Transkript
PSYCHE UND ERNÄHRUNG
Darmmikrobiota als Behandlungsansatz in der Psychiatrie
Laura Mählmann
Laura Mählmann
Zunehmende empirische Befunde deuten auf ein bidirektionales Kommunikationssystem zwischen dem Magen-Darm-Trakt und dem Gehirn hin. So wurde eine Veränderung der Darmmikrobiota bei einer Vielzahl von psychiatrischen Störungen wie Schizophrenie, der schizoaffektiven Störung sowie Angststörungen festgestellt. Die Evidenz ist bis anhin jedoch begrenzt, und die genauen Mechanismen, wie eine veränderte Darmmikrobiota die Entwicklung psychiatrischer Erkrankungen begünstigt, sind noch nicht vollständig geklärt. Im Beitrag wird die derzeitige Forschung im Bereich des Darmmikrobioms und psychiatrischer Erkrankungen dargestellt.
Als Ursachen für eine Depression werden psychosoziale wie auch neurobiologische Faktoren angenommen.
Ansätze in der Depressionsbehandlung
Die Inzidenz und Prävalenz von Depressionen nimmt rasch zu, die Krankheit beeinträchtigt derzeit 350 Millionen Menschen weltweit (1). Patienten mit depressiven Störungen leiden unter anhaltendenden affektiven, kognitiven und verhaltensbezogenen Symptomen. Als Ursachen für eine Depression werden psychosoziale wie auch neurobiologische Faktoren angenommen. Auf psychosozialer Ebene können unter anderem traumatische Erlebnisse, Überbelastung und ein Mangel an sozialer Unterstützung eine Depression auslösen. Hinsichtlich der zugrunde liegenden neurobiologischen Mechanismen sind vier konsistente Befunde bei Patienten mit Depressionen zu erkennen (2): 1. Defizite in der serotonergen Neurotransmission 2. Veränderungen im Nervenwachstumsfaktor BDNF
(Brain-Derived Neurotrophic Factor) 3. verstärkte Immunaktivierung und Entzündungsre-
aktionen 4. eine Dysregulation der Hypothalamus-Hypophy-
sen-Nebennierenrinde-(HHN-)Achse, auch Stressachse genannt. Trotz Fortschritten in der Entwicklung von neuen Therapien erzielen die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten keine optimale Wirksamkeit. Die konventionelle Behandlung von Depressionen konzentriert sich neben Psychotherapie hauptsächlich auf Antidepressiva mit dem Ziel, die Konzentration des Gehirnbotenstoffes Serotonin zu erhöhen. Jedoch ist die Effektivität dieser Behandlungen beschränkt, und nur 50 Prozent der Patienten sprechen auf eine antidepressive Therapie an, während ein Fünftel der Patienten behandlungsresistent gegen alle Therapieformen (Psychotherapie, Lichttherapie, Schlaftherapie, Elek-
trokrampftherapie und Psychopharmaka) ist (1). Darüber hinaus können Antidepressiva eine Vielzahl von unerwünschten Arzneiwirkungen hervorrufen. Hierzu zählen beispielsweise Müdigkeit, Schlafstörungen, Blutdruckschwankungen, Gewichtsverlust oder -zunahme, Appetitstörungen, Verdauungsstörungen oder Störungen der sexuellen Funktion. Dies führt oft zu einer schlechten Compliance der Patienten, einem Abbruch der Medikamenteneinnahme und als Folge einer Rückkehr depressiver Symptome zu einem erhöhten Suizidrisiko (3). Zudem wurde ein Zusammenhang zwischen Depressionen und somatischen Erkrankungen festgestellt. Depressionen erhöhen das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, um das 2- bis 3-Fache, hinsichtlich Epilepsie um das 4- bis 6-Fache, Krebserkrankungen um das 1,5- bis 2-Fache, Diabetes um das 2-Fache, hinsichtlich kardiovaskuläre Erkrankungen um das 3-Fache, Schlaganfällen um das 2-Fache und ParkinsonErkrankungen um das 3-Fache (4). Demzufolge stellen Depressionen einen Risikofaktor für verschiedene andere Krankheiten dar. Eine Erklärung hierfür kann sein, dass psychosoziale Faktoren und ein Lebensstil, welcher Depressionen begünstigt (z.B. Stress, Traumata und Schlafmangel), zu weiteren Erkrankungen führen können.
Copingmechanismen über Ernährung
Zudem wurde bei depressiven Patienten ein erhöhter Konsum von Komfortnahrungsmitteln mit hohem Kohlenhydrat- und Fettanteil beobachtet. Dieser als Copingmechanismus beschriebene Sachverhalt hat zum Ziel, negative Emotionen besser bewältigen zu können (5).
