Transkript
SCHWERPUNKT
Adjuvante Systemtherapien bei Brustkrebs
Besonderheiten bei der prämenopausalen Patientin
Brustkrebs in der Prämenopause präsentiert sich gehäuft in einem fortgeschrittenen Stadium mit aggressiverer Tumorbiologie und ruft dadurch bei den Betroffenen viele Ängste hervor. Die Entwicklung einer individuellen Therapiestrategie für dieses Patientinnenkollektiv stellt uns vor eine schwierige Herausforderung. Über die onkologische Sicherheit einer Systemtherapie hinaus kommen Fragen zum Fertilitätserhalt, zu einer genetischen Prädisposition und Lifestylefaktoren auf.
FRANZISKA LENZ, CORNELIA LEO
Franziska Lenz Cornelia Leo
Das Mammakarzinom ist weltweit die häufigste maligne Erkrankung der Frau. Etwa 30% der Brustkrebspatientinnen sind prämenopausal (1). In dieser Altersklasse präsentieren sich die Patientinnen bei Diagnosestellung bereits häufig mit einem fortgeschrittenen Tumorwachstum und einer aggressiven, schlecht differenzierten Tumorbiologie (2) (Tabelle 1). Junge Patientinnen unter 35 Jahren weisen im Altersvergleich das schlechteste rezidivfreie und Gesamtüberleben auf (3), wobei der intrinsische Subtyp einen wichtigen prognostischen Faktor darstellt.
Planung der komplexen Therapiestrategie
Vor Einleitung einer individualisierten Systemtherapie bei prämenopausalen Brustkrebspatientinnen sind Auswirkungen auf den Fertilitätserhalt, Nebenwirkungsmanagement und eine ausführliche Antikonzeptionsberatung wichtige Bestandteile eines prätherapeutischen Aufklärungsgesprächs. Hierbei sollten sowohl der Einfluss von sozioökonomischen und genetischen Faktoren als auch Langzeitfolgen
Merkpunkte
n 30% aller Brustkrebspatientinnen sind prämenopausal. n Prognostisch relevante Faktoren (intrinsischer Subtyp, Tumorgrösse, Nodalstatus, Gra-
ding, Erkrankungsalter, Proliferationsfraktion, Biomarker wie Hormonrezeptor-/HER2-Status) bieten eine präzise Abschätzung des individuellen Risikos. n Genexpressionstests dienen der Deeskalation, um Übertherapie zu verhindern, aber auch der Therapieeskalation, um bei High-Risk-Mammakarzinomen das Rezidivrisiko zu senken. n Ein personalisiertes Therapiekonzept umfasst die Beratung über kontrazeptive Massnahmen, Fertilitätserhalt, Genetik, Nebenwirkungsmanagement und sozioökonomische Aspekte.
einer Systemtherapie Berücksichtigung finden. Bei offener Familienplanung sollte eine reproduktionsmedizinische Vorstellung erfolgen. Somit bedarf die Betreuung von prämenopausalen Patientinnen einer komplexen Therapiestrategie unter Einbezug interdisziplinärer Expertise. Als massgebende Kriterien zur Wahl der Therapie bei der jungen Patientin gelten neben der Tumorgrösse, dem Nodalstatus und dem Grading auch die immunhistochemische Beurteilung der Östrogen- und Progesteronrezeptoren, die Bestimmung des HER2-Status sowie die Analyse der Proliferationsfraktion (Ki-67). Durch die molekulare Klassifizierung der Brustkrebstypen sowie die Entwicklung neuer Substanzen wurden in den letzten Jahren in der adjuvanten Systemtherapie (endokrine, Chemo- und zielgerichtete Therapie) von Brustkrebspatientinnen vielversprechende Optionen geboten, welche nachfolgend hinsichtlich der Besonderheiten bei prämenopausalen Patientinnen erläutert werden.
