Transkript
UPDATE
Bei Pflegefachpersonen nachgefragt
Orale Nahrungssupplemente – MedPassModus oder herkömmliche Verabreichung?
Katja Uhlmann, Tina Locher, Karin Morger, Silvia Kurmann
Orale Nahrungsmittelsupplemente (ONS) werden zur Therapie der Mangelernährung empfohlen, jedoch existieren bisher keine Empfehlungen zur Verabreichungsart (1). Im Klinikalltag werden die ONS entweder zwischen den Hauptmahlzeiten (herkömmliche Verabreichung) oder in einem kleinen Volumen mit den Medikamenten (MEDPass-Modus) abgegeben (2).
Pflegefachpersonen sind häufig in die Verabreichung der ONS und deren Einnahmemonitoring involviert. Der Fachkräftemangel in der Pflege kann sich negativ auf die Versorgungsqualität auswirken (3). In Anbetracht dessen scheint eine in den Arbeitsalltag gut integrierte Verabreichung der ONS wichtig, um eine optimale Therapie der mangelernährten Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. 2 Studierende des Studiengangs Ernährung und Diätetik an der Berner
Tabelle:
Erfahrung von Pflegefachpersonen bei der Verabreichung von oralen Nahrungsmittelsupplementen (ONS)
Der MEDPass-Modus im Vergleich mit dem herkömmlichen Modus
Arbeitsabläufe
Bereitstellung Abgabe Monitoring
• höherer Arbeitsaufwand für die Bereitstellung der ONS, z. B. Umschütten in MEDPass-Becher, Beschriftung der Becher und der ONS-Flaschen, mehrfacher Gang zum Kühlschrank
• ONS können nicht ansprechend serviert werden
• weniger Motivationsarbeit zur ONS-Einnahme muss geleistet werden, da die ONS als Medikament angeboten werden
• wiederholte Erklärung über die Notwendigkeit der ONS fällt weg • Abgabezeitpunkt am Abend (letzte Gabe vor dem Schlafen)
ist unpassend für die Abläufe der Pflege • Abgabe geht häufiger vergessen, da die bereitgestellten Portionen im
Kühlschrank gelagert werden* • Abgabe durch das zeitgleiche Verteilen mit den Medikamenten geht
weniger vergessen*
• Monitoring der Einnahmemenge ist einfacher mit der Gabe in MEDPass-Bechern
Akzeptanz Schnittstellen
Verantwortung
Interprofessionelle Zusammenarbeit
Patientinnen und Patienten
• Pflegefachpersonen fühlen sich eher verantwortlich, weil die ONS als Medikament gehandhabt werden
• Ernährungsberatung ist öfter involviert, es findet häufiger ein Austausch zwischen der Pflege und der Ernährungsberatung statt
• grössere Sättigung/geringerer Appetit durch Einnahme der ONS vor den Mahlzeiten
• Patientinnen und Patienten akzeptieren die ONS eher aufgrund des kleinen Volumens und der Wahrnehmung als Medikament
*In Bezug auf das Vergessen der ONS-Abgabe wurden widersprüchliche Aussagen in den Fokusgruppeninterviews gemacht.
Fachhochschule hatten mit ihrer Bachelorarbeit zum Ziel, die Erfahrung von Pflegefachpersonen zu den beiden Verabreichungsmodi zu erfassen. Dazu wurden Fokusgruppeninterviews mit Pflegefachpersonen aus 2 Deutschschweizer Spitälern durchgeführt. Die Auswertung erfolgte mittels einer Inhaltsanalyse, angelehnt an Kuckartz (4). An 2 Fokusgruppeninterviews haben insgesamt 11 Pflegefachpersonen teilgenommen. Die wichtigsten Ergebnisse sind in der Tabelle aufgeführt. Die Akzeptanz bei Patientinnen und Patienten ist aus Sicht der Pflegefachpersonen von weiteren Faktoren wie der Temperatur, den Geschmacksrichtungen und den Modifikationsmöglichkeiten der ONS abhängig. Zudem fühlten sich Pflegefachpersonen, unabhängig vom Verabreichungsmodus, dafür verantwortlich, dass die Patientinnen und Patienten die ONS einnehmen. Auch das Erkennen für eine ONS-Indikation und die Verordnung von ONS sehen die Pflegenden teilweise in ihrem Verantwortungsbereich. Die Ergebnisse liefern Hinweise auf Vor- und Nachteile der verschiedenen Verabreichungsarten, welche bei der Einführung eines neuen Verabreichungsmodus in Betracht gezogen werden können.
Interessenkonflikte: keine. Korrespondenzadresse: Katja Uhlmann, cand. MSc, Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit, 3008 Bern, E-Mail: katja.uhlmann@bfh.ch
Literaturverzeichnis: 1. Gomes F et al.: ESPEN guidelines on nutritional support for polymor-
bid internal medicine patients. Clin Nutr. 2018;37(1):336-353. 2. Baumann A et al.: Einhaltung von Therapieempfehlungen: Pilotstudie
zur Verabreichungsart von Trinknahrung. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin. 2013;31-34. 3. Twigg DE et al.: The impact of nurses on patient morbidity and mortality – the need for a policy change in response to the nursing shortage. Australian Health Review. 2010;34(3):312-316. 4. Kuckartz U: Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 2., durchgesehene Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2014. Grundlagentexte Methoden.
32 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2022