KONGRESSBERICHT

Reduktionsdiät bei älteren Personen
Keinen Muskelverlust riskieren!

Bei einer Reduktionsdiät bei Adipositas kann es nicht das Ziel sein, einfach nur Gewicht zu ­ver­lieren. Mindestens so wichtig ist es, die Muskelmasse zu erhalten oder gar zu verbessern. Wichtig ist auch für die Betroffenen, eine langfristige Änderung ihres Lebensstils zu erreichen. Akzentuiert stellt sich das Problem bei älteren Menschen mit Adipositas dar. Prof. Dr. Peter J. M. Weijs, Amsterdam, erläuterte verschiedene Strategien zur Gewichtsreduktion und Ver­ meidung einer adipösen Sarkopenie.

SO-NUTS Prävention von Sarkopenie, Adipositas und sarkopener Adipositas bei Pensionierten
www.rosenfluh.ch/qr/so-nuts

Häufig steht bei der Gewichtsreduktion vor allem der Verlust von Fettmasse im Vordergrund. Der klassische Approach versucht, die Energiebilanz zu verändern, das heisst Kalorienrestriktion und Bewegung, um den Energieverbrauch zu erhöhen. Doch das allein reicht nicht. Fett zu verlieren, hat viele Vorteile. Aber das Ziel ist es, die Muskel- und Knochenmasse zu erhalten (1). Gerade rund um das Pensionierungsalter scheint ein geeigneter Zeitpunkt zu sein, noch einmal eine Verbesserung des Lebensstils zu beginnen. Die Organisation SO-NUTS kümmert sich spezifisch um dieses Problem (siehe Kasten). Kürzlich wurden in einer Metaanalyse verschiedene Ernährungs- und Bewegungsinterventionen bei adipösen Personen rund um das Renteneintrittsalter ­verglichen. Am erfolgreichsten war Kalorienrestriktion kombiniert mit Krafttraining, aerobem Training oder hoher Proteinzufuhr. Allerdings hatten viele Studien nur die Fettreduktion beurteilt. In nur drei Studien wurde auch die Erhaltung der Muskelmasse untersucht, hier waren Kalorienrestriktion mit Krafttraining, Krafttraining mit hoher Proteinzufuhr, aerobes Training und verschiedene körperliche Aktivitäten am erfolgreichsten. Allerdings beruhten die Resultate nur auf wenigen Studien (2). Bei einer Reduktionsdiät bei Personen mit sarkopener Adipositas konnte gezeigt werden, dass mit dem Krafttraining zusätzlich zur Kalorienrestriktion es nicht nur zu einer signifikanten Reduktion des Körperfetts, sondern auch zu einer Zunahme der Muskelmasse und -kraft und einer leichten Verbesserung der Gehgeschwindigkeit kam (3). In einer eher klassischen Studie zur Gewichtsreduktion wurden drei Massnahmen verglichen. Kalorienrestriktion, körperliche Aktivität oder beides. Die Gruppe mit nur Kalorienrestriktion verlor mehr an Gewicht, aber der Anteil der verlorenen Muskelmasse war grösser; die Gruppe mit Kalorienrestriktion und Aktivität verlor etwas weniger Gewicht, aber fast so viel Fettmasse, jedoch war der Verlust an Muskelmasse nur halb so gross. Nur körperliche Aktivität ohne Kalorienrestriktion führte zu keinem Gewichtsverlust, doch tatsächlich kam es zu einem geringen Fettmassenverlust, aber auch zu einer Zunahme der Muskelmasse (4). Dass man kaum Gewicht verliert, wenn man ohne Kalorienrestriktion beginnt, Sport zu treiben, führt häufig zu Frustrationen, aber in Wahrheit findet doch eine Verbesserung der Körperzusam-

mensetzung statt. Diät und körperliche Aktivität führten auch zu einer Verbesserung der Performance und der Insulinsensitivität (5). Der Gewichtsverlust ist bei Kalorienreduktion mit aero­bem Training, Krafttraining oder einer Kombination von beiden vergleichbar. Doch für die Erhaltung der Muskelmasse ist besonders das Krafttraining wichtig (6).
Anabole Resistenz überwinden
Bei dieser Patientengruppe bestehen oft verschiedene Krankheiten, häufig sind auch Entzündungszustände und Inaktivität – beides Faktoren, welche die Proteinsynthese hemmen – dies wird anabole Resistenz genannt. Um diese zu überwinden, gibt es grundsätzlich zwei Wege: verstärkte körperliche Aktivität und erhöhte Proteinzufuhr. Ohne Bewegungsreiz wird die Muskelproteinsynthese nicht angeregt (7). Aber auch eine erhöhte Proteinzufuhr kann helfen, die anabole Resistenz zu überwinden. Bei einem Krafttraining in Kombination mit einer erhöhten Proteinzufuhr konnte die Muskel­ synthese stärker stimuliert werden (8). Ältere Personen benötigen mehr Eiweiss (9). Das Problem ist, dass auch während der Kalorien­ restriktion die gleiche Menge Protein benötigt wird, etwa 35 g Eiweiss pro Mahlzeit, um die Proteinsynthese optimal zu stimulieren, d. h., dass der Anteil des Pro­ teins erhöht werden muss (10). Die Proteinzufuhr muss während der Kalorienrestriktion über 1,2 g/kg Körpergewicht betragen, um den Muskelmassenverlust zu minimieren (11).
Proteindrinks
Eine Studie prüfte eine kombinierte Lifestyle-Intervention mit Kalorienrestriktion und Krafttraining dreimal wöchentlich bei älteren Patienten mit Adipositas. Eine Gruppe erhielt zusätzlich einen Proteindrink von 20 g Eiweiss zum Frühstück. Die Interventionsgruppe hatte 0,5 kg Muskelmasse gewonnen, die Kontrollgruppe 0,5 kg verloren, ein Unterschied, der für diese ältere Population wichtig ist (12). Eine ähnliche Studienanordnung wurde bei Patienten mit Typ-2-Diabetes durchgeführt, zusätzlich zur ­Kalorienrestriktion absolvierten die Patienten ein ­intensives Intervalltraining. Wieder erhielt die Inter-