Neo-/adjuvante Chemotherapie
Grundsätzlich sollte bei prämenopausalen Patientinnen das Alter allein weder zu einer Eskalation der Behandlung führen noch als Hauptindikator für eine Chemotherapie betrachtet werden. Die Indikation für eine zytostatischen Therapie gilt bei HER2-überexprimierenden Tumoren in Kombination mit einer simultanen Anti-HER2-Therapie und bei tripelnegativem Mammakarzinom (TNBC) als gesichert. Hingegen müssen bei endokrin sensiblem Brustkrebs weitere prädiktive Faktoren für ein hohes individuelles Rezidivrisiko (Tumorgrösse, Lymphknotenbefall, schlechter Differenzierungsgrad, junges Erkrankungsalter, hohes Ki-67) zur Entscheidung über die Notwendigkeit einer Chemotherapie mit einbezogen werden.
12 GYNÄKOLOGIE 1/2022
SCHWERPUNKT
Tabelle 1:
Klinisch pathologische Faktoren bei jungen Brustkrebspatientinnen (adaptiert nach [2])
Klinisch pathologische Kriterien/Phänotyp
Luminal A (ER/PR+, HER2–, Grad 1 oder 2) Luminal B (ER/PR+, HER2+ oder ER/PR+, HER2–, Grad 3) HER2 (ER–, PR–, HER2+) Triple negativ Tumorgrad 3 Lymphovaskuläre Invasion Tumornekrose prominente lymphozytäre Infiltration zentraler fibrotischer Fokus verdrängende Tumorränder («pushing margins»)
≤ 30 Jahre
n = 47 n (%)
31–35 Jahre
n = 111 n (%)
36–40 Jahre
n = 241 n (%)
Patientinnen gesamthaft
n = 399 n (%)
Bei prämenopausalen Hochrisikopatientinnen sollte wie auch bei älteren Patientinnen die (neo-)/adjuvante Chemotherapie den Standardrichtlinien folgen. Hierbei kommt neben der Wahl des Therapieschemas der Einhaltung des zeitlichen Therapieintervalls eine grosse Bedeutung zu. Dosisdichte Therapieregime scheinen bei prämenopausalen Patientinnen mit Hochrisikokonstellationen einen positiven Effekt auf das Gesamtüberleben zu haben (4). Bei jungen Brustkrebspatientinnen konnte nach neoadjuvanter Chemotherapie (NACT) signifikant häufiger ein vollständiges pathologisches Ansprechen (pCR) erzielt werden, insbesondere bei luminalem und TNBC (5). Bei TNBC im Stadium II bis III konnte der Anstieg der pCR-Rate durch Zugabe von Carboplatin zur standardisierten Taxan- und Anthrazyklinbasierten Therapie noch verstärkt werden (5). Das Ansprechen auf eine NACT bei TNBC und HER2-positivem Mammakarzinom bietet wichtige Informationen über eine notwendige Eskalation mittels postneoadjuvant ergänzender Chemotherapie bei Non-pCR. In Anlehnung an die CREATEX-Daten bewirkt der postneoadjuvante Einsatz von Capecitabin bei TNBC mit non-pCR nach NACT im Vergleich zur plazebokontrollierten Kohorte eine signifikante Verbesserung des rezidivfreien und des Gesamtüberlebens (6). Patientinnen hatten in der Studie ein medianes Alter von 48 Jahren, darunter waren 57,5% prämenopausal (6). In der Keynote-522-Studie konnte bei Hochrisikopatientinnen mit TNBC (T1c, N1-2 oder T2-4, N0-2) die pCR-Rate unter dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab und NACT noch erhöht werden (um 13,6% im Vergleich zu Plazebo) (7). Daher stellen die Immuncheckpoint-Inhibitoren bereits jetzt vielversprechende Therapieoptionen insbesondere bei jungen Patientinnen mit TNBC dar.
