Transkript
PRAXISERFAHRUNGSBERICHT
Eisenmangel und Anämie in der Schwangerschaft und nach der Geburt
Berücksichtigen niedergelassene Gynäkologen die empfohlenen Guidelines?
In der peripartalen Phase ist Eisenmangel mit oder ohne Anämie ein häufiges Problem und führt zu einer erhöhten mütterlichen und kindlichen Morbidität und Mortalität (1, 2). Deshalb legen nationale und internationale Richtlinien den Zeitpunkt, die gewünschten Labormesswerte und an die Schwangerschaft angepasste Grenzwerte zur frühzeitigen Diagnose eines Eisenmangels fest (1, 2, 4, 5 ). Der vorliegende PEB hatte zum Ziel, den Umgang der niedergelassenen Gynäkologen mit den Empfehlungen zur Diagnose eines Eisenmangels rund um die Schwangerschaft und das Wochenbett zu beleuchten und die Wirksamkeit sowie die Verträglichkeit einer i.v.-Eisensubstitution zu untersuchen.
CHRISTIAN BREYMANN, EDOARDO TADDEI, PASCAL SCHAER
In der Schweiz sind 7% der Schwangeren von einer Anämie und 32% von einem Eisenmangel betroffen (1). Die Hauptursache für Eisenmangel ist, dass der vor der Schwangerschaft schon meist unzureichende Eisenspeicher der Frauen und die ungenügende Zufuhr von Eisen während der Schwangerschaft dem gesteigerten Bedarf nicht gerecht wird (2). Durch die Zunahme des Blutvolumens, das Wachstum des Fötus, die Entwicklung der Plazenta und den Blutverlust während der Entbindung sind rund 1000 mg zusätzliches Eisen während einer normalen Schwangerschaft nötig (2). Je nach Schweregrad der Anämie besteht ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten, Wachstumsretardierungen beim Fötus, ungünstige Plazentaentwicklung und verminderte fötale Eisenspeicher (1). Da bei jeder Schwangerschaft die Gefahr von postpartalen Blutungen besteht, ist eine Anämie mit erhöhtem Risiko für Bluttransfusionen verbunden. Im Rahmen eines Patient Blood Managements (PBM), zur Verminderung der belastenden Anämiesymptome, wie Müdigkeit und reduzierter Leistungsfähigkeit, sowie dem erhöhten Risiko einer postpartalen Depression, ist die frühzeitige Diagnose und Therapie eines Eisenmangels in der Schwangerschaft sinn-
voll (1, 6). Der Expertenbrief Nr. 48 der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) und der Konsens der NATA (Network for the Advancement of PBM) empfehlen eine entsprechende Kontrolle zu Beginn der Schwangerschaft (1. Trimester), im 2. und 3. Trimester (28. SSW) sowie 6–8 Wochen postpartal (Tabelle 1) (1, 2). Eine leichte Eisenmangel/-anämie sollte bei Schwangeren primär mit einer oralen Eisensubstitution behandelt werden und die Therapie nach etwa vier Wochen kontrolliert werden (1). Ab dem 2. Trimester ist bei fehlendem Ansprechen oder Unverträglichkeit der oralen Therapie, bei schwerer Anämie (< 9,0 g/dl) oder bei rasch notwendiger Anämiekorrektur eine i.v.-Eisentherapie angebracht (1). Postpartal wird ein Wechsel von der oralen Eisengabe auf die i.v.-Eisenbehandlung bei schlechter gastrointestinaler Verträglichkeit und/oder einer mittelschweren Anämie (Hb ≤ 9,5 g/dl) empfohlen (1). Das Ziel der nachfolgenden Untersuchung war es, Daten zum Umgang der niedergelassenen Gynäkologen mit den beschriebenen Guidelines zu sammeln und die Wirksamkeit sowie die Verträglichkeit einer i.v.