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Serie Supportivtherapie
Management der unerwünschten Wirkungen unter Sunitinib
Empfehlungen für die Therapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom
Der oral verfügbare Multitarget-Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib (Sutent®) verfügt gemäss klinischen Studien über eine gute Wirksamkeit beim hellzelligen Nierenzellkarzinom, weist aber ein spezifisches Spektrum an unerwünschten Wirkungen auf. Um ein optimales Behandlungsergebnis zu erzielen, sind darum ein sorgfältiges Monitoring und flexibles Management erforderlich.
RICHARD CATHOMAS, STEPHAN ZBINDEN, REINHARD DUMMER, SILKE GILLESSEN, ANITA MARGULIES, ELISABETH TORRESAN UND FRANK STENNER-LIEWEN
Der vorliegende Beitrag fasst die Empfehlungen eines aus Onkologen, Kardiologen, Dermatologen und Pflegefachleuten bestehenden Expertenteams zum Management der unerwünschten Wirkungen von Sunitinib zusammen. Die Autoren stützen sich neben den eigenen praktischen Erfahrungen auch auf Publikationen weiterer Expertengruppen (1–3).
Unerwünschte Wirkungen unter Sunitinib
Die klinisch relevanten unerwünschten Wirkungen (UW) unter einer Therapie mit Sunitinib sind entweder konstitutioneller Art (Fatigue), gastrointestinaler Art (Diarrhö, Nausea, Vomitus, Dysgeusien, orale Mukositis), dermatologischer Art (Hand-Fuss-Syndrom, Hautausschlag, Haarveränderungen), kardiovaskulärer Art (arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz) oder hämatologischer Art (Anämie, Neutro- und Thrombozytopenie). Hinzu kommen Veränderungen der Schilddrüsenfunktion. Die meisten Effekte sind insgesamt leicht bis moderat (Grad 1 oder 2, CTCAE Version 3.0)*. Schwere oder sehr schwere klinisch relevante unerwünschte Wirkungen (Grad 3 und 4) treten nur gelegentlich auf. Die Mehrheit der UW ist reversibel beziehungsweise durch ein geeignetes Therapiemanagement und unterstützende Massnahmen gut beherrschbar. Therapiepausen (zusätzlich zur zweiwöchigen Off-Treatment-Phase des sechs Wochen [4/2] dauernden Behandlungszyklus) sind nach Ansicht der Autoren
* Die im Rahmen des Cancer Therapy Evaluation Program (CTEP) des NCI im Jahr 2003 veröffentlichte dritte Version der CTCAE-Kriterien (Common Terminology Criteria for Adverse Events, v 3.0) umfasst 28 Kategorien und 1056 Einträge zu unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit onkologischen Studien (http://ctep.cancer.gov/reporting/ctc.html ). Die CTCAE-Version 3.0 stellt den aktuellen Standard für klinische Studien dar.
bereits bei mässiggradigen Toxizitäten (Grad 1/2) gerechtfertigt. Sie tragen wesentlich dazu bei, die unerwünschten Wirkungen von Sunitinib zu minimieren und die Therapie langfristig aufrechterhalten zu können.
Fatigue Die Fatigue ist eine der häufigsten UW von Sunitinib (4). 50 bis 75% der Patienten klagen über chronische Müdigkeit. Bei etwa 10% der Patienten nimmt die Fatigue ein Ausmass an, bei dem die Verrichtung der Alltagsaktivitäten eingeschränkt ist. Häufig gehen die Symptome in der zweiwöchigen Behandlungspause zurück. Insgesamt gesehen nimmt die Intensität der Fatigue jedoch mit der Behandlungsdauer zu. Unklar ist, zu welchen Anteilen die Fatigue auf die Wirkung von Sunitinib, auf die Grundkrankheit des metastasierenden Karzinoms respektive auf Komorbiditäten wie Anämie, Depression oder Hypothyreose zurückzuführen ist. Unter Umständen sind eine Kontrolle der Schilddrüsenfunktion und der Blutwerte (Hämoglobin-Zielwert >10 g/dl) sowie eine Abklärung der Herzinsuffizienz angezeigt. Reduktionen der Sunitinibdosis und Therapiepausen sind in schweren Fällen von Fatigue (Grad 3 bis 4) indiziert. Eventuell ist die Gabe eines Antidepressivums und/oder eine psychoonkologische Betreuung zu erwägen.
