Transkript
GESUNDE ERNÄHRUNG 60+
Gehirn, Herz und Muskeln
Stellenwert der Ernährung für gesundes Altern
Caroline M. Kiss, Reto W. Kressig
Schon lange bekannt, aber immer häufiger durch Forschung bestätigt: Die optimale Ernährung für gesundes Altern setzt sich aus Ernährungsmustern mit möglichst wenigen verarbeiteten Speisen aller Lebensmittelgruppen zusammen. Was für das Herz gut ist, unterstützt auch das Gehirn optimal. Für den Erhalt der Muskelgesundheit braucht es Proteine und Training.
Caroline M. Kiss Reto W. Kressig
Einleitung
Die Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen hat zugenommen und bald wird jede 4. Person in der Schweiz dazugehören (1). Damit die demographische Alterung der Bevölkerung bewältigt werden kann, kommt dem gesunden Älterwerden eine besondere Bedeutung zu. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert gesundes Altern als «Prozess der Entwicklung und Erhaltung der funktionellen Fähigkeiten, die Wohlbefinden im Alter ermöglichen.» Das Altern bei guter Gesundheit ist möglich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. In der Schweiz gehören – gemäss der DO-HEALTH-Studie, Europas grösster Altersstudie – rund die Hälfte der Seniorinnen und Senioren zu den «healthy agers» (2). Sie sind frei von schwerwiegenden chronischen Krankheiten und haben eine gute körperliche und mentale Gesundheit. Entgegen früheren Annahmen ist der Alterungsprozess nicht in erster Linie genetisch bedingt, sondern zu 70–80% durch den Lebensstil bestimmt. Die dazu wichtigsten beeinflussbaren Faktoren sind körperliche und kognitiv/soziale Aktivität und Ernährung. Aktivitäten und Interventionen in diesen Bereichen wirken synergistisch. Der im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittel sicherheit und Veterinärwesen erschienene Bericht «Ernährung im Alter» der Eidgenössischen Ernährungskommission beinhaltet die Grundlagen für die erarbeiteten Ernährungsempfehlungen (1). Eine besondere Herausforderung von Ernährungsempfehlungen für Ältere ist die Heterogenität dieser Bevölkerungsgruppe. Es gilt zu unterscheiden zwischen robusten, gebrechlichen und pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren. In diesem Artikel geht es um die erste Gruppe, welche in einem guten Gesundheitszustand sind und diesen erhalten möchten. Bekannterweise lässt sich der Lebensstil nur schwer verändern. Neue Gewohnheiten müssen sich schrittweise etablieren. Deshalb sollen erste Veränderungen der Essgewohnheiten, Bewegung und mental stimulierende Tätigkeiten bereits ab 50 Jahren und nicht erst nach der Pensionierung mit 65 Jahren eingeleitet werden.
Veränderungen im Alter erfordern Anpassungen der Ernährung
Zu den physiologischen altersassoziierten Veränderungen gehörten die Abnahme der Knochenmasse und die reduzierte Fähigkeit der Haut, Vitamin D zu bilden. Ein Vitamin-D-Mangel erhöht das Risiko von Muskelschwäche, Stürzen und Knochenbrüchen. Mit einer oralen Dosis von 20 µg (800 IE) pro Tag (oder 24 000 IE einmal im Monat) ist die Vitamin-DVersorgung sichergestellt und ab 65 Jahren gemäss allgemeinen nationalen und internationalen Richtlinien empfohlen. Eine Bestimmung der Vitamin-DBlutkonzentration ist in der Regel nicht erforderlich. Die Daten über den präventiven Nutzen von Vitamin D in Bezug auf Stürze, Muskelkraft, Krebs oder Infektionen sind begrenzt. Auch hier spielen viele andere Faktoren eine Rolle, und Präventionsmassnahmen können nicht auf einen einzigen Nährstoff reduziert werden. Der Prävention der Osteoporose ist in