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SCHWERPUNKT
Phytotherapeutische Optionen bei klimakterischem Syndrom
Eine Übersicht für die Praxis
Etwa 80% aller westlichen Frauen leiden in ihrem Leben unter Wechseljahresbeschwerden. Viele dieser Frauen möchten aus eigenen Kräften und mithilfe der Naturheilkunde das Klimakterium bewältigen. Sie schätzen eine Frauenärztin/einen Frauenarzt, die/der ihnen Alternativen zwischen Hormontherapie und der Haltung «einfach durchstehen!» bietet. Dieser Artikel bewertet die wichtigsten therapeutischen Hilfen aus der Pflanzenwelt.
INGRID GERHARD
In den europäischen Ländern leiden 4 von 5 Frauen in den Wechseljahren an Beschwerden. In den vergangenen Jahren hat man den Eindruck, dass sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität der Beschwerden zugenommen hat. Auch der Beginn der Klagen hat sich in jüngere Lebensjahre verlagert. Dies liegt vermutlich an der stärkeren Belastung der Frauen, die unter mehr Zeitdruck und Erfolgszwang mit familiären und beruflichen Herausforderungen umgehen müssen. Wenn dann noch die ersten hormonellen Veränderungen eintreten, kommt es rasch zu einem «Zusammenbruch». Auffallend ist, dass die sogenannten Wechseljahresbeschwerden bei vielen Frauen beginnen, wenn die Laboruntersuchungen noch völlig normale, eher sogar hohe Östrogenwerte zeigen, häufig verbunden mit relativ zu niedrigen Progesteronkonzentrationen. Ausserdem klagen auch noch 5 bis 10% der Frauen nach dem 60. Lebensjahr über Hitzewallungen, obwohl schon längst alle Hormone im typischen postmenopausalen Bereich liegen (1). Es gilt also, ein hormonelles Gleichgewicht wiederherzustellen.
Merkpunkte
I In pflanzlichen Nahrungs- und Heilmitteln gibt es Inhaltsstoffe, die den
Hormonstoffwechsel beeinflussen.
I Sie können zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden eingesetzt
werden.
I Je nach Konstitution, Art und Schweregrad der Beschwerden sowie Risi-
kofaktoren kann der Einsatz der Phytotherapie individualisiert erfolgen.
I Im Klimakterium ist auf pflanzenbasierte Ernährung, gesunden Darm mit
aktivem Mikrobiom, Gewicht, Bewegung und harmonisches Gleichgewicht
zwischen Stress und Entspannung zu achten.
Da eine hormonelle Therapie heute nicht mehr so grosszügig eingesetzt wird wie vor 20 Jahren, ist der Psychopharmakagebrauch rasant gestiegen. Das kann aber nicht die Lösung sein! In diesem Artikel werden Pflanzen und ihre Inhaltsstoffe vorgestellt, die in der Erfahrungsheilkunde oder auch in wissenschaftlichen Studien gezeigt haben, dass sie Wechseljahresbeschwerden lindern können.
Pflanzenhormone und Rezeptoren
Die Östrogenrezeptoren-alpha (ER-α) und -beta (ER-β) kommen in unterschiedlicher Häufigkeit in den verschiedenen Geweben vor. Während über ER-α die Proliferation angeregt wird, wirkt ER-β antientzündlich und proliferationshemmend. In den Wechseljahren will man Haut, Knochen, Gelenke, Gefässe und Gehirn vor den Alterungserscheinungen schützen, aber nicht die Brust und die Gebärmutter in die Wachstumsphase treiben. Deshalb werden Substanzen eingesetzt, die überwiegend oder ausschliesslich den ER-β besetzen (oder keinen der beiden). Die Abbildung veranschaulicht die Regulation des GnRH-Pulsgenerators vor dem und im Klimakterium mit den Wechselwirkungen auf Emotionen. Viele Pflanzen enthalten Inhaltsstoffe, die eine hormonähnliche Wirkung besitzen: Entweder binden sie überwiegend an den ER-β oder modulieren die Hormone auf anderem Weg, beispielsweise über Neurotransmitterwirkungen oder Eingriffe in den Östrogenstoffwechsel.
