Transkript
Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2014
Weltkongresse der ISGE, ESHRE, NAMS im Resümee – Olten, September 2014
Highlights der Weltkongresse 2014
Teil 2*: Aktuelles zur menopausalen Hormontherapie
Zum dritten Mal fand im Herbst 2014 die Fortbildung zum Themenbereich Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin statt, bei der die KongressHighlights des letzten Jahres kondensiert und Neues sowie Praxisrelevantes vorgestellt wurden. Veranstaltet wurde diese Fortbildung wieder von der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Universitäts-Frauenklinik am Inselspital Bern.
PETRA STUTE, MICHAEL VON WOLFF
International Society of Gynecological Endocrinology (ISGE)
Das günstige Zeitfenster am Herzen Die sogenannte «Timing-Hypothese» besagt, dass bei einem Hormontherapie(HRT-)Start vor dem 60. Lebensjahr respektive innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause ein günstiger Effekt auf das Herz zu erwarten ist. Mit dieser Fragestellung haben sich die beiden randomisierten, doppelblinden Studien KEEPS (= The Kronos Early Estrogen Prevention Study) und ELITE (= Early vs. Late Intervention Trial with Estradiol) auseinandergesetzt. In KEEPS wurden über 4 Jahre 727 Frauen in der frühen Postmenopause mit oralen, konjugierten equinen Estrogenen (o-CEE), transdermalem Estradiol (t-E2) oder Plazebo behandelt. Frauen mit Uterus erhielten sequenziell mikronisiertes Progesteron. In ELITE erhielten 643 postmenopausale gesunde Frauen über 5 Jahre orales Estradiol oder Plazebo. Frauen mit Uterus erhielten zusätzlich mikronisiertes Progesteron. In ELITE wurden die Daten von Frauen, die innerhalb von 6 Jahren nach der Postmenopause mit der HRT begannen, mit solchen verglichen, deren Menopause bei Studienstart (Einnahme der HRT) mehr als 10 Jahre
* Teil 1: Neues zur gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin für die Praxis. In: GYNÄKOLOGIE 2014; 5: 34–36. Siehe auch: www.ch-gynaekologie.ch: GYNÄKOLOGIE 5.2014: Perimenopause http://rosenfluh.ch/rosenfluh/articles/download/ 6441/Highlights_der_Weltkongresse_2014.pdf
zurücklag. Primärer Endpunkt war in beiden Studien die Progression der CarotisIntima-Media-Dicke (CIMT) im Beobachtungszeitraum. In KEEPS zeigte sich nach 4 Jahren kein Gruppenunterschied bezüglich CIMT und Koronarkalk. In ELITE jedoch zeigte sich eine geringere CIMT-Progression in der Hormongruppe, und zwar bei den Frauen, deren Menopause bei Studienstart weniger als 6 Jahre zurücklag. In der bei Studienstart älteren Gruppe hatte die HRT keinen Einfluss auf die CIMT-Progression. Dies bestätigt die Hypothese des günstigen Zeitfensters am Herzen für eine HRT.
Fazit: Der HRT-Start in der frühen Menopause gesunder (!) Frauen ist höchstwahrscheinlich protektiv, das heisst, er schützt vor einem Herzinfarkt. Ein HRT-Start mit oralem niedrig dosiertem Estradiol und sequenziellem vaginalem Progesteron ist selbst bei gesunden (!) Frauen über 60 Jahre nicht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Eine 5-jährige HRT ist bei gesunden (!) Frauen nicht mit erhöhten kardiovaskulären und Malignomrisiken verbunden.
North American Menopause Society (NAMS)
Schlaf und Menopause In der Peri- und Postmenopause nehmen im Vergleich zur Prämenopause Schlafstörungen signifikant zu. Zu den Ursachen zählen Hitzewallungen, Depression, Angststörung, Schlafapnoe-Syndrom, Restless-legs-Syndrom, chronischer Schmerz und Stress. 82% der Frauen mit schweren Hitzewallungen lei-
In der diesjährigen Fortbildung zu den Weltkongressen der Gynäkologischen Endokrinologie /Reproduktionsmedizin wurde der Ausrichtungsort Olten beibehalten, um eine gute Erreichbarkeit aus der gesamten Schweiz zu gewährleisten.