dieser Nummer der «SZE» ein separater Artikel gewidmet: Prävention der Osteoporose von René Rizzoli (Seite 10). Mit zunehmendem Alter ändert sich die Körperzusammensetzung: Die Muskelmasse nimmt um rund einen Drittel ab und wird zunehmend mit Fett- und Bindegewebezellen durchsetzt. Dadurch nimmt der tägliche Energiebedarf vom 25. bis zum 75. Lebensjahr um rund einen Viertel ab. Um dem Muskelabbau entgegenzuwirken, braucht es mehr Proteine. Der Bedarf an Mikronährstoffen jedoch bleibt gleich. Dies bedeutet, dass die Ernährung nährstoff- und vor allem proteindichter sein muss. Konkret heisst dies auch, weniger «leere» Kalorien (Süssigkeiten, fettreiche Speisen und Alkohol) zu geniessen. Eine besondere Rolle kommt dem Vitamin B12 zu. Ältere Menschen gehören zu den Risikogruppen für einen Vitamin-B12-Mangel, da die Magensäureproduktion und Transportproteine abnehmen. Ausserdem kann die Einnahme von Medikamenten wie Metformin oder Protonenpumpenblocker die Aufnahme behindern. Vitamin B12 ist wichtig für die Blutbildung und die Bildung von Myelin, d.h. die Isolierung von Nervenfasern für eine gute Informationsübertragung
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im Nervensystem. Ein Mangel führt daher zu Blut armut oder neurologischen Symptomen wie Zungenbrennen, Kribbeln in den Füssen, Taubheit der Haut, Gangunsicherheit und Hirnleistungsstörungen. Für diagnostische Zwecke gilt Holo-Transcobalamin als zuverlässiger Blutmarker für aktives Vitamin B12. Erhöhtes Homocystein und Methylmalonsäure deuten auf eine unzureichende Vitamin-B12-Versorgung hin. Das Altern wird mit dysregulierten Immun- und Entzündungsreaktionen in Verbindung gebracht, die sich in einer geringgradigen chronischen Inflammation und einer verringerten T-Zell-Funktion äussern (3). Dies trägt zur vermehrten Entwicklung von nicht übertragbaren chronischen Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, AlzheimerDemenz, Sarkopenie und Osteoporose bei. Hier kann mit der Ernährung wesentlich entgegengewirkt werden. Zahlreiche Nahrungsbestandteile und Ernährungsmuster sind in der Lage, geringgradige Inflammation zu reduzieren und die Immunantwort zu verbessern.
Ernährungsmuster für erfolgreiches Altern
Heute besteht Einigkeit, dass nicht einzelne Nährstoffe oder Lebensmittel oder eine spezielle Diät, sondern das ganzheitliche Ernährungsmuster wichtig für gesundes Altern ist. Wissenschaftlich am besten untersucht sind dabei die klassische mediterrane Ernährung und die DASH-Diät (Dietary Approach to Stop Hypertension) für die Herzgesundheit (4, 5). Für diese Ernährungsweisen wurde auch gezeigt, dass sie mit geringeren Entzündungsbiomarkern einhergehen (6–8). Neuere Studien haben gezeigt, dass sich diese beiden Ernährungsweisen nicht nur günstig auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken, sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit stärken (9). Was gut für das Herz ist, kommt auch dem Gehirn zugute (Abbildung 1). In einer Kohortenstudie, die im mittleren Erwachsenenalter begann und über 27 Jahre dauerte, schnitten Teilnehmende im fünften Lebensjahrzehnt bezüglich der kognitiven Fähigkeiten umso besser ab, je konsequenter sie die oben genannten Ernährungsmuster einhielten (10). Bei einer anderen Gruppe von 80-Jährigen entsprach die Gedächtnisleistung im Durchschnitt derjenigen eines 7,6 Jahre jüngeren Seniors, wenn sie diese Ernährungsmuster befolgten. Darüber hinaus wurde das Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken, um die Hälfte reduziert. In einer anderen Beobachtungsstudie mit 68-Jährigen wurde ebenfalls eine positive Wirkung auf die körperliche Leistungsfähigkeit und Kraft festgestellt (11). Aus diesen und anderen Studien der nordamerikanischen Forscherteams von Gene Bowmann (Oregon Health and Science University) und Martha Morris (Rush University Medical Center) ergaben sich Erkenntnisse darüber, welche Lebensmittel und Nährstoffe die grösste Wirkung auf die Gehirnfunktion haben könnten (12). Die Ernährungsempfehlungen
