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JOURNAL CLUB
Früher, HR+ Brustkrebs in der Postmenopause
Wie lang soll adjuvant behandelt werden?
Zweifellos haben die Fortschritte in Diagnostik und adjuvanter Therapie bei frühem, hormonrezeptorpositivem (HR+) Brustkrebs zu langen Überlebenszeiten geführt. Da das Rezidivrisiko aber hoch bleibt, wird diskutiert, inwieweit es sich lohnt, die Aromatasehemmertherapie über die 5 Jahre (Standard) hinaus auf bis zu 10 Jahre auszudehnen. Jetzt zeigte eine prospektive Phase-III-Studie (1), dass 7 Jahre Behandlung den grösseren Nutzen bringt: Eine längere Therapie geht mit erhöhtem Knochenfrakturrisiko einher.
Dank der adjuvanten Antihormontherapie können Frauen mit HR+, frühem Brustkrebs mindestens 20 Jahre nach der Diagnose bei konstantem (jährlichem) Risiko für ein Rezidiv bleiben (2). Das Risiko bleibt aber nach den heute empfohlenen 5 Jahren endokriner Therapie bestehen. M. Gnant und Kollegen (Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group) prüften in einer prospektiven, multizentrischen Phase-III-Studie an knapp 3500 Frauen mit operiertem frühem, HR+ Brustkrebs, die adjuvant 5 Jahre mit Tamoxifen und/oder Aromatasehemmer (AI) behandelt worden waren, inwieweit sich die Ausweitung der Behandlung auf eine potenzielle Rezidivsenkung, das Gesamtüberleben (OS) und das Nebenwirkungsrisiko auswirkt. Dazu wurden 2 Gruppen gebildet, n Gruppe 1 erhielt eine um 2 Jahre ver-
längerte AI-Therapie (Anastrozol) – also 7 Jahre insgesamt n Gruppe 2 erhielt eine um 5 Jahre verlängerte AI-Therapie (Anastrozol) – also 10 Jahre insgesamt. Primäre Endpunkte waren das Verbleiben in der Behandlung und Rezidivfreiheit im Zeitraum 2 Jahre nach Studienbeginn (d. h. Therapieabschluss in Gruppe 1). Zu den sekundären Endpunkten gehörten OS, kontralateraler Brustkrebs, sekundärer Primärtumor und klinische Knochenfraktur.
Krankheitsprogression in jeder Gruppe gleich
Von den eingeschlossenen 3484 Frauen blieben 3208 in der AI-Therapie ohne Krankheitsprogression nach den 2 Jahren. Die Patienten- und Tumorcharakte-
ristika waren ausgeglichen; 51,0% hatten initial Tamoxifen über die ersten 5 Jahre erhalten, 7,3% einen Aromatasehemmer, 41% die Kombination. Zu einem Fortschreiten der Krankheit respektive Tod kam es im folgenden Beobachtungszeitraum (median 118,0 Monate) bei 670 der 3208 (20,9%) Patientinnen, 335 in jeder Therapiegruppe (Hazard Ratio [HR]: 0,99; 95%-KI: 0,85–1,15; p = 0,90). Lokoregionale Rezidive traten bei 2,7%, kontralaterale Tumoren bei 2,1%, Fernmetastasen bei 5,0%, Zweittumore bei 6,5% auf, und 4,7% starben ohne vorheriges Rezidiv. Ferner fand sich kein Unterschied bei Subgruppenanalysen. Im Beobachtungszeitraum zeigte sich ebenfalls kein Unterschied bezüglich des OS und der weiteren sekundären Endpunkte. Allerdings waren Nebenwirkungen häufiger, darunter war vor allem die Rate der klinischen Knochenbrüche in der Gruppe 2 markant (um ca. ein Drittel) mit 6,3% versus 4,7% (HR: 1,35; 1,00–1,84) höher. Trotz präventiver Gabe knochenzielgerichteter Medikamente kam es in den Jahren 3 bis 5 der AI-Behandlung zu einem graduellen Anstieg der Knochenfrakturen. Von den weiteren Nebenwirkungen war Osteoarthritis am häufigsten (1,7% vs. 4,3%). Die Rate der Therapieabbrecherinnen war in beiden Kollektiven gleich.
Diskussion und Folgerung
Die Autoren folgern, dass sich eine auf 10 Jahre verlängerte adjuvante AI-Gabe aus Gründen des verbesserten krankheitsfreien Überlebens nicht lohnt. Dieses und das OS war in beiden Gruppen gleich; dagegen war die Rate der therapiebedingten Knochenfrakturen
in der Gruppe 2 (10 Jahre AI) deutlich
höher.
Als Limitationen der Studie räumen die
Autoren ein, dass nicht der Nutzen der
adjuvanten endokrinen Therapie per se
untersucht worden sei (die Ausweitung
nach 5 Jahren Tamoxifen mit AI sei aber
gut dokumentiert) und dass lediglich der
AI Anastrozol verwendet worden sei.
Dennoch sehen sie sich bezüglich ihres
Ergebnisses bei Durchsicht der Ver-
gleichsstudien insgesamt bestätigt: In
der MA17.R-Studie erhielten die Frauen
eine verlängerte Letrozol-Therapie (vs.
Plazebo) und erreichten ein verlängertes
krankheitsfreies Überleben (HR für Rezi-
div oder Tod: 0,66), vor allem durch weni-
ger Zweittumoren. Eine weitere Studie
(NSABP-42) sowie ähnlich gestaltete Stu-
dien (DATA [3 vs. 6 Jahre Anastrozol nach
2 bis 3 Jahren Tamoxifen] und IDEAL
[2,5 vs. 5 Jahre Letrozol nach initial 5 Jah-
ren endokriner Therapie]) fanden eben-
falls keine Unterschiede im krankheits-
freien Überleben.
Die Studienleiter sehen, dass eine Aus-
weitung der AI-Adjuvanz auf 10 Jahre die
Lebensqualität der Patientinnen unnötig
beeinträchtigt, insbesondere die musku-
loskelettale Funktion. Sie betonen, dass
in der Studie nur Patientinnen mit niedri-
gem bis mittlerem Rezidivrisiko behan-
delt worden seien, der Nutzen einer
verlängerten AI-Gabe für Hochrisikopati-
entinnen könne nicht ausgeschlossen
werden. Pamela A. Goodwin betont in
ihrem Kommentar, dass ein hohes Risiko
mittels neuester Techniken (zirkulierende
Tumor-DNA) heute frühzeitig identifiziert
werden könne und die Betroffenen da-
mit einer individualisierten Therapie zu-
geführt werden könnten (2).
n
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Gnant M et al.: Duration of adjuvant aromatase-inhibitor therapy in postmenopausal breast cancer. NEJM 2021; 385: 395404. 2. Goodwin PJ.: Extended Aromatase Inhibitors in HormoneReceptor–Positive Breast Cancer. NEJM 2021; 385: 462-463.
GYNÄKOLOGIE 4/2021
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