Berichtet wurde von den Kongressen der: I ESHRE (European Society of Human
Reproduction and Embryology) in München 2014 I NAMS (North American Menopause Society) in Dallas 2013 I ISGE (International Society of Gynecological Endocrinology) in Florenz 2014. Diesmal wurden erstmals internationale Empfehlungen vorgetragen, in diesem Jahr zur menopausalen Hormontherapie durch PD Dr. med. Petra Stute. Alle Vorträge der bisherigen Veranstaltungen sind auf der Website www.weltkongresse.ch einsehbar.
den unter einer reduzierten Schlafqualität. 45% erfüllen die Kriterien einer Insomnie. Die Studienlage ist allerdings kontrovers; die objektive und subjektive Schlafwahrnehmung sind häufig inkongruent. Ziel einer aktuellen Studie war daher die Quantifizierung des isolierten Effekts von Hitzewallungen auf die objektiv gemessene Schlaffragmentierung, die WASO (= «wake time after sleep onset») und die Häufigkeit von Erwachen (1). Hierzu wurden gesunde prämenopausale Frauen ohne Hitzewallungen, Depression oder Schlafstörung mit Gonadotropin-Releasinghormon-Agonisten (GnRH-A) behandelt. Vor und während der Studie wurde der Schlaf objektiv per Polysomnografie und subjektiv per Tagebuch untersucht. Objektiv zeigte sich bei Frauen mit induzierten nächtlichen Hitzewallungen eine Zunahme von nächtlichem Erwachen, WASO und des prozentualen Anteils des «oberflächlichen» Schlafs. Dies spiegelte
GYNÄKOLOGIE 1/2015
39
Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2014
Weltkongresse der ISGE, ESHRE, NAMS im Resümee – Olten, September 2014
sich in den Tagebucheinträgen wider. Hitzewallungen am Tag hatten jedoch keinen Einfluss auf den Schlaf. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Hitzewallung und Erwachen variierte; es gab keinen eindeutigen 1:1-Link. Die für die Hitzewallungen verantwortlichen Mechanismen sind eventuell auch für die Schlaffragmentierung ursächlich. Dazu zählen vorgängige kortikale Aktivierung, vorgängige Temperaturerhöhung und/oder Veränderung des vegetativen Tonus.
Fazit: Zu den Empfehlungen bei Schlafstörungen zählen Schlafhyghiene, Verhaltenstherapie, eventuell Phytotherapie, eventuell Melatonin sowie Benzodiazepine oder Non-Benzodiazepine. Bei Frauen mit Schlafstörungen und Hitzewallungen bieten sich allerdings auch die Gabe einer HRT, Progesteron alleine oder im offlabel-use von Antidepressiva (SSRI/ SNRI) oder auch Gabapentin an.
Bioidentische Hormone Unter bioidentischen Hormonen versteht man aus Pflanzen hergestellte Hormone, die chemisch ähnlich oder strukturell identisch mit den vom menschlichen Körper produzierten Hormonen sind. In die Kategorie der bioidentischen Hormone fallen sowohl behördlich (Swissmedic, FDA, EMA etc.) regulierte hormonelle Arzneimittel als auch Hormonpräparate, die basierend auf einer vom Arzt ausgestellten individuellen Rezeptur von entsprechenden Apotheken hergestellt werden. Zu den behördlich regulierten bioidentischen Hormonen im Kontext der Hormonersatztherapie zählen in der Schweiz beispielsweise mikronisiertes Progesteron, 17-beta-Östradiol und Östriol. Bioidentische Hormone müssen ebenfalls synthetisiert werden, das heisst, die Wirkung ist nicht zu erzielen, indem man beispielsweise die Pflanzen direkt zu sich nimmt. Progesteron zum Beispiel wird dabei meistens aus Yams-Wurzeln hergestellt. Die Problematik der bioidentischen Hormontherapie liegt nicht in ihren Inhaltsstoffen, sondern in der individuellen Hormonrezeptur. Da die Hormongemische individuell in Apotheken hergestellt werden, liegen entsprechend keine Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit vor. Die FDA und die Endocrine Society ordnen
daher den Begriff «Bioidentische Hormontherapie» Marketingstrategien zu und nicht einer auf wissenschaftlicher Evidenz basierten Therapieform. Im Gegensatz dazu haben bioidentische Hormone, die als Arzneimittel von den entsprechenden nationalen Behörden zugelassen wurden, die notwendigen Phase-Ibis -III-Studien durchlaufen. Sofern es sich um behördlich zugelassene bioidentische Hormone handelt, die gemäss ihrer Zulassung angewendet werden (z.B. nicht für die orale Anwendung zugelassene Progesteronkapseln aufbeissen und den Inhalt auf die Haut auftragen!), kann von einer nachgewiesenen Wirksamkeit und Sicherheit ausgegangen werden. Es gibt Hinweise dafür, dass die Kombination von Östrogenen mit bioidentischem Progesteron «brustfreundlicher» ist als die Kombination mit nicht bioidentischen Gestagenen. Der endgültige Beweis fehlt aber noch. Solange es keine eindeutigen Daten für eine überlegene Wirksamkeit oder Sicherheit von bioidentischen Hormonen im Vergleich zu nicht bioidentischen Hormonen gibt, müssen im Beratungsgespräch die Vorund Nachteile allgemeingültig für eine Hormonersatztherapie dargelegt werden mit dem Hinweis, dass die Aussagen möglicherweise nicht für alle Hormontypen gleichermassen gelten.
