Transkript
KURZ VORGESTELLT
Wissenschaftlicher Beirat für Bundesrat und BLV
Die eidgenössische Ernährungskommission
Die eidgenössische Ernährungskommission besteht aus 15 Mitgliedern, die im November 2023 neu gewählt oder für weitere vier Jahre bestätigt wurden, präsidiert wird die Kommission durch Prof. Philipp Schütz, Aarau. Vertreten sind Personen aus unterschiedlichen Berufsfeldern wie Ernährungsberatung, Lebensmitteltechnologie, Gastronomie, Konsumentenschutz, Medizin, Forschung und Gesundheitsförderung und Bildung (1). Die Kommission trifft sich 2 bis 3-mal jährlich. Weitere Geschäfte werden auf dem Korrespondenzweg bearbeitet.
Philipp Schütz
Die Eidgenössische Ernährungskommission (EEK) ist eine ausserparlamentarische Kommission mit beratender Funktion. Sie erarbeitet zuhanden des Bundesrates und dem BLV Stellungnahmen und Empfehlungen und berät das BLV bei der Umsetzung des Aktionsplans der Schweizer Ernährungsstrategie. Zusätzlich unterstützt und berät die Kommission das BLV bei der Organisation. Zwei Mitglieder des Herausgeberbeirats der SZE sind in der EEK vertreten und haben sich bereit erklärt, uns die Aufgaben der Kommission zu erläutern.
Cornelia Conrad Zschaber
SZE: Sie präsidieren die EEK. Welches ist das aktuelle Hauptprojekt der EEK und wie arbeitet die Kommission? Prof. Philipp Schütz: Aktuell ist die Hauptaufgabe die Unterstützung und Begleitung des Aktionsplans der Ernährungsstrategie 2017–2024. Die Arbeitsweise der Kommission hat sich etwas geändert. Früher verfasste die Kommission die Berichte selbst, dies war noch der Fall bei den Berichten zum Thema Vitamin D, Salz oder Fleisch. Heute werden die Berichte extern geschrieben. Für diese Arbeit können sich wissenschaftliche Gruppen bewerben. Diese Fassung des Berichts kommt dann in die Vernehmlassung zur EEK. Die Mitglieder können Änderungen vorschlagen, die dann in der Kommission diskutiert werden. Schliesslich wird eine Schlussfassung verabschiedet. Diese neue Arbeitsweise wurde auch bei der Überarbeitung der Schweizer Ernährungsempfehlungen gewählt.
Link zur Ernährungsstrategie 2017–2014 (pdf) https://www.rosenfluh.ch/qr/eek-ch-ern-bericht
Welche weiteren Themen werden in der EEK diskutiert? Schütz: Alle Mitglieder der EEK können neue Themen vorschlagen und anregen, diese weiterzuverfolgen. Sie können auch externe Experten für einen Vortrag einladen. In der Kommission wird das Thema
Die 15 Mitglieder der Eidgenössische Ernährungskommission EEK https://www.rosenfluh.ch/qr/eek-mitglieder https://www.admin.ch/ch/d/cf/ko/gremium_10655.html Eidgenössische Ernährungskommission Ausserparlamentarische Kommission mit beratender Funktion zu Handen des Bundesrats und Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).
dann diskutiert und schliesslich über das weitere Vorgehen entschieden. Die EEK kann beispielsweise eine Stellungnahme gegenüber dem BLV machen und auf die Wichtigkeit des Themas hinweisen. Das BLV entscheidet dann je nach Budget und Dringlichkeit das weitere Prozedere. Auch hier können wiederum wissenschaftliche Gruppen für den Auftrag herangezogen werden. Aktuell ist ein weiteres wichtiges Thema «Ultraprocessed Food» (hochverarbeitete Nahrungsmittel). Die Kommission war der Auffassung, dass dieses Thema stärker beachtet werden sollte. Wie kann eine abschliessende Empfehlung lauten? Schütz: Die verabschiedeten Berichte gehen zu Handen des BLV und enthalten konkrete Empfehlungen. Bei der Vitamin-D-Strategie gab man Empfehlungen, dass Vitamin D bei vulnerablen Personen eingesetzt werden sollte und definierte auch die Dosierung für die jeweilige Altersgruppe. Diese Berichte werden dann veröffentlicht und auf der Homepage publiziert (2). Bei einem letzten Bericht über die hochverarbeiteten Lebensmittel gab die EEK auch Anregungen, wie das Thema weiter erforscht werden sollte (3). Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Schütz: Wir geben unsere Empfehlungen zu Handen des Bundesrates und des BLV ab. Darauf basierend können wir verschiedene Massnahmen vorschlagen. Bei weitergehenden Eingriffen zur Förderung oder Restriktion von Nahrungsmitteln wird zuerst ein politischer Prozess in Gang gesetzt. Wie ist die Kommission zusammengesetzt? Schütz: Die Kommission ist sehr breit zusammengesetzt. Verschiedene wissenschaftliche Expertengruppen aus unterschiedlichen Bereichen wie Medizin, Ernährungstherapie und Prävention sind dabei vertreten. Einbezogen sind aber auch Personen aus der lebensmittelverarbeitenden Industrie und dem Bauernverband. So soll möglichst das Wissen aus verschiedenen Bereichen zusammenkommen, um eine breit abgestützte beratende Funktion einnehmen zu können. Wir sind eine Art «wissenschaftliches Gewissen» des Bundesrats und des BLV.