Abbildung 1: Günstige (grün hinterlegt) und ungünstige (rot hinterlegt) Ernährungsmuster, Lebensmittel-Inhalts stoffe sowie Lebensstilfaktoren mit Einfluss auf Herz, Gehirn und Muskeln. (Quelle: Kressig, R.W. (2022): Gesund älter werden, S. Karger Verlag, Seite 16)
Abbildung 2: Empfohlene Lebensmittelgruppen der MIND-Diät (Quelle: Kressig, R.W. (2022): Gesund älter werden, S. Karger Verlag, Seite 21)
der MIND-Diät beruhen auf diesen Erkenntnissen. Die ersten randomisierten und kontrollierten Studien sind im Gange. Das Akronym MIND steht für «Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay». Die MIND-Diät bedient sich der Prinzipien der Mediterranen Ernährung und der DASH-Diät: viel frisches Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse sowie O livenöl, primär weisses und nur wenig rotes Fleisch. Ausserdem setzt das Konzept gezielt auf zehn Lebensmittelgruppen mit Inhaltsstoffen, die antioxidative, entzündungshemmende und neuroprotektive Wirkungen gezeigt haben (Abbildung 2). Fünf Lebensmittelgruppen und Speisen werden bewusst limitiert, da sie frühzeitiges Altern wahrscheinlich begünstigen. Für einen Zusammenhang zwischen hochverarbeiteten Lebensmitteln und negativen gesundheitlichen Folgen wie Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es bereits Hinweise. Hochverarbeitete Lebensmittel sind verzehrfertige, lang haltbare
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Tagesbedarf: 1–2,2 g/kg KG bzw. 78 g, bzw. 26 g Pro Mahlzeit: 0,4 g/kg KG
Abbildung 3: Optimale Verteilung der täglichen Proteinmenge über den Tagesverlauf. (Quelle: Kressig, R.W. (2022): Gesund älter werden, S. Karger Verlag, Seite 24)
Produkte, welche grösstenteils aus industriell ver wendeten Substanzen wie hydrierten Ölen, GlukoseFruktose-Sirup, Proteinisolaten und künstlichen Zusatzstoffen hergestellt werden. Sie zeichnen sich aus durch eine geringe Nährstoffdichte und einen hohen Energiegehalt. Ob diese Lebensmittel auch mit Demenz in Verbindung gebracht werden können wurde in einer grossen Studie bei über 72 000 Personen mit Durchschnittsalter 61 Jahre bei Studienbeginn untersucht. In der Nachbeobachtungszeit über 10 Jahre entwickelten 518 Teilnehmende eine Demenz. Im Vergleich zur Gruppe mit dem geringsten Verzehr solcher Lebensmittel war das Risiko für eine Demenz 50% höher (HR: 1,51; 95%-KI: 1,16–1,96) (13). Die möglichen biologische Mechanismen, die den Zusammenhang zwischen hochverarbeiteten Lebensmitteln und Demenz erklären könnten, sind neben der schlechteren Ernährungsqualität die intensive Wärmebehandlung, welche zur Bildung von Verzuckerungs-Endprodukten (Advanced Glycation End Products) führen. Diese können Gefässzellen und Zellen des Nervengewebes verändern. Ausserdem können hier auch Verpackungsmaterialen, welche endokrin wirksame Chemikalien enthalten (wie z. B. Bisphenol A), negative Einflüsse haben. Experimentelle Studien deuten darauf hin, dass Bisphenol A DNA-Schäden in Gehirnzellen erhöhen und damit die kognitiven Funktionen beeinträchtigen könnte.
