Transkript
Im Fokus: Lungenkarzinome
Die Europäische Thorax-Onkologie-Plattform ETOP
Porträt und Aufgaben der internationalen Forschungsgruppe
Die European Thoracic Oncology Platform (ETOP) mit Sitz in Bern fördert den internationalen und interdisziplinären Austausch im Bereich der Thoraxonkologie. Ein breites Infoangebot, eigene klinische Studien, Projekte und Arbeitsgruppen im Zusammenschluss von 37 europäischen Forschungszentren gehören zum Angebot der ETOP.
OLIVER GAUTSCHI1,2, ANITA HILTBRUNNER1 UND ROLF A. STAHEL1,3
1 Stiftung European Thoracic Oncology Platform (ETOP), 3008 Bern 2 Medizinische Onkologie, Luzerner Kantonsspital, 6000 Luzern 3 Medizinische Onkologie, Universitätsspital Zürich, 8091 Zürich
Oliver Gautschi
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Die Organisation
Die ETOP wurde 2009 auf Initiative von Prof. Rolf Stahel aus Zürich gegründet, um die interdisziplinäre Kommunikation und die akademische, patientenorientierte Forschung zu fördern. Die ETOP ist eine nicht kommerzielle Organisation mit Sitz in Bern und einem Stiftungsrat, der aus sieben renommierten Klinikern besteht. Aktuell sind 37 Forschungsgruppen und -zentren Mitglieder der ETOP, darunter die Schweizerische Arbeitsgruppe für Klinische Krebsforschung (SAKK) sowie Zentren in Shanghai (China) und in Roswell Park (USA) (Abbildung 1). Die ETOP hat sich innert kürzester Zeit etabliert, weil sie unter den Thoraxonkologen in Europa eine hohe Akzeptanz geniesst. Die ETOP-Administration nutzt ihre langjährigen Erfahrungen aus der International Breast Cancer Society Group (IBCSG) und bietet eine professionelle Realisierung von komplexen, internationalen Forschungsprojekten. Jungen Forschenden bietet ETOP die Möglichkeit, wichtige Kontakte zu knüpfen und von erfahrenen Kollegen zu lernen.
Internetportal mit vielen Angeboten
Das Internetportal www.etop-eu.org steht allen Interessenten offen. Neben Informationen zu Projekten der ETOP beinhaltet der öffentliche Bereich des Portals ▲ Expertenkommentare zu Publikationen und neuen
Entwicklungen auf dem Gebiet der Thoraxonkologie ▲ einen Volltextzugang zur Fachzeitschrift «Lung Cancer»
▲ eine Datenbank mit klinischen Studien ▲ Medienmaterial sowie ▲ Hinweise zu aktuellen Veranstaltungen und Kon-
gressen. Mit über 350 registrierten Besuchern erfreut sich das Portal eines grossen Interesses. Das Gleiche gilt für die Jahresversammlungen der ETOP mit jeweils zirka 100 registrierten Teilnehmern (1, 2). Der geschlossene Bereich des Internetportals dient den Arbeitsgruppen der ETOP als Forum für virtuelle Konferenzen und Datenbanken.
Projekte
In den letzten Jahren kristallisierte sich heraus, dass das nicht kleinzellige Bronchuskarzinom (NSCLC) ein Sammelbegriff für eine Vielfalt von biologisch unterschiedlichen Tumorerkrankungen ist. Dies ist klinisch relevant, weil viele neue Medikamente nur bei Vorliegen einer spezifischen Tumorgenetik wirken. Diese Einsicht führte zu einem Paradigmawechsel in der klinischen Forschung. Während früher grosse empirische Studien durchgeführt wurden, um kleine Unterschiede nachzuweisen, kommen moderne Marker-basierte Studien mit kleineren Patientenzahlen aus. Der Erfolg von Marker-basierten Studien hängt von folgenden Faktoren ab: ▲ Verfügbarkeit einer zuverlässigen Testmethode ▲ Epidemiologie des Markers respektive des Tumor-
subtyps ▲ gut organisiertes Netzwerk von Studienzentren
mit lokalen Laboratorien. Um diese Vorgaben zu fördern, hat ETOP im Jahr 2010 das Projekt Lungscape ins Leben gerufen (vgl. Homepage www.etop-eu.org). Es dient dazu, eine
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Abbildung 1: Mitglieder der ETOP. Nicht abgebildet sind die Mitglieder Shanghai (China) und Roswell Park (USA).
virtuelle Biobank anzulegen, anhand welcher Testalgorithmen, Hypothesen für klinische Studien und neue diagnostische Technologien entwickelt werden können. In der aktuellen Phase sammeln 15 europäische Pathologie-Institute, darunter die Institute der Universitätsspitäler Basel und Zürich, 2400 Fälle von resezierten NSCLC. Frau Dr. Solange Peters am CHUV in Lausanne koordiniert die Lungscape-iBiobank, mit der die klinischen, pathologischen und molekularen Daten erfasst und ausgewertet werden. In einem ersten Subprojekt von Lungscape werden mittels Immunhistochemie und FISH-Verfahren ALK-Translokationen untersucht. Diese Translokationen sind im Vergleich zu KRAS- und EGFR-Mutationen seltener; mit der Substanz Crizotinib besteht eine neue Therapiemöglichkeit für Patienten mit ALK-positiven Tumoren. In einer zweiten Phase wird das Lungscape-Projekt auf metastasierte nicht kleinzellige Bronchuskarzinome, zusätzliche Zentren, Blutproben und weitere Tests ausgedehnt. Darüber hinaus sind bei ETOP auch virtuelle Biobanken für Thymuskarzinome (Thymoscape) und Mesotheliome (Mesoscape) geplant. So soll auch bei diesen relativ seltenen Tumorkrankheiten eine solide Grundlage für Marker-basierte klinische Studien geschaffen werden.
