Transkript
MIGRATION UND ERNÄHRUNG
Die Sicht von Menschen mit Migrationshintergrund
Wie sieht eine transkulturell kompetente Ernährungsberatung aus
Foto: zVg
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Saskia Andrey, Franziska Pfister
Saskia Andrey
Wenn Menschen migrieren, müssen sie sich einem neuen Umfeld anpassen. Dieses umfasst eine neue Kultur sowie Veränderungen des sozioökonomischen Status, der psychosozialen Faktoren und des sogenannten Food-Environments (Lebensmittelumfeld) (1–4). Als Folge verändern Migrantinnen und Migranten im Aufnahmeland ihre Essgewohnheiten.
Franziska Pfister
Obwohl sich die Konsummuster zwischen den Gruppen unterschiedlicher Herkunftsländer unterscheiden, erhöhen die meisten ihre Zucker- und Fettaufnahme, ersetzen Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte durch raffiniertere Kohlenhydratquellen und konsumieren mehr Fertigprodukte (5–8). Zudem sind sie oft körperlich inaktiver als Personen ohne Migrationshintergrund (9–11). Längerfristig hat dieses Verhalten Auswirkungen auf die Gesundheit. So weisen Menschen mit Migrationshintergrund durchschnittlich einen schlechteren Gesundheitszustand auf als die Allgemeinbevölkerung, wobei Frauen aus der ersten Generation häufig stärker betroffen sind (8, 12–15). In vielen Gruppen mit Migrationshintergrund ist beispielsweise das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, erheblich erhöht; meist tritt die Krankheit auch deutlich früher auf (16–20). Die gesundheitsbezogenen Risiken sind innerhalb der Migrationsbevölkerung jedoch unterschiedlich verteilt. In der Schweiz ist beispielsweise das Ernährungsbewusstsein bei Migrantinnen und Migranten aus Südwesteuropa tiefer als bei jenen aus Nord- und Westeuropa, danach folgen die Gruppen aus Südost- und Osteuropa und den aussereuropäischen Ländern (21).
Transkulturelle Kompetenz
Um eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu ermöglichen und die Chancengleichheit zu gewährleisten, ist es zentral, Menschen mit Migrationshintergrund optimal zu betreuen. Dafür müssen Gesundheitsfachpersonen transkulturell kompetent sein. Als transkulturelle Kompetenz wird die Fähigkeit bezeichnet, individuelle Lebenswelten zu erfassen, zu verstehen und in verschiedenen Kontexten angepasste Handlungsweisen daraus abzuleiten. Wichtig für eine
gute Interaktion im transkulturellen Setting sind Selbstreflexion, narrative Empathie, sowie Hintergrundwissen und Erfahrung (22–24). Gleichzeitig ist eine interkulturelle Kompetenz notwendig. Sie basiert auf Wissen über andere Lebenswelten und Kommunikationsfähigkeiten und ermöglicht es, zwischen zwei unterschiedlichen Lebenswelten eine Brücke zu schlagen (25, 26). Häufig fühlen sich Gesundheitsfachpersonen jedoch nicht ausreichend vorbereitet für die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund. Insbesondere der Beziehungsaufbau, das medizinische Assessment und die Vermittlung von Fachinformationen erweisen sich als Herausforderung. Neben den kulturellen Faktoren stellen die Sprachbarriere und die Kontinuität in der Betreuung ein Problem dar (27–29). Ernährungsberatende nehmen bei Personen mit Übergewicht und den daraus resultierenden Folgeerkrankungen im ambulanten Setting eine Schlüsselrolle ein (30, 31). Der Beratungserfolg hängt dabei stark vom gelungenen Beziehungsaufbau, von der Erfassung von Anliegen und der individuellen Lebenswelt der Klientin, des Klienten sowie von deren Kontrolle über die eigene Gesundheit ab (32–34). Die transkulturelle Kompetenz von Ernährungsberatenden ist dementsprechend zentral für die Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund. Studien zur transkulturellen Kompetenz in der Ernährungsberatung wurden aber bisher in der Schweiz keine durchgeführt, obwohl diese von grosser Bedeutung für die Praxis und die Ausbildungsstätten sind,, um diese Gruppe erfolgreicher und gezielter beraten zu können. Es wäre dabei insbesondere wichtig, die Sicht der Zielgruppe zu kennen. Lediglich eine niederländische Studie gibt erste Hinweise zu Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bei der Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund aus deren Perspektive. Die Umsetzung der Ernährungs-
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Tabelle 1:
Charakteristika der interviewten Personen mit Migrationshintergrund
# Geschlecht Alter (Jahre) Nationalität Diagnose
Anzahl Beratungen Stand der Ernährungsberatung zum Zeitpunkt des Interviews
1w
24
Serbien
Übergewicht
4
Abgeschlossen
2w
30
Sri Lanka
Gestationsdiabetes
3
3w
34
Wünscht keine Angabe1
Übergewicht
3
4w
38
Sri Lanka
Typ-2-Diabetes
6
Abgeschlossen Abgeschlossen Abgeschlossen
5m
63
Sri Lanka
Prädiabetes, Dyslipidämie 4
Abgeschlossen
6m
19 Syrien
Typ-1-Diabetes
2
Laufend
7m
38 Italien
Adipositas, Hypertonie 3
Laufend
8m
68
Sri Lanka
Typ-2-Diabetes
4
Laufend
1Nationalität der Erstautorin bekannt
interventionen gestaltete sich aus kulturspezifischen oder sozialen Gründen oft als schwierig. Die Zielgruppe hätte sich unter anderem beispielsweise konkretere Handlungsanweisungen gewünscht (35). Um diese Lücke zu füllen, erforschte eine Bachelorthese die Erfahrungen von Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund in der transkulturellen Ernährungsberatung und erfasste, wo aus ihrer Perspektive dabei die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen liegen.
Methodik
Es wurden 8 semistrukturierte, personenzentrierte Interviews durchgeführt. Die Rekrutierung der Interviewpartnerinnen, -partner erfolgte über je ein Spital in Bern und in Basel. Da auf diese Weise nicht genügend Teilnehmende gewonnen werden konnten, wurde ein Aufruf in den sozialen Medien gestartet, welcher im Schneeballsystem verteilt wurde. Eingeschlossen wurden Personen, die zum Zeitpunkt der Rekrutierung eine Ernährungsberatung besuchten oder diese höchstens 12 Monate zuvor abgeschlossen hatten. Die Befragten stammten alle aus der ersten Migrationsgeneration und waren in Süd-/ Südosteuropa oder ausserhalb Europas geboren und aufgewachsen. Bei der Auswahl der Stichprobe wurde so gut wie möglich auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung und eine Diversität bezüglich des Alters und der Herkunft geachtet. Die Interviews wurden auf Wunsch mit Übersetzung durchgeführt. Sie wurden aufgezeichnet, transkribiert und nach Kuckartz (2018) analysiert (36).
Ausgewählte Ergebnisse
Es konnten 8 Personen im Alter von 19 bis 68 Jahren rekrutiert werden, die Hälfte davon Frauen. 4 Interviewte stammten aus Sri Lanka, 2 aus Süd-/Südost-
europa und 2 aus weiteren Staaten. Sie besuchten die Ernährungsberatung wegen Übergewicht/Adipositas und/oder Diabetes. Bei 5 Teilnehmenden war die Beratung zum Zeitpunkt der Interviews bereits abgeschlossen (s. Tabelle 1).
Gestaltung der Beratungsbeziehung
Damit die Interviewten Vertrauen zur Ernährungsfachperson fassten, musste diese sich Zeit für das Gespräch nehmen. Dabei erwies es sich als wichtig, die Menschen mit Migrationshintergrund ausführlich über ihre Situation sprechen zu lassen, auf Fragen direkt einzugehen, ausführlich zu antworten und gründlich nachzufragen, um sich ein möglichst gutes Bild des Ernährungsproblems zu machen.
«Weil sie hat mir meine Fragen alle beant-
wortet, nicht ignoriert oder über andere Themen geredet. (…) Jede Frage hat sie mir
»beantwortet und auf den richtigen Weg
gebracht. (Interview 5, Absatz 78)
Die Ernährungsberatenden beeinflussten die Beratungsbeziehung positiv, indem sie sich mit den kulturspezifischen Ess- und Kochgewohnheiten auseinandersetzten und diese Kenntnisse in die Beratung einbauten. Für einige Befragte war das sogar zentral, damit die Fachperson abschätzen konnte, welche Ernährungsinterventionen für sie umsetzbar waren. Unabdingbar war für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ausserdem das Gefühl, dass die Fachperson ihnen die eigenständige Veränderung des Ernährungsverhaltens zutraute. Als hinderlich im Aufbau der Beratungsbeziehung bezeichneten die Interviewpartnerinnen und -partner ein mangelndes Interesse an ihrem kulturellen Hintergrund, zum Beispiel wenn sie bei Ausführungen
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über die Ernährung in ihrem Herkunftsland unterbrochen und das Gespräch wieder auf die Ausgewogenheit der Ernährung zurückgeführt wurde.
«Vielleicht habe ich das Gefühl, sie hatte
nicht so viel Interesse, zu wissen, was ich gegessen habe. Sie wollte einfach wissen,
»ob es ein ausgewogener Teller war oder
nicht. (Interview 3, Absatz 48 – 50)
Weiter nahm der zuweisende Arzt, die zuweisende Ärztin oft eine wichtige Rolle ein, indem sie die Befragten über ihr Krankheitsbild und den Zusammenhang mit der Ernährung aufklärten und so deren Motivation erhöhten, das Möglichste aus der Beratung herauszuholen und diese aktiv mitzugestalten. Bei dieser Zielgruppe ist es für die Ernährungsfachperson demzufolge besonders wichtig in Erfahrung zu bringen, ob diese Wissensvermittlung in der nötigen Tiefe stattgefunden hat und von der Klientin, vom Klienten auch verstanden wurde.
Informationsvermittlung
Insbesondere in der Erstberatung war die Menge der vermittelten Information für die interviewten Menschen mit Migrationshintergrund oft zu gross. Sie fühlten sich damit überfordert und bekamen das Gefühl, das Ernährungsproblem nicht bewältigen zu können. Auch wenn die Ernährungsfachperson zu schnell sprach, führte das bei ihnen zu Stress, da sie den Eindruck erhielten, diese habe nicht genug Zeit. Als hilfreich empfanden sie es hingegen, sich ihre Fragen im Voraus zu notieren oder von den Fachpersonen durch Schlüsselwörter dazu motiviert zu werden, die relevanten Fragen zu stellen. So kann beispielsweise das Stichwort «Folgen für das Kind» bei der Diagnose Gestationsdiabetes die Patientin zu Fragen befähigen, welche die Zeit nach der Schwangerschaft betreffen.
«Dass die Ernährungsberaterin über so
Erbsen und Linsen als Protein gesprochen hat ... die wir eigentlich in der Esskultur
»haben, aber nicht im Alltag integrieren.
Also das war (…) noch schön. (Interview 4, Absatz 117)
Auch Hilfsmittel wurden von den Interviewpartnerinnen und -partnern thematisiert. Das Tellermodell war für sie beispielsweise verständlich. Dabei waren einige Befragte der Ansicht, dieses sei gut auf die eigene Ernährungsweise übertragbar, von anderen wurde dieses jedoch als zu wenig ideengenerierend erachtet. Bilder und Lebensmittelattrappen machten die Informationsvermittlung anschaulicher und ermöglichten die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen. Die befragten Personen freuten sich über Bilder von kulturspezifischen
Gerichten, die es ihnen einfacher machten, das Konzept der ausgewogenen Ernährung besser zu verstehen. Lebensmittelattrappen dienten als Entscheidungshilfe beim Kauf von Lebensmitteln. Gerade Menschen mit geringem Ernährungswissen oder schlechten Deutschkenntnissen wünschten sich jedoch mehr praktische Beispiele, die auf der Ernährungsanamnese und ihrer jeweiligen Esskultur basieren. Listen von Portionsgrössen und Lebensmittelgruppen unterstützten die interviewten Menschen dabei, die Ernährung vielfältiger zu gestalten. Gemeinsam entwickelte Menüideen waren eine Inspirationsquelle für ausgewogene und abwechslungsreiche Mahlzeiten. Einige Gesprächspartnerinnen und -partner hätten sich jedoch gewünscht, dass ihnen Rezepte oder Menüpläne mit gesunden Gerichten abgegeben worden wären. Sie fühlten sich bei der Ernährungsumstellung überfordert, und teilweise fehlten ihnen die Ideen zum Kochen, insbesondere mit lokalen Lebensmitteln. Mehrere Personen beschrieben, wie wichtig die Ausführungen zum empfohlenen Verhältnis von Stärkebeilagen, Proteinquellen und Gemüse bei den Hauptmahlzeiten für sie waren. Diese machten es für sie realistischer, ihr Ernährungsverhalten zu verändern, da nur das Verhältnis der verschiedenen Komponenten angepasst werden musste, nicht aber die Gesamtmenge auf dem Teller. Wichtig ist für die Ernährungsberatung auch die Erkenntnis, dass je nach Kultur kohlenhydrathaltige Lebensmittel wie Hülsenfrüchte und Kartoffeln zum Gemüse gezählt werden. Erstellten die Befragten ein Fotoprotokoll, ermöglichte dieses ihnen, ihr Wissen zu überprüfen und falsch verstandene Informationen in der nächsten Beratung zu klären. Zudem verstärkte vor allem die Rückmeldung via App (Oviva) die Motivation zur Adhärenz.
Verhaltensänderung
Für die Interviewpartnerinnen und -partner war es hilfreich, gemeinsam mit der Ernährungsfachperson individuelle Strategien zur Verhaltensänderung zu entwickeln. Vertieftes Wissen über die eigene Krankheit, über deren Zusammenhang mit der Ernährung und konkrete Massnahmen gaben ihnen das Vertrauen, ihre Gesundheit aktiv beeinflussen zu können, und machten sie handlungsfähig. Wurde ihnen beispielsweise aufgezeigt, wie bereits kleine Veränderungen das Ernährungsverhalten gesundheitsfördernd gestalten, konnte dadurch ihre Selbstwirksamkeit gesteigert werden. Ebenfalls schätzten die befragten Personen, wenn die Ernährungsfachpersonen den gesundheitlichen Vorteil von traditionellen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchten aufzeigten und sie dazu motivierten, diese vermehrt einzusetzen. Als Barrieren für eine Verhaltensänderung nannten die Menschen mit Migrationshintergrund vor allem Aspekte auf der Ebene von Lebensmitteln, die stark kulturell geprägt sind. So waren für einige von ihnen die Referenzmengen für Stärkebeilagen unrealistisch klein, insbesondere wenn Reis als Hauptgrundnahrungsmittel
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Tabelle 2:
Strategien zur Bewältigung von Sprachbarrieren, die von den befragten Menschen mit Migrationshintergrund in der Ernährungsberatung identifiziert wurden
Strategien der Interviewpartnerinnen, -partner Strategien der Ernährungsfachpersonen
Nachfragen im nächsten Gespräch
Langsames Sprechen
Ausweichen auf Drittsprache
Benutzen des Mobiltelefons als Übersetzungshilfe Nachfragen bei Angehörigen mit besseren Deutschkenntnissen
Verwenden einfacher Sprache Wiederholen in anderen Worten Gesten Verwenden von Bildern aus dem Internet
Fotoprotokoll zur Überprüfung des Verständnisses
Abgeben von Broschüren in der jeweiligen Muttersprache
diente. Es gelang nicht allen Befragten, dieses partiell durch Gemüse und Proteinquellen zu ersetzen.
Sprachliche Herausforderungen und Bewältigungsstrategien
Wie gut die Befragten den Beratungen sprachlich folgen konnten, war unterschiedlich. Während einige keine Sprachbarriere wahrnahmen, war für andere die Verständigung herausfordernd. Die Strategien, die ihnen bei der Bewältigung der Sprachbarriere halfen, sind in Tabelle 2 aufgeführt. Die interviewten Personen unterstrichen zudem wiederholt die Notwendigkeit von Übersetzerinnen und Übersetzern für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen. Obwohl einige von ihnen die Unterstützung von Angehörigen bevorzugten, betonten sie auch, wie wichtig es sei, eine interkulturelle Übersetzung zu organisieren, wenn keine Verwandten zur Verfügung stünden.
Schlussfolgerungen
Die vorliegende Arbeit zeigt Erfolgsfaktoren und Hindernisse in der transkulturellen Ernährungsberatung auf. Dabei liegt der Fokus auf der Perspektive der Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund. Es hat sich herauskristallisiert, dass neben Aspekten aus dem Konzept der transkulturellen Beratung auch Faktoren für die erfolgreiche, klientenzentrierte Ernährungsberatung sowie der Umgang mit Sprachbarrieren und Personen mit tiefer Gesundheitskompetenz eine Rolle spielen. Obwohl bei 8 Interviews nicht von einer theoretischen Sättigung der Daten ausgegangen werden kann, das heisst zusätzliche Interviews hätten vielleicht noch weitere Information geliefert, können aufgrund der vorliegenden Forschung doch einige Grundsätze für die Ernährungsberatung dieser Zielgruppe festgehalten werde: In der transkulturellen Beratung scheint insbesondere die Zeit für den Beziehungsaufbau ein Schlüssel-
faktor zu sein, denn Zeit fördert bei der Zielgruppe das Vertrauen. Um das zu erreichen, muss sich die Ernährungsfachperson dementsprechend genügend Zeit für die Beratung nehmen und Interesse an den kulturspezifischen Ernährungsgewohnheiten zeigen. Zudem pflegen einige Kulturkreise einen indirekten Kommunikationsstil, neigen also beispielsweise dazu, wichtige Information in Form von Geschichten zu vermitteln (37). Diese Form der Vermittlung erfordert ebenfalls mehr Zeit als eine knappe, zielorientierte Nachricht. Weiter bedarf sie kultureller Sensibilisierung und erhöhter Aufmerksamkeit seitens der Ernährungsfachperson. Das Wissen über die Krankheit und deren Zusammenhang mit der Ernährung ist für die Zielgruppe zentral für die Motivation. Je nach Sprachkenntnissen, Gesundheitskompetenz und Bildungsstand sollten die Ernährungsfachpersonen Menschen mit Migrationshintergrund die notwendige Information eher portionenweise vermitteln, damit diese aufgenommen und verarbeitet werden kann. Ausserdem sind konkrete visuelle Hilfsmittel bei dieser Zielgruppe besonders wichtig, da sie nicht nur fehlende Sprachkenntnisse kompensieren, sondern auch das Kennenlernen von neuen Lebensmitteln ermöglichen. Dabei sollten die Möglichkeiten von M-HealthApplikationen geprüft werden. Nicht zuletzt kann es bei dieser Zielgruppe besonders sinnvoll sein, in der Beratung einerseits traditionelle Lebensmittel aufzugreifen und andererseits gemeinsam konkrete Menüvorschläge und Menüanpassungen auszuarbeiten, da die Vertrautheit mit gewissen lokalen Lebensmitteln teilweise fehlt.
Korrespondenzadresse: Franziska Pfister, Dr. sc. ETH Zürich Berner Fachhochschule Departement Gesundheit Murtenstrasse 10, 3008 Bern Tel. 031-848 37 93 E-Mail: franziska.pfister@bfh.ch Interessenkonflikt: Es liegt kein Interessenkonflikt vor. Referenzen in der Online-Version des Beitrags unter www.sze.ch
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