Risiko und nodal-negativen Patientinnen die Rezidivrate bei alleiniger antihormoneller Therapie sehr klein ist. Neben fünf Genen zur Proliferation werden beim OncotypeDX® auch andere Gene analysiert, unter anderem solche zur Invasion und der rezeptorvermittelten Signaltransduktion. Die retrospektive Evaluation erfolgte zunächst insbesondere bei nodal-negativen und hormonrezeptorpositiven Patientinnen. Die Analyse erfolgt standardisiert in einem Zentrallabor in Kalifornien; die Logistik wurde optimiert, damit kann die Analyse auch für europäische Patientinnen zeitnah durchgeführt werden. Auch bei nodalpositiven Patientinnen liegen inzwischen erste prospektive Daten der PlanB-Studie vor, die zeigen, dass bei einem entsprechend niedrigen Risiko in der Genexpressionsanalyse auf eine Chemotherapie verzichtet werden kann, auch bei Fällen, in denen nach konventionellen Entscheidungskriterien eine Chemotherapie indiziert worden wäre (7). Der OncotypeDX® eignet sich auch für prämenopausale Patientinnen. Mammaprint® wird ebenfalls zentralisiert durchgeführt, in Europa in Amsterdam. Die Datenlage ist etwas weniger gut als bei OncotypeDX®; allerdings könnte dieser Test in absehbarer Zeit Hinweise für die Optimierung der Chemotherapie liefern, zumal in retrospektiven Analysen auch Daten zu hormonrezeptornegativen Patientinnen ausgewertet wurden. Derzeit gehört dieser Test jedoch nicht zu den favorisierten Tests; prospektive Studien laufen aber für das adjuvante und das neoadjuvante Setting (u.a. MINDACT, I-SPY I und II) und könnten diesen Standpunkt potenziell ändern. Der einzige Test, der tatsächlich auch die Bestimmung der «Intrinsic Subtypes» zulässt, ist Prosigna™ (PAM 50). Es bestehen technisch zwei verschiedene Möglichkeiten zur Durchführung: mit der konventionellen qRT-PCR-Methode oder aber mit der direkten Hybridisierung durch die Nanostring-nCounter®-Methode. Ähnlich wie der Endopredict®kann der Prosigna™-Test in entsprechend ausgerüsteten Labors dezentral durchgeführt werden, und es besteht ebenfalls die Möglichkeit einer Kombination mit den klinischen Parametern Tumorgrösse und Nodalstatus (risk-ofrecurrence, ROR-score). Die Datengrundlage ist vergleichbar mit der des Endopredict®-Tests, damit auch die Indikationsstellung. Er erlaubt ebenfalls keine Aussage zur Prädiktion der Wirksamkeit einer Chemotherapie. Prospektive Studien laufen derzeit nicht, allerdings wären diese zu befürworten, sollte sich die Terminologie der «Intrinsic Subtypes» weiter durchsetzen (zumal der PAM 50 die Grundlage für diese Terminologie lieferte). Welcher Gentest bei wem sinnvoll ist, kann abschliessend nicht eindeutig beantwortet werden, eher noch wann welcher Test nicht sinnvoll ist. Was aber sicherlich keinen Sinn ergibt, sind verschiedene Tests bei ein und derselben Patientin. 26 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2016 SERIE Fortbildung Onkologie am LUKS Abbildung 2: Historische Entwicklung der Modelle zur Betrachtung der Mammakarzinom-Subgruppen (nach Harbeck und Rody) Gibt es neben der Entscheidungsfindung für oder gegen Chemotherapie weitere Vorteile? Weitere wesentliche Fragestellungen können in absehbarer Zeit eine Entscheidungshilfe bezüglich der Wahl des Genexpressionstests liefern. Dazu gehört bei hormonrezeptorpositiven Tumoren die Frage nach dem Nutzen einer erweiterten adjuvanten antihormonellen Therapie, bei der lokalen Kontrolle die Frage des Risikos