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KONGRESSBERICHT
San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Texas, 7. bis 10. Dezember 2021
Fortgeschrittenes Mammakarzinom
Optimierte personalisierte Therapie bei verschiedenen Tumoreigenschaften
Das Mammakarzinom ist die «Vorzeigeentität» für eine fortgeschrittene personalisierte Therapie. Durch die vielen heute verfügbaren zielgerichteten Therapieoptionen wird die Behandlung allerdings sehr komplex. Studienergebnisse, die beim SABCS präsentiert wurden, sprechen für eine weitere Optimierung der Brustkrebstherapie.
MONALEESA-2-Studie (Tumoren: HR+/HER2–)
Die Kombination von Ribociclib plus Letrozol als Erstlinienoption zeigte für postmenopausale Patientinnen mit HR+/ HER2-negativem (HER2–) fortgeschrittenem Brustkrebs in der Phase-III-Studie MONALEESA-2 einen Überlebensvorteil gegenüber Plazebo plus Letrozol (HR = 0,76; 95%-KI: 0,63–0,93; p = 0,004). Beim SABCS im Dezember 2021 wurden Subgruppenanalysen in Bezug auf die Metastasenlokalisation, die Anzahl an Metastasenlokalisationen und die vorangegangene Therapie präsentiert (1):
Auf einen Blick
n Ribociclib plus Letrozol ist Plazebo plus Letrozol in der Erstlinie von postmenopausalen HR+/HER2– Brustkrebspatientinnen überlegen, unabhängig von der Lokalisation und der Anzahl der Metastasenlokalisationen oder einer vorangegangenen (neo)adjuvanten Therapie.
n Intensiv vorbehandelte Patientinnen mit HER2+, metastasiertem Brustkrebs profitieren von Trastuzumab-Deruxtecan signifikant besser als von Trastuzumab-Emtansin, auch wenn eine Hirnmetastasierung vorliegt.
n Patientinnen mit HER2-mutiertem HR+/ HER2– Mammakarzinom oder TNBC scheinen von einer Neratinib-Kombinationstherapie zu profitieren.
n Der Cut-off bei einer PD-L1-Expression CPS ≥ 10 ist optimal für die Erstlinienbehandlung mit Pembrolizumab plus Chemotherapie.
*Abkürzungen: HR+/HR– : Hormonrezeptor-positiv/-negativ HER2+/HER2– : HER2-positiv/-negativ (= human epidermal growth factor 2) HR: Hazard Ratio PFS: progressionsfreies Überleben OS: Gesamtüberleben
In der ITT-Population betrug die Gesamtüberlebens-(OS-)Rate 52,3% versus 43,9% nach 5 Jahren sowie 44,2% versus 32,0% nach 6 Jahren. Im Median lebten die Patientinnen 63,9 versus 51,4 Monate. Konsistent mit diesen Ergebnissen, betrug das mediane OS für Patientinnen mit alleiniger Knochenmetastasierung 72,6 versus 56,4 Monate. Nach 5 und 6 Jahren lebten 58,6% versus 47,1% bzw. 50,2% versus 33,8% der Patientinnen. Bei Lebermetastasierung war die Prognose für die Patientinnen insgesamt schlechter (medianes OS 37,7 vs. 38,1 Monate), aber die 5- und 6-Jahres-OS-Raten mit 37,2% versus 28,4% bzw. 31,0% versus 18,9% waren vorteilhafter unter Ribociclib-haltiger Therapie. Die Anzahl der Metastasenlokalisationen (< 3 oder ≥ 3), eine vorangegangene (neo)adjuvante Chemotherapie oder eine vorangegangene endokrine Therapie beeinflussten den OS-Vorteil durch Ribociclib nicht und waren konsistent mit den Ergebnissen der ITT-Population. DESTINY-Breast03-Studie (Tumoren: HER2+) Das Auftreten von Hirnmetastasen geht mit einer schlechten Prognose einher. Mit Trastuzumab-Deruxtecan wurden in der DESTINY-Breast03-Studie auch für dieses Patientinnenklientel vielversprechende Ergebnisse erreicht (2). In der Phase-III-Studie wurde die Behandlung mit den HER2-gerichteten Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten TrastuzumabDeruxtecan (T-DXd; 5,4 mg/kg, q3w) und Trastuzumab-Emtansin (T-DM1; 3,6 mg/ kg, q3w) gegeneinander verglichen. Eingeschlossen waren 524 Patientinnen mit nicht resektablem oder metastasiertem HER2-positiven Brustkrebs, die bereits mit Trastuzumab und einem Taxan behandelt worden waren. Die Patientinnen durften laut Einschlusskriterien klinisch stabile, behandelte Hirnmetastasen aufweisen, wenn mindestens 2 Wochen zwischen dem Abschluss der Ganzhirnbestrahlung und dem Studieneinschluss lagen. Von den Patientinnen im T-DXd-Arm lagen Hirnmetastasen bei 16,5% zu Studienbeginn vor, und