Pflanzenhormone in Nahrungsmitteln
Nimmt man die Pflanzenhormone durch die normale Ernährung auf, konnte in vielen Studien nachgewiesen werden, dass sie nicht nur einen guten Effekt auf
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Wechseljahresbeschwerden haben, sondern dass sie auch den gesamten Stoffwechsel verbessern. Einige Beispiele der positiven Wirkungen von Pflanzenhormonen in der Nahrung: I Senkung des Östrogenspiegels I Abnahme von Hitzewallungen und Schlafstörun-
gen I Senkung der Blutfette I Verbesserung der Glukoseverwertung I Verminderung des Knochenabbaus I Verbesserung der kognitiven Leistungen I Senkung des Risikos für Brustkrebs I Senkung des Risikos für Endometriumkrebs I Verbesserung der Leber- und Nierenfunktion. Im Gegensatz zu den Östrogenen, die in die chemische Gruppe der Steroide gehören, sind Phyto-Östrogene Polyphenolverbindungen. Zu ihnen werden die pflanzlichen Stoffgruppen der Isoflavone, der Lignane, der Coumestane und der Stilbene gezählt. Die Hauptvertreter mit hohen Konzentrationen an Isoflavonoiden sind Soja und andere Hülsenfrüchte. Ein Abbauprodukt der Isoflavonoide Genistein und Daidzein ist das Equol, das die eigentliche Östrogenwirkung aufweist. In Europa besitzen aber nur ein Viertel der Frauen Enzyme im Darm, die das Equol bilden können. Deshalb ist bei uns Soja längst nicht so wirkungsvoll wie bei den Asiatinnen. Hinzu kommt, dass Soja erst nach Fermentierung für unseren Organismus gut verdaulich ist. Auch in Asien werden fermentierte Sojaprodukte bevorzugt. Die Lignane sind die eher europäischen Pflanzenöstrogene mit besonders hohen Konzentrationen in Leinsamen. Aber auch alle Getreide, Mais, Gemüse und Früchte enthalten Lignane. Deshalb ist es wichtig, dass zur Verhütung von Wechseljahresbeschwerden und Alterserscheinungen den Patientinnen zum Verzehr von Vollkornprodukten und Gemüse geraten wird. Allerdings kommt einer gesunden Darmflora besondere Bedeutung zu, denn nur durch die Darmbakterien können die Lignane so umgebaut werden, dass sie ihre positive Stoffwechselwirkung entfalten können. Dazu gehört beispielsweise die Erhöhung der 2:16-Hydroxyestronratio im Urin, wie sie bei Leinsamenverzehr nachgewiesen wurde (nicht bei Soja), und die bessere Methylierung in der Phase-2-Entgiftung (Estronex®, Diagnostik des Östrogenmetabolismus der Firma Ganzimmun). Allerdings erwies sich der Leinsamenverzehr nicht als effektiv zur Linderung von Hitzewallungen (2). Übrigens: Vegetarierinnen (wenn sie nicht zu viele Milchprodukte verzehren) und besonders Veganerinnen leiden weniger unter Wechseljahresbeschwerden als ihre fleischessenden Geschlechtsgenossinnen. Frauen nach überstandener Brustkrebserkrankung, die viel Soja assen, hatten weniger Rezidive und eine längere Überlebenszeit als Frauen, die wenig Soja assen (3, 4).