für ein ipsilaterales Rezidiv oder aber auch die Frage, welche Variante des DCIS für eine Patientin ernsthafte prognostische Relevanz hat. Insbesondere beim DCIS muss davon ausgegangen werden, dass oftmals deutlich zu aggressiv therapiert wird, zumal die Prognose sehr gut ist und die Schwierigkeit darin liegt, Patientinnen mit hohem Rezidiv- oder Karzinomrisiko zu definieren (8). Hier könnten Genexpressionstests hilfreich sein; erste Daten bestätigen, dass die Analyse von Proliferationsgenen auch beim DCIS prognostisch relevant sind und bei der Therapieentscheidung in absehbarer Zeit hilfreich sein könnten (9). Sehr unterschiedliche Aussagen bestehen bezüglich «Adherence» zu einer antihormonellen Therapie, also dazu, ob die Patientinnen tatsächlich über fünf Jahre oder länger eine antihormonelle Therapie konsequent durchführen. Schätzungsweise erfolgt die antihormonelle Therapie wegen der Nebenwirkungen wie Gelenkschmerzen, Hitzewallungen, Libidoverlust, Fatigue, Schweissausbrüche und psychischen Effekten nur bei einem Drittel der Patientinnen konsequent. Eine wesentliche Rolle bei der Adherence spielt die adäquate Aufklärung, insbesondere hinsichtlich des individuellen Risikos. Genexpressionstests können hierbei nützlich sein, um das individuelle Risiko genauer zu ermitteln und Ärzten eine Entscheidungshilfe bei der Beratung und Überzeugungsarbeit zur Durchführung einer adjuvanten Therapie zu liefern. Einen besonderen Stellenwert nimmt hierbei das Risiko ein, auch nach mehr als fünf Jahren ein Rezidiv zu erleiden – also bei der Indikationsstellung zur erweiterten adjuvanten antihormonellen Therapie. Datenanalysen liegen publiziert für den OncotypeDX® und Endopredict® vor. Sie konnten zeigen, dass bei einem geringen Risiko eine erweiterte adjuvante Therapie wegen des ohnehin sehr niedrigen Risikos von 2 bis 6,8% kaum einen Nutzen bringen wird (dies gilt auch umgekehrt) (10, 11). Hinsichtlich der lokalen Kontrolle bestehen ebenfalls offene Fragen, beispielsweise: Bei wem ist eine radikalere chirurgische Therapie notwendig? Wer profitiert von einer Radiotherapie, und falls ja, von welcher? Auch hier gibt es bereits Daten, die ein höheres Lokalrezidivrisiko basierend auf Genexpressionsanalysen vorhersagen lassen. Allerdings fehlen prospektive Studien, die diese Analysen für eine Indikation zu Methoden der lokalen Therapie zulassen (12, 13). Die molekularbiologischen Analysen gehen neben der Proliferationsmessung immer mehr ins Detail, um auch eine Prädiktion hinsichtlich des Ansprechens einer spezifischen Therapie zu ermöglichen. Dadurch werden sich unsere Modelle vom Mammakarzinom und die damit verbundene Terminologie zeitnah weiter verändern (Abbildung 2) (14). L Prof. Dr. Andreas Günthert Chefarzt Neue Frauenklinik Luzerner Kantonsspital Quellen: 1. Duric V, Stockler M: Patients’preferences for adjuvant chemotherapy in early breast cancer: a review of what makes it worthwile. Lancet Oncol 2001; 2: 691–697. 2. Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG), Peto R, Davies C, et al.: Comparisons between different polychemotherapy regimens for early breast cancer: meta-analyses of long-term outcome among 100 000 women in 123 randomised trials. Lancet 2012; 379: 432–444. 3. Wirapati P, Sotiriou C et al.: Meta-analysis of gene expression profiles in breast cancer: toward a unified understanding of breast cancer subtyping and prognosis signatures. Breast Cancer Res 2008; 10: R65. 