bei 23,8% waren im Verlauf der Erkrankung Hirnmetastasen aufgetreten. Im T-DM1-Arm traf das auf 14,8% und 19,8% der Patientinnen zu. Resultate: Trastuzumab-Deruxtecan ist deutlich überlegen In der Analyse des primären Endpunkts wurde mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15,9 Monaten im T-DXd-Arm eine Reduktion des Risikos für Krankheitsprogress oder Tod von 72% gesehen (HR = 0,28; 95%-KI: 0,22–0,37; < 0,0001). n Die 12-Monats-Rate für das progres- sionsfreie Überleben (PFS) betrug 75,8% versus 34,1%. Der Median war im T-DXd-Arm noch nicht erreicht und betrug 6,8 Monate unter T-DM1. Der hoch signifikante Unterschied zeigte sich für alle untersuchten Subgruppen. n Patientinnen mit Hirnmetastasen erreichten ein medianes PFS von 15,0 Monaten unter T-DXd versus 3,0 Monaten unter T-DM1 (HR = 0,25; 95%-KI: 0,31–0,45). n Nach 12 Monaten lebten 72% versus 20,9% der Patientinnen mit Hirnmetastasen ohne Progress. n Ein Ansprechen zeigten 67,4% der Patientinnen unter T-DXd versus 20,5% unter T-DM1. Ein komplettes Ansprechen erreichten 4,7% versus 0% der Patientinnen. Die Krankheitskontrollrate betrug 93,0% versus 76,9%. Das Ansprechen dauerte im Median 12,9 versus 7,2 Monate an. n Eine intrakranielle Komplettremission erreichten 27,8% der Patientinnen unter T-DXd versus 2,8% unter T-DM1, 36 GYNÄKOLOGIE 1/2022 KONGRESSBERICHT San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Texas, 7. bis 10. Dezember 2021 ein intrakranielles partielles Ansprechen 36,1% versus 30,6%. Eine an die unterschiedliche Therapiedauer von median 14,3 versus 6,9 Monaten angepasste Sicherheitsanalyse zeigte, dass bei insgesamt vergleichbarer Rate an therapieassoziierten Nebenwirkungen die an die Exposition angepasste Inzidenz pro Patientenjahr unter T-DXd geringer war als unter T-DM1 (alle Grade: 0,87 vs. 1,43; Grad ≥ 3: 0,46 vs. 0,72; klinisch relevant: 0,17 vs. 0,27). Therapieabbrüche und Dosisreduktionen aufgrund von therapieassoziierten Nebenwirkungen wurden insgesamt häufiger im T-DXd-Arm berichtet, waren aber bei Anpassung an die Expositionsdauer in beiden Studienarmen vergleichbar (0,12 vs. 0,11 bzw. 0,19 vs. 0,19). SUMMIT-Studie: Kombinationen bei HER2– mutiertem Brustkrebs Eine innovative Therapie ist der irreversible pan-HER-Tyrosinkinase-Inhibitor Neratinib, der in der Basket-Studie SUMMIT u. a. beim HER2– mutierten, metastasierten Mammakarzinom untersucht wurde (3). Ein Studienarm schloss die Kohorte der Patientinnen mit HR+/ HER2– Tumoren mit vorheriger CDK4/6i-Therapie ein, die nicht randomisiert Neratinib plus Fulvestrant plus Trastuzumab (N + F + T) erhielten (n = 26). Ein zweiter Studienarm derselben Patientinnenkohorte erhielt 1:1:1 randomisiert N + F + T (n = 7) oder Fulvestrant plus Trastuzumab (F + T; n = 7) oder Fulvestrant (F; n = 7). Bei Tumorprogress wurden die Patientinnen in den Neratinib-freien Studienarmen ebenfalls mit N + F + T weiterbehandelt. In dem Studienarm zu Neratinib bei tripelnegativen Tumoren (TNBC) erhielten Patientinnen Neratinib plus Trastuzumab (N + T). Insgesamt handelte es sich bei den Patientinnen der HR+/HER2– Kohorte um intensiv vorbehandelte Patientinnen mit median 5 (N + F + T) bzw. 3 (F + T, F) vorangegangenen Therapielinien im lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium. Alle Patientinnen hatten bereits eine endokrine Therapie erhalten sowie zu 81,8%, 57,1%, bzw. 71,4% eine Chemotherapie. Resultate: Hohe Wirksamkeit von Neratinib Im Ergebnis sprachen 46,2% der Patientinnen im nicht randomisierten Arm auf die Therapie an. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 14,4 Monate, das mediane PFS 8,2 Monate. Im randomisierten Studienarm bestätigte sich der effektive Einfluss von Neratinib: Während 2 der Patientinnen (28,6%) auf N + F + T ansprachen, wurde in den Neratinib-freien Studienarmen kein Ansprechen beobachtet. Das mediane PFS betrug 6,2 Monate (N + F + T), 3,9 Monate (F + T) und 4,1 Monate (F). In den kombinierten Armen lag das Ansprechen bei 42,4% für Patienten in den Neratinib-haltigen versus 28,6% in den Neratinibfreien Studienarmen, und das mediane PFS betrug 7,0 versus 2,9 Monate. Im Median dauerte die Therapie 6,5 versus 3,7 Monate an. Die häufigste Nebenwirkung unter N + F + T war Diarrhö (alle Grade: 90,9%; Grad 3–4: 45,5%). Patientinnen mit tripelnegativen Tumoren hatten im Median 3,5 Therapielinien erhalten. 