-Eisensubstitution zu beleuchten. TAKE HOME MESSAGES n Die zeitlichen Empfehlungen zur Messung des Ferritinspiegels als Einschätzung des Eisenspeichers während und nach der Schwangerschaft wurden von den Gynäkologen in dem Praxiserfahrungsbericht (PEB) weitgehend eingehalten (Messung zu Beginn der Schwangerschaft (1. Trimester), im 2. und 3. Trimester, bevorzugt um die 28. Schwangerschaftswoche (SSW) und ungefähr sechs Wochen postpartal) (1, 2). n Die Daten des PEB zeigen, dass sich die Symptome von Eisenmangel/-anämie wie Müdigkeit, Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Konzentrationsstörung nach der Eisenbehandlung signifikant verbesserten (3). n Das Hämoglobin (Hb) und die Ferritinwerte stiegen nach einer intravenösen (i.v.) Eisensubstitution mit Eisencarboxymaltose (ECM) signifikant an. Keywords: Praxiserfahrungsbericht (PEB), Eisenmangel, Anämie, Schwangerschaft, postpartal, Ferritin, Hämoglobin (Hb) Patientinnen und Methoden Die Datenerfassung für diesen PEB erfolgte von Februar 2020 bis April 2021 durch 68 niedergelassene Gynäkologen. Um einen Bias zu vermeiden, waren maximal fünf Patientinnen pro Gynäkologe zugelassen. In die Umfrage wurden Patientinnen aufgenommen, welche eine i.v.-Eisensubstitution wegen Eisenmangel mit oder ohne Anämie erhielten. Die Entscheidung zur Behandlung lag ausschliesslich im Ermessen des Arztes oder der Ärztin, wobei die Daten im Rahmen der normalen Behandlung erhoben wurden. Es wurden keine zusätzlichen Untersuchungen zum alleinigen Zweck der Umfrage durchgeführt. Die Daten wurden, soweit möglich, bei drei Arztbesuchen entweder exklusiv während der Schwanger- 32 GYNÄKOLOGIE 3/2022 PRAXISERFAHRUNGSBERICHT schaft oder auch nach der Geburt erfasst. Bei der ersten Konsultation vor der i.v.-Eisentherapie wurden die demographischen Patientendaten, die Laborparameter und die Intensität der klinischen Symptome wie Müdigkeit, Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Blässe und Kurzatmigkeit auf einer Scala von 0–4 dokumentiert. Daneben wurden Fragen zur Indikationsstellung und zum Therapieentscheid beantwortet. In der zweiten oder der postpartalen Konsultation wurden die Intensität der klinischen Symptome, die Laborparameter und der Therapieerfolg erfasst. Alle Gynäkologen wurden instruiert, schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) im Rahmen dieser Studie zu rapportieren. Tabelle 1: Grenzwerte für Anämie- und Eisenmangel-Diagnose gemäss SGGG und NATA (1, 2) Messwert Hb (g/dl) Serum-Ferritin (µg/l)* Zeitpunkt der Messung 1. Trimester 2. Trimester 3. Trimester Postpartal (Nadir ca. 48 Std. postpartal) In der gesamten peripartalen Phase Grenzwert Anämie < 11,0 < 10,5 < 11,0 < 12,0 < 30 * Anmerkung: Serumferritin ist ab Geburt bis ca. 4–6 Wochen postpartal erhöht und kann somit falsch normal sein. Mit der Messung vom CRP-Wert kann der Einfluss einer Entzündung ausgeschlossen werden. Hb (g/dl) ERGEBNISSE Demografische Daten Insgesamt wurden die Daten von 279 Patientinnen dokumentiert: 246 Schwangere, 13 postpartale Patientinnen und 20 Patientinnen mit Hypermenorrhöe im Alter zwischen 18 und 45 Jahren. 42,7% der Patientinnen hatten bereits eine Vorgeschichte mit Eisenmangel/-anämie. Diagnosestellung und Ausgangswerte Bei der ersten Konsultation wurde bei ca. 96% der insgesamt 259 schwangeren und postpartalen Patientinnen das Hb und die Ferritinkonzentration bestimmt, die Transferrinsättigung (TSAT) nur bei zwei und der lösliche Transferrinrezeptor (sTfR) bei einer Patientin. Das mittlere Hb lag dabei bei 11,6 g/dl (SD ± 1,24 g/dl) und das mittlere Ferritin bei 17,94 µg/l (SD ± 13,78 µg/l; Abbildung 1). Die Indikationen zur i.v.-Eisensubstitution waren bei 64,7% der Frauen ein Eisenmangel ohne Anämie, bei 26,3% eine bestehende Eisenmangelanämie und bei 9% alleinige symptomatische Beschwerden. Die Diagnose Eisenmangel wurde unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Expertenbriefes Nr. 48 der SGGG bei 84,5% der Frauen korrekt gestellt, die Diagnose Eisenmangelanämie bei 72,5% der Patientinnen (1). Wie in einem PEB zu erwarten, fanden die Laboruntersuchungen (Hb, Ferritin) nicht für alle Patientinnen gleichmässig verteilt in der Schwangerschaft statt. Es scheinen sich jedoch routinemässige Anhäufungen der Untersuchungen rund um die 28. SSW, kurz vor der Entbindung und in der sechsten postpartalen Woche in der Praxis etabliert zu haben. Behandlung 59,9% der Patientinnen erhielten die i.v.