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JOURNAL CLUB/ Kongressbericht SABCS Dezember 2021
HR-positiver, HER2-negativer Brustkrebs
Genexpressionstest auch bei nodal positivem Mammakarzinom von Nutzen
Bei einem grossen Teil der Frauen mit neu diagnostiziertem Brustkrebs sind bereits Lymphknoten beteiligt; die Frage ist dann, ob eine Chemotherapie sinnvoll ist. Jetzt ergab die Studie RxPONDER, dass postmenopausale Frauen mit HR-positiven, HER2negativen Tumoren sowie 1 bis 3 positiven Lymphknoten und einem Oncotype-DXRecurrence-Score zwischen 0 und 25 nicht von einer Chemotherapie profitieren. Bei den prämenopausalen Teilnehmerinnen war die Chemotherapie dagegen mit einem signifikanten Nutzen im Hinblick auf das invasive krankheitsfreie Überleben verbunden.
Der Recurrence-Score erwies sich bei den jungen Frauen als prognostisch, der relative Nutzen der Chemotherapie nahm jedoch nicht mit steigenden Werten zu.
Die Ausgangslage
Der auf dem 21-Gen-Expressionstest Oncotype DX basierende RecurrenceScore (Skala 0–100) hatte sich in der Studie TAYLORx als nützliches Instrument zur Identifizierung von Frauen mit Hormonrezeptor-(HR-)positivem, HER2-negativem, nodal negativem Brustkrebs erwiesen, die von einer Chemotherapie profitieren. Bei etwa einem Drittel aller betroffenen Frauen sind jedoch bereits Lymphknoten beteiligt. In der Studie RxPONDER (a clinical trial RX for positive node, endocrine responsive breast cancer») evaluierte Kevin Kalinsky, Atlanta/USA, jetzt die prognostische Aussagekraft des Recurrence-Scores bezüglich des Chemotherapienutzens bei Patientinnen mit nodal positivem Brustkrebs.
RxPONDER: Wann bringt die Chemotherapie Nutzen?
In die prospektive Studie wurden Patientinnen mit HR-positivem, HER2-negativem, nicht inflammatorischem Brustkrebs ohne Fernmetastasen und 1 bis 3 positiven Achsellymphknoten (Nodalstatus 1) sowie einem Recurrence-Score von 0 bis 25 eingeschlossen. Die Teilnehmerinnen erhielten randomisiert eine
endokrine oder eine chemoendokrine Therapie. Als primären Endpunkt definierten die Forscher den Nutzen der Chemotherapie im Hinblick auf das invasive krankheitsfreie Überleben. Des Weiteren prüften sie die Hypothese, dass der relative Chemotherapienutzen mit steigendem Recurrence-Score zunimmt. Zu den sekundären Endpunkten gehörte das fernrezidivfreie Überleben. Im Rahmen der Studie wurden 5083 Frauen randomisiert. Davon befanden sich 33,2% in der Prämenopause und 66,8% in der Postmenopause. Der mediane Beobachtungszeitraum betrug 5,3 Jahre.
Menopausenstatus bestimmt Nutzen der Chemotherapie
In der dritten vordefinierten Zwischenauswertung unterschied sich der Nutzen der Chemotherapie im Hinblick auf das invasive krankheitsfreie Überleben entsprechend dem menopausalen Status der Patientinnen (p = 0,008): Bei postmenopausalen Frauen betrug das invasive krankheitsfreie 5-JahresÜberleben unter ausschliesslich endokriner Therapie 91,9% und unter chemoendokriner Behandlung 91,3%. Hier zeigte sich somit kein Benefit der Chemotherapie (Hazard Ratio [HR]: 1,02; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,82–1,26; p = 0,89). Auch im Hinblick auf das fernrezidivfreie Überleben fanden die Wis-
senschaftler bei postmenopausalen Frauen keinen Unterschied zwischen beiden Behandlungsgruppen (HR: 1,05; 95%-KI: 0,81–1,37; p = 0,70). Bei den prämenopausalen Frauen lag das invasive krankheitsfreie Überleben nach 5 Jahren unter endokriner Therapie bei 89,0% und unter chemoendokriner Behandlung bei 93,9% (HR: 0,60; 95%-KI: 0,43–0,83; p = 0,002). Im Hinblick auf das fernrezidivfreie Überleben wurden ähnliche Unterschiede zwischen beiden Behandlungsarmen beobachtet (HR: 0,58; 95%-KI: 0,39–0,87; p = 0,009). Es zeigte sich somit eine relative Verbesserung des invasiven krankheitsfreien Überlebens um 40% und des fernrezidivfreien Überlebens um 42%. Der relative Nutzen der Chemotherapie nahm jedoch nicht mit steigendem Recurrence-Score zu.
Diskussion
Die Studie bestätigt die prognostische Bedeutung des Recurrence-Scores bei Werten zwischen 0 und 25 bei prä- und postmenopausalen Brustkrebspatientinnen mit Nodalstatus 1. Die Hypothese, dass der relative Nutzen der Chemotherapie mit steigendem Recurrence-Score zunimmt, bestätigte sich dagegen nicht. Inwieweit der Nutzen der Chemotherapie bei prämenopausalen Frauen auf unmittelbare zytozide Effekte und/oder die behandlungsinduzierte Menopause zurückzuführen ist, konnte nicht geklärt werden. Möglicherweise variiert der Beitrag beider Mechanismen mit dem Alter der Patientinnen in der prämenopausalen Gruppe. In der Studie RxPONDER wurde nicht untersucht, ob die Chemotherapie durch eine Ovarialsuppression ersetzt werden kann. Diese Frage könnte in zukünftigen randomisierten Studien geklärt werden, so die Autoren. Insgesamt kommen Kalinsky und sein Team zu dem Schluss, dass postmeno-
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JOURNAL CLUB/ Kongressbericht SABCS Dezember 2021
pausale Frauen mit 1 bis 3 positiven
Achsellymphknoten und Recurrence-
Score-Werten von 0 bis 25 ohne Beein-
trächtigung ihres invasiven krankheits-
freien und fernrezidivfreien Überlebens
auf eine Chemotherapie verzichten kön-
nen, während prämenopausale Patien-
tinnen auch bei sehr niedrigem Recur-
rence-Score von der Chemotherapie
profitieren.
n
Petra Stölting
Referenz: Kalinsky K et al.: 21-gene assay to inform chemotherapy benefit in node-positive breast cancer. N Engl J Med 2021; 385(25): 23362347. DOI: 10.1056/NEJMoa2108873
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