6 der 18 Patientinnen (33,3%) sprachen auf N + T an. Das mediane PFS betrug für diese Patientinnen 6,2 Monate, die mediane Dauer der Therapie 4,4 Monate. In dieser Kohorte wurde Diarrhö aller Grade bei 88,9% und von Grad 3 bis 4 bei 16,7% der Patientinnen berichtet. KEYNOTE-355-Studie mit TNBC-Patienten mit CPS ≥ 10 Die zusätzliche Gabe von Pembrolizumab zu einer Erstlinien-Chemotherapie führte in der Phase-III-Studie KEYNOTE355 zu einer signifikanten und klinisch relevanten Verlängerung des PFS und des OS bei Patientinnen mit metastasiertem TNBC und einer PD-L1-Expression CPS (= combined positive score) ≥ 10. Die finale OS-Analyse zeigte ein signifikant verbessertes Ergebnis bei einem PD-L1 CPS ≥ 10, nicht aber bei PD-L1 CPS ≥ 1 oder der ITT-Population. Eine beim SABCS präsentierte Auswertung analysierte weitere Subgruppen mit anderen CPS-Cut-offs und kam zu dem Ergebnis, dass mit dem CPS ≥ 10 ein sinnvoller Cut-off-Wert vorliegt (4). Die KEYNOTE-355-Studie hatte insgesamt 847 Patientinnen im Verhältnis 2:1 für eine Therapie mit Pembrolizumab plus Chemotherapie versus Plazebo plus Chemotherapie eingeschlossen. Etwa 25% der Patientinnen wiesen einen CPS < 1 auf, etwa 37% einen CPS 1 bis 9, 14% einen CPS 10 bis 19 und etwa 24% einen CPS ≥ 20. Mit der Subgruppenanalyse wurde für Patientinnen mit PD-L1 CPS < 1 und PD- L1 CPS 1 bis 9 kein signifikantes Ergebnis (HR = 0,89 und 0,97), wohl aber ein rele- vanter numerischer Vorteil bei PD-L1 CPS 10 bis 19 (HR = 0,71; 95%-KI: 0,46– 1,09) und PD-L1 CPS ≥ 20 (HR = 0,72; 95%-KI: 0,51–1,01) beobachtet. Bezüg- lich des PFS konnte in der finalen Ana- lyse für die 3 untersuchten Populationen, CPS ≥ 10, CPS ≥ 1 und ITT, ein signifikan- ter Nutzen von Pembrolizumab identifi- ziert werden. Ein signifikantes Ergebnis erreichten in den detaillierten aufgeteil- ten Subgruppen nur Patientinnen mit ei- nem PD-L1 CPS ≥ 20 (HR = 0,62; 95%-KI: 0,44–0,88). Patientinnen mit CPS 10 bis 19 zeigten einen relevanten numerischen Vorteil (HR = 0,70; 95%-KI: 0,44–1,09) und Patientinnen mit CPS < 1 oder 1 bis 9 kei- nen relevanten Nutzen von Pembrolizu- mab (HR = 0,85 und 1,09). Diese Subgruppenergebnisse bestäti- gen CPS ≥ 10 als sinnvollen Cut-off, um Patientinnen mit metastasiertem TNBC zu identifizieren, die wahrscheinlich von einer Erstlinientherapie mit Pembrolizu- mab plus Chemotherapie profitieren. Pembrolizumab plus Chemotherapie sollte für diese Patientinnen der Thera- piestandard sein. n Ine Schmale Quelle: San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2021, San Antonio/Texas. Referenzen: 1. O´Shaughnessy J et al.: Overall survival subgroup analysis by metastatic site from the phase 3 MONALEESA-2 study of firstline ribociclib + letrozole in postmenopausal patients with advanced HR+/HER2- breast cancer. SABCS 2021, Abstr. #GS2-01. 2. Hurvitz S et al.: Trastuzumab deruxtecan (T-DXd; DS-8201a) vs. trastuzumab emtansine (T-DM1) in patients with HER2+ metastatic breast cancer: subgroup analyses from the randomized phase 3 study DESTINY-Breast03. SABCS 2021, Abstr. #GS3-01. 3. Jhaveri K et al.: Neratinib + fulvestrant + trastuzumab for HR+, HER2-mutant metastatic breast cancer and neratinib + trastuzumab for triple-negative disease: Latest updates from the SUMMIT trial. SABCS 2021, Abstr. #GS4-10. 4. Cortés J et al.: Efficacy of pembrolizumab + chemotherapy vs placebo + chemotherapy by PD-L1 combined positive score 1–9, 10–19, and ≥ 20 for previously untreated locally recurrent inoperable or metastatic triple-negative breast cancer: KEYNOTE-355 subgroup analysis. SABCS 2021, Abstr. #GS1-02. GYNÄKOLOGIE 1/2022 37