Muskeln brauchen Protein und Bewegung
Die empfohlene tägliche Proteinzufuhr für robuste Seniorinnen und Senioren beträgt mind. 1,0 g/kg Körpergewicht (14). Bis zum mittleren Alter ist die Bedarfsdeckung mit Protein meist kein Problem. Im Alter wird es jedoch schwieriger, den geforderten erhöhten Bedarf an Protein bei gleichzeitig reduziertem Energiebedarf aufzunehmen. Dieser nimmt vom 25. bis zum 75. Lebensjahr um einen Viertel ab. Gemäss der «MenuCH»-Studie, einer repräsentativen Schweizer Querschnittsstudie, erreichten weniger als die Hälfte der Senioren die Empfehlungen von mindestens 1,0 g/kg Körpergewicht und gar nur 30% die Empfehlungen von 1,2 g/kg (15). Wesentlich neben der Bedarfsdeckung ist auch die Verteilung der Proteinmenge über den Tagesverlauf. Im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen braucht es im Alter zur Stimulation der muskulären Proteineigensynthese insgesamt deutlich mehr Protein pro Hauptmahlzeit, weshalb die Tagesmenge am besten gleichmässig auf die drei Hauptmahlzeiten verteilt wird (Abbildung 3). Jede Mahlzeit mit mindestens 25 g Proteinanteil wirkt auch im Alter anabol. Die anabole Wirkung hält drei bis fünf Stunden nach einer Mahlzeit an. Jede der drei Hauptmahlzeiten soll idealerweise 25–35 g Protein (resp. 0,4 g/kg Körpergewicht) enthalten (16). Um dem Proteinabbau in der Nacht entgegenzuwirken, hilft eine proteinreiche Spätmahlzeit. Die WHO empfiehlt Erwachsenen 150 bis 300 Minuten Alltagsaktivitäten/Sport mittlerer Intensität (ins
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Schwitzen kommen) oder alternativ 75 bis 150 Minuten Sport oder Bewegung mit hoher Intensität (deutlich erhöhte Anstrengung) pro Woche. Kombinationen sind dabei möglich. Zusätzlich soll zweimal pro Woche ein Muskelkrafttraining durchgeführt werden. Personen über 65 Jahre wird zusätzlich an drei oder mehr Tagen pro Woche ein Mehrkomponententraining mit Schwerpunkt auf funktionellen Gleichgewichts- und Kraftübungen empfohlen.
Muskelaufbau ist in jedem Alter möglich
Um Muskeln aufzubauen, braucht es ein strukturiertes Trainingsprogramm und zusätzliche 20–30g Pro-
tein, begleitend zum Krafttraing. Nach heutigem Wissensstand ist vor allem die Aminosäure Leucin wesentlich für den Erhalt einer optimalen Muskelproteinsyntheserate verantwortlich. Ein erhöhter Leucin-Plasmaspiegel begünstigt eine suffiziente Muskelsyntheserate (17). Idealerweise erfolgt die Proteinaufnahme in zeitlicher Nähe zu einer Trainingseinheit (18). Bewährt hat sich das Molkenprotein als «schnelles Protein», da es leicht verdaulich ist, d. h. es passiert den Magen rasch, wird in einzelne Aminosäuren zerlegt und gelangt innert Kürze in die Mus kulatur. Die Aufnahme eines leucinreichen Pro teindrinks hilft daher, die trainingsinduzierte Muskelneubildung deutlich zu steigern. Darüber hinaus unterstützt Leucin den Muskel dabei, die durch das Training entstandenen Mikrorisse zu erneuern, und fördert den Regenerationsprozess. Es ist deshalb empfehlenswert, innerhalb von 20–30 Minuten vor und/oder nach dem Training einen molkenbasierten Proteindrink (mit 20–30 g Protein) oder ein leucinangereichertes Molkenproteinprodukt einzunehmen (mit 10–20 g Protein, davon 3–5 g Leucin). Ein strukturiertes, kombiniertes Trainings- und Ernährungsprogramm über mindestens 12 Wochen kann zu einem Muskelzuwachs von 0,5–1 kg führen und die Muskelkraft und Ausdauer um circa 10% steigern. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein: Wenn man aber bedenkt, dass ab dem 50. Lebensjahr die Muskelmasse um 1–2%, die Muskelkraft um ca. 1,5% und letztere ab dem 70. Lebensjahr sogar um ca. 3% pro Jahr abnimmt, dann ist diese Zunahme bemerkenswert und darüber hinaus oft entscheidend für einen suffizienten Erhalt der funktionellen Leistungsfähigkeit im hohen Alter.