Fazit: Basierend auf Anamnese und Symptomen sollten mögliche Therapieoptionen bei menopausalen Beschwerden dargelegt werden (Alternativ- und Komplementärmedizin, nicht hormonale Pharmakotherapie, verschiedene Hormonersatztherapien). Wenn eine Frau die Verwendung von bioidentischen Hormonen wünscht, dann sollte primär ein von der Swissmedic zugelassenes Präparat gewählt werden (orales/vaginales mikronisiertes Progesteron, orales/transdermales/ vaginales 17-beta-Östradiol, orales/ vaginales Östriol). Wenn eine Unverträglichkeit gegenüber zugelassenen Präparaten besteht oder nicht alle Symptome mit den Swissmedic-zugelassenen Präparaten behandelt werden können, kann eine individuelle Rezeptur weiterhelfen. Es muss jedoch dann darauf hingewiesen werden, dass keine Sicherheitsdaten für das individuelle Produkt vorliegen.
Neue Präparate in den USA zur Behandlung von menopausalen Hitzewallungen 2013 wurde das Präparat Duavee® von der FDA zugelassen. Dies ist ein TSEC, das heisst ein «Tissue Selective Estrogen Complex», bestehend aus konjugierten equinen Östrogenen (CEE) 0,45 mg/Tag und dem SERM Bazedoxifen (BZA) 20 mg/Tag. Ziel der Entwicklung ist es, dass Frauen mit intaktem Uterus im Rahmen einer HRT kein Gestagen mehr benötigen, um den proliferativen Effekt des Östrogens am Endometrium zu antagonisieren. In den Zulassungsstudien SMART I–III zeigte sich eine signifikante Reduktion von Hitzewallungen (2), signifikante Verbesserung der Schlafqualität (3), der Erhalt der Knochendichte (4), der Schutz des Endometriums bei Frauen mit intaktem Uterus (5) und der Nachweis von keiner Stimulation des Brustgewebes. Die Amenorrhörate lag über 80%. Insbesondere zeigte sich kein erhöhtes venöses Thromboembolie- und Herzinfarktrisiko im Vergleich zu Plazebo (RR 0,48; 95%-KI: 0,05–4,66) (6). 2013 wurde ebenfalls das Präparat Brisdelle® von der FDA zugelassen. Dies ist ein selektiver Serotoninreuptake-Hemmer (SSRI), nämlich Paroxetin 7,5 mg (0-0-1) für die Therapie von menopausalen moderaten bis schweren Hitzewallungen. In den Zulassungsstudien zeigte sich eine signifikante Reduktion der Frequenz und Intensität von Hitzewallungen nach 12 respektive 24 Wochen, eine signifikante Reduktion von nächtlichem Erwachen sowie Zunahme der Schlafdauer ohne Einfluss auf die Einschlaflatenzzeit. Zu den Nebenwirkungen zählen (> 2%) Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit, aber es zeigte sich kein Einfluss auf die sexuelle Funktion und das Gewicht.
Fazit: Mit Duavee® und Brisdelle® stehen in den USA zwei neue Präparate zur Therapie von postmenopausalen Hitzewallungen zur Verfügung. Frauen mit intaktem Uterus werden somit eventuell «brustfreundlichere» Alternativen zu Östrogen-Gestagen-Kombinationen haben. Ausserdem scheint ein «Hauch» SSRI zur Therapie von Hitzewallungen auszureichen; anders als bei einer endogenen Depression.
