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EDITORIAL
Optimale Ernährung unserer Patienten: eine interdisziplinäre Angelegenheit
Liebe Leserinnen und Leser
Mit dem Fokus «Malnutrition» widmet sich die Schweizerische Zeitschrift für Ernährungsmedizin einem enorm wichtigen Thema. In den letzten Jahren haben wir viele neue Studien gesehen, welche unser Verständnis der optimalen Ernährung des Patienten grundlegend verändert und verbessert haben. So wis sen wir heute, dass eine individualisierte Ernäh rungstherapie den klinischen Verlauf von verschie denen Patientengruppen signifikant und klinisch relevant verbessert und somit Prognose-bestimmend ist. Was heisst nun aber konkret «optimale Ernäh rung» und von welchen Faktoren ist sie abhängig? Genau diesen Fragen gehen verschiedene Artikel im aktuellen Fokus «Malnutrition» nach und beleuch ten Themen von Screeningmethoden und Assessment, Therapie-Algorithmen, Monitoring der Patienten, Kosten und Kosteneffizienz, aber auch politische Di mensionen und neue Wege der Aus-, Fort- und Wei terbildung von Fachpersonen im Bereich der klini schen Ernährung. Denn wir wissen, dass die klinische Ernährung ein zentrales Element des ärztlichen und pflegerischen Handelns ist, welches viel Wissen und praktische Erfahrung im Umgang mit konkreten Pro blemstellungen im klinischen Alltag braucht. Doch leider ist der Stellenwert der Ausbildung im Bereich der klinischen Ernährung im Medizinstudium im internationalen Kontext und auch spezifisch in der Schweiz oftmals ungenügend. Deshalb sind junge Ärztinnen und Ärzte nicht gut vorbereitet für diese diversen Aufgaben und Kompetenzen. Seit 2 Jahren bietet die Gesellschaft für Klinische Ernährung der Schweiz (GESKES) ein neues Weiterbildungspro gramm für den interdisziplinären Schwerpunkt «Er nährungsmedizin» an, mit dem Ziel, die Ernäh rungsmedizin in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung besser zu verankern. Ein solcher Schwer punkt bietet fächerübergreifend interessierten Ärz tinnen und Ärzten die Möglichkeit, sich hier weiteres Fachwissen anzueignen und somit für Patienten kompetente Partner in Ernährungsfragen zu werden. Dies soll eine wichtige Lücke schliessen.
Das Verständnis des optimalen Einsatzes einer Er nährungstherapie ist komplex. Der Zeitpunkt, der Verabreichungsweg sowie die Menge und Art der Nährstoffe spielen alle eine wichtige Rolle und wirken sich auf die Patientenergebnisse aus. Dies gilt sowohl für das Gebiet der Unterernährung wie auch der Überernährung. Neuere Studien aus der Schweiz lieferten hier wichtige Informationen, um die Evi denz bezüglich des Einsatzes von Ernährungsthera pien weiter zu stärken (1, 2). Es bleiben aber viele offene Fragen, die in Zukunft durch robuste klinische Studien angegangen werden müssen. Es ist jetzt wichtig, diese neuen Erkenntnisse in die klinische Praxis einfliessen zu lassen, um unseren Patienten eine qualitativ hochwertige, sichere und optimale Versorgung zu gewährleisten.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!
Prof. Dr. med. Philipp Schütz Chefarzt Allgemeine Innere & Notfallmedizin
Kantonsspital Aarau AG Tellstrasse 25, 5001 Aarau E-Mail: Philipp.Schuetz@ksa.ch
Seit 2022 Präsident der GESKES (Gesellschaft für klinische Ernährung der Schweiz)
Referenzen: 1. Schuetz P et al.: Individualised nutritional support in medical inpatients
at nutritional risk: a randomised clinical trial. Lancet. 2019;393(10188):2312-21 2. Kaegi-Braun N et al. Nutritional support after hospital discharge improves long-term mortality in malnourished adult medical patients: Systematic review and meta-analysis. Clin Nutr. Nov 2022;41(11):24312441. 3. Gomes F et al. Association of Nutritional Support With Clinical Outcomes Among Medical Inpatients Who Are Malnourished or at Nutritional Risk: An Updated Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Netw Open. Nov 1 2019;2(11):e1915138.
Philipp Schütz
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2|2023 1