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KONGRESSBERICHT
Für Aquakulturen und menschliche Ernährung
Fischöl aus genmodifizierten Pflanzen
Der gesundheitliche Nutzen der langkettigen Omega-3-Fettsäuren (Omega-3-LC-PUFA) ist unbestritten. Doch deren Verfügbarkeit ist begrenzt. Dabei steigt der Bedarf aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung weiter an. Prof. Johnathan Napier, Associate Director von Rothamsted Research und einer der führenden Pioniere der Pflanzenbiotechnologie, zeigt die Fortschritte und benennt die immer noch grossen Herausforderungen in dem Bemühen, das Fischöl auch von terrestrischen Pflanzen produzieren zu lassen.
Die Omega-3-Fettsäuren aus Pflanzen und Fischen unterscheiden sich chemisch und funktionell. Pflanzen, wie zum Beispiel Lein, enthalten Fettsäuren mit maximal 18-C-Ketten. Fische enthalten langkettige Omega-3-Fettsäuren, auch Omega-3-LC-PUFA genannt, die Eicosapentaensäure (20:5n:3; EPA) und die Docosahexaensäure (22:6n-3; DHA), diese sind also 20- respektive 22-kettig mit 5 oder 6 Doppelbindungen.
Aquakultur – effizient und/ oder nachhaltig
Auch wenn die Aquakultur von Fischen immer wieder kritisiert wird, steht sie für eine effiziente Produktion von tierischen Eiweissen. Die Nachfrage steigt auch wegen der wachsenden Weltbevölkerung. Braucht man für die Produktion von 1 kg tierischem Eiweiss beim Rind 6,8 kg Eiweiss im Futter, sind es beim Huhn 1,7 kg und beim Fisch nur 1,1 kg. Inzwischen stammen über 50 Prozent der konsumierten Fische aus Aquakulturen. So wächst auch die Herausforderung, die marinen Ökosysteme durch die Aquakultur nicht zu schädigen. Für die Aquakultur von Lachsen und weiteren Fischen wie Seebarsch oder Seebrasse muss die Nahrung der Fische (?) Omega-3-LC-PUFA enthalten, denn sie produzieren das «Fischöl» nicht selbst. Dieses «Fischöl» stammte früher vorwiegend aus dem Fang kleiner Meeresfische, die nicht für den unmittelbaren Verzehr geeignet waren. Die Produktion des Fischöls aus dieser Quelle ist seit vielen Jahren konstant, während sich die Aquakultur in den letzten 30 Jahren verdoppelt hat. Deshalb wurde das Fischöl teilweise durch Pflanzenöl ersetzt. Das war zwar ressourcenschonender, hatte aber den Nachteil, dass sich der Gehalt von EPA und DHA von 2006 bis 2016 in einem Lachssteak halbierte (1). Viele Konsumenten sind sich dessen wohl nicht bewusst.
Gene aus Meeralge in Feldpflanze
Wegen der positiven gesundheitlichen Wirkungen, aber auf grund der limitierten Verfügbarkeit der Omega-3-LC-PUFA begann man vor 25 Jahren, diese
auch von gentechnisch veränderten Pflanzen produzieren zu lassen. Die Pflanze Camelina (Leindotter) produziert natürlicherweise ein Öl, das auch in der menschlichen Ernährung verwendet wird. Doch bis aus einer kurzkettigen Fettsäure eine langkettige entsteht, sind zusätzliche Syntheseschritte nötig. Die dafür nötigen Gene wurden aus einer Meeralge in die Camelina eingesetzt. So gelang es tatsächlich, dass Camelina ein verändertes Fettsäurenmuster produziert, also auch EPA und DHA in ausreichender Menge enthält.
Erprobung an Fischen und am Menschen
Die Gentechnik stösst auch auf Widerstand, einige befürchten eine «Frankenstein-Methode». So war das Ausbringen der Pflanze in der Natur schwierig, die ersten Pflanzungen erfolgten dann in den USA und Kanada, ein kleinerer Teil auch in UK. Doch inzwischen berichtet auch die Presse positiv (2). In den letzten Jahren wurde dann gezeigt, dass das Öl extrahiert werden kann. Auch wurden Fütterungsexperimente mit verschiedenen Fischarten erfolgreich abgeschlossen (3–7). Und nun konnten auch Studien mit der Universität Southhampton den Einsatz direkt für die menschliche Ernährung dokumentieren (8-10).
Noch nicht am Ziel
Viele Schritte sind noch nötig, bis die Pflanze im grossen Stil für die Aquakultur und direkt für die menschliche Ernährung eingesetzt werden kann. Die Erfüllung der Regulierungen und die Kommerzialisierung kosten Geld und vor allem Zeit. Auch die Information der Öffentlichkeit ist wichtig. Denn Prof. Napier hofft, dass das Produkt schliesslich auch vom Konsumenten akzeptiert wird. Barbara Elke
Quelle: Summer Conference: Nutrition in a Changing World. The Nutrition Society UK. 6.7.2021
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Referenzen: 1. Sprague M et al.: Impact of sustainable feeds on omega-3 long-chain
fatty acid levels in farmed Atlantic salmon, 2006–2015. Sci Rep 6, 21892 (2016). 2. The Times: Fish oil made from GM plant to be saviour of the oceans. https://www.thetimes.co.uk/article/fish-oil-made-from-gm-plant-tobe-saviour-of-the-oceans-3xbb52b3zlx 3. Betancor M et al.: A nutritionally-enhanced oil from transgenic Camelina sativa effectively replaces fish oil as a source of eicosapentaenoic acid for fish. Sci Rep 5, 8104 (2015). 4. Betancor MB et al.: Evaluation of a high-EPA oil from transgenic Camelina sativa in feeds for Atlantic salmon (Salmo salar L.): Effects on tissue fatty acid composition, histology and gene expression. Aquaculture 2015;444:1-12 5. Betancor MB et al.: Oil from transgenic Camelina sativa as a source of EPA and DHA in feed for European sea bass (Dicentrarchus labrax L.), Aquaculture 2021;530:73759 6. Tejera N et al.: A Transgenic Camelina sativa Seed Oil Effectively Replaces Fish Oil as a Dietary Source of Eicosapentaenoic Acid in Mice. J Nutr 2016;146(2):227-235. 7. Betancor MB et al.: Nutritional Evaluation of an EPA-DHA Oil from Transgenic Camelina sativa in Feeds for Post-Smolt Atlantic Salmon (Salmo salar L.). PLoS One 2016;11(7) 8. West AL et al.: Postprandial incorporation of EPA and DHA from transgenic Camelina sativa oil into blood lipids is equivalent to that from fish oil in healthy humans. Br J Nutr 2019;121(11):1235-1246. 9. West AL et al.: Dietary supplementation with seed oil from transgenic Camelina sativa induces similar increments in plasma and erythrocyte DHA and EPA to fish oil in healthy humans. Br J Nutr 2020;124(9):922-930. 10. West A et al.: Differential postprandial incorporation of 20:5n-3 and 22:6n-3 into individual plasma triacylglycerol and phosphatidylcholine molecular species in humans. Biochim Biophys Acta Mol Cell Biol Lipids 2020;1865(8).
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