40 GYNÄKOLOGIE 1/2015
Bericht zur Fortbildungstagung «Gyn – Endo – Repro» 2014
Weltkongresse der ISGE, ESHRE, NAMS im Resümee – Olten, September 2014
Die «lebensnahe» MsFLASH-Studie Die US-amerikanische Studie MsFLASH (= Menopause Strategies – Finding Lasting Answers For Symptoms & Health) hat die Durchführung von Interventionsstudien mit mehreren unterschiedlichen, vielversprechenden Therapieansätzen innerhalb einer heterogenen Population von Frauen im mittleren Lebensalter mit klassischen Symptomen der menopausalen Transition zum Ziel. In einer systematischen Untersuchung sollen Therapieansätze bei Hitzewallungen gegeneinander getestet werden, dies in den Studien MsFLASH 1, 2 und 3. MsFLASH 1 ist eine multizentrische, doppelblinde, plazebokontrollierte, randomisiert-kontrollierte Studie (RCT) an 205 Frauen in der Peri- oder Postmenopause. Der SSRI Escitalopram 10–20 mg/Tag wurde 8 Wochen gegen Plazebo getestet. Primärer Endpunkt waren Hitzewallungen (Frequenz und Intensität). I Eine Reduktion der Frequenz von Hit-
zewallungen ≥ 50% wurde in Woche 8 bei 55% der SSRI- und bei 36% der Plazebo-Anwenderinnen gezeigt. I Nach SSRI-Abbruch kam es bei rund einem Drittel der Anwenderinnen zu einer zügigen Rückkehr der Hitzewallungen. Zu möglichen SSRI-Entzugserscheinungen zählten Schwindel (14%), Übelkeit (11%) und Schwitzen (11%) (7, 8). MsFLASH 2 ist eine multizentrische, einfach (Verhaltensintervention) respektive doppelt (plus Einsatz von Omega-3Fettsäuren) verblindete RCT an 355 Frau-
en in der Peri- oder Postmenopause über 12 Wochen. Folgende Resultate wurden gefunden: 1) Yoga verbessert die Insomnie, aber
nicht die Schlafqualität oder den Affekt. Yoga hat keinen Einfluss auf die Frequenz von Hitzewallungen (9). 2) Sport hat keinen Einfluss auf die Frequenz der Hitzewallungen, aber verbessert eine Insomnie, die Schlafqualität und den Affekt (10). 3) Omega-3-Fettsäuren haben keinen Einfluss auf die Frequenz der Hitzewallungen, den Schlaf und den Affekt (11). MsFLASH 3 ist eine multizentrische, doppelblinde, plazebokontrollierte RCT an 339 Frauen in der Peri- oder Postmenopause, die über 8 Wochen entweder ultraniedrig dosiertes Estradiol, den SNRI Venlafaxin oder Plazebo erhielten. Es zeigte sich: I eine signifikante Reduktion der Frequenz der Hitzewallungen unter Estradiol und Venlafaxin im Vergleich zu Plazebo, wobei die Wirksamkeit von Estradiol etwas stärker als die von Venlafaxin war. Fazit: Zur Behandlung von Hitzewallungen stehen effektive hormonale und nicht hormonale (SSRI/SNRI) Substanzen zur Verfügung. Allerdings sollte man bedenken, dass Hormone nicht nur auf Hitzewallungen einen positiven Einfluss haben, sondern auch auf andere akute und langfristige Östrogenmangelerscheinungen. Das gilt jedoch nicht für Antidepressi-
va! Die Äquipotenz von Estradiol ver-
sus Venlafaxin wurde nur für ultranied-
rig dosiertes Estradiol gezeigt. Eine
Hormontherapie kann bei unzurei-
chender Wirksamkeit leicht gesteigert
werden; bei Antidepressiva geht das
nicht! Yoga (täglich) und Sport (3 x 40
bis 60 min/Woche) reduzieren nicht
Hitzewallungen, haben aber einen
positiven Einfluss auf Schlaf und Af-
fekt. Omega-3-Fettsäuren haben kei-
nen Einfluss auf Hitzewallungen,
Schlaf und Affekt.
I
PD Dr. med. Petra Stute (Korrespondenzadresse) E-Mail: petra.stute@insel.ch
und Prof. Dr. med. Michael von Wolff
Beide: Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsfrauenklinik Inselspital Bern 3010 Bern
Referenzen: 1. Joffe H et al.: Sleep 2013 2. Lobo RA et al.: Fertil Steril 2009 3. Pinkerton JV et al.: Menopause 2013 4. Lindsay R et al.: Fertil Steril 2009 5. Pickar JH et al.: Fertil Steril 2009 6. Rogerio A et al.: Fertil & Steril 2009 7. Freeman EW et al.: JAMA 2011 8. Joffe H et al.: Menopause 2013 9. Newton KM et al.: Menopause 2013 10. Sternfeld B et al.: Menopause 2013 11. Cohen LS et al.: Menopause 2013
42 GYNÄKOLOGIE 1/2015