-Eisensubstitution nach Umstellung von der oralen Therapie, bei 39,8% wurde die i.v.-Therapie direkt verabreicht. Mehrere Gründe waren für einen Wechsel zur intravenösen Verabreichung möglich. Am häufigsten genannt wurden die unzureichende Wirksamkeit der oralen Therapie (68,3%), der Wunsch nach einer Ferritin (µg/l) Abbildung 1: Gemessene Hb- und Ferritin-Werte beim ersten Arztbesuch (blau) und bei der Nachkontrolle (grün). © just-medical! schnellen und wirksamen Behandlung (32,9%) und die schlechte Verträglichkeit der oralen Therapie (26,9%; Abbildung 2). Bei 277 der Fälle wurde ECM verabreicht, bei einem Fall Eisensaccharose und in einem Fall exklusiv orales Eisen. Die durchschnittliche Dosierung von ECM bei den Schwangeren betrug 881 mg verteilt auf 1,27 Infusionen und postpartal 917 mg verteilt auf 1,08 Infusionen. Die Nachkontrolle fand durchschnittlich sechs Wochen nach Verabreichung von ECM statt und zeigte, dass alle dokumentierten Symptome sich signifikant verbesserten (Abbildung 3). Am deutlichsten war dies bei der Müdigkeit, der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Konzentrationsstörung sicht- GYNÄKOLOGIE 3/2022 33 PRAXISERFAHRUNGSBERICHT 32,9% (n = 55) 68,3% (n = 114) Die Gründe für einen Wechsel zur i.v.-Eisensubstitution (die Nennung von mehreren Gründen pro Patientin war erlaubt): 26,9% (n = 45) 18% (n = 30) 10,2% (n = 17) 4,2% (n = 7) 7,2% (n = 12) 7,8% (n = 13) Abbildung 2: Gründe der Gynäkologen für den Wechsel zur i.v.-Eisensubstitution. © just-medical! bar. Zur Überprüfung des Therapieerfolgs anhand der Blutwerte wurde bei 72,9% der Patientinnen das Hb und bei 48,0% das Ferritin bestimmt. Das mittlere Hb lag bei der Nachkontrolle bei 12,52 g/dl (SD ± 1,11 g/dl) und das mittlere Ferritin bei 121,23 µg/l (SD ± 90,51 µg/l). Beide Messwerte waren beim zweiten Besuch statistisch signifikant höher als beim ersten Besuch (p < 0,0001; Abbildung 1). Während der ganzen Beobachtungsdauer wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) gemeldet. 91,2% der Gynäkologen gaben an, das Therapieziel mit der i.v.-Eisensubstitution erreicht zu haben. Diskussion Der vorliegende PEB beschreibt die Diagnostik und den Therapieverlauf bei Frauen mit einer Eisenmangel/-anämie in der peripartalen Phase. Dabei liefert die Untersuchung Ergebnisse zur Befunderhebung Abbildung 3: Anteil der Patientinnen mit intensiven oder sehr intensiven Symptomen eines Eisenmangels/-anämie beim ersten Arztbesuch (blau) und bei der Nachkontrolle (grün). © just-medical! durch die niedergelassenen Gynäkologen sowie zur Anwendung, Wirksamkeit und Verträglichkeit der i.v.-Eisentherapie mit ECM im Praxisalltag. Die häufigsten Laborkontrollen von Hb und Ferritin fanden in der 28. SSW statt, was den Guidelines des NATA-Konsens und den Empfehlungen zum PBM entspricht (2, 6). So besteht die Möglichkeit, einen allfälligen Eisenmangel/-anämie rechtzeitig vor der Geburt zu korrigieren. Auch die Hb- und FerritinKontrollen ungefähr sechs Wochen postpartal sind im Sinne der Expertenempfehlungen (1, 2). Bei der ersten Schwangerschaftskontrolle wurde das Hb und das Ferritin bei fast jeder Patientin (96% respektiv 98%) zur Diagnosestellung gemessen, was auch im Expertenbrief Nr. 48 der SGGG empfohlen wird (1). Eine i.v-Therapie wurde nur in 15 Fällen wegen Anämiesymptomen ohne Labordiagnostik begonnen. Die Falschdiagnosen von 15,5% bei Eisenmangel und von 27,5% bei Eisenmangelanämie zeigen, dass eine Sensibilisierung der Gynäkologen für korrekt gewählte Grenzwerte weiterhin wichtig ist. 42,7% der Patientinnen hatten bereits eine vorgängige Eisentherapie und der behandelnde Arzt kannte die zu erwartende Wirksamkeit und Verträglichkeit einer oralen Therapie. Deshalb wurde bei 39,8% der Patientinnen direkt mit einer i.v.