Gastrointestinale Beschwerden Sunitinib ist für diverse Störungen des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts verantwortlich: orale Mukositis, Dysgeusien, Schluckbeschwerden, Dyspepsie, Nausea, Vomitus oder Diarrhö (4). Meistens handelt es sich um Wirkungen vom Grad 1 bis 2, sehr selten vom Grad 3 bis 4. Die häufigste gastrointestinale UW ist die Diarrhö. Sie ist in den meisten Fällen mässig ausgeprägt und kann
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zu jeder Zeit der Behandlung auftreten. Die Beschwerden lassen sich in der Regel mit Antidiarrhoika wie Loperamid erfolgreich behandeln. Es ist auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten. Bei schwerem Durchfall (≥ 7 Stühle pro Tag) sollte der Patient unverzüglich den Arzt konsultieren. Neben unterstützenden Massnahmen sollte eine Therapiepause eingelegt und die Dosis anschliessend um 12,5 mg reduziert werden. Orale Mukositis und Mundtrockenheit treten meistens ab der zweiten Woche der Behandlung auf. Entzündliche Veränderungen der Mundschleimhaut korrelieren eng mit der Qualität der Mundhygiene. Eine Erfassung der Mundhöhle vor Therapiebeginn durch den Arzt oder erfahrene Pflegende ist aus diesem Grund unerlässlich (5, 6). Eine Beratung inklusive «Self-care-Instruktion» mit Empfehlungen zur Mundhygiene und Pflege der oralen Mukositis, etwa nach Standards der Onkologiepflege Schweiz (www.onkologiepflege.ch), wird als sinnvoll erachtet. Dysgeusien werden von betroffenen Patienten als sehr belastend empfunden. Die daraus resultierende Appetitlosigkeit birgt die Gefahr einer Anorexie. In besonders starken Fällen von Geschmacksstörungen ist eine Therapiepause in Betracht zu ziehen. Es gibt bis heute keine Empfehlungen zur Bekämpfung der Dysgeusie. In besonders schweren Fällen ist eine Ernährungsberatung hilfreich.
Dermatotoxizität Hautreaktionen im Zusammenhang mit der Einnahme von Sunitinib treten meist nach drei bis vier Wochen auf (3, 4). Am häufigsten kommt es zu einem Hand-FussSyndrom (HFS, palmo-plantares Erythrodysästhesie-Syndrom). Zudem können eine Depigmentierung der Haare, gelbliche Verfärbungen der Haut sowie makulopapulöse Hautausschläge auftreten.
Hand-Fuss-Syndrom (HFS) Das HFS, welches sich durch schmerzhafte Erytheme mit ödematöser Schwellung an Fusssohlen und Handflächen äussert, hat grossen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten (7). Das Syndrom geht häufig mit Hautrissen, Blasenbildung sowie mit Sensitivitätsstörungen, Taubheitsgefühl und Kribbeln ein-
Eigenschaften von Sunitinib
Sunitinib ist ein niedermolekularer Multitarget-Rezeptortyrosinkinase-Inhibitor mit antiangiogenetischer und antiproliferativer Aktivität. Zu den Zielmolekülen gehören der Stammzellfaktorrezeptor CD117 (c-KIT), der Rezeptor für den plättchenstimulierenden Wachstumsfaktor (PDGFR-alpha und -beta), der Rezeptor für den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGFR) Typ 1, 2, und 3 sowie die FLT-3-, CSF1- und RET-Kinasen. Als Firstline-Therapie bei metastasierendem Nierenzellkarzinom (mRCC) erwies sich Sunitinib in einer Phase-III-Studie (750 Patienten, progressionsfreies Überleben/PFS: 11 Mo. als primärer Endpunkt) gegenüber Interferon-alpha/IFN-alpha (PFS: 5 Mo.) signifikant überlegen (4). Die Ansprechrate für Sunitinib betrug 39% gegenüber 8%. Für Patienten in der Sunitinibgruppe resultierte ein medianes Gesamtüberleben von 26,4 Monaten (vs. 21,8 Mo. unter INF-alpha; p = 0,051). Bei Zensierung der 25 Cross-over-Patienten ergab sich ein medianes Gesamtüberleben von 26,4 Monaten unter Sunitinib (vs. 20 Mo. unter INF-alpha; p = 0,0362). Das mediane Überleben der Studienteilnehmer, die nur die Protokolltherapie (Sunitinib oder INF-alpha) erhielten, war 28,1 Monate (vs. 14,1 Mo.; p = 0,0033). In der Schweiz ist Sunitinib zur Behandlung des fortgeschrittenen und/oder metastasierenden RCC sowie von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) nach Versagen von oder bei Intoleranz gegenüber Imatinib zugelassen und kassenpflichtig.