Emotionen
Normaler Cocktail aus Neurotransmittern: Serotonin,
Dopamin, GABA
hypothalamischer GnRH-Pulsgenerator
Emotionen
Klimakterisch gestörter Cocktail, kann durch neurotransmitterähnlich wirkende
Substanzen normalisiert werden
überaktiver hypothalamischer GnRH-Pulsgenerator
Estradiol Estradiol
Progesteron Progesteron
Hypophyse
pulsatile LHSekretion
kardiovaskuläres
System
Temperatur Hypophyse
hohe pulsatile LH-Sekretion
Abbildung: Regulation des GnRH-Pulsgenerators vor dem und im Klimakterium und Wechselwirkungen auf Emotionen (adaptiert nach [12])
Nahrungsergänzungen
Isoflavonhaltige Nahrungsergänzungen Hochkonzentrierte Isoflavonoide werden aus Soja und Rotklee gewonnen. In randomisierten Studien wiesen sowohl Soja- als auch Rotklee-Extrakte gegenüber Plazebo meist eine bessere Wirksamkeit auf. Da die Isoflavonide nicht ausschliesslich an den ER-β binden, wird Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko oder nach Brustkrebs die Einnahme nicht empfohlen. Hinzu kommt bei den Sojaisoflavonoiden die schon oben beschriebene eingeschränkte Wirksamkeit bei kaukasischen Frauen (5). Inzwischen gibt es zwar auch Equolextrakte, die deutlich effektiver als Sojaisoflavone sein sollen (6). Aber solange deren Sicherheit nicht ausreichend erforscht ist, sollten sie zunächst nur im Rahmen von Studien eingesetzt werden. Bereits 2007 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Deutschland vor unerwünschten Nebenwirkungen hochkonzentrierter Nahrungsergänzungen auf Sojabasis gewarnt. Einige dieser unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit, Verstopfung, Schwellungen oder Rötungen sind möglicherweise auf allergische Reaktionen gegen das in den Präparaten enthaltene Sojaeiweiss zurückzuführen. Isoflavone können in isolierter, angereicherter Form oder hoher Dosierung die Funktion der Schilddrüse stören und Veränderungen des Brustgewebes hervorrufen. Die längerfristige Einnahme von hoch dosierten Isoflavonen ist deshalb nicht ohne Risiko.
Yamswurzelprodukte Die Yamswurzel enthält einen hormonähnlichen Inhaltsstoff, das Diosgenin, aus dem im Labor bioidentisches Progesteron hergestellt werden kann. Obwohl unser Körper aus Diosgenin kein Progesteron synthetisieren kann, können die hormonähnlichen Inhaltsstoffe der Yamswurzel aber bei manchen Frauen Wechseljahresbeschwerden verbessern. Ein Mechanismus ist die Stimulation der DHEA-Bildung. Bei Verzehr grösserer Mengen steigen die Östrogen-
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werte an, weshalb Frauen mit Brustkrebsrisiko vorsichtig sein sollten. Patientinnen sollte von Yamswurzelprodukten aus dem Internet abgeraten werden.
Granatapfelsamenöl Im Granatapfelsamenöl konnten eine Fülle antioxidativer, antientzündlicher und hormonaktiver Wirkstoffe nachgewiesen werden. In Zellkulturen und Tierversuchen wurden hemmende Einflüsse auf verschiedene Krebsarten (u.a. Brust- und Prostatakrebs) gefunden, ferner heilende Wirkungen bei entzündlichen Darm- und rheumatischen Erkrankungen sowie eine Osteoprotektion nachgewiesen. Aus Granatapfelsamenöl wurde ein hilfreiches diätetisches Nahrungsergänzungsmittel gegen Wechseljahresbeschwerden der Frau hergestellt. In zwei Kapseln Delima® (Firma Pekana; Deutschland), die man pro Tag einnehmen soll, sind 91 mg Öl enthalten, das sind 254 µg Pflanzenöstrogene (u.a. das BetaSitosterol, das überwiegend an den ER-β bindet). In einer plazebokontrollierten Studie bewirkte das Präparat eine deutliche Verbesserung von Hitzewallungen und Schlafstörungen (7).
Phytotherapie
Im Gegensatz zu Nahrungsergänzungen werden in der Phytotherapie ganze Pflanzen oder Pflanzenteile (die sogenannten Drogen) verarbeitet.
Traditionelle Pflanzenheilkunde In der traditionellen Pflanzenheilkunde, sowohl in der europäischen, ayurvedischen als auch in der chinesischen, werden Pflanzen und ihre Mischungen eingesetzt, die sich seit Jahrhunderten für die Behandlung von Beschwerden oder Krankheiten bewährt haben. Man nutzt sie als Tees, Tinkturen, für Auflagen, für Wickel oder Bäder. Frauen mit leichten Wechseljahresbeschwerden können sich durch Anwendung dieser Methoden gute Linderung verschaffen (8): I bei Hitzewallungen in den Wechseljahren trinkt
man kalten Salbeitee I bei Hitzewallungen und nervöser Unruhe braut
man sich einen Tee aus Salbei, Rotklee, Heidekrautblüten und Zitronenverbenenblättern I bei Nervosität und Schlafstörungen beruhigt ein Tee aus Melisse und Hopfen I ätherische Öle aus Grapefruit, Limette, Orange vertreiben depressive Verstimmungen I bei zu trockener Scheidenschleimhaut kann Aloevera-Gel in die Scheide eingeführt werden.