HER2-gerichtete Therapie
In der Subgruppe der HER2-positiven Mammakarzinome wurde mit Trastuzumab, einem HER2-gerichte-
ten humanisierten, monoklonalen Antikörper, eine wirksame Substanz gegen diese aggressive Brustkrebsentität entwickelt. Die europäische Zulassung erfolgte im Jahr 2000. Der Einsatz der adjuvanten Therapie mit Trastuzumab für die Gesamtdauer von einem Jahr ist als Standardtherapie etabliert, wobei das Erkrankungsalter keinen prognostischen Wert auf die Therapie zeigt (10). Die Erweiterung der Anti-HER2-gerichteten Therapieoptionen durch den Einsatz von Pertuzumab und dem Antikörper-Drug-Konjugat T-DM1 bei fortgeschrittenem Brustkrebs hatte zudem in den letzten 15 Jahren einen positiven prognostischen Effekt (11). Hierbei konnte auch im Rahmen der Postneoadjuvanzstudie KATHARINE altersunabhängig ein signifikant verlängertes rezidivfreies Überleben nach Switch auf T-DM1 bei Non-pCR nach einer neoadjuvanten Antikörpertherapie mit Trastuzumab (ggf. in Kombination mit Pertuzumab) nachgewiesen werden (11).
Eskalation oder Deeskalation
Genexpressionstests (u. a. Oncotype DX®, Mammaprint®, PAM50®, Endopredict®) können einen entscheidenden Beitrag zur personalisierten Therapie leisten, indem sie durch Deeskalation vielen Patientinnen eine Systemtherapie ersparen. Jedoch kann aufgrund einer Genexpressionsanalyse auch die Entscheidung zur Eskalation auf eine adjuvante Chemotherapie erfolgen, insbesondere wenn bei hormonsensitiver, HER2-negativer Risikokonstellation die Indikation auf dem Boden der klassischen, klinikopathologischen Faktoren nicht klar ist. Gemäss den Daten aus der TAILOR-X-Studie haben nodal negative Patientinnen mit einem luminalen Brustkrebs und einem Recurrence-Score (RS) unter 25 im Oncotype® DX (21-gene recurrence score assay) keinen Benefit für eine zusätzliche Chemotherapie gezeigt (8). Allerdings war im Kollektiv der unter 50-jährigen Patientinnen doch ein Vorteil für eine adjuvante Chemotherapie im intermediären Risikobereich (Oncotype® RS 16-25) ersichtlich (8) (Tabelle 2).
GYNÄKOLOGIE 1/2022
13
SCHWERPUNKT
Tabelle 2:
Outcome nach 9 Jahren, stratifiziert nach Recurrence Score/klinischem Risiko bei Patientinnen < 50 Jahren (adaptiert nach [8])
Variable
Klinisches Zahl der
Risiko
Patienten
Recurrence-Score 16–20
Keine Chemotherapie
niedrig
328
Chemotherapie
niedrig
343
Keine Chemotherapie
hoch
107
Chemotherapie
hoch
108
Recurrence–Score 21–25
Keine Chemotherapie
niedrig
158
Chemotherapie
niedrig
161
Keine Chemotherapie
hoch
75
Chemotherapie
hoch
82
Geschätzte Wahrschein- lichkeit für Rezidiv, 2.Primärtumor oder Tod in %
Hazard Ratio (HR) für Rezidiv, 2. Primärtumor oder Tod in (95%-KI)
19,6 ± 3,1
1,89 (1,89–3,04)
9,5 ± 1,8
19,0 ± 4,5
1,68 (076–3,72)
16,3 ± 5,8
19,7 ± 4,5
1,38 (0,74–2,57)
15,8 ± 4,0
26,4 ± 5,4
2,63 (1,14–6,05)
11,4 ± 3,8
Geschätzte Wahrschein- lichkeit für Fernrezidive in %
Geschätzter absoluter Nutzen der Chemotherapie %-Punkte
4,6 ± 1,5
–0,2 ± 2,1
4,8 ± 1,5
11,9 ± 3,9
6,5 ± 4,9
5,5 ± 3,0
11,4 ± 3,9
6,4 ± 4,9
5,0 ± 3,0
18,8 ± 5,0
8,7 ± 6,2
10,1 ± 3,7
HR für Fernrezidive (95%-KI)
1,00 (0,44–2,28) 2,26 (0,70–7,34)
3,16 (1,01–9,94) 1,86 (0,73–4,74)