4. Varga Z, Diebold J et al.: How reliable is Ki-67 immunohistochemistry in grade 2 breast carcinomas? A QA study of the Swiss Working Group of Breast- and Gynecopathologists. PLoS One 2012; 7: e37379. 5. Filipits M, Rudas M et al.: A new molecular predictor of distant recurrence in ER-positive, HER2-negative breast cancer adds independent information to conventional clinical risk factors. Clin Cancer Res 2011; 17: 6012–6020. 6. Sparano JA, Gray RJ et al.: Prospective Validation of a 21-Gene Expression Assay in Breast Cancer. 2015; 373; 2005–2014. Merkpunkte L Etablierte Risikofaktoren geben bei mittlerem Risiko nur ungenau das Rezidiv- oder Metastasenrisiko an. Eine Entscheidung im Zweifelsfall pro Chemotherapie ist aber nicht gerechtfertigt. L Grundvoraussetzungen für eine Genexpressionsanalyse sind Nachweis von ER+, HER2-, 0 bis 3 befallenen Lymphknoten, Kenntnis des Menopausenstatus, G1-3, pT1-3. L Hinsichtlich der kommerziellen Genexpressionstests bestehen Unterschiede hinsicht- lich Intention – der zu analysierenden Gene, – der klinischer Datenlage und – der Indikationsstellung. Publizierte prospektive Daten zur adjuvanten Therapie gibt es bisher nur zu OncotypeDX®. 28 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2016 SERIE Fortbildung Onkologie am LUKS 7. Nitz U, Gluz O et al.: Prognostic impact of discordance between different risk assessment tools in early breast cancer (recurrence score, central grade, Ki67): Early outcome analysis from the prospective phase III WSG-PlanB trial. SABCS 2014;#P4-11-01. 8. Narod SA, Iqbal J et al.: Breast Cancer Mortality After a Diagnosis of Ductal Carcinoma in Situ. JAMA Oncol 2015; 1: 888–896. 9. Solin LJ, Gray R et al.: A multigene expression assay to predict local recurrence risk for ductal carcinoma in situ of the breast. J Natl Cancer Inst 2013; 105: 701–710. 10. Wolmark N, Mamounas EP et al.: ASCO 2014:#11024. 11. Dubsky P, Brase JC et al.: The EndoPredict score provides prognostic information on late distant metasta- ses in ER+/HER2- breast cancer patients. Br J Cancer 2013; 109: 2959–2964. 12. Sabatier R, Finetti P et al.: Gene expression profiling and its utility in prediction of local relapse after breastconserving therapy in early breast cancer. Cancer genomics Proteomics 2011; 8: 199–209. 13. Kreike B, Halfwerk H et al.: Local recurrence after breast-conserving therapy in relation to gene expression patterns in a large series of patients. Clin Cancer Res 2009; 15: 4181–90. 14. Harbeck N, Rody A: Lost in translation? Estrogen receptor status and endocrine responsiveness in breast cancer. J Clin Oncol 2012; 30: 686–9. Es handelt sich um die Zusammenfassung des Referats von Herrn Prof. Dr. Achim Rody, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Prof. Rody ist ausgewiesener Experte in der Senologie und der Gynäkologischen Onkologie. Er setzt sich seit vielen Jahren intensiv mit der Molekularbiologie und Genexpression des Mammakarzinoms auseinander. Zudem gelingt es ihm, sehr komplexe Themen gut verständlich einem breiten Publikum zu präsentieren. Die Sentinelnode-Biopsie im Frühstadium und bei neoadjuvanter Therapie Obwohl die axilläre Lymphonodektomie (ALND) eine exzellente lokale Kontrolle aufweist und über viele Jahre ein wichtiger Stagingparameter war, geht sie mit einer signifikanten Komorbidität – Lymphödem (in 19,9%), Dysästhesien, Schulterdysfunktion – einher (1). Seit der Einführung der Sentinelnode-Biopsie, die aufzeigen konnte, dass bei negativem Sentinelnode die Axilladissektion keinen Überlebensvorteil bringt und mit einer geringeren Morbidität einhergeht, ist der Stellenwert der Axillachirurgie zunehmend zurückgegangen (2). Die Erkenntnis, dass die lokale Kontrolle auch durch die Tumorbiologie und Anwendung einer effektiven systemischen Therapie beeinflusst wird, hat die Möglichkeit zu einer weiteren Reduktion der chirurgischen Radikalität der Axilla und damit einer geringeren Morbidität geboten. Auch im neoadjuvanten Setting stellt die Erkenntnis des Downstagings des Lymphknotenbefalls die Bedeutung der Axillachirurgie zunehmend infrage. Tabelle: ACOSOG-Z0011-Kriterien L cT1-cT2-Tumoren L klinisch nodal negative Axilla L < 3 positive Sentinellymphknoten (keine Immunhistochemie, keine peri- nodale Invasion des Fettgewebes) L brusterhaltende Therapie L tangentiale Ganzbrustbestrahlung L adjuvante systemische Therapie Alternative zur ALND bei positivem Sentinelnode: weniger Chirurgie Die IBCSG-23-01-Studie konnte bei Patientinnen mit 1 bis 2 Mikrometastasen im Sentinelnode mit Verzicht auf eine ALND keinen signifikanten Unterschied im krankheitsfreien 5-Jahres- und Gesamtüberleben gegenüber Patientinnen mit ALND aufzeigen (3). Die zentrale Aufarbeitung der axillären Lymphknoten mit der Suche nach okkulten Metastasen in der NSABP-B-32-Studie hat ebenfalls ergeben, dass die ALND das Überleben bei Mikrometastasen im Sentinelnode nicht verbessert (4). Die ALND hat somit bei Mikrometastasen im Sentinelnode keinen Stellenwert. Bahnbrechend auf dem Gebiet der Axillachirurgie war jedoch die im Jahr 2011 veröffentlichte Z0011-Studie (5), die als erste und immer noch einzige randomisierte Studie den Verzicht auf eine ALND bei klinisch nodal-negativen Patientinnen mit Makrometastasen im Sentinelnode bei brusterhaltender Therapie untersucht hat. Die ALND erbrachte bei diesen Patientinnen weder ein verbessertes krankheitsfreies noch ein verbessertes Gesamtüberleben nach einer medianen Beobachtungszeit von 6,3 Jahren unter Berücksichtigung der sogenannten Z0011-Kriterien (s. Tabelle). Diese Studie wurde in der Fachwelt mit viel Skepsis aufgenommen, einerseits weil weniger Frauen als ursprünglich geplant rekrutiert werden konnten und somit die statistische Aussagekraft infrage gestellt wurde, andererseits weil Bedenken bestanden, dass es sich bei den eingeschlossenen Patientinnen um eine selektionierte Klientel mit guter Prognose handle. Zudem wurde kritisiert, dass postoperativ die Axilla mitbestrahlt wurde und dass das Follow-up zu kurz sei. Diese Kontroversen sind mittlerweile durch aktuelle Kohortenstudien, für die Daten aus Registern herangezogen wurden, abgeschwächt worden. Unter Anwendung der Z0011-Kriterien konnten bis zu 84% der Patientinnen die ALND und dementsprechend auch die Morbidität der ALND erspart werden (6, 7). Die stärksten unabhängigen Prädiktoren für Sentinelnode-Metastasen sind die Tumorgrösse und die Anzahl der positiven Sentinelnodes, die auch Selektionskriterien der Z001-Studie sind (8). Patientinnen mit triplenegativem Mammakarzinom, das als hochaggressiver Subtyp gilt, scheinen kein höheres Risiko für einen Lymphknotenbefall zu haben als Patientinnen mit einem nicht triplenegativem Mammakarzinom (9). Die Datenlage bezüglich weiterer Hochrisikoeigenschaften wie junges Erkrankungsalter oder