Dosierung
Die empfohlene Standarddosierung bei Patienten mit mRCC und GIST beträgt einmal 50 mg täglich während 4 Wochen, danach folgt eine 2-wöchige Behandlungspause (50 mg 4/2).
Dosisreduktionen
Bei unerwünschten Wirkungen vom Grad 1 und 2 (CTCAE 3.0) (1) ist generell keine Dosisanpassung notwendig. In besonderen Fällen kann – je nach Leidensdruck des Patienten – eine solche jedoch erwogen werden. Bei Auftreten von unerwünschten Wirkungen vom Grad 3 oder 4 ist die Therapie unverzüglich zu stoppen, bis die Effekte abgeklungen sind (≤ Grad 2). In diesen Fällen soll die Standarddosis schrittweise um eine Dosisstufe (12,5 mg) reduziert werden: ▲ Dosisstufe 1: 50 mg (4 Wochen/2 Wochen) ▲ Dosisstufe 2: 37,5 mg (4 Wochen/2 Wochen) ▲ Dosisstufe 3: 25 mg (4 Wochen/2 Wochen).
her. Fürs Management der UW werden folgende Massnahmen empfohlen: ▲ Grad 1 (minimale Hautveränderun-
gen oder Erythem ohne Schmerzen): keine Dosisreduktion, keratolytische Lokaltherapie, präventive Massnahmen (s.u.). ▲ Grad 2 (Blasen, Desquamation, Ödeme, Schmerzen, keine Beeinträchtigung der Funktion): Je nach subjektivem Empfinden vorzeitige Therapiepause oder Dosisreduktion, wöchentliche Kontrolle. Bei Persistenz der Symptomatik: lokale Steroidtherapie, eventuell unter Beizug eines Dermatologen. ▲ Grad 3 (ulzerative Dermatitis, starke Schmerzen, Funktionsverlust): Therapieunterbruch, bis sich die Symptomatik gebessert hat (≤ Grad 1). Wiederaufnahme mit Dosisreduktion um
12,5 mg, eventuell erneute Dosissteigerung im weiteren Verlauf. Zusätzliche wundheilende Massnahmen. Über die Durchführung einer lokalen Steroidtherapie sollte unbedingt ein Dermatologe entscheiden. Im Fokus präventiver Massnahmen steht die Patientenberatung respektive -schulung durch das Behandlungsteam. Die Patienten sind darauf aufmerksam zu machen, Druckstellen an den Füssen durch weite flache Schuhe sowie durch Vermeidung mechanischer Belastung (Stehen) zu vermeiden. Die Behandlung der Hyperkeratosen kann mit harnstoffhaltigen Salben oder Emulsionen erfolgen (2). Hilfreich ist eine intensivierte Hautpflege. Zudem sollten empfindliche Hautpartien vor hohen Temperaturen (Duschen, Geschirrwaschen) und Sonneneinstrahlung geschützt werden.
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Hautausschlag, Haarveränderungen Makulopapulöse Hautausschläge oder Erytheme sind mehrheitlich leicht bis mässig (Grad 1 bis 2) und bilden sich meistens nach wenigen Wochen langsam zurück. Hautverfärbungen, bedingt durch die gelbe Farbe des Wirkstoffs, sind reversibel und schwächen sich in Behandlungspausen ab. Es sind meist keine Massnahmen hinsichtlich der Dosierung von Sunitinib erforderlich. Haarveränderungen machen sich häufig nach wenigen Wochen durch Störungen der Haarpigmentierung (Entfärbung) sowie durch Alopezie bemerkbar.