Dieser Benefit wurde insbesondere bei unter 45-jährigen prämenopausalen Patientinnen als chemoendokriner Effekt durch eine ovarielle Suppression gedeutet (8). Deshalb muss in dieser Altersgruppe eine individuelle Betrachtung und Abwägung erfolgen, die allenfalls eine Entscheidung zugunsten einer Chemotherapie bei einem RS zwischen 16 und 25 bedeuten kann. In der RxPonder-Studie konnte bei prämenopausalen Patientinnen (33,2% der 5015 Patientinnen) der Nutzen einer Chemotherapie bei hormonrezeptorpositivem (ER+), HER2-negativem Mammakarzinom mit 1 bis 3 befallenen Lymphknoten unabhängig vom RS nachgewiesen werden (9). Es zeigte sich ein absoluter Benefit von 5,2% bezüglich des krankheitsfreien Überlebens (94,2% vs. 89,0%; HR = 0,54; p = 0,0004) (9). Auch beim Gesamtüberleben zeigte sich für prämenopausale Patientinnen mit zusätzlicher Chemotherapie ein absoluter, statistisch signifikanter Benefit von 1,3% (98,6% vs. 97,3%; HR = 0,47; p = 0,032) (9). Die Frage, ob dieser Effekt tatsächlich der Chemotherapie zuzuschreiben ist oder durch die Ovarsuppression erzielt wird, wird durch diese Studie nicht beantwortet. Genexpressionstests zeigten sich für prämenopausale, nodal positive Patientinnen in dieser Studie als nicht prädiktiv. Hingegen profitieren nodal positive, postmenopausale Patientinnen mit luminalem Brustkrebs erst ab einem RS-Wert > 25 von einer adjuvanten zystostatischen Therapie (9).
Adjuvante endokrine Therapie
Die endokrine Therapie spielt unter den adjuvanten Therapieoptionen eine zentrale Rolle. Von einer alleinigen endokrinen Therapie profitieren in erster Linie Patientinnen mit Tumoren des Luminal-A-Subtyps. Dieser mit 40 bis 60% häufigste intrinsische Subtyp
beschreibt gut differenzierte ER- und/oder PR-positive (≥ 10% Hormonrezeptorexpression), HER2-negative Tumoren mit tiefer Proliferationsrate und niedrigem Grading. Luminal-A-Tumoren haben zudem eine geringe Chemosensitivität, jedoch ist eine hohe Empfindlichkeit gegenüber endokrin wirksamen Therapieoptionen charakteristisch. Tumoren des Luminal-B-Subtyps (ER/PR-positiv, G2/3 und hohe Proliferationsrate) sind hingegen häufig nicht ausreichend mit einer alleinigen Antihormontherapie zu behandeln. Bei bislang unzureichend validiertem Schwellenwert für Ki-67 zur Differenzierung zwischen Luminal A und B können Genexpressionsanalysen unterstützend zur individuellen Risikoanalyse und bei der Entscheidung für oder gegen eine allfällige Chemotherapiegabe zu Rate gezogen werden. Bei der prämenopausalen Patientin mit frühem luminalem Brustkrebs hat sich über Jahrzehnte der Einsatz von Tamoxifen, einem selektiven Modulator der ER-Funktion (SERM), als Goldstandard etabliert. In einer Metaanalyse der EBCTCG von 2011 konnte durch den Einsatz von Tamoxifen im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne adjuvante endokrine Therapie nach 15 Jahren eine etwa 30% geringere Brustkrebs-assoziierte Mortalitätsrate und damit ein signifikant verlängertes Überleben gezeigt werden (12). Dieser Effekt konnte für weitere 15 Jahre nachgewiesen werden (12). Tamoxifen über 5 Jahre reduziert ausserdem signifikant die Wahrscheinlichkeit für ein lokoregionäres Rezidiv um zirka 40% (12). In klinisch-pathologischen Hochrisikokonstellationen sollte bei erhaltener ovarieller Funktion der Einsatz eines Aromataseinhibitors oder von Tamoxifen in Kombination mit einem Gonadotropin-ReleasingHormon-(GnRH-)Analogon zur ovariellen Funktions-