hochaggressive G3-Karzinome ist inkonsistent (6, 9). Eine etwas ältere Arbeit, die auf Daten von mehr als 20 000 klinisch nodal-negativen Patientinnen mit Makrometastasen im Sentinelnode beruht, konnte unter Anwendung der Z0011-Kriterien keinen Vorteil einer axillären Dissektion bei positivem Sentinelnode für das krankheitsfreie Überleben und Gesamtüberleben erkennen (10). Schaut man noch weiter zurück, so konnte die NSABP-B-04-Studie bereits aufzeigen, dass die Entfer- SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2016 29 SERIE Fortbildung Onkologie am LUKS nung von klinisch okkulten positiven Lymphknoten keinen Überlebensvorteil ergibt (11). Diese Studie lässt auch die Kritik des zu kurzen Follow-ups der Z0011-Studie hinfällig werden: 90% der axillären Rezidive treten innerhalb der ersten 5 Jahre auf; somit ist nach 5 Jahren der Ersterkrankung das axilläre Rezidiv sehr selten. Ein weiteres Argument, dass die ACOSOG-Z0011-Kriterien in der klinischen Praxis angewendet werden dürfen, ist die Tatsache, dass das axilläre Rezidiv selbst bei Verzicht einer ALND bei Makrometastase im Sentinelnode mit 0,2 bis 1,2% sehr selten ist. Unabhängig von der Art der Operation, der adjuvanten Radiotherapie und dem Menopausenstatus ist im Zeitraum 1990 bis 2011 der Anteil des lokoregionären Rezidivs von ungefähr 30% auf 15% gesunken (12). Effektive systemische Therapien, wie die endokrine Therapie mit Tamoxifen respektive Aromatasehemmer, reduzieren im Vergleich zu Plazebo die lokale Rückfallrate um 47% respektive 63% (13). Eine retrospektive Analyse der tatsächlich angewendeten Bestrahlungsfelder in der Z0011-Studie ergab, dass 81% der Patientinnen eine tangentiale Radiotherapie erhielten, jedoch 50% mit einer Merkpunkte bei adjuvantem Vorgehen L Bei Mikrometastasen im Sentinelnode hat die axilläre Lymphonodektomie (ALND) keinen Stellenwert. L Die ALND weist bei selektionierter Klientel mit 1 bis 2 Makrometastasen im Sentinelnode und bei brusterhaltender Therapie unter Einhaltung aller Z0011-Kriterien keinen therapeutischen Nutzen auf. L Die ALND bleibt das Standardverfahren bei Frauen mit Makrometastasen im Sentinel- node, die eine Mastektomie erhalten. L Die systemische Therapie reduziert die Lokalrezidivrate. L Ein Zurückdrängen der Chirurgie bei gleichzeitiger Eskalation strahlentherapeutischer Prinzipien ist mit Vorsicht zu interpretieren (Langzeittoxizität). L Regionäre Radiotherapie verbessert das Überleben bei klinisch nodal-negativen Patien- tinnen nicht. L Regionäre Radiotherapie vermindert das lokale Rückfallrisiko. L Die axilläre Radiotherapie kann als Option zur ALND mit der Patientin diskutiert werden. Merkpunkte bei neoadjuvantem Vorgehen L Ein akkurates Staging der Axilla mit Ultraschall vor neoadjuvanter Chemotherapie ist wichtig. L Die Clipmarkierung eines suspekten Lymphknotens anlässlich der Trucut-Biopsie vor neo- adjuvanter Chemotherapie könnte die Detektionsrate erhöhen und die Falschnegativ-Rate senken. L Die Sentinelnode-Biopsie vor neoadjuvanter Chemotherapie bei klinisch nodal-negativen Patientinnen weist keinen klaren Vorteil auf und verhindert den Benefit eines möglichen Downstagings des Nodalbefalls. L Die Falschnegativ-Rate bei der Sentinelnode-Biopsie bei klinisch nodal-positiven Patien- tinnen (cN1) mit Konversion zu cN0 nach neoadjuvanter Chemotherapie steht in Abhängigkeit der entfernten Lymphknoten und ist erst bei Detektion von