16 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 5|2024

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Die wichtigsten Punkte:
• Die Kalorienrestriktion muss immer kombiniert werden mit einem Krafttraining, einer proteinreichen Ernährung oder einer Ergänzung mit Proteinsupplementen, um ein gutes funktionelles Resultat zu erreichen.
• Die Muskelmasse kann trainiert werden, davon profitieren nicht alle Anteile der Magermasse des Körpers (alle Bestandteile ausser das Fettgewebe, z. B. Organe).
• Wenn man die Adipositas behandelt, muss man unbedingt die Entwicklung einer Sarkopenie vermeiden. • Nur das Erlernen von Strategien zur Verbesserung von Ernährung und körperlicher Aktivität bringt
eine langfristige Verhaltensänderung.
ventionsgruppe einen Drink mit 20 g Protein (13). Die ­Interventionsgruppe zeigte einen Zuwachs der Muskelmasse der Extremitäten und der totalen Magermasse. Die Kontrollgruppe verlor zwar keine Muskelmasse an den Extremitäten, was zeigt, dass das Training ausreichend war, allerdings verlor sie trotzdem an totaler Magermasse. Möglicherweise ist das Proteinsupplement vor allem für die Organe wichtig. Zudem verbesserte sich nur in der Interventionsgruppe auch die Insulinsensitivität (13), dieser Effekt war allerdings bei den Patienten am stärksten, die zu Beginn der Studie die grösste Insulinresistenz aufgewiesen hatten (14). Erfreulich war, dass bei den Patienten bei einer Nachkontrolle 6 Monate später das Gewicht konstant war, ebenso die Muskelmasse und die verbesserten körperlichen Fähigkeiten, wie Gehgeschwindigkeit und ­Aufstehen vom Stuhl. Die Patienten hatten keine Kalorienrestriktion mehr, profitierten aber von der Instruktion, die sie in Einzelberatung und Gruppentherapien zur Verbesserung des Lebensstils bekommen hatten (15). Dies war eine wichtige Intervention, um die Fortschritte erhalten zu können.
Gemeindebasierte Interventionen
In den Niederlanden werden der Bevölkerung jetzt gemeindebasierte Interventionen angeboten. In Gruppen werden Turnstunden angeboten, auch ohne ein eigentliches Krafttraining für Patienten mit und ohne Adipositas. Den Teilnehmenden werden zudem Übungen für zu Hause beigebracht, die sie auf Tablets ­abrufen können. Auch sind Ernährungscoachs verfügbar, die Anregungen geben, wie man genügend Eiweiss in den Speiseplan einbauen kann und welche Nahrungsmittel man im Supermarkt kaufen sollte. An einem solchen Kollektiv wurde verglichen, ob die Muskelmasse und -kraft verbessert werden kann. Eine Gruppe erhielt eine erhöhte Proteinzufuhr, die Kontrollgruppe nicht. Beide Gruppen hielten keine kalorienreduzierte Diät ein. Mit einer erhöhten Eiweisszufuhr konnten die Muskelmasse und-kraft verbessert werden. Die Probanden erhielten Tipps zur Gestaltung der Mahlzeiten zu Hause (17). Hier war die Idee, dass die Menschen in ihrer Wohnumgebung geschult und beraten werden. SO-NUTS ist eine Organisation, die sich der Prävention der sarkopenen Adipositas widmet. Die Zielgruppe sind Menschen rund um den Zeitpunkt der

Pensionierung. Hier ist eine gute Gelegenheit, diesen Lebensabschnitt zu nutzen, um eine Veränderung des Lebensstils zu fördern. Denn die sarkopene Adipositas ist mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeit verbunden (18).
Barbara Elke
Quelle: 46th ESPEN Congress on Clinical Nutrition&Metabolism, Mailand, 7.–10. September 2024. Prof. Dr. Peter J.M. Weijs, Nutrition and Exercice, Amsterdam University of Applied Sciences. Sparing lean body mass through nutrition during energy caloric restriction.
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