14 GYNÄKOLOGIE 1/2022
SCHWERPUNKT
Tamoxifen + OFS
Exemestan + OFS
Tamoxifen
Characteristic TEXT-Studie
SOFT-Studie
Alter bei Randomisierung; Jahre ≥ 50
45–49 40–44 35–39
< 35 Zahl positiver Lymphknoten
0 1–3 ≥4 Tumorgrösse; cm ≤2 ≥2 ER-Exprimierung ≥ 50 < 50 PR-Exprimierung ≥ 50 20–49 < 20 Tumorgrad
1 2 3 Ki-67-Exprimierung, % < 14 14–19 20–25 ≥ 26
Fernrezidiv-frei im 8-Jahres-Zeitraum (95%-Konfidenzintervall)
Abbildung 1: 2 Kaplan-Meier-Kurven für das rezidivfreie Überleben in 7 Subgruppen gemäss den Studien SOFT und TEXT (adapt. nach [13])
suppression (OFS) geprüft werden. Alternativ käme auf Wunsch auch eine Adnexektomie in Betracht. Als Risikofaktoren spielen hierbei das Erkrankungsalter (< 40 Jahre), die Tumorgrösse, der Nodalstatus, eine niedrige ER/PR-Expression, ein hohes Grading (G3) sowie ein höherer Proliferationsindex (Ki-67) eine wichtige Rolle. Diese Empfehlung stützt sich auf die Daten der Studien SOFT (Suppression of Ovarian Function Trial) und TEXT (Tamoxifen and Exemestane Trial), welche den grössten Nutzen einer ovariellen Suppression kombiniert mit einer endokrin wirksamen Therapie für insgesamt 5 Jahre bei einem Erkrankungsalter unter 35 Jahren und einem hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom zeigten (13) (Abbildung 1). Ein geringerer, wenngleich signifikanter Effekt der ovariellen Suppression kombiniert mit einem Aromataseinhibitor (bevorzugt Exemestan) wurde auch bei ungünstiger biologischer Signatur (Luminal B) mit Indikation für eine Chemotherapie nachgewiesen (13). Die Kombination von Tamoxifen mit einer ovariellen Suppression ist der Kombination mit einem Aromataseinhibitor zwar etwas unterlegen, aber es zeigt sich weiterhin ein signifikanter Vorteil bezüglich des krankheitsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens gegenüber der alleinigen Tamoxifen-Therapie (13). Damit ist die Kombination Tamoxifen/GnRH-Analogon eine effektive Alterna-
tive, wenn die Kombination aus AI/GnRH-Analogon zu Nebenwirkungen führt, die die Lebensqualität zu stark einschränken. Der prognostische Vorteil der Kombination mit OFS konnte im Niedrigrisikokollektiv (Luminal A) nicht belegt werden, weshalb hier weiterhin eine alleinige Tamoxifen-Therapie indiziert werden kann.
Nebenwirkungsmanagement Zur Verbesserung der Compliance ist eine detaillierte Aufklärung der prämenopausalen Patientin über eine mögliche Verstärkung der Nebenwirkungen einer endokrinen Therapie (vasomotorische Beschwerden, Schlafstörungen, Knochenschmerzen, Genitalatrophie) unter Hinzunahme einer ovariellen Suppression unabdingbar. Zur Reduktion des Osteoporoserisikos unter OFS sollte eine osteoprotektive Therapie evaluiert werden. Als Tool zur Abschätzung und Entscheidungshilfe über die Indikation für eine OFS kann der Composite Risk Index Breast Cancer (CRIB) hilfreich sein (14).
