Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause (SGEM)
Adipositas im mittleren Lebensalter und metabolische Konsequenzen, zerebrovaskuläre Erkrankungen und kognitive Einbussen
Hintergrund: Adipositas als weltweite Volkskrankheit ist mit einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber verschiedenen Krankheiten assoziiert. Neben Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen und verschiedenen Tumoren wird die Fettleibigkeit auch mit kognitiven Einbussen und Demenz in Zusammenhang gebracht. Neben der Stoffwechselkonstellation des metabolischen Syndroms wird zudem die systemische Entzündung als mögliche Ursache gesehen. Es existieren bereits neuroradiologische Studien, die Adipositas mit morphologischen Veränderungen im Gehirn in Verbindung bringen, aber eine übergreifende Studie wurde noch nicht durchgeführt.
Zusammenfassung der Studien von Morys und Kollegen
Ziel der Studie war es, die Verbindung zwischen Adipositas und kognitiver Dysfunktion zu ermitteln. In Grossbritannien wurde eine Kohorten-Beobachtungsstudie über einen Zeitraum von 8 Jahren mit 20 000 Teilnehmerinnen durchgeführt (mittleres Alter 63 Jahre). Gemessen wurden die kognitive Leistung und Variablen wie arterieller Bluthochdruck, Diabetes mellitus, systemische Entzündung und Dyslipidämie. Nach einem Followup von 8 Jahren wurden MRI-Untersuchungen durchgeführt. Mit einem strukturellen Ausgleichsmodell (SEM) konnten die Autoren zeigen, dass eine positive Korrelation zwischen BMI, Waist-to-Hip-Ratio und Körperfettgehalt mit erhöhtem CRP, Dyslipidämie, Hypertonie und Diabetes besteht. Diabetes, Entzündung und Hypertonie waren wiederum mit zerebrovaskulären Erkrankungen und diese mit geringerer kortikaler Dicke/Volumen und höherem
subkortikalem Volumen sowie signifikant (p = 0,02) mit kognitiven Defiziten assoziiert. Nur zerebrovaskuläre Erkrankungen waren direkt mit kognitiven Einbussen assoziiert. Die Ergebnisse stellen eine Verbindung her zwischen Adipositas und Atrophie der grauen Gehirnmasse in der Temporoparietalregion und unterstützen damit die Theorie, dass Fettleibigkeit den Alterungsprozess beschleunigt und einen Risikofaktor für Demenz darstellen könnte.
Kommentar
Aus dieser Studie lassen sich plausible Korrelationen, jedoch keine Kausalitäten ableiten. Hierfür sind weitere Studien mit longitudinalem Profil notwendig; randomisierte, kontrollierte Studien zu diesem Thema existieren bis anhin nicht. Gemeinsam mit anderen Studien wird die viszerale Adipositas als möglicher unabhängiger Risikofaktor für zerbrovaskuläre Erkrankungen gesehen. Sicherlich
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin der SGEM, und KollegInnen des SGEM-Vorstands, hier:
Dr. med. Margarethe RossmanithHalder resümieren und kommentieren kürzlich publizierte Studien zu vielfach kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Morys F, Mahsa Dadar M, Dagher A: Association Between Midlife Obesity and Its Metabolic Consequences, Cerbrovascular Disease, and Cognitive Decline. J Clinical Endocrinology & Metabolism. 2021;106(10):e4260-e4274. doi: 10.1210/clinem/dgab135.
kann diese Studie uns zur Korrektur der
Adipositas bewegen – sei es mit Life-
styleänderungen oder diätetischen
Massnahmen –, um so vielleicht einer
potenziellen Demenz entgegenzuwir-
ken.
n
Dr. med. Margarethe Rossmanith-Halder Klinik für Reproduktion-Endokrinologie Universitätsspital Zürich Herausgeberin der SGEM-Newsletter: Prof. Dr. med. Petra Stute Interessenkonflikte: keine.
Referenzen: • Marini S et al. (International Stroke Genetics Consortium): Mendelian Randomization Study of Obesity and Cerbrovascular Disease. Ann Neurol 2020; Apr 87(4): 516-524. • Rathmell JC.: Obesity, Immunity, and Cancer. N Engl J Med 2021; 384 (12): 1160-1162. • Isozumi K.: Obesity as a risk factor for cerebrovascular disease. Keio J Med 2004; Mar 53(1): 7-11.
GYNÄKOLOGIE 1/2022
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