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MIKROBIOM
Foto: zVg
Karies, Gingivitis und Parodontitis
Einfluss der Ernährung auf den oralen Biofilm
Christan Tennert
Karies, Zahnfleischentzündung (Gingivitis) und Entzündungen des Zahnhalteapparats (Parodontitis) sind biofilmassoziierte Erkrankungen, die durch viele Faktoren bedingt sind und beeinflusst werden. Mit einer entsprechenden Ernährung besteht jedoch die Chance, diesen Erkrankungen kausal vorzubeugen und deren Therapie positiv zu beeinflussen.
Zahnärzte behandeln in ihrer Praxis täglich Karies und deren Folgen, daneben entzündliche Erkrankungen wie Zahnfleischentzündung (Gingivitis) und Entzündungen des Zahnhalteapparats (Parodontitis). Karies ist heute eine der weltweit häufigsten chronischen Erkrankungen des Menschen und betrifft alle Altersgruppen, etwa 2,3 Billionen Erwachsene und 560 000 Kinder (1). In Deutschland sind derzeit etwa 98% der Bevölkerung betroffen. Sie ist die häufigste Ursache für den Verlust von Zähnen und Schmerzen in der Mundhöhle (2, 3). Epidemiologische Studien fanden unterschiedliche Häufigkeiten für das Auftreten von Karies in verschiedenen Ländern. Der Sozialstatus spielt eine wichtige Rolle (2). Dabei zeigten sich leicht sinkende Inzidenzen in den Industrieländern. Die Ursachen dafür sind verstärkte Prophylaxemassnahmen, wie fluoridhaltige Mundhygieneprodukte, verstärkte Individual- und Gruppenprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen und intensivere Mundhygieneinstruktionen (4). Dennoch ist die Rate der an Karies erkrankten Personen in den Industrieländern sehr hoch. Vor allem steigt die Kariesinzidenz allgemein mit zunehmendem Alter stark an (5, 6). Gingivitis ist eine Entzündung, die lediglich auf das Zahnfleisch beschränkt ist. Parodontitis ist eine biofilmassoziierte entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparats (Parodont), die mit einem Knochenabbau einhergeht (7). Weltweit sind etwa 743 Millionen Menschen von Parodontitis betroffen. Nach den Daten der 5. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) sind in Deutschland über 50% der jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) an einer Parodontitis erkrankt (4). Parodontitis ist also eine Volkserkrankung mit steigender Tendenz. Wenn man zudem die Häufigkeit der Zahnfleischentzündung betrachtet, kann man davon ausgehen, dass 90% der Bevölkerung eine minder oder stärker ausgeprägte Gingivitis haben (8).
Mehr Karies – höherer Zuckerkonsum
Es ist mittlerweile bekannt, dass vor allem zuckerhaltige Nahrungsmittel und Getränke Karies verursachen. Jeder Deutsche konsumiert täglich durchschnittlich 26 Teelöffel Zucker. Auch in der Schweiz und in Österreich werden diese Zuckermengen im Durchschnitt konsumiert. Ein Grossteil des Zuckers
steckt aber gar nicht in den Süssigkeiten. Zwei Drittel dieser Zuckermenge steckt in industriell hergestellten Getränken, Backwaren, Brotaufstrichen und Milchprodukten. Doch gab es Karies schon vor der Entdeckung des Zuckers?
Christian Tennert
Karies in der Steinzeit?
In Marokko wurden im Jahr 2017 Skelette des Homo
sapiens, etwa 300 000 Jahre alt, gefunden. Die Schädel
zeigen keine Anzeichen von Karies oder Parodontits,
mit einem Rückgang des Kieferknochens der zahntra-
genden Bereiche. Eine Ernährung, die keine Karies und
keine Parodontitis verursacht, scheint möglich. Wahr-
scheinlich nahmen diese Steinzeitmenschen
eher unprozessierte Nahrung zu sich. Details
über das Nahrungsverhalten sollten spätere Funde von Skeletten liefern. Ebenfalls in Ma-
«Karies ist heute eine der
rokko wurden Skelette aus der Steinzeit ge- weltweit häufigsten chroni-
funden, etwa 15 000 Jahre alt. Hier fand sich schen Erkrankungen des
an vielen Zähnen Karies. Zudem zeigten die Zähne starke Abnutzungen bis in die innere Zahnhartsubstanz (Dentin). Karies war also
»Menschen und betrifft alle
Altersgruppen.