Verlängerte endokrine Therapie? Die ATLAS-Studie (mit 18% prämenopausalen Patientinnen) zeigte einen Benefit für eine verlängerte Tamoxifen-Gabe für 10 Jahre mit signifikant verlängertem Gesamtüberleben unter Inkaufnahme eines höheren Endometriumkarzinom- und Lungenembo-
GYNÄKOLOGIE 1/2022
15
SCHWERPUNKT
TNBC
cT1 cN0
cT≥2 und/oder cN≥1
Prämenopausale Patientinnen
HER-2 positiv
cT1 cN0
cT≥2 und/oder cN≥1
Fertilitätserhalt Antikonzeption Genetische Beratung Lifestyle Beratung Psychoonkologie Komplementärmedizin Nebenwirkungsmanagement
Luminal
Wenn CT indiziert
Wenn CT nicht indiziert
NACT (ggf. dose dense) (+ Pembrolizumab
T1c,N1-2 oder T2-4, N0-2)
NACT Trastuzumab + Pertuzumab
OP
NACT (ggf. dose dense)
pCR
non-pCR
pT1b,c pN0
pT≥2 und/oder pN ≥ 1
pCR non-pCR
adjuvante CT
Adjuvant Pembrolizumab (wenn neoadjuvant
Pembrolizumab gegeben
wurde: T1c,N1-2 oder T2-4, N0-2)
Nachsorge
Adjuvant Capecitabine
Adjuvant Trastuzumab (+ Pertuzumab wenn
cN+)
Adjuvant T-DM1
AI (oder Tamoxifen) + OFS ggf. +
Abemaciclib (≥4 LK oder 1-3 LK G3 / ≥5 cm)
AI (oder Tamoxifen) + OFS ggf. +
Abemaciclib (≥4 LK oder 1-3 LK G3 / ≥5 cm)
adjuvante CT
Adjuvant Paclitaxel +
Trastuzumab
Adjuvant CT + Trastuzumab
+/- Pertuzumab
ggf. verlängerte ET
ggf. verlängerte ET
Nur Tamoxifen (+OFS bei Hochrisiko)
ggf. verlängerte ET
Abbildung 2: Möglicher Behandlungsalgorithmus der Systemtherapie bei Mammakarzinom in der Prämenopause (adaptiert nach [20])
Adaptiert nach Parisi et al. (20)
lierisikos (15). In Anbetracht der Tatsache eines hohen Rezidivrisikos für die prämenopausale Patientin sollte eine verlängerte endokrine Therapie über 5 Jahre hinaus bei Hochrisikopatientinnen evaluiert werden. Daten bezüglich der Benefits einer verlängerten endokrinen Therapie nach 5 Jahren Kombinationstherapie mit AI/GnRH existieren jedoch noch nicht. Die Entscheidung für eine Therapieverlängerung muss individuell mit der Patientin diskutiert werden, und sowohl das Rezidivrisiko als auch die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Nebenwirkungen der Therapie müssen berücksichtigt werden.
prämenopausalen Patientinnen) im Vergleich zum Plazeboarm. Mit Spannung erwarten wir, zukünftig mehr Daten zum Effekt der adjuvanten Therapie mit CDK-4/6-Inhibitoren im Hinblick auf das Gesamtüberleben bei prämenopausalen Patientinnen präsentiert zu bekommen. Unabhängig von ggf. präexistierenden Risikofaktoren für Osteoporose sollten bei zu erwartender ovarieller Suppression aufgrund adjuvanter Systemtherapien osteoprotektive Massnahmen wie Bewegungstherapie, Gewichtsoptimierung sowie Kalzium- und Vitamin-D-Substitution empfohlen werden.
Einsatz von CDK-4/6-Inhibitoren? Der Einsatz von CDK-4/6-Inhibitoren im adjuvanten Setting bei Hochrisikopatientinnen mit endokrin sensiblem Brustkrebs wurde in den letzten Jahren intensiv erforscht. Im Phase-III-MonarchE-Trial erhielten insgesamt 5637 Patienten mit high-risk nodal positivem luminalem Brustkrebs (≥ 4 Lymphknoten oder 1–3 Lymphknoten G3 / ≥ 5 cm) nach erfolgter Operation, Radiotherapie und/oder Chemotherapie eine 5-jährige adjuvante endokrine Therapie mit einem Aromatasehemmer mit oder ohne Zusatz von Abemaciclib für 2 Jahre (16). Hierbei zeigte sich altersunabhängig eine Risikoreduktion von 29% für das rezidivfreie Überleben unter Abemaciclib in Kombination mit einem Aromataseinhibitor (plus OFS bei