mindestens 3 Lymphknoten akzeptabel. L Die duale Markierung des Sentinelnode ist für eine akkurate Detektionsrate wichtig. L Bei klinisch und sonografisch negativer Axilla sollte die Sentinelnode-Biopsie nach neo- adjuvanter Chemotherapie im Klinikalltag Einzug finden. L Auch bei cN1-Patientinnen kann dies in Erwägung gezogen werden, sollte aber in Abhän- gigkeit des Risikoprofils (z.B. Alter) betrachtet werden. L Bei intraoperativer Detektion von weniger als 3 Sentinelnodes ist die axilläre Lympho- nodektomie indiziert. L Ist der Sentinelnode nach neoadjuvanter Chemotherapie weiterhin positiv, so ist eine axilläre Lymphonodektomie unabdingbar. nicht beabsichtigten hohen Tangente; hierbei unterschieden sich aber die Behandlungsarme nicht. Zusammenfassung Die aktuelle Datenlage zeigt, dass der therapeutische Effekt der Axilladissektion bei Patientinnen mit klinisch unauffälliger Axilla und positivem Sentinelnode marginal ist. Eine interdisziplinäre Tumorkonferenz mit Festlegung eines multimodalen Therapiekonzeptes ist unabdingbar. Dabei stellen die Systemtherapie und die lokoregionäre Therapie in Bezug auf die Lymphknoten synergistische Therapien dar. Die deutsche INSEMA-Studie (Intergroup SentinelMamma) und die britische PSNOC-Studie (Positive Sentinel Node: Adjuvant therapy alone versus adjuvant therapy plus clearance or axillary radiotherapy) werden weitere Evidenz zur Einschränkung der Axillachirurgie respektive zum Ersatz der axillären Dissektion durch die Radiotherapie bei positivem Sentinelnode liefern. Alternative zur ALND bei positivem Sentinelnode: mehr Radiotherapie Die AMAROS-Studie untersuchte die Axilladissektion versus Bestrahlung der Lymphabflusswege bei klinisch nodalnegativen Patientinnen mit Metastasen im Sentinelnode bei T1/T2-Karzinomen (14). Dabei konnten keine signifikanten Unterschiede im krankheitsfreien und Gesamtüberleben zwischen den beiden Therapiearmen nachgewiesen werden. Hingegen zeigte sich ein signifikanter Unterschied bezüglich Auftreten eines Lymphödems mit 23% im Dissektionsarm respektive 11% im Bestrahlungsarm. Diese Resultate sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da bei 68% der Patientinnen eine ALND bis Level 3 vorgenommen wurde mit konsekutiv erhöhtem Risiko für ein Lymphödem. Da das Patientinnenkollektiv sehr ähnlich demjenigen der Z0011-Studie ist, stellt sich zudem die Frage, ob eine Radiotherapie der Lymphabflusswege bei diesen Patientinnen notwendig war. Eine generelle Erweiterung des Strahlenfeldes ist aufgrund des Verzichtes auf eine Axilladissektion nach derzeitigem Kenntnisstand 30 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2016 SERIE Fortbildung Onkologie am LUKS nicht indiziert. Die axilläre Radiotherapie kann als Option zur ALND mit der Patientin diskutiert werden, insbesondere wenn die Patientin keine Zweitoperation möchte. Die Sentinelnode-Biopsie bei neoadjuvantem Vorgehen 20 bis 40% aller Patientinnen mit einem positiven Nodalstatus weisen nach einer neoadjuvanten Chemotherapie (NAC) einen negativen Nodalstatus auf. Bei zielgerichteter Antikörpertherapie liegt die nodale pCR (pathologische komplette Remission) gar bei 41 bis 67%. Dieses Potenzial eines sogenannten Downstagings des Nodalstatus lässt die Frage aufkommen, wie verlässlich die Sentinelnode-Biopsie nach der neoadjuvanten Chemotherapie ist und inwieweit eine axilläre Dissektion notwendig ist. Das Management von