Rationale Phytotherapie
Die rationale Phytotherapie stellt Pflanzenmedikamente unter streng regulierten Bedingungen her. Dabei muss sich der Hersteller an das Arzneimittelgesetz halten. Das aufwendige Zulassungsverfahren
entspricht demjenigen für synthetische Medikamente. Die Standardisierung der Herstellungsprozesse und eine Vielzahl an Qualitätskontrollen vom Saatgut bis zum Fertigarzneimittel sind Voraussetzungen dafür, dass die in Studien nachgewiesene Wirksamkeit auch wirklich wiederholbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass von einer Pflanze, beispielsweise Traubensilberkerze, durch unterschiedliche Herstellungsverfahren Produkte verschiedener Firmen durchaus unterschiedlich (oder gar nicht) wirken können. Im Folgenden werden die wichtigsten rationalen Phytotherapeutika gegen Wechseljahresbeschwerden vorgestellt.
Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus) Ein anderer Name ist Keuschlamm. Die Namen weisen schon darauf hin, dass die Pflanze eine hormonähnliche Wirkung haben müsste. Sie wurde früher den Mönchen verabreicht, um die sexuellen Gelüste zu dämpfen. Heute ist sie wegen ihrer Inhaltsstoffe die Pflanze, die bereits zu Beginn der Wechseljahre eingenommen werden kann. Es ist die Phase, in der das prämenstruelle Syndrom (PMS) mit Brustspannen, Wassereinlagerungen, Schlafstörungen, Unruhe und Konzentrationsstörungen vorherrscht. Ursache ist eine latente stress- und schlafabhängige Hyperprolaktinämie, die für einen erniedrigten Progesteronspiegel verantwortlich ist. Mönchspfeffer enthält dopaminerg wirkende Diterpene, Iridoidglykoside und Flavonoide. Durch die Dopaminwirkung werden die Prolaktin- und die Progesteronspiegel normalisiert. Weitere Inhaltsstoffe binden an Opioidrezeptoren, hemmen FSH und reduzieren damit die Östrogene, sodass sich Wassereinlagerungen verbessern. Sie stimulieren LH und wirken auch auf diesem Weg auf die Progesteronsekretion (9–13).
Türkischer Rhabarber (Rheum rhaponticum) Die Wurzel des türkischen Rhabarbers enthält das Hydroxystilben Rhaponticin, einen Östrogenrezeptor-beta-Agonisten. femi-loges® enthält den Spezialextrakt ERr 731®, dem die laxierenden Anthranoide entzogen wurden. In einer wissenschaftlichen Studie reduzierten 4 mg/Tag des Spezialextrakts signifikant Hitzewallungen und weitere Wechseljahresbeschwerden (z.B. Angststörungen), ohne dass Brustgewebe oder Gebärmutterschleimhaut sich veränderten. Eine Langzeitbeobachtung über 48 Monate zeigte eine sehr gute Verträglichkeit (14).
Salbei (Salvia officinalis) Salbei wird eingesetzt, wenn die Frauen am meisten unter den Hitzewallungen und Schweissausbrüchen leiden. Neben dem Pflanzenhormon enthält Salbei
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aber auch ein ätherisches Öl, das Thujon, das in höheren Konzentrationen ein Nervengift ist und zu Schwindel, Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen führen kann. Deshalb ist es bei Salbei besonders wichtig, dass ein Produkt mit reduziertem Thujongehalt eingesetzt wird. Hinweis: Über das Internet werden verschiedene Tropfen und Tinkturen angeboten, die von den Frauen eingenommen werden, ohne dass sie ihrem Frauenarzt davon berichten. Bei Blutungsstörungen in/nach der (Post-)Menopause soll also immer diesbezüglich nachgefragt werden. Bei längerer Einnahme sollte die Endometriumdicke sonografisch kontrolliert werden, da Salbeiextrakte das Endometrium stimulieren.