Fazit
Der Stellenwert der Ernährung für ein gesundes Altern kann unter dem Begriff «Marginal Gains» – zu Deutsch «geringfügige Gewinne» zusammengefasst werden. Dieses Prinzip kommt aus dem Sport mit der Idee, dass die Verbesserung zahlreicher kleiner Faktoren zu einem deutlichen Vorteil führt. Beim Essen gibt es jeden Tag neu die Möglichkeiten für kleine Verbesserungen mit Wirkungen im Hinblick auf ein gesundes Altern.
FAQ Leucin
Was ist Leucin? Leucin ist eine Aminosäure, die vom menschlichen Körper nicht selber gebildet werden kann. Sie muss daher über die Nahrung zugeführt werden. Aminosäuren sind die Grundbausteine der Proteine. Leucin ist nicht nur ein Bestandteil für den Aufbau von Körperzellen, sondern «kurbelt» den Muskelaufbau an.
In welchen Lebensmitteln ist Leucin enthalten? Leucin kommt in allen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor, welche Protein enthalten. Im Durchschnitt enthalten Proteine 15% Leucin. Proteinreiche Lebensmittel sind Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Eier. Aber auch pflanzliche Lebensmittel, speziell Hülsenfrüchte, enthalten nennenswerte Mengen an Leucin.
Was ist das Besondere an Molkenprotein? Das Molkenprotein ist besonders reich an Leucin, aber auch an anderen lebensnotwenigen Aminosäuren, die für die Bildung von körpereigenen Proteinen notwendig sind. Molkenprotein ist leicht verdaulich, d. h. es passiert den Magen rasch, wird in einzelne Aminosäuren zerlegt, die via Blut innert Kürze zu den Muskeln transportiert werden.
Muss ein gesunder erwachsener Mensch auf Leucin achten? Nein, das ist nicht nötig. Der Leucinbedarf kann durch eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden. Auch Vegetarier können den Bedarf problemlos decken; schwieriger wird es hingegen für Veganer.
Warum brauchen Ältere mehr Leucin? Das hat mit dem Leucin-Schwellenwert zu tun. Um den Muskelaufbau anzuregen, ist eine bestimmte Menge an Leucin im Blut notwendig. Dieser Schwellenwert liegt bei Jüngeren bei 2000 mg, bei Älteren über 3000 mg pro Mahlzeit/Dosis. Diese Menge kann in der Regel erreicht werden, wenn pro Hauptmahlzeit mindestens 20–25 g Protein eingenommen werden.
Welchen Nutzen hat Leucin für die Muskelgesundheit im Alter? Leucin bremst kurzfristig den Abbau von Muskeln und hilft mit, Muskeln aufzubauen. Kombiniert mit gezieltem Training kann so auch im Alter noch Muskelmasse und -kraft aufgebaut werden. Mobilität und Unabhängigkeit bleiben so möglichst lange erhalten.
Wann ist Molkenprotein-Pulver hilfreich? Bei geringem Appetit, wenn der Bedarf an Protein nicht gedeckt werden kann, besteht die Möglichkeit der Molkenproteineinnahme in konzentrierter Form. Entsprechende Produkte sind im Detailhandel und in Fachgeschäften erhältlich und dort unter der Bezeichnung «Whey Protein» zu finden.
Wann ist eine leucinangereicherte Trinkahrung indiziert? Diese ist für ältere Personen mit chronischen und akuten Krankheiten und Muskelverlust geeignet. Sie enthält mindestens 20 g Protein und 3000–5000 mg Leucin pro Portion.
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Korrespondenzadresse: Dr. Caroline Kiss Fachexpertin Klinische Ernährung Universitäre Altersmedizin Felix Platter-Spital Burgfelderstrasse 101 4055 Basel Caroline.Kiss@felixplatter.ch Koautor: Prof. Reto W. Kressig, Chief Medical Officer (CMO) Universitäre Altersmedizin Felix Platterspital Basel Literatur in der Online-Version des Beitrags unter www.sze.ch
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Literatur: 1. Eidgenössische Ernährungskommission EEK, Ernährung im Alter. Ein
Expertenbericht der EEK. Bern. 2018. www.blv.admin.ch 2. Schietzel S et al. Prevalence of healthy aging among community
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