Genetische Beratung
5 bis 10% aller Brustkrebserkrankungen sind erblich bedingt (17). Bei der Hälfte dieser Patientinnen lässt sich eine BRCA1- oder BRCA2-Keimbahnmutation nachweisen. Eine erbliche Ursache kann bei positiver Familienanamnese mit mindestens 2 weiteren an Brustkrebs erkrankten Patientinnen (oder mindestens 1 ≤ 50 Jahren), bei einem Erkrankungsalter ≤ 40 Jahren, gleichzeitiger Anamnese von Brust- und Eierstock-, Prostata- oder Pankreaskarzinom, bilateralem Brustkrebs (≤ 50 Jahre), bei TNBC < 60 Jahren oder männlichen Brustkrebspatienten vermutet werden (17). Trifft eines dieser genannten Testkriterien zu, sollte Betroffenen eine genetische Beratung und Testung nach erteilter Kostengutsprache der Krankenkasse angebo-
16 GYNÄKOLOGIE 1/2022
SCHWERPUNKT
ten werden. Bei Trägerinnen einer BRCA-Mutation besteht ein Risiko von bis zu 40%, vor dem 50. Lebensjahr an Brustkrebs zu erkranken (17). Der Nachweis einer BRCA-Mutation hat nicht nur Konsequenzen bezüglich (sekundär-) prophylaktischer Massnahmen. Der durch die Genmutation gestörte DNA-Reparaturmechanismus stellt auch einen neuen Angriffspunkt für die Behandlung mit zielgerichteten Substanzen dar. Der Poly-(ADP)-RibosePolymerase-(PARP-)Inhibitor Olaparib wurde in der Phase-III-Studie Olympia im adjuvanten Setting untersucht (18). Das mediane Alter der Studienpopulation war jung (42 Jahre im Olaparib- bzw. 43 Jahre im Plazeboarm). Die Zugabe von Olaparib im adjuvanten Setting bei Hochrisiko-BRCA1- oder BRCA2-assoziiertem Mammakarzinom führte bereits nach einem medianen Follow-up von 2,5 Jahren zu einer signifikanten Verbesserung sowohl des krankheitsfreien als auch des fernmetastasenfreien Überlebens. Alle Patientinnen hatten zuvor eine (neo-)adjuvante Chemotherapie erhalten (18).
Fertilitätserhaltende Massnahmen
Bereits vor Planung einer adjuvanten Systemtherapie
treten häufig bei jüngeren Patientinnen mit offener
Familienplanung Sorgen bezüglich der späteren Er-
füllung eines Kinderwunsches auf. Da der Fertilitäts-
erhalt ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der Lebens-
qualität von jungen Brustkrebspatientinnen ist, muss
dem Thema im prätherapeutischen Aufklärungsge-
spräch grosse Beachtung geschenkt werden. Eine
spezialisierte Beratung in einem Kinderwunschzent-
rum ist bei potenzieller Gonadotoxizität der geplan-
ten Systemtherapie indiziert. Hierbei sollten die
Möglichkeiten für eine OFS mit GnRH-Analoga
sowie reproduktionsmedizinische Optionen wie
Kryokonservierung von Ovarialgewebe und Oozyten
thematisiert werden. Es scheint, dass weder eine ova-
rielle Stimulation noch eine assistierte Reproduktion
mit einer negativen Prognose bezüglich des rezidiv-
freien Überlebens assoziiert sind (19). Somit können
jungen Mammakarzinompatientinnen fertilitätserhal-
tende Massnahmen mit hoher onkologischer Sicher-
heit angeboten werden.
Betreffend kontrazeptiver Optionen ist eine Bera-
tung der prämenopausalen Patientin hinsichtlich hor-
monfreier Methoden einschliesslich Kupfer-IUD, Vas-
ektomie, Tubensterilisation und Barrieremethoden
indiziert.
Die Indikation für eine Systemtherapie ist immer eine
individuelle Entscheidung, in die sowohl Patientin-
nen- als auch Tumorcharakteristika einfliessen; Abbil-
dung 2 (20) illustriert einen möglichen Behandlungs-
algorithmus.