Wurzelstock der Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) Die Traubensilberkerze wurde schon von den amerikanischen Ureinwohnern als Medizin eingesetzt. Daher stammt auch ihr Name «indianische Frauenwurzel». Bei Frauen im Klimakterium ist der hypothalamische GnRH-Pulsgenerator überaktiv, da die negative Rückkopplung der ovariellen Hormone unzureichend ist. Verschiedene Neurotransmitter wie Serotonin,
Dopamin und GABA synchronisieren den GnRHPulsgenerator und stimulieren auch andere hypothalamische Neurone, die beispielsweise die Herzaktivität und die Körpertemperatur regulieren. Deshalb beschleunigt sich auch bei Hitzewallungen der Herzschlag. In dem Wurzelstock der Traubensilberkerze wurden dopaminerge, noradrenerge Serotoninanaloga und Triterpene mit GABAerger Wirkung nachgewiesen, was die Wirksamkeit bei Wechseljahresbeschwerden erklärt (12, 15, 16). Bisher wurde keine Bindung an Östrogenrezeptoren beobachtet. Mit Cimicifuga-Spezialextrakten wurden so viele Studien durchgeführt, dass auch nach strengen schulmedizinischen Gesichtspunkten diese Produkte zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden empfohlen werden können (17). Diese Cimicifuga-Spezial-Extrakte I bessern Hitzewallungen I bessern psychische Störungen I bessern Schlafstörungen I bessern Scheidentrockenheit I bessern Gelenkbeschwerden I hemmen den Knochenabbau I haben keine Wirkung auf Brust und Endometrium I bewirken kein erhöhtes Thromboserisiko.
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Auch Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko dürfen Präparate aus dem Wurzelstock aus Traubensilberkerze einnehmen, ebenso sogar Frauen nach Brustkrebs (18, 19). Die Wirkung einer Antihormontherapie nach Brustkrebs wird nicht gestört – im Gegenteil, es gibt sogar Hinweise, dass die Wirkung von Tamoxifen durch die Einnahme des Extrakts gesteigert werden kann (20). Ausserdem gibt es inzwischen Untersuchungen, die zeigen, dass das Myomwachstum durch Cimicifuga gehemmt wird (21). Es gibt viele «generische» Cimicifuga-Präparate (d.h. sie basieren auf einem Standardextrakt eines Zulieferers). Wie extrahiert wurde und ob diese Extrakte genauso wirksam sind wie diejenigen, für die Studien existieren, ist mir nicht bekannt.
Johanniskraut (Hypericum perforatum) Johanniskraut gehört zu den wenigen Pflanzen, die inzwischen auch von der Schulmedizin eingesetzt werden. Seine Inhaltsstoffe Hypericin und Hyperforin hemmen im Gehirn die Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Diese Wirkmechanismen weisen auch synthetische Antidepressiva auf. Bei leichten bis mittelschweren Depressionen können Extrakte aus Johanniskraut genauso wirksam wie chemische Antidepressiva sein. In einem Review wiesen Laakmann und Kollegen 2012 nach, dass die Kombination aus Traubensilberkerze und Johanniskraut besonders effektiv ist (22).
Fazit
In Pflanzen, die wir über die Nahrung zu uns nehmen,
und in Pflanzen, die als Heilmittel hergestellt werden,
gibt es Inhaltsstoffe, die den Hormonstoffwechsel
beeinflussen. Sie können zur Erleichterung von
Wechseljahresbeschwerden eingesetzt werden, so-
dass in vielen Fällen auf Hormone oder Psychophar-
maka verzichtet werden kann. Je nach Konstitution,
Art und Schweregrad der Beschwerden sowie Risiko-
faktoren kann der Einsatz der Phytotherapie individu-
alisiert erfolgen. Immer ist darauf zu achten, dass
auch der Lebensstil an die neue Lebensphase ange-
passt wird: pflanzenbasierte Ernährung, gesunder
Darm mit aktivem Mikrobiom, Gewichtskontrolle, Be-
wegung und harmonisches Gleichgewicht zwischen
Stress und Entspannung.
I
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Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard Fachärztin für Frauenheilkunde, Naturheilverfahren, Umweltmedizin Albert Überlestr. 11 D-69120 Heidelberg E-Mail: ingrid.gerhard@gmx.net
Interessenkonflikte: keine.
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