Arterielle Hypertonie Rund ein Drittel (30 bis 35%) der mit Sunitinib behandelten Patienten entwickelt im Verlauf der Therapie eine arterielle Hypertonie (4). Mit Beginn der Sunitinibtherapie sind daher bei allen Patienten regelmässig Blutdruckkontrollen durchzuführen. Bei Auftreten einer arteriellen Hypertonie ist wegen der drohenden Gefahr einer Herzinsuffizienz eine konsequente Durchführung einer antihypertensiven Therapie erforderlich (8). Geeignete Antihypertensiva sind ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker, KalziumkanalAntagonisten (Amlodipin) und Diuretika. Die Kalziumantagonisten Diltiazem und Verapamil sind aufgrund ihrer starken CYP3A4-Induktion als Komedikation zu Sunitinib kontraindiziert (2). Eine Reduktion der Sunitinibdosis ist angezeigt, wenn unter ausgebauter medikamentöser Therapie keine befriedigend kontrollierten Blutdruckwerte erreicht werden. Eine sofortige Unterbrechung der Sunitinibtherapie sollte in jedem Fall bei einem systolischen Blutdruck von über 200 mmHg oder bei Symptomen erfolgen (2).
Kardiotoxizität Bis zu 10% der mit Sunitinib behandelten Patienten wiesen in einer Phase-III-Studie eine Reduktion der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) auf (9). Der LVEFAbfall war grösstenteils reversibel und präsentierte sich nur in 2% der Fälle mit einer klinisch relevanten Herzinsuffizienz (Grad 3) (4). Gemäss Daten einer neueren retrospektiven Studie entwickelten dagegen 15% der Patienten eine symptomatische Herzinsuffizienz (10). Eine be-
stehende Herzinsuffizienz sollte in jedem Fall vor Beginn der Sunitinibtherapie medikamentös behandelt werden. Bei Patienten mit NYHA ≥ 2 darf Sunitinib nur unter grosser Vorsicht verabreicht werden.
Vorsichtsmassnahmen bei QT-Verlängerung Sunitinib kann dosisabhängig zu einer Verlängerung des QT-Intervalls mit der konsekutiven Gefahr einer ventrikulären Tachykardie führen. Daher sollte vor Therapiebeginn bei allen Patienten ein 12-Kanal-EKG durchgeführt werden, um ein verlängertes QT-Intervall auszuschliessen. QT-Zeit-verlängernde Medikamente, (z.B. Sotalol, Haloperidol, Makrolidantibiotika, Chinolonantibiotika, 5HT3-Antagonisten oder Domeperidone) dürfen nur unter strenger Indikationsstellung und unter EKG-Kontrolle der korrigierten QT-Zeit eingesetzt werden. Für eine komplette Liste der QT-Zeit verlängernden Medikamente siehe: www.azcert.org/medicalpros/drug-lists/drug-lists.cfm.
Management und Monitoring Es ist ratsam, bei Patienten mit bekannten Risikofaktoren und/oder kardiovaskulärer Vorgeschichte (koronare Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, zerebrovaskulärer Insult, Bypassoperationen, Lungenembolien) vor Therapiebeginn eine echokardiografische Untersuchung zur Erfassung der Baseline-LVEF durchzuführen. Während der Behandlung mit Sunitinib ist bei diesen Patienten ein entsprechendes Monitoring (Echo alle 3 bis 6 Monate sowie bei Symptomen) indiziert. Die Bestimmung der Baseline-LVEF ist auch bei Patienten ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren sinnvoll. Bei Patienten, bei denen die LVEF unter Sunitinibeinnahme um mehr als 20% unter den Baselinewert sinkt oder absolut weniger als 40% beträgt, ist unabhängig von der klinischen Evidenz der Herzinsuffizienz eine Therapiepause angezeigt. Gegebenfalls ist ein mit der Kardiotoxizität von Onkologika vertrauter Kardiologe zu kontaktieren.