-Eisensubstitution ohne vorgängige orale Eisentherapie begonnen. Die Laborkontrollen des Hb und Ferritins wurden bei der Nachkontrolle weniger regelmässig durchgeführt, was nicht dem empfohlenen Vorgehen entspricht (1). Häufiger verliessen sich die Gynäkologen dabei auf die subjektive Symptomverbesserung. Die signifikante Verbesserung der Ferritin- und der Hb-Werte beim zweiten Besuch bestätigt eine effektive Korrektur des Eisenmangels durch ECM (Abbildung 1). Die i.v.-Eisentherapie führte zu einer signifikanten Verbesserung der für Eisenmangel/-anämie typischen Symptome. Die deutliche Verbesserung der Lebensqualität durch ECM im Vergleich zur oralen 34 GYNÄKOLOGIE 3/2022 PRAXISERFAHRUNGSBERICHT Eisentherapie wurde bereits in einer grossen randomisierten kontrollierten Multicenterstudie bestätigt (8). Auch die bei den meisten Patientinnen nur einmalig notwendige Infusion zeigt die gute Verträglichkeit von ECM mit einer hohen Dosis von bis zu 1000 mg Eisen pro Kurzinfusion (1), wodurch wiederholte kostspielige Infusionen vermieden werden können (3, 9, 10). Schlussfolgerung Die niedergelassenen Gynäkologen beachten die Expertenempfehlungen für die Diagnostik des Eisen- mangels und der Eisenmangelanämie vor Beginn einer i.v.-Eisensubstitution weitgehend, sowohl beim gewählten Zeitpunkt der Kontrollen als auch bei den gemessenen Laborwerten (1, 2). Die teil- weise nicht den Richtlinien entsprechende Diagnos- tik der Eisenmangelanämie in diesem PEB und die weniger regelmässig untersuchten Laborwerte bei der Nachkontrolle legen aber nahe, dass die Sensi- bilisierung der Gynäkologen für die korrekte Dia- gnostik und die an die Schwangerschaft angepass- ten Grenzwerte weiterhin nötig ist. Als Therapie ist die i.v.-Eisensubstitution mit ECM eine wirksame Be- handlung des Eisenmangels/-anämie in der Schwan- gerschaft (8, 9, 11). Sie verbessert effektiv die Sym- ptome der Patientinnen, ist gut verträglich und we- nig zeitaufwändig (8, 9, 11). n Prof. Dr. med. Christian Breymann* Dr. med. Edoardo Taddei** Pascal Schaer*** * Facharzt (FMH/DGGG) Gynäkologie und Geburtshilfe, Facharzt (FMH) Operative Gynäkologie, Schwerpunkt: Feto-Maternale Medizin (FMH/DGGG), GYN & PERINATAL, Zürich ** Facharzt (FMH/DGGG) Gynäkologie und Geburtshilfe, Facharzt (FMH) Operative Gynäkologie, centromedico, Lugano *** Medizinische Abteilung, Vifor Pharma Switzerland SA, Villars-sur-Glâne Dieser Praxiserfahrungsbericht wurde von Vifor Pharma Switzerland SA, Villars-surGlâne, Schweiz, finanziert. Literatur: 1. Breymann C et al.: Expertenbrief Nr. 48 (ersetzt Nr. 22), Schweizerische Gesellschaft fur Gynäkologie und Geburtshilfe. Diagnostik und Therapie der Eisenmangelanämie in der Schwangerschaft und postpartal. 2. Muñoz M et al.: Patient blood management in obstetrics: management of anaemia and haematinic deficiencies in pregnancy and in the post-partum period: NATA consensus statement. Transfus Med. 2018; 28 (1): 22-39. 3. Fachinformation Ferinject®, www.swissmedicinfo.ch. 4. Nowak A et al.: Swiss Delphi study on iron deficiency. Swiss Med Wkly 2019; 149: w20097. 