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Ernährung bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes
EDITORIAL
Unser Darm ist ein faszinierendes Geflecht: 7 Meter lang und mit 500 Millionen Nervenzellen in der Darmwand ausgestattet, nimmt er unsere Nahrung auf, verkleinert und transportiert sie und sorgt dafür, dass letztlich der Körper alle notwendigen Mikro- und Makronährstoffe erhält und ausscheidet, was nicht gebraucht wird. Zum Vergleich: Das menschliche Gehirn ist ein Netzwerk, das aus zirka 80 Milliarden Nervenzellen besteht, wobei jede Nervenzelle über mindestens 10 000 Verbindungen zu anderen Nervenzellen verfügt. Diese Menge ist noch weitaus beachtlicher als die des Darms. Aber beide arbeiten eng über die sogenannte Darm-Hirn- bzw. Hirn-Darm-Achse zusammen. In den letzten Jahren stand insbesondere das intestinale Mikrobiom im Fokus der aktuellen Forschung. Denn ein gesundes, balanciertes Mikrobiom ist wichtig für die Wirtsabwehr von pathogenen Keimen, die in den Organismus eindringen können. Bei einem Ungleichgewicht sind dementsprechend Interaktionen zwischen dem Mikrobiom und dem Wirt möglich. So werden heute Autismus, Asthma, Atopien, Autoimmunerkrankungen, Hypertension, Kolonkarzinom, Adipositas uvm. mit der Dysbiose in Verbindung gebracht. Im Interview mit Prof. Michael Schemann von der Technischen Universität München (Seite 6 ff.) weist dieser auch auf die Verbindung von Parkinson und Magen-Darm-Beschwerden hin. Gastroenterologische Beschwerden könnten dementsprechend dann auch als Frühmarker dienen. Selbst entwickelte Prof. Schemann das Proteasen-Profiling als vielversprechende Strategie zur Entwicklung von Reizdarmbiomarkern. Gerade der Reizdarm ist ein heterogenes Krankheitsbild, sodass in der Praxis anwendbare Biomarker höchst willkommen sind.
Auch für die Betroffenen selbst ist das Leben mit einer gastroenterologischen Erkrankung eine Herausforderung: Was darf und kann gegessen werden, welche Ernährungsformen haben sich bewährt? Mehrere Autoren haben sich bemüht, in kurzer und prägnanter Form Ernährungstipps zu bekannten, häufigen gastroenterologischen Erkrankungen und Störungen zu geben. Dazu gehören die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, die Diana Studerus (Seite 11) vorstellt, Nausea und Erbrechen (Seite 14), Blähungen (Martin Wilhelmi, Seite 12 ff.) und die Divertikelkrankheit (Emanuel Burri und Gabriela Frei (Seite 9 ff.). Die Beiträge sind so gestaltet, dass Sie diese ausschneiden, kopieren und betroffenen Patienten mitgeben können. Denn obwohl Symptome wie Blähungen oder auch Nausea häufig sind, ist in der Praxis oft nicht bekannt, welches Nahrungsmittel in dieser Situation geeignet ist, um die Symptome zu minimieren. Im letzten Beitrag von Mark Fox, Benjamin Wisselwitz und Diana Studerus gehen diese auf aktuelle Studien zu den Mechanismen der Laktoseverdauung und -intoleranz ein und beleuchten gleichermassen, wie auch andere Kohlenhydrate Verdauungssymptome hervorrufen können. Darüber hinaus werden die Konsequenzen einer Ernährungsanpassung auf das Mikrobiom und wichtige Therapieoptionen dargestellt (Seite 15 ff.).
Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre dieser spannenden Ausgabe.
Stephan Vavricka Prof. Dr. med. Stephan Vavricka Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie FMH Spez. Hepatologie Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie Vulkanplatz 8, 8048 Zürich E-Mail: stephan.vavricka@hin.ch
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1|2020 1