bereits in der Steinzeit sehr häufig. Obwohl es
zu dieser Zeit noch keinen Zucker und keinen
Ackerbau gab, kannten die Steinzeitmenschen Eichen
und ihre Früchte, die sie als Notvorräte sammelten. Sie
verarbeiteten die Eicheln, schälten, kochten und zer-
stampften sie. So war der Eichelzucker leichter zugäng-
lich, und Karies konnte entstehen. Des Weiteren assen
sie Schnecken, die sehr zäh und hart waren und beim
Verzehr starke Abnutzungen (Abrasionen) verursach-
ten.
Wie entsteht Karies?
Karies ist ein Prozess, der hauptsächlich durch den Lifestyle bestimmt wird (9–11). 3 Faktoren sind dafür verantwortlich: 1. Zahnhartsubstanz (Schmelz, Dentin) 2. Bakterien 3. fermentierbare Kohlenhydrate, also Nährstoffe für
Bakterien. Nach dem Konsum fermentierbarer Kohlenhydrate entsteht nicht sofort Karies. Die Faktoren müssen eine gewisse Zeit zusammenwirken. Auf die Entstehung
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einer Karies wirken weiter
ökologische und persönli-
che Faktoren modulierend:
(Abbildung 1) (12, 13).
Die Mundhöhle ist ein sehr
mannigfaltiges, dynami-
sches und einzigartiges
Ökosystem, welches sehr in-
stabil ist (12). Die Gesamt-
heit der Mikroorganismen
der Mundhöhle wird als
orales Mikrobiom bezeich-
net. Neben Streptokokken
und Laktobazillen gibt es in
der Mundhöhle über 1000
verschiedene mikrobielle
Spezies, von den bislang
über 700 charakterisiert
werden konnten, nur weAbb. 1: Faktoren, die zur Kariesentstehung beitragen, modifiziert nach (13) nige sind an der Entstehung
einer Karies beteiligt (14).
Etwa einem Dutzend Spezies wurde eine Bedeutung
zugesprochen, darunter Streptokokken und Laktoba-
zillen (15).
Die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms kann
durch verschiedene Faktoren, wie Ernährung, Mund-
hygienemassnahmen, veränderten Speichelfluss und
Einnahme von Antibiotika, verändert werden (16,
17). Die gesamte Mundhöhle wird von Speichel be-
feuchtet. Dieser enthält mehrere Komponenten mit
einer antimikrobiellen Wirkung, wie zumBeispiel Ly-
sozym, Laktoferrin, Lactoberoxidase, Fluoride sowie
Immunglobuline. Weiter enthält der Speichel Nähr-
stoffe für Mikroorganismen, wie Proteine und Koh-
lenhydrate, dessen Anteile die Qualität und die Quan-
tität oraler Mikroorganismen bestimmen (16).