Klinische Studien
Auf Initiative der spanischen Lungenkrebsgruppe (SLCG) entwickelte ein Team unter der Leitung von Prof. Rafael Rosell aus Barcelona kürzlich das erste ETOP-Therapieprotokoll. Die Phase-II-Studie mit dem Namen BELIEF (= bevacizumab and erlotinib in EGFR-mutated non-small cell lung cancer) untersucht die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie bestehend aus Erlotinib und Bevacizumab bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und aktivierender EGFR-Mutation (Deletion Exon 19 oder Punktmutation L858R im Exon 21) in der ersten Therapielinie (Abbildung 2). Der primäre Endpunkt von BELIEF ist das progressionsfreie Überleben. Sekundäre Endpunkte sind die Ansprechrate, das Gesamtüberleben und die translationale Forschung. Letzteres konzentriert sich auf die Rolle der EGFRExon-20-Punktmutation T790M im Tumor und im Serum. Diese Mutation wurde bei 50 bis 60% der mit Erlotinib oder Gefitinib behandelten Patienten zum Zeitpunkt der Tumorprogression nachgewiesen und gilt deshalb als wichtige Ursache für die Therapieresistenz. Neue Resultate zeigen, dass die T790MMutation bereits vor Therapiebeginn bei 30 bis 40% der Tumoren nachweisbar ist, allerdings nur mit hochsensitiven Methoden. Präklinische Versuche ergaben, dass T790M-positive Tumoren nach der Gabe von Bevacizumab auf EGFR-Inhibitoren ansprechen.
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Registrierungsphase
Therapie- und Evaluationsphase Vorgehen bei Progression
Fortgeschrittenes NSCLC, bestätigte EGFR-Mutation
150 mg Erlotinib täglich und 15 mg/kg Bevacizumab, alle 3 Wochen bis zur Progression oder inakzeptablen Toxizität
Stratum 1: T790M fehlend (n=67)
Stratum 2: T790M vorliegend (n=35)
Empfehlung für Chemotherapie, basiert auf Genarray
Translationsforschungsstudien
Subprojekte
Tumorgen-Expressions-Array Plasma-EGFR-Mutations-Monitoring
Tumor-Rebiopsie, Genexpressionsarray und Mutationsanalyse
Abbildung 2: Design der ETOP-Studie BELIEF. Sie besteht aus zwei Phase-II-Studien. Der primäre Endpunkt ist das progressionsfreie Überleben. Sekundäre Endpunkte sind Gesamtüberleben, Ansprechrate und translationale Forschung.
Die laufende Studie SAKK 19/09 untersucht diese Strategie bereits an einer kleineren Anzahl von Patienten, die Resultate stehen noch aus. Die BELIEFStudie wird diese Strategie bei 102 Patienten weiter untersuchen. Die Studienaktivierung erfolgt im Frühjahr 2012 an mindestens neun SAKK-Zentren (Anfragen an: oliver.gautschi@luks.ch).
Perspektiven
An der letzten ETOP-Jahresversammlung im November 2011, die von Prof. Paul Baas organisiert wurde, fanden sich etwa 100 Experten aus ganz Europa am niederländischen Krebszentrum in Amsterdam ein. Die Präsentationen am ersten Tag gaben einen guten Überblick über die laufenden Projekte und Studien, darunter auch Lungscape und BELIEF. Des Weiteren wurden europäische Studien vorgestellt, bei denen eine Unterstützung durch die ETOP von den verant-
wortlichen Gruppen gewünscht ist. Am zweiten Tag
erarbeiteten Arbeitsgruppen neue Ideen und Kon-
zepte auf den Gebieten des frühen und des fortge-
schrittenen NSCLC, der translationalen Forschung
und des malignen Mesothelioms.
Die Arbeitsgruppen werden ihre Projekte in den
nächsten Monaten ausarbeiten und am ELCC-Kon-
gress 2012 in Genf präsentieren. Die nächste ETOP-
Jahresversammung findet Ende 2012 in Barcelona
statt.
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ETOP Koordinationszentrum Effingerstrasse 40 3008 Bern www.etop-eu.org Administration: etop@ibcsg.org
Die Autoren gaben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel an. Die Autoren danken Frau Kathleen Beese vom Universitätsspital Zürich für die Mitarbeit an diesem Artikel.
Merkpunkte
▲ Die Stiftung European Thoracic Oncology Platform (ETOP) wurde 2009
gegründet und hat ihren Sitz in Bern.
▲ Die SAKK-Projektgruppe Lungenkrebs ist aktives Mitglied der ETOP. ▲ Die ETOP-Studie BELIEF untersucht eine Kombinationstherapie mit Erloti-
nib und Bevacizumab bei Patienten mit NSCLC und aktivierender EGFRMutation in der ersten Therapielinie. Sie wird 2012 aktiviert.
▲ Weitere ETOP-Studienprotokolle befinden sich in Entwicklung.
Quellen:
1. Stahel R, Baas P, Faivre-Finn C, Dooms C, Passlick B, Mazières J, Cappuzzo F, Früh M, Sorensen JB, Blackhall F, Taron M, Gridelli C, O’Byrne K, Rosell R.: Meeting report: 2nd meeting of the European Thoracic Oncology Platform (ETOP). Lung Cancer 2010; 68(1): 121–24.
2. Gridelli C, Stahel R, Besse B, Ciardiello F, Felip E, Gasparini S, Graziano P, Rossi A, de Marinis F.: Treatment decision-making for advanced non-small cell lung cancer and differences among European countries: 1st AIOT-ETOP meeting. Lung Cancer 2011 (epub ahead of print).
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