n
Dr. med. Franziska Lenz und Prof. Dr. med. Cornelia Leo (Korrespondenzadresse)
Interdisziplinäres Brustzentrum Baden Departement Frauen und Kinder Kantonsspital Baden 5404 Baden E-Mail: cornelia.leo@ksb.ch
Quellen: 1. Heer E et al.: Global burden and trends in premenopausal and postmenopausal breast cancer: a population-based study. The Lancet Global Health. 2020; 08: e1027–e1037. 2. Collins LC et al.: Pathologic features and molecular phenotype by patient age in a large cohort of young women with breast cancer. Partridge AH Breast Cancer Res Treat. 2012 Feb; 131(3): 1061–1066. 3. Billena C et al.: 10-Year Breast Cancer Outcomes in Women ≤ 35 Years of Age. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2021; 109: 1007. 4. Lambertini M et al.: Dose-dense adjuvant chemotherapy in premenopausal breast cancer patients: A pooled analysis of the MIG1 and GIM2 phase III studies. Eur J Cancer. 2017 Jan; 71: 34–42. 5. Von Minckwitz G et al.: Neoadjuvant carboplatin in patients with triple-negative and HER2-positive early breast cancer (GeparSixto; GBG 66): a randomised phase 2 trial. Lancet Oncol. 2014; 15: 747–756. 6. Masuda N et al.: Adjuvant Capecitabine for Breast Cancer after Preoperative Chemotherapy. N Engl J Med. 2017 Jun 1; 376(22): 2147–2159. 7. Schmid P et al.: KEYNOTE-522: Phase III study of pembrolizumab (pembro) + chemotherapy (chemo) vs placebo (pbo) + chemo as neoadjuvant treatment, followed by pembro vs pbo as adjuvant treatment for early triple-negative breast cancer (TNBC). Annals of Oncology. 2019; 30 (suppl_5): v851–v934. 8. Sparano JA et al.: Clinical and Genomic Risk to Guide the Use of Adjuvant Therapy for Breast Cancer. N Engl J Med. 2019; Jun 20; 380(25): 2395–2405. 9. Kalinsky K et al.: SWOG S1007: Adjuvant trial randomized ER+ patients who had a recurrence score < 25 and 1–3 positive nodes to endocrine therapy (ET) versus ET + chemotherapy. Presented at the 2020 San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS). December 8–11, 2020. Abstract GS3-01. 10. Partridge AH et al.: Effect of age on breast cancer outcomes in women with human epidermal growth factor receptor 2-positive breast cancer: results from a herceptin adjuvant trial. J Clin Oncol. 2013; Jul 20; 31(21): 2692–2698. 11. von Minckwitz G et al.: Trastuzumab emtansine for residual invasive HER2-positive breast cancer. N Engl J Med. 2019; 380: 617–628. 12. Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG): Relevance of breast cancer hormone receptors and other factors to the efficacy of adjuvant tamoxifen: patient-level meta-analysis of randomised trials. Lancet 2011; Aug 27; 378(9793): 771–784. 13. Pagani O et al.: Absolute Improvements in Freedom from Distant Recurrence to Tailor Adjuvant Endocrine Therapies for Premenopausal Women: Results From TEXT and SOFT. J Clin Oncol. 2020; 38(12): 1293–1303. 14. https://crib-calculator.com/ 15. Davies C et al.: Long-term effects of continuing adjuvant tamoxifen to 10 years versus stopping at 5 years after diagnosis of oestrogen receptor-positive breast cancer: ATLAS, a randomised trial. The Lancet. 2013; 381(9869): 805–816. 16. O’Shaughnessy J.: Adjuvant abemaciclib combined with endocrine therapy: updated results from monarchE. Presented at: ESMO Virtual Plenary; October 14, 2021. 17. Stoll S et al.: Update Swiss guideline for counselling and testing for predisposition to breast, ovarian, pancreatic and prostate cancer. Swiss Med Wkly. 2021; Sep 13;151:w30038. 18. Tutt A et al.: Adjuvant Olaparib for Patients with BRCA1- or BRCA2-Mutated Breast Cancer. N Engl J Med. 2021;384(25):2394-2405. 19. Vuković P et al.: Fertility preservation in young women with early-stage breast cancer. Acta Clin Croat. 2019;58(1):147-156. 20. Parisi F et al.: Current State of the Art in the Adjuvant Systemic Treatment of Premenopausal Patients With Early Breast Cancer. Clin Med Insights Oncol. 2020;14.
18 GYNÄKOLOGIE 1/2022