Karies ist ein physikalischer und chemischer Prozess,
bei dem es zur Deminerali-
sierung der Zahnhartsubs-
tanz kommt. Karies ist eine
mulitfaktorielle Erkran-
kung, wobei mikrobielle,
genetische, immunologi-
sche, Verhaltens- und Um-
weltfaktoren eine Rolle spie-
len (13, 18). Die Ernährung
ist dabei aber ein sehr wich-
tiger Faktor, der die Koloni-
sation kariogener Mikroor-
Abbildung 2: Beginnende Karies an einem Backenzahn des Oberkiefers im ganismen in der Mundhöhle
Bereich der Kaufläche
bestimmt (19). Häufiger
Konsum von fermentierba-
ren (niedermolekularen) Kohlenhydraten führt zu
einer Veränderung in der Zusammensetzung des ora-
len Mikrobioms: Es treten vermehrt azidogene, also
kariogene Bakterien auf. Zucker und andere nieder-
molekulare Kohlenhydrate sind die wichtigsten Nähr-
stoffe für diese Bakterien. Aus diesen Zuckern bilden
kariogene Bakterien schwache organische Säuren wie
Laktat, Acetat und Formiat. Das kariogene Potenzial
der Mikroorganismen ist direkt mit dem Konsum von
niedermolekularen Kohlenhydraten, insbesondere Zucker, assoziiert (20). Kariogene Bakterien gehören zur natürlichen oralen Mikroflora (11, 21, 22). Auf der Zahnoberfläche befindet sich physiologischerweise eine Schicht aus Proteinen und Glykoproteinen. Diese stammen aus dem Speichel und dienen als Schutz (Pellikel) für die Zahnoberfläche vor chemischen und mechanischen Reizen. Auf diese Pellikel lagern sich Bakterien auf, die sich in einem Biofilm organisieren. Dieser Biofilm besteht aus den Bakterien der Mundhöhle, Glykoproteinen aus dem Speichel und von Bakterien gebildeten Polymeren, Polysacchariden und Glykanen (23). Es gibt ein natürliches Gleichgewicht (Homöostase) zwischen den verschiedenen Bakterienspezies im Biofilm und zwischen der Mikroflora und der Wirtsabwehr. Karies ist eine Folge der mikrobiellen Imbalance (Dysbiose) des Biofilms durch wiederholt hohe Zuckerkonzentrationen (12, 24, 25). Dadurch vermehren sich azidophile und azidogene Bakterien sehr stark, und durch die Fermentation der niedermolekularen Kohlenhydrate durch die kariogenen Bakterien sinkt der pH-Wert im Biofilm auf der Zahnoberfläche. Die von diesen Bakterien gebildeten Säuren lösen zum einen Mineralien (Kalzium und Phosphat) aus der Zahnhartsubstanz (Demineralisation), zum anderen kommt es zur Zerstörung der organischen Komponenten der Zahnhartsubstanz, vor allem des Kollagennetzwerks im Dentin, durch proteolytische Enzyme der Bakterien, und es kann Karies entstehen (13, 26, 27). Klinisch äussert sich eine Karies im frühen Stadium als weissliche Flecken (white spots), die sich dann durch Einlagerung von Pigmenten aus der Nahrung, Getränken und anderen exogenen Quellen, zum Beispiel Rauchen, dunkel verfärben (brown spots). Bei einer fortgeschrittenen Karies sind bereits Läsionen im Schmelz bzw. Dentin vorhanden, was sich als «Loch» im Zahn äussert (Abbildung 2).
Um Karies vorzubeugen, ist die Aufrechterhaltung der Homöostase im Biofilm essenziell. Der häufige Konsum von Zucker und prozessierten Kohlenhydraten kann zum Zusammenbrechen der Homöostase und somit zu Karies führen.
Ernährung, die den dentalen Biofilm schützt
Es ist dabei ganz entscheidend, das Level an pathogenen/kariogenen Bakterien und deren Stoffwechselaktivität möglichst gering zu halten. Viele Labor studien und zahlreiche klinische Studien weisen deutlich darauf hin, dass zuckerhaltige Nahrungsmittel und Getränke sowie stärkehaltige Nahrungsmittel zur vermehrten Proliferation der kariogenen Bakterien führen und es damit zu einem Zusammenbruch der Homöostase im dentalen Biofilm kommen kann (15, 28).
