Transkript
BERICHT
Verdauen unter körperlicher Belastung
Funktionelle Darmbeschwerden im Sport
Gastrointestinale (GIT) Probleme treten je nach Studiendesign bei 30 bis 50% der Ausdauerathletinnen und -athleten auf (1). Besonders betroffen sind Sporttreibende, bei Marathon oder Triathlon, aber auch bei Sportarten mit intermittierender Belastung, wie Squash oder Badminton. Die GIT-Beschwerden können zu einer verminderten Leistung bis hin zu einem Trainings- oder Wettkampfabbruch führen. Deshalb kann eine Ernährungsberatung durch eine Fachperson ein grosses Potenzial für eine verbesserte Leistungsfähigkeit haben, indem zum Beispiel GIT-Beschwerden reduziert oder verhindert werden können. Dies und die folgenden Punkte erläuterte Esther Haller, Ernährungsberaterin BSc SVDE, Universitätsspital Zürich.
«Eine Low-Carb-
Diät liefert im Wett-
»kampf nicht genügend
Energie.
*fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und (and) Polyole
Die Symptome sind häufig abhängig von der Sportart. Beim Laufsport treten bei hoher Intensität vor allem Symptome im oberen Gastrointestinaltrakt auf, bei langen Distanzen eher im untern GIT. Bei Radfahrern kann, wegen der gekrümmten Oberkörperhaltung, der obere GIT betroffen sein. Zu Beginn einer Ernährungsberatung müssen neben den Symptomen auch die aktuellen Ernährungsge wohnheiten und allfällige Ernährungsumstellungen differenziert erfragt werden. Auch die Unterschiede der Ernährung in verschiedenen Phasen wie Erho lungsphase, Training, Wettkampfvorbereitung und Wettkampf sind von Bedeutung.
Mögliche GIT-Symptome beim Sport
Oberer GIT: Probleme bei Kauen, Schlucken, verlangsamte und gestörte Magenentleerung Symptome: Magenschmerz, Völlegefühl, Reflux, Erbrechen
Unterer GIT: Problem: gestörte intestinale Absorption Symptome: Abdominelle Schmerzen, Blähungen, Diarrhoe, Obstipation
Problem Darmdurchblutung
Bereits bei einer Belastung von 70%, was etwa einem moderaten Jogging entspricht, ist die Blutversorgung des GIT um 60–70% reduziert. Dies kann zu einer Hypomotilität mit verlangsamter Magenentleerung und verzögerter Resorptionskapazität und schliess lich zu Malabsorptionen führen (2, 3). Eine Studie an Ultraläufern zeigte, dass 85% der Teilnehmer nach einem solchen Rennen einen positiven Hämoccult aufwiesen (4). Eine Rolle spielt auch der Hydrata
tionsstatus. Ist dieser gesenkt, sinkt die Durchblutung des GIT, was die Magenentleerung weiter verlangsamt und die Resorptionskapazität einschränkt.
Problem Energiequelle
Während der sportlichen Betätigung sind die Kohlen hydrate (KH) die Hauptenergiequelle und deshalb in grossen Mengen nötig. Je länger und intensiver die Belastung ist, desto mehr Kohlenhydrate braucht es. Die Resorptionskapazität von KH ist jedoch limitiert auf etwa 60 g KH pro Stunde. Bei Belastungen über 3 Stunden braucht es aber bis zu 90 g pro Stunde. Gesteigert werden kann die KH-Aufnahme, indem die 60 g Glukose mit 30 g Fruktose ergänzt werden, da Fruktose über einen an deren Transportmechanismus aus dem Darm ins Blut aufgenommen wird. So können die benötigten 90 g erreicht werden.
Problem Diät
Gerade bei ambitionierten Sportlern spielt die Ernäh rung eine grosse Rolle. Nicht selten werden ihnen von Trainern oder anderen Personen in ihrem Umfeld Er nährungsformen empfohlen, die problematisch sein können. So kann eine Paleodiät mit vielen Früchten Durchfall und Blähungen verstärken. Eine Low-CarbDiät liefert im Wettkampf nicht genügend Energie, auch künstlich gesüsste Produkte können bei dieser Diätform Probleme bereiten.
Problem FODMAP
Auch bei Sportlern kann eine FODMAP*-arme Diät die GIT-Symptome während der Belastung reduzie ren (5–8). Damit auch mit einer FODMAP-armen Er nährung der KH-Bedarf gedeckt werden kann, sollte man nicht alle FODMAP auf einmal weglassen, son dern mit einzelnen Lebensmitteln beginnen. Bei den
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Sportnahrungsmitteln kann man FODMAP-reiche durch FODMAP-ärmere Produkte ersetzen.