Hämatotoxizität Hämatotoxische unerwünschte Wirkungen treten unter Sunitinib in der Regel während des ersten Behandlungszyklus auf. Etwa jeder zehnte Patient entwickelt
Tabelle:
Medikamente mit CYP3A4-Interaktion
Die wichtigsten Medikamente mit CYP3A4-induzierender oder -inhibierender Wirkung. (Für eine vollständige Liste siehe http://medicine.iupui.edu/flockhart/table.htm)
I. CYP3A4-Inhibitoren: Antidepressiva Paroxetin Fluoxetin
Antimykotika Ketoconazol Fluconazol Itraconazol Voriconazol
Kalziumkanalblocker Diltiazem Verapamil
Makrolidantibiotika Clarithromycin Erythromycin Doxycyclin
Proteasehemmer Ritonavir Saquinavir Nelfinavir
Diverse Substanzen Amiodaron Aprepitant Propranolol Norfloxacin Grapefruitsaft und -fruchtfleisch
II. CYP3A4-Induktoren Antibiotika Rifampicin
Benzodiazepine/Antiepileptika Carbamazepin Phenytoin Phenobarbital
Glukokortikoide Dexamethason Prednison
Johanniskrautpräparate
unter Sunitinib eine Neutropenie oder Thrombozytopenie, wobei aber nur in zirka 5% der Fälle Grad 3 oder 4 erreicht wird. Febrile Neutropenien sind äusserst selten (0,4%). Zur Sicherheit sollte
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während des ersten Zyklus alle zwei Wochen ein Differenzialblutbild erstellt werden. Bei stabilen Werten reicht dann zu Beginn jedes zweiten Zyklus ein Blutbild. Bei Abfall der Thrombozytenwerte < 50 000/mm3 (Grad 3) ist eine Therapiepause indiziert, bis sich der Blutwert erholt hat (Fortsetzung mit derselben Dosis). Bei erneuter Grad-3- oder Grad-4Toxizität (Abfall < 25 000/mm3) ist eine Dosisreduktion notwendig. Ein analoges Vorgehen gilt bei Sunitinib-induzierten Neutropenien. Ein Neutrophilenwert von < 1000/mm3 entspricht einer Grad-3-, ein Wert von < 500/mm3 einer Grad-4-Toxizität. Bei bestätigter Anämie sollte immer auch das Vorliegen einer Hypothyreose und eines Vitamin-B12-Mangels abgeklärt werden. Bei symptomatischer Anämie (Hb < 10 g/dl) sollte therapiert werden. Schilddrüsendysfunktion Eine gestörte Schilddrüsenfunktion unter Sunitinib kann sich als Hypothyreose äussern. Schilddrüsenunterfunktionen vom Grad 1 (Laborwerte) oder 2 (Symptome) treten bei zirka 2% der mit Sunitinib behandelten Patienten auf, vom Grad 3 oder 4 bei etwa 0,2% (11). Symptome wie Fatigue, Anämie, Kälteempfindlichkeit, Dyspnoe und Ödeme zeigen sich häufig schon nach einer bis zwei Wochen (12). Die Inzidenz scheint mit Dauer der Therapie zuzunehmen (12). Selten sind Fälle einer vorübergehenden Schilddrüsenüberfunktion respektive Hyperthyreose. TSH-Bestimmungen sollten vor Beginn der Sunitinibtherapie und danach alle 3 Monate sowie bei klinischem Verdacht durchgeführt werden. Hepatotoxizität Schwere Hepatotoxizitäten werden unter Sunitinib bei weniger als 1% der Patienten beobachtet. Vor Therapiebeginn sowie jeweils mit Beginn eines neuen Zyklus sollten die Leberwerte (Transaminasen und Cholesterasen) bestimmt werden. Bei Anstieg der Transaminasen oder Cholesterasewerte um mehr als das Fünffache der Norm (Grad 3) oder bei einem Anstieg des Bilirubins um mehr als das Dreifache der Norm (Grad 3) ist in jedem Fall eine Therapiepause und allenfalls eine Dosisreduktion angebracht. Merksätze ▲ Die Indikationsstellung zur Behandlung mit Sunitinib sollte durch im Umgang mit TyrosinkinaseInhibitoren erfahrene Onkologen vorgenommen werden. ▲ Wichtig sind die detaillierte Anamnese und Behandlung von Begleiterkrankungen wie Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Schilddrüsendysfunktionen. ▲ Therapiebegleitung, Monitoring und Management der unerwünschten Wirkungen sollten durch den behandelnden Onkologen in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt erfolgen. ▲ Die Beherrschung der meisten unerwünschten Wirkungen von Sunitinib ist durch Therapiepausen und/oder Dosisreduktionen sowie medizinische und pflegerische Interventionen möglich. ▲ Weitere, nicht im Therapieschema vorgesehene Therapiepausen können auch bei mässiggradiger Toxizität sinnvoll sein, um Beschwerden unter fortgesetzter Therapie zu reduzieren. ▲ Für ein optimales Management von schweren unerwünschten Wirkungen ist die Einbeziehung von Spezialisten, etwa eines Kardiologen oder Dermatologen, empfohlen. Interaktionen mit anderen Substanzen Da Sunitinib und sein wichtigster Meta- bolit primär durch das Zytochrom P450 3A4 (CYP3A4) metabolisiert werden, sollte die Komedikation mit Arzneimit- teln, die als Inhibitoren oder Induktoren des CYP3A4 fungieren, vermieden wer- den. Inhibitoren des CYP3A4 können zu einer Erhöhung der Plasmakonzentration von Sunitinib führen und damit unter an- derem dessen unerwünschte Wirkungen verstärken. Umgekehrt können CYP3A4- Induktoren über eine Beschleunigung des Sunitinibabbaus zu Wirkungsverlus- ten führen. Die Tabelle listet die wichtigs- ten Medikamente mit Wirkung auf das CYP3A4-System auf. Falls ein Verzicht auf CYP3A4-aktive Be- gleitmedikamente in einzelnen Fällen nicht möglich ist, sollten Anpassungen der Sunitinibdosis in Schritten von 12,5 mg vorgenommen werden. ▲ PD Dr. med. Frank Stenner-Liewen (Korrespondenzadresse) Klinik und Poliklinik für Onkologie UniversitätsSpital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich E-Mail: frank.stenner@usz.ch) sowie Richard Cathomas1; Stephan Zbinden2; Reinhard Dummer3; Silke Gillessen4; Anita Margulies5; Elisabeth Torresan6 (1 Kantonsspital Graubünden, Abteilung Onkologie und Hämatologie; 2 Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Inselspital Bern; 3 Klinik für Dermatologie, UniversitätsSpital Zürich; 4 Kantonsspital St. Gallen, Onkologie/Hämatologie; 5 Klinik und Poliklinik für Onkologie, Universitätsspital Zürich; 6 Spitalzentrum Biel AG, Biel) Interessenkonflikte: Diese Publikation wurde durch einen nichtrestriktiven Grant der Pfizer AG, Zürich, unterstützt. Quellen: 1. Bhojani, N., et al.: Toxicities associated with the administration of sorafenib, sunitinib, and temsirolimus and their management in patients with metastatic renal cell carcinoma. Eur Urol. 2008; 53(5): 917–30. 2. Kollmannsberger, C., et al.: Sunitinib therapy for metastatic renal cell carcinoma: recommendations for management of side effects. Can Urol Assoc J.; 2007. 1(2 Suppl): S41–54. 3. Lacouture, M.E., et al.: Hand foot skin reaction in cancer patients treated with the multikinase inhibitors sorafenib and sunitinib. Ann Oncol.; 2008. 19(11): 1955–61. 4. Motzer, R.J., et al.: Sunitinib versus interferon alfa in metastatic renal-cell carcinoma. N Engl J Med. 2007; 356(2): 115–24. 5. Keefe, D.M., et al.: Updated clinical practice guidelines for the prevention and treatment of mucositis. Cancer 2007; 109(5): 820–31. 6. Onkologiepflege Schweiz: Nationale Standards in der Onkologiepflege – orale Mukositis bei einer Tumortherapie. Literatur ergänzen 2005. 7. Rosenbaum, S.E., et al.: Dermatological reactions to the multitargeted tyrosine kinase inhibitor sunitinib. Support Care Cancer; 2008. 16(6): 557–66. 8. 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