5. Fried R et al.: Definition des Eisenmangels in klinischer Medizin und Labormedizin. pipette. 2021;(1-2):21-2. 6. Surbek D et al.: Patient blood management (PBM) in pregnancy and childbirth: literature review and expert opinion. Arch Gynecol Obstet. 2020; 301(2):627-641. 7. Milman N: Iron in pregnancy: How do we secure an appropriate iron status in the mother and child? Ann Nutr Metab. 2011;59(1):50-4. 8. 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Christian Breymann Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, GYN & PERINATAL in Zürich Wann ist der direkte Start mit einer i.v.-Eisensubstitution ohne vorgängige orale Eisentherapie gerechtfertigt? Eine direkte i.v.-Eisensubstitution kann bei einer schweren Anämie in der Schwangerschaft kurz vor dem Geburtstermin oder einer schweren postpartalen Anämie gerechtfertigt sein. Somit wird keine wertvolle Zeit vergeudet und das Ziel mit einem normalisierten Hb-Wert rasch erreicht. Auch bei Patientinnen mit bekannter Unverträglichikeit von oralem Eisen und einer bestehenden Anämie, kann eine direkte i.v.-Eisensubstitution ab dem 2. Trimester der Schwangerschaft gerechtfertigt sein. Wie legen Sie die benötigte i.v.- Eisenmenge fest (Dosierung nach Indikation)? Aus unseren Studien ist bekannt, dass fixe Dosierungen von 500–1000 mg ECM pro Einmalgabe meistens ausreichen, um einen Eisenmangel zu behandeln. Bei manifester Anämie müssen unter Umständen mehrere Gaben im Wochenabstand bis zur Normalisierung der Anämie gegeben werden. Postpartum gilt die einfache Regel, dass pro Gramm Hb ca. 250 mg Eisen benötigt werden. Besteht eine Anämie von beispielsweise 8 g/dl, werden ca. 1000 mg Eisen benötigt, um einen Wert von 12 g/dl zu erreichen. Wichtig ist generell, dass die maximale Dosis pro kg Körpergewicht nicht überschritten wird. Wann und wie kontrollieren? Nachgefragt bei Dr. med. Edoardo Taddei Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am Centro Medico in Lugano Bestimmen Sie in der Nachkontrolle die Laborwerte Ferritin und Hb bei jeder Patientin? In Übereinstimmung mit den neuesten nationalen Leitlinien (1) und angesichts der hohen Prävalenz von Eisenmangel, plane ich systematisch eine zweite Bestimmung des Plasmaferritins ein. Offiziell ist die Empfehlung in der Schweiz zwar auf das Hb-Screening in jedem Schwangerschaftstrimester beschränkt. In den Resultaten des PEB fand die überwiegende Mehrheit der Anämiescreenings im 1. Trimester statt, wenn das Risiko am geringsten ist und reichlich Zeit für eine pränatale Eisensupplementierung vorhanden war. Durch das Unterlassen einer Neubewertung der Eisenspeicher im 2. und/oder 3. Trimester wird der Zeitpunkt mit dem höchsten Risiko verpasst, in denen ein i.v.-Eisenersatz in Betracht gezogen werden kann. Was halten Sie von einem schrittweisen Ansatz mit der Beurteilung der Symptome und anschliessender Hb- und Ferritinbestimmung nur bei Bedarf? Der erste wichtige Schritt bei der klinischen Beurteilung einer Anämie während der Schwangerschaft ist eine vollständige Anamnese und eine klinische Untersuchung. Der zweite Schritt wird durch ein Blutbild mit Hb, Hämatokrit (Hkt), MCV, MCH und Retikulozyten repräsentiert. Der aktuelle Goldstandard zur Bestimmung des Eisenmangels ist der Serumferritinwert und es scheint, dass Ferritinwerte < 70 µg/l im 1. Trimester der Schwangerschaft einen Mangelzustand in den folgenden Trimestern vorhersagen können (7). Wenn das Ferritin < 30 µg/l liegt, ist der Eisenspeicher erschöpft, auch wenn noch keine Anämie nachgewiesen wurde (1). Mein Fazit lautet, dass es vernünftig wäre, bei jeder Schwangerschaft im 1. Trimester den Serumferritinwert zu messen. GYNÄKOLOGIE 3/2022 35