Spezialisierte Sportberatung
Viele Einzelheiten müssen mit dem Athleten bespro chen werden, z. B. wie viel und wie er während des Rennens seine Kohlenhydrate zu sich nehmen kann. Viele Sportler haben ihre eigenen Gewohnheiten und die Verträglichkeit der Nahrung ist sehr individuell. Deshalb ist es sinnvoll, individuelle Lösungen zu fin den.
Weiterführende Links
Sportfachgruppe SVDE: www.sport-ernaehrung.ch
Swiss Sports Nutrition Society: www.sssns.ch • Viele Informationen unter «Sporternährung» (Hot Topics, Supplementguide etc.)
Liste mit Fachpersonen: https://www.ssns.ch/support/fachpersonen-suche/
Train the gut
Mit verschiedenen Massnahmen kann man den GIT für den Wettkampf vorbereiten (9). Der für die Glukoseaufnahme im Darm verantwortliche SGLT-1Transporter kann «trainiert» werden. Schon nach drei Tagen KH-reicher Ernährung wird die KH-Aufnah mekapazität aus dem Darm gesteigert. Hier wird er sichtlich, dass Sportler, die eine Low-Carb-Diät ein halten, während des Wettkampfs nicht die optimal mögliche KH-Aufnahme erreichen. Wird dann die KH-reiche Ernährung wieder reduziert, sinkt auch die Kapazität der SGLT-1-Rezeptoren zurück. Man kann sich auch an das Völlegefühl gewöhnen, indem man unmittelbar nach dem Essen das Training beginnt. Die Magenentleerung passt sich an diese Belastung an. Gleichzeitig sollte man auch viel Flüssigkeit zu sich nehmen, mehr als während des Wettkampfes. Diese Techniken können die GIT-Sym ptomatik oft deutlich reduzieren und die Leistungs fähigkeit verbessern. Zeigen diese Massnahmen keinen Erfolg, müssen weitere Ursachen gesucht werden. Neben ernährungs therapeutischen oder medizinischen Interventionen, können unter Umständen Entspannungsmethoden helfen. Eine Liste mit Personen für eine spezialisierte Sport-Ernährungsberatung finden sich unter den weiterführenden Links.
Barbara Elke
Referenzen: 1 de Oliveira EP et al. Gastrointestinal complaints during exercise: pre-
valence, etiology, and nutritional recommendations. Sports Med. 2014 May;44 Suppl 1(Suppl 1):S79-85. 2 Costa RJS et al. Systematic review: exercise-induced gastrointestinal syndrome-implications for health and intestinal disease. Aliment Pharmacol Ther. 2017;46(3):246-265. 3 Pugh JN et al. Acute high-intensity interval running increases markers of gastrointestinal damage and permeability but not gastrointestinal symptoms. Appl Physiol Nutr Metab. 2017;42(9):941-947. 4 Baska RS, Moses FM, Graeber G, Kearney G. Gastrointestinal bleeding during an ultramarathon. Dig Dis Sci. 1990 Feb;35(2):276-9. doi: 10.1007/BF01536777. PMID: 2302987. 5 Wiffin M et al. Effect of a short-term low fermentable oligiosaccharide, disaccharide, monosaccharide and polyol (FODMAP) diet on exercise‐related gastrointestinal symptoms. J Int Soc Sports Nutr. 2019;16(1):1. 6 Gaskell SK et al. Applying a Low-FODMAP Dietary Intervention to a Female Ultraendurance Runner With Irritable Bowel Syndrome During a Multistage Ultramarathon. Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2019;29(1):61-67. 7 Lis DM et al. Low FODMAP: A Preliminary Strategy to Reduce Gastrointestinal Distress in Athletes. Med Sci Sports Exerc. 2018;50(1):116123. 8 Lis D et al. Food avoidance in athletes: FODMAP foods on the list. Appl Physiol NutrMetab. 2016;41(9):1002-1004. 9 Jeukendrup AE. Training the Gut for Athletes. Sports Med. 2017 Mar;47(Suppl 1):101-110.
Quelle: 9. Ernährungssymposium 2023, Funktionelle Darmbeschwerden – und jetzt?. 19.01.2023. Universitätsspital Zürich. Esther Haller, BSc SVDE, «Funktionelle Darmbeschwerden im Sport».
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