16 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2|2024
KURZ VORGESTELLT
Welche Bedeutung hat diese Kommission für die Bevölkerung? Schütz: Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit ist kompliziert. Es ist schwierig bis unmöglich, den Effekt eines isolierten Nahrungsmittels zu beurteilen. Will man beispielsweise den gesundheitlichen Einfluss des Fleischkonsums beurteilen, spielen für die Beurteilung der Wirkung auf die Gesundheit viele weitere Faktoren ebenfalls eine Rolle. Wird gleichzeitig ausreichend Gemüse gegessen oder wird mit dem Fleischkonsum mehr Wein getrunken, haben die begleitenden Faktoren ebenfalls einen Effekt, unabhängig vom Fleisch. Das Gleiche gilt beispielsweise für hochverarbeitete Lebensmittel. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir der Bevölkerung immer den aktuellen Stand des Irrtums darlegen. Wir können nicht genau beziffern, wie gesund oder ungesund es ist, Fleisch zu essen. Aber wir sehen gewisse Wahrscheinlichkeiten für Folgekrankheiten, die mit dem sehr hohen Fleischkonsum einhergehen, insbesondere wenn es hochverarbeitete Fleischerzeugnisse sind, mit Zusätzen von Salz und Gewürzen. Auch bei sogenannt Ultraprocessed Foods gibt es in verschiedenen Studien eine Korrelation zu erhöhtem Herzinfarkt und Schlaganfall Risiko, wobei auch hier die Wissenschaft noch uneins ist und wir heute nicht wissen, wie wir den Grad der Ultraprocessed Foods objektiv messen können. Dies muss man trotzdem der Bevölkerung kommunizieren, damit sie mit diesem Wissen eine informierte Entscheidung treffen kann. Aber es ist ein Spagat. Wir wollen die Leute nicht bevormunden, aber wir können auch nicht so tun, als ob es gar keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Ernährung auf die Gesundheit gibt. Gewisse Tendenzen sind erkennbar, auch wenn wir keine absoluten Zahlen zu den Effekten haben. Dies müssen wir aufzeigen. Die Ernährung ist für mich so interessant, weil man immer in der Grauzone ist. Wir haben zwar Erkenntnisse und auch ein pathophysiologisches Verständnis, aber keine 100%ige Evidenz. Und trotzdem ist die Ernährung eine wichtige Säule für die Prävention von Krankheiten. Wir wollen die Bevölkerung leiten, dass sie eine gute Wahl treffen können.
Welche Aufgabe haben Sie persönlich in der EEK? Cornelia Conrad Zschaber: Ich bin noch sehr neu in der EEK. Mein beruflicher Schwerpunkt ist Public Health, speziell die Prävention und Gesundheitsförderung. So kann ich die Anliegen und Erfahrungen aus diesem Gebiet einbringen.
Ist die EEK bei der Umsetzung von Empfehlungen auch direkt beteiligt? Conrad Zschaber: Die Umsetzung liegt in der Hand des BLV und Akteuren wie z. B. die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung. Für die EEK ist wichtig, dass wir Themen aufgreifen können, wenn wir einen Handlungsbedarf sehen. Die Forschung oder die Erfahrungen in der Schweiz und im Ausland geben dazu Impulse. Die EEK ist interdisziplinär aufgestellt und vereinigt viel Wissen und Erfahrung. Nach der
Bisherige Berichte der Ernährungskommission
• Schweizer Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr • Hoch verarbeitete Lebensmittel (Ultraprocessed Foods) • Neubewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dem Verzehr
von Lebensmitteln aus bestimmten Lebensmittelgruppen und NCDs (2020) • Ernährung im Alter (2018) • Übersichtsarbeit zu den ernährungsphysiologischen und gesundheitlichen Vor- und Nachteilen einer
veganen Ernährung (2018) • Ernährung in den ersten 1000 Lebenstagen (2015) • Gesundheitliche Aspekte des Fleischkonsums (2014) • Jodversorgung in der Schweiz (2013) • Fette in der Ernährung (2013) • Vitamin D (seit 2012) • Proteine in der Ernährung des Mensches (2011) • Zöliakie und Ernährung in der Schweiz (2010) • Konzept für den 6. Schweizerischen Ernährungsbericht (2009) • Kohlenhydrate in der Ernährung (2009) • Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit (2007) • Gesundheitliche Vor- und Nachteile einer vegetarischen Ernährung (2007) • Fette in der Ernährung (2006) • Mangelernährung im Spital (2006) • Salzkonsum und Blutdruck (2005) • Folsäure (2002)
Diskussion in der Kommission können wir das BLV auf Fakten und den Handlungsbedarf aufmerksam machen.
Das Interview führte Barbara Elke.
Korrespondenzadressen: Prof. Dr. med. Philipp Schütz Leiter Medizinische Universitätsklinik Kantonsspital Aarau Präsident EEK E-Mail: philipp.schuetz@ksa.ch
Cornelia Conrad Zschaber Leiterin Nationales Kompetenzzentrum RADIX Gesunde Schulen RADIX Zentralschweiz Präsidentin SGE Seidenhofstrasse 10, 6003 Luzern E-Mail: conrad@radix.ch
Referenzen: 1. https://www.admin.ch/ch/d/cf/ko/10655_20181214_Eidg._
Ern%C3%A4hrungskommission_EEK.pdf (aufgerufen 29.2.24) 2. https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/das-blv/organisation/
kommissionen/eek.html (aufgerufen 1.3.2024) 3. https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/das-blv/organisation/
kommissionen/eek/hoch-verarbeitete-lebensmittel-ultraprocessedfoods.html
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2|2024 17