klinisch nodal-negativen Patientinnen mit SentinelnodeBiopsie nach neoadjuvanter Chemotherapie wurde in verschiedenen Studien, unter anderem in der NSABP-B27- und der GANEA-Studie, untersucht (15–17). Hierbei zeigte sich eine Abhängigkeit der Identifikationsrate von der Sentinelnode-Markierung mit einer höheren Identifikationsrate von 88% bei dualer Markierung; die Falschnegativ-Rate (FNR) lag bei 11%. Eine Metaanalyse mit 1779 eingeschlossenen Patientinnen ergab eine FNR von 8% und eine Identifikationsrate von 90%. Daten über die Verlässlichkeit der Sentinelnode-Biopsie bei Patientinnen mit dokumentiertem Befall der Axilla vor der Chemotherapie wurden in drei prospektiven Studien (ACOCOG Z1071, SENTINA und FN SNAC) untersucht und kürzlich veröffentlicht (18–20). Auffallend in allen Studien war, dass die Falschnegativ-Rate bei nur 1 identifiziertem Sentinelnode bei 24 bis 26% inakzeptabel hoch war, jedoch bei Entfernung von mindestens 3 Lymphknoten bei 7,8% lag. Die Identifikationsrate ist im Vergleich zur Sentinelnode-Biopsie vor der neoadjuvanten Chemotherapie mit 80 bis 93% niedriger und steht auch hier wieder in Abhängigkeit von der alleinigen versus dualer Markierung. Ein interessanter Gedanke ist die Clipmarkierung des suspekten Lymphknotens anlässlich der Trucut-Biopsie vor neoadjuvanter Chemotherapie (TAD = targeted axillary dissection), die zu einer höheren Detektionsrate und niedrigerer FNR führen könnte (21). Zusammenfassung Die aktuelle Datenlage zeigt, dass die Sentinelnode-Biopsie vor der neoadjuvanten Chemotherapie keinen klaren Vorteil erbringt und den Benefit eines möglichen Downstagings verhindert. Die prätherapeutische Axillasonografie und die duale Sentinelnode-Markierung spielen eine wichtige Rolle. Insbesondere bei klinisch und sonografisch negativer Axilla sollte die Sentinelnode-Biopsie nach neoadjuvanter Chemotherapie im Klinikalltag Einzug finden. Auch bei cN1-Patientinnen kann dies in Erwägung gezogen werden, sollte aber in Abhängigkeit ihres Risikoprofils (z.B. Alter) betrachtet werden. Hierbei sollte der Operateur sich strikte an die korrekte Sentinelnode-Detektion respektive -Entfernung halten und nicht wie beschrieben sich von der Tendenz leiten lassen, weitere Non-Sentinel-Lymphknoten zu entfernen (21). Bei intraoperativer Detektion von weniger als 3 Sentinelnodes ist die axilläre Lymphonodektomie indiziert. Die Axilladissektion bei persistierendem Tumorbefall der Axilla nach neoadjuvanter Chemotherapie bleibt der Standard. Die Rolle der Radiotherapie nach neoadjuvanter Chemotherapie mit nachfolgender Sentinelnode-Biopsie wird gegenwärtig in zwei Studien untersucht (NSABP B-51/RTOG 1304 und Alliance A11202) (22, 23). Die Risikoeinschätzung bei Anwendung dieses Verfahrens sollte bei jeder Patientin individuell im Rahmen der multidisziplinären Tumorkonferenz erfolgen. L Dr. med. Susanne Bucher (Korrespondenzadresse) Leiterin Brustzentrum Neue Frauenklinik Luzerner Kantonsspital E-Mail: susanne.bucher@luks.ch Quellen: 1. Di Sipio T et al.: Lancet Oncology 2013; 14: 500–515. 2 Krag DN et al.: Lancet Oncol 2010 11: 927–933. 3. Galimberti V et al.: Lancet Oncol 2013; 14: 297–305. 4. Weaver MD et al.: N Engl of Med 2011 364: 412–421. 5. Giuliano et al.: JAMA 2011; 305(6): 569–575. 6. Dengel et al.: Ann Surg Oncol 2014 21: 22–27. 7. Chung et al.: Ann Surg Oncol 2015 22: 1128–1132. 8. 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