Transkript
Welche Ernährung braucht unser Mikrobiom?
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser
Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe 2023 der «Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin». Ich freue mich, dass wir mit aktuellen und spannenden Themen in das neue Jahr starten dürfen.
Aktuelle Entwicklungen im Schweizer Lebensmittelrecht bilden einen ersten Schwerpunkt dieser Ausgabe. Wie müssen Allergene auf Lebensmitteln gekennzeichnet werden, ab welchem Grenzwert ist eine Kennzeichnung Pflicht, wie sieht es bei unverpackten Lebensmitteln und in der Gastronomie aus? Für Betroffene sind das wichtige Fragen, die ihren Aufwand beim Lebensmitteleinkauf und bei einer Ausser-Haus-Verpflegung stark beeinflussen. Neue Anpassungen sollen Betroffene besser schützen. Dieses Ziel steht auch im Fokus der seit 2020 gültigen Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in angereichten Lebensmitteln. Im Interview mit Karola Krell Zbinden erfahren wir zudem, welche gesundheitsbezogenen Aussagen als Health Claims für Lebensmittel anerkannt sind. Hohe Hürden muss ein Hersteller nehmen, damit für ein Lebensmittel oder einen Inhaltsstoff eine neue, spezifische Aussage bewilligt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nur dann Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen gemacht wird, wenn genügend Evidenz für diese Aussage vorliegt.
Themen rund um das Mikrobiom bilden einen weiteren Schwerpunkt. Dass das Mikrobiom einen erheblichen Einfluss auf unsere Gesundheit hat, ist eine der grossen Erkenntnisse der letzten beiden Dekaden. Täglich werden neue Studien veröffentlicht, die zeigen, welche Körperfunktionen und Erkrankungen durch das Darmmikrobiom beeinflusst werden. Entsprechend hat das diesjährige Symposium der SGE-SSN das «Paralleluniversum Darmmikrobiom» unter die Lupe genommen. Wie viele gesicherte Erkenntnisse gibt es aber bereits? Sind wir
schon so weit, dass wir ein «gesundes» Mikrobiom klar von einem «kranken», dysbiotischen Mikrobiom unterscheiden können und nach einer Mikrobiomanalyse gezielte Empfehlungen geben können? Guy Vergères beleuchtet den gegenwärtigen Wissensstand auf diesem Gebiet und zeigt auf, an welche Grenzen wir derzeit stossen. Die Ernährung hat einen grossen Einfluss auf das Darmmikrobiom, das Zusammenspiel ist jedoch sehr komplex und häufig sehr individuell. Weiter benötigen wir systemische Ansätze, die die Physiologie des Gastrointestinaltrakts und die von Mikroben produzierten Metabolite mit einbeziehen, um diese Prozesse so gut verstehen zu lernen, dass wir eines Tages tatsächlich personalisierte Empfehlungen geben können.
Besonders spannend ist die Erkenntnis, dass unser Darmmikrobiom einen Einfluss auf unsere Psyche hat. Diese Prozesse sind nicht einfach zu unter suchen, da psychische Erkrankungen einen Einfluss auf das Essverhalten und die Lebensmittelauswahl haben. Umso eindrücklicher ist es, dass Ansätze zur Modulation des Darmmikrobioms zum Beispiel durch Probiotika einen positiven Einfluss auf eine Depression haben können. Undine Lang gibt einen kompetenten Einblick in das komplexe Wechselspiel entlang der Darm-Hirn-Achse.
Weniger Beachtung findet bislang das orale Mikrobiom, es spielt jedoch eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Karies, Zahnfleischentzündung und Parodontitis. Christian Tennert erläutert, wie sich dieses Zusammenwirken durch die Ernährung günstig beeinflussen lässt.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre.
PD Dr. Isabelle Frey-Wagner Vorstand SWAN
Mitglied Herausgeberbeirat SZE
Isabelle Frey-Wagner
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2023 1