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Weiter wird durch das Prozessieren kohlenhydrathaltiger Nahrungsmittel deren kariogenes Potenzial erhöht, da die Kohlenhydratmoleküle für die kariogenen Bakterien besser zugänglich sind. Zucker, Fertigprodukte, Fast Food, Süssspeisen, Teigwaren, Brot und andere Backwaren sind solche stark prozessierten, kohlenhydrathaltigen Nahrungsmittel. Und diese sind höchst kariogen. Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass solche Nahrungsmittel nur sehr wenige bis keine essenziellen Nährstoffe enthalten. Zu den nicht kariogenen Lebensmitteln zählen Salat, Gemüse, Hülsenfrüchte, Fleisch, Fisch, Milch und Milchprodukte, Nüsse und Samen. Diese enthalten viele essenzielle Nährstoffe. Vor allem Salat, Gemüse und Hülsenfrüchte haben einen hohen Anteil an Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen und Antioxidazien, die gesundheitsförderliche Effekte haben. Obst und Früchte enthalten Glukose, Fruktose und Saccharose und können dadurch kariogen sein. Laut einer klinischen Studie von Staufenbiel et al. (2015) und früheren klinischen Studien scheint ein mässiger Konsum aus kariologischer Sicht aber unbedenklich zu sein (29). Sie haben einen hohen Ballaststoffanteil und regen die Speichelsekretion stark an, wodurch sie mithilfe des Speichels schnell aus der Mundhöhle ausgewaschen werden (29, 30). Zudem wirkt die erhöhte Speichelsekretion stärker remineralisierend. Ausserdem enthalten sie viele wichtige Mikronährstoffe. Ein wesentlicher Faktor bezüglich der Kariesentstehung ist die «Klebrigkeit» einer kariogenen Substanz. Hierbei konnte gezeigt werden, dass dieser Faktor nur sehr schlecht ausserhalb des Mundes eingeschätzt werden kann. So zeigten sich Cracker, Kekse und Kartoffelchips viel klebriger im Mund als zum Beispiel Karamellbonbons. Kleben solche hoch prozessierten, kohlenhydrathaltigen Nahrungsmittel auf der Zahnoberfläche, steigen deren Verweildauer und die Verfügbarkeit der Nährstoffe für kariogene Bakterien. Damit kann rasch eine Karies entstehen und fortschreiten. Frisches Obst (auch Bananen) blieben kaum an den Zähnen kleben (31).
Gingivitis, Parodontitis
Gingivitis ist eine Entzündung des Zahnfleischs, die mit einer Dysbiose des Biofilms in der Mundhöhle assoziiert ist und klassischerweise mit einer Akkumulation von Zahnbelag in Verbindung gebracht wird (32). Allerdings scheint weniger die Dysbiose des Zahnbelags ursächlich an der Entstehung beteiligt zu sein als eine hyper- oder hyporeaktive Immunsituation (7). Vor diesem Hintergrund können hormonelle Imbalancen, Medikamente, systemische Erkrankungen, Rauchen oder eine Fehlernährung einen wesentlichen Einfluss auf das Immunsystem ausüben. Das Zahnfleisch zeigt sich dabei gerötet, geschwollen, und beim Zähneputzen blutet es. Wenn die Gingivitis unbehandelt bleibt, kann sie in eine Parodontitis übergehen, was dann mit einem Knochenabbau um den Zahn einhergeht (Abbildung 3). Deshalb ist eine frühzeitige Behandlung der Gingivitis von besonderer Be-
deutung. Im Gegensatz zur Karies, die nach einiger Zeit in immer tiefere Schichten des Zahns vordringt und sich in Form von Schmerzen durch Reizung des Zahnmarks (Pulpa) bemerkbar macht, ist die Parodontitis in der Regel keine schmerzhafte Erkrankung. Deswegen ist eine regelmässige zahnärztliche Untersuchung, ob Zahnfleischtaschen vorliegen oder nicht, eine unabdingbare diagnostische Massnahme. Die klassische Therapie der Parodontitis liegt in einer Förderung der häuslichen Mundhygiene und in einer professionellen Reinigung der Zähne und der Zahnfleischtaschen (33). Bezüglich des Einflusses der Ernährung auf die Gingivitis bzw. Parodontitis zeigen neue Untersuchungen relevante Beeinflussungsmöglichkeiten. Ähnlich wie bei der Karies haben einfache, prozessierte Kohlenhydrate bei den Zahnfleischerkrankungen