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SERIE: ALLGEMEINE ERNÄHRUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR PATIENTEN MIT MAGEN-DARM-ERKRANKUNGEN
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Teil VIII: Ernährung bei Übelkeit und Erbrechen
Stephan Vavricka
Stephan Vavricka
Hintergrund
Nausea (Übelkeit) mit oder Erbrechen ist ein sehr häufiges Symptom im klinischen Alltag. Als Ursache kommen abdominale (Bauch-) Krankheiten wie beispielsweise Gastritis (Magenschleimhautentzündung) Darmverschluss und akute Blinddarmentzündung infrage. Aber auch Störungen anderer Organsysteme wie ein Herzinfarkt, eine Hirnhautentzündung, Krebs, Vergiftungen, Stress und Schwangerschaft können zu Nausea und Erbrechen führen. Die Differenzialdiagnose ist damit sehr breit.
Einleitung
Übelkeit wird oft als unangenehmes Gefühl im Oberbauch definiert und ist mit Appetitlosigkeit verbunden. Sie kann mit einem Druckund Krampfgefühl im unteren Schlund verbunden sein. Bei zunehmender Übelkeit kommen vermehrter Speichelfluss hinzu, und ein Brechreiz tritt ein. Im Gegensatz zum blossen Aufstossen von (nicht sauren) Nahrungsbestandteilen wird beim Erbrechen der Inhalt von Magen und Dünndarm durch Kontraktion (Zusammenziehung) des Zwerchfells und der Bauchmuskulatur nach aussen befördert. Ekel, Schmerz, Schock, Magen-Darm-Infektionen, Medikamente, Giftstoffe, erhöhter Hirndruck oder auch eine Störung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr können die Ursache für Übelkeit und Erbrechen sein.
Therapie
Neben einer antiemetischen Therapie gegen das Erbrechen, zum Beispiel mit Antihistaminika, Scopolamin oder Dopaminantagonisten, kommen auch Ernährungsempfehlungen zum
Kasten 1:
Ernährungsempfehlung
• Essen Sie, wenn möglich, Wunschkost. Diätberatung beiziehen.
• Nehmen Sie nur kleine Mahlzeiten pro Mal ein. • Generell werden kalte Speisen besser toleriert
als warme. • Wählen Sie geschmacksneutrale Speisen (Toast,
Knäckebrot, Kartoffeln). • Meiden Sie stark riechendes Essen. • Essen Sie langsam, und kauen Sie gut. Lassen Sie
keine Speisen im Zimmer stehen. • Nach dem Essen nicht hinlegen, und wenn, dann
mit erhöhtem Oberkörper (30 Grad). • Lutschen Sie Pfefferminzbonbons (Achtung, zu
viel Pfefferminz kann den unteren Schliessmuskel der Speiseröhre entspannen, und das kann noch zu vermehrter Übelkeit führen) oder Traubenzucker. • Vermeiden Sie süsse, fette, zu gesalzene und gebratene Speisen. • Nehmen Sie genügend Flüssigkeit schluckweise zu sich. Gut eignen sich: – stilles Mineralwasser – schwarzer Tee, Kamillentee, Fencheltee, Pfef-
ferminztee, Eisenkrauttee (Verveine) – gekühlte Getränke (z. B. Ginger Ale) – Ingwertees (Aufkochen von ein paar Scheiben
Ingwer mit heissem Wasser, Tee 15 Minuten lang ziehen lassen). • Geeignet sind auch Fleisch- oder Hühnerbrühe mit Reis oder Nudeln, Gemüsesuppen, kleine Mengen Zitronensaft. • Lutschen Sie Eiswürfel, die Sie im Mund zergehen lassen. • Vermeiden Sie Kaffee, Alkohol, Nikotin und säurehaltige Säfte wie zum Beispiel Orangensaft. • Karotten sollen im Darm Giftstoffe binden und somit dazu beitragen, dass die Übelkeit schneller wieder abklingt. Wissenschaftliche Belege fehlen allerdings. • Bei Essversuchen mit sauren Speisen (Apfel, Zitrone, Essiggurken, saure Bonbons) nur kleine Portionen einnehmen.
Zuge (Kasten 1). Diese können insbesondere bei länger anhaltender Übelkeit und anhaltendem Erbrechen angewendet werden, da diese Symptome zu einem ausgesprochenen Problem zum Beispiel bei Tumorpatienten führen können. In der Folge kann sich auch ein Flüssigkeitsverlust und eine Elektrolytverschiebung zeigen, die wiederum bei den Betroffenen zu immer mehr Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust führen können.
Unterstützende Massnahmen: Neben Ernährungsempfehlungen gibt es auch eine ganze Reihe von unterstützenden Massnahmen bei Nausea und Erbrechen (Kasten 2).
Kasten 2:
Weitere Massnahmen gegen Übelkeit
• Frische Luft, bequeme Kleidung • Akupressur • Atemstimulierende Einreibung (ASE) • Auf Wünsche des Patienten eingehen • Pflegerische Massnahmen: Gerüche vermeiden
(Kaffeesatz oder Rasierschaum binden Gerüche) • Massnahmen bei Mundgeruch: Spülungen mit
Pfefferminzöl, Salbeitee/-öl, australisches Teebaumöl, Thymianöl, Bitter Lemon, Schwarztee, Zitronenwasser • Regelmässige Mund- und Zahnpflege mit erfrischenden Substanzen, z. B. Pfefferminztee, ätherischen Ölen (z. B. Eukalyptus, Thymian, Minze, Teebaum), als Trägerlösung Wasser oder Bepanthenlösung • Autogenes Training • Entspannung • Musik • Ablenkung • Wickel oder Kompressen mit Pfefferminzöl, Lavendel oder Kamille
Wann zum Arzt?
Vergehen Übelkeit und Erbrechen, wenn der Auslöser weg ist, beispielsweise nach einer Magen-Darm-Grippe, erfordert das keinen Arztbesuch. Halten Nausea und Emesis (Erbrechen) allerdings an oder wiederholen sich, sollte eine ärztliche Abklärung erfolgen, die nach den Ursachen forscht. Bei Kindern und alten Menschen sollte aufgrund der Gefahr von Flüssigkeits- und Mineralstoffmangel die ärztliche Abklärung bereits nach zwei Tagen erfolgen. Zudem früher bei starken Schmerzen oder in Begleitung von Fieber, Schüttelfrost und Eintrübung des Bewusstseins.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Stephan Vavricka Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie FMH Spez. Hepatologie Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie Vulkanplatz 8 8048 Zürich E-Mail: stephan.vavricka@hin.ch
14 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2020