6 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 4|2017
PSYCHE UND ERNÄHRUNG
Aus diesen Erkenntnissen wird die Notwendigkeit ersichtlich, sicherere und effektivere Behandlungsansätze bei Depressionen zu entwickeln. Ein wichtiges Thema der zukünftigen psychiatrischen Forschung wird daher sein, den Fokus auf alternative pathophysiologische Mechanismen zu richten, um komplementäre und alternative Behandlungsstrategien zu etablieren.
Neu im Fokus: Mikrobiom und mentale Gesundheit
In den vergangenen Jahren wurde zunehmend deut-
lich, dass Darmbakterien eine weitaus umfangrei-
chere Rolle spielen als nur in ihrem Beitrag zur
gesunden Verdauung von Nahrung. Neue Entwick-
lungen in der DNA-Sequenzierung von Bakterien ha-
ben zu neuen Erkenntnissen und Theorien zur Rolle
der Mikrobiota (= Gesamtheit der Mikroorganismen)
in der menschlichen Gesundheit geführt. Es konnte
nachgewiesen werden, dass die Darmmikrobiota für
eine Vielzahl von Prozessen, einschliesslich des Nähr-
stoffstoffwechsels, der Entwicklung des Immunsys-
tems und der Reaktion auf Pathogene sowie der
Darmbarrierenfunktion, essenziell ist. Schätzungen
über die totale Anzahl der verschiedenen Mikroben
belaufen auf 1013 (100 Billionen). Derzeit wird von
vier vorherrschenden bakteriellen Phyla ausgegangen:
Bacteriodetes, Firmicutes, Actinobakterien und Pro-
teaobakterien (6).
Aus zahlreichen präklinischen Studien gibt es signifi-
kante Hinweise auf eine veränderte Zusammensetzung
der Darmmikrobiota bei Stoffwechselstörungen wie
zum Beispiel Adipositas, Diabetes und dem metaboli-
schen Syndrom (7). So konnte etwa bei übergewichti-
gen Menschen eine erhöhte Prävalenz von Firmicutes
phyla und eine deutliche Reduktion der Bacteriodetes
beobachtet werden (3). Ein weiterer Hinweis, der einen
Zusammenhang illustriert, findet sich in
einer Studie von Vrieze et al. (7). In die-
Le microbiote intestinal, une approche thérapeutique en psychiatrie aussi
ser randomisierten, kontrollierten Studie wurde ein fäkaler Mikrobiomtransfer (FMT) bei Patienten mit metabolischem Syndrom durchgeführt. Das bedeutet,
Mots clés: options pour agir sur l’intestin – santé mentale – microbiome – transplantation de matières fécales
die Mikrobiota eines gesunden und normalgewichtigen (BMI: 20–30) Spenders wird Patienten mit metabolischem Syndrom endoskopisch induziert (7). Als
De plus en plus de résultats empiriques suggèrent l’existence d‘un système de communications bidirectionnel entre le tractus gastro-intestinal et le cerveau. Ainsi, une modification du microbiote intestinal a été mise en évidence dans un nombre important de troubles psychiatriques tels que la schizophrénie ou le trouble schizo-affectif ainsi qu’en cas de trouble anxieux. Les preuves à ce sujet sont encore limitées. L’article fait le point sur l’état actuel de la recherche dans le domaine du microbiome intes-
Kontrollintervention wurden die eigenen Fäkalien ebenfalls endoskopisch eingeführt. Die Gruppe mit dem Fäkalmaterial eines gesunden Spenders entwickelte eine erhöhte Insulinsensitivität und erhöhte Mengen an Butyrat produzierender Darmmikrobiota. Damit konnte nachgewiesen werden, dass die Wiederherstellung einer gesunden Mikrobiota die Pathogenese von Stoffwechselprozessen positiv beeinflusst.
tinal et des pathologies psychiatriques.
Bezüglich neurologischer Erkrankun-
gen gibt es erste Theorien und Hinweise
über die zugrunde liegende Rolle der Mikrobiota sowie Erkenntnisse, dass die Darmmikroben auch mit dem Gehirn kommunizieren und kognitive und emotionale Stressprozesse beeinflussen. In Untersuchungen wurde deutlich, dass depressive Patienten ein deutlich verändertes Mikrobiom mit erhöhten Mengen von Bacteroidetes, Proteobacteria, Enterobacteriaceae, Alistipes, Actinobacteria sowie eine reduzierte Anzahl an Firmicutes und Faecalibacterium aufweisen (8). Präklinische Untersuchungen an Tieren zeigten mikrobiotische Effekte im Zusammenhang mit angstähnlichem Verhalten, depressiven Symptomen und Stressreaktionen (9). Analog zu dem beschriebenen FMT bei Patienten mit metabolischem Syndