Transkript
EDITORIAL
Kinderernährung: Facettenreich und häufig herausfordernd für alle Beteiligten
Die Ernährung im Kindesalter ist herausfordernd, da insbesondere Mythen die öffentliche Diskussion medial prägen. Faktenbasiertes Wissen ist hingegen häufig schwierig zu vermitteln. Auch der negative Einfluss eines kinderzentrierten Marketings steht in der Kritik, und gesundheitspolitische Massnahmen zum Schutz der Kinder sind unabdingbar. Die nationale Ernährungserhebung MenuCH-Kids (Start Juni 2022), ist deshalb bedeutungsvoll für eine objektivierbare Beurteilung des Ess- und Ernährungsverhaltens. Eine ausgewogene Ernährung ist evident für das Wachstum und die Entwicklung des Kindes. Sie darf aber nie isoliert betrachtet werden. Vielmehr müssen weitere Einflussfaktoren, wie das Bewegungsverhalten oder psychosoziale Komponenten, einbezogen werden. Sie beeinflussen sich gegenseitig und sind voneinander abhängig. Ich freue mich, die facettenreiche aktuelle Ausgabe der SZE vorstellen zu dürfen: Der wichtige Grundlagenbeitrag von George Marx und Andrea Mathis behandelt praxisorientiert eine bedarfsgerechte Ernährung des Kleinkindes, von der Einführung der Beikost bis zur Integration am Familientisch. Die Buchautoren behandeln kompetent und anschaulich die Bedürfnisse des Kindes, aber auch Sorgen der Eltern zur Gesundheit ihrer Kinder. Sie versuchen, die allgegenwärtigen Mythen kritisch zu beleuchten und faktenbasiertes Wissen zu vermitteln. Das im Wissen, dass in dieser Lebensphase ein wichtiger Grundstein für die Entwicklung und die Gesundheit für die folgenden Jahrzehnte gelegt wird. Der Megatrend «Vegane Ernährungsformen» betrifft zunehmend auch unsere Kinder. Im ihrem State-ofthe-Art-Beitrag fokussieren Pascal Müller und Angelika Hayer auf die Beratung von vegan ernährten Schulkindern und ihren Eltern. Die Ärzteschaft und die Ernährungsfachpersonen sind zunehmend damit konfrontiert. Das benötigt einem hohen Mass an Kompetenz für eine Beratung, vor allem zu potenziellen Risiken. Das Ziel ist, eine nährstoffdeckende Entwicklung zu ermöglichen. In der «traditionellen» medizinischen Beratung genügt es heute nicht mehr, einfach
nur von einer veganen Ernährungsform abzuraten, sondern vielmehr sollen neue fachliche Kompetenzen angeeignet werden, um auf Augenhöhe eine sachliche Diskussion zum Wohle unserer Kinder zu führen. Die Adipositas im Kindesalter ist weltweit weiterhin ein zunehmendes Gesundheitsproblem. Nach der exponentiellen Zunahme wurde nun eine gewisse Entspannung erreicht, aber noch immer ist der Anteil der Kinder mit Adipositas auf einem sehr hohen Niveau. Gesundheitsförderung, Prävention und Therapie sind eine Herkulesaufgabe. Dagmar L’Allemand und Gabriela Fontana fassen diese Aspekte kompetent zusammen, mit dem Fokus auf die Versorgungslage in der Schweiz. Dreh- und Angelpunkt für die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit ist der Fachverband für Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AKJ). Er ist federführend in der fächerübergreifenden Weiter- und Fortbildung und engagiert sich für die Prävention. Letztere sollte schon pränatal oder gar präkonzeptionell ansetzen und das gesamte familiäre System einbeziehen (siehe z. B. Projekt «Starke Familie»). Funktionelle gastroenterologische Störungen (FGID) sind im pädiatrischen Praxisalltag häufig anzutreffen. Sie stellen meist eine grosse Herausforderung an Diagnostik, Therapie und Prävention. Diese orientieren sich an anerkannten Empfehlungen für eine bedarfsgerechte Ernährungsweise, aber auch an spezifischen und individuellen Bedürfnissen. Dem Autorenteam Nathalie Metzger, Susanna Dieterle und Carsten Posovszky gelingt es in ihrem Beitrag, dieses komplexe Störungsbild ausgezeichnet und anschaulich zu behandeln. Mögliche Therapiemassnahmen werden gemäss ihrer Evidenz kritisch beurteilt, wie z. B. die Low-FODMAP-Diät. Dieser Beitrag soll für FGID breit sensibilisieren und Kompetenzen für den Praxisalltag vermitteln.
Ich wünsche Ihnen eine lehrreiche Lektüre und gutes Gelingen im künftigen Praxisalltag.
Dr. med. Josef Laimbacher
Dr. med. Josef Laimbacher Vorstandsmitglied SGE Bis 2020 Chefarzt Jugendmedizin Ostschweizer Kinderspital St. Gallen Bis 2019 Mitglied EEK
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 3|2022 1