einen krankheitsfördernden Einfluss (34). Der Wirkmechanismus beruht dabei wahrscheinlich auf 2 Wegen: einer lokalen Förderung der Biofilmentstehung sowie einer systemischen Wirkung über Blutzuckerschwankungen und direkten Beeinflussung von Immunzellen und Entzündungsprozessen (35). Dem entgegengesetzt wirken vor allem die Ballaststoffe sowohl systemisch als auch parodontal antiinflammatorisch (36, 37). Als weiteren wichtigen Makronährstoff haben die Fette einen Einfluss auf die parodontale Entzündung. Dabei scheinen die Omega-3-Fettsäuren einen antiinflammatorischen Einfluss zu haben, während gesättigte, Trans- und Omega-6-Fettsäuren einen pro inflammatorischen Einfluss ausüben. Hintergrund ist dabei eine unterschiedliche Verstoffwechselung der Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren. Gesättigte Fettsäuren und Transfettsäuren wirken eher proentzündlich (37). Proteine scheinen zwar einen eher neutralen Einfluss auf die systemische Entzündung auszuüben, jedoch erscheint es gesundheitlich sinnvoll, eher auf pflanzliche Proteinquellen zurückzugreifen – auch aufgrund ethischer und ökologischer Überlegungen. In diesem Zusammenhang konnte eine Studie einen besseren parodontalen Zustand bei Vegetariern im Vergleich zu Omnivoren feststellen (29, 37, 38). Abbildung 3: Parodontitis im Unterkiefer. Es zeigt sich ein deutlicher RückNeben dem wichtigen Ein- gang des zahntragenden Knochens und des Zahnfleischs. fluss der Makronährstoffe scheinen vor allem die Mikronährstoffe wesentlich für ein gesundes Zahnfleisch. Hierunter fallen sowohl die Vitamine als auch die Mineralien und Spurenelemente. Insbesondere der Einfluss von Vitamin C auf die parodontale Gesundheit wurde in vielen Studien dargestellt. Beispielhaft führt der Konsum von 2 Kiwis täglich zu einer nachweisbaren Reduktion der Zahnfleischentzündung, ohne Beeinflussung der Mundhygienemassnahmen (34, 39, 40). Ebenso führt der Konsum von 500 g Blaubeeren täglich für 7 Tage zu einem ähnlichen entzündungsreduzierenden Effekt wie eine professionelle Zahnreinigung (41). Blaubeeren sind
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arm an Kohlenhydraten, aber besonders reich an Mikronährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. In einer Ernährungsstudie der eigenen Arbeitsgruppe konnte gezeigt werden, dass Probanden mit Gingivitis durch eine Ernährung, die arm an einfachen Kohlenhydraten, aber reich an Omega-3-Fettsäuren, Vitamin C, Vitamin D und Ballaststoffen war, die Zahnfleischentzündung um gut 50% reduzieren konnte – und das ohne die Mundhygiene umzustellen (34, 42). Zusammenfassend stellt sich heraus, dass Karies, Gingivitis und Parodontitis Erkrankungen sind, die durch viele Faktoren bedingt und beeinflusst werden. Über eine entsprechende Ernährung besteht jedoch die Chance, diesen Erkrankungen kausal vorzubeugen. Karies zu verhindern, bedeutet einen weitgehenden Verzicht auf zuckerhaltige Nahrungsmittel und Getränke, Fertigprodukte, Fast Food, Weissmehlprodukte und andere prozessierte kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel. Gingivitis und Parodontitis lassen sich mit einer vorwiegend pflanzlichen, mikronährstoffreichen Ernährung und einem hohen Anteil an antientzündlichen Komponenten, wie Omega-3-Fettsäuren und Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen und Antioxidanzien, prophylaktisch begegnen. Eine solche Ernährung ist eine therapeutische Ergänzung.
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. dent. Christian Tennert Oberarzt Ernährungsmediziner DAEM/DGEM Universität Bern Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin Freiburgstrasse 7, 3010 Bern Tel. 031-632 25 80 E-Mail: christian.tennert@unibe.ch Referenzen: 1. Gbd: Disease and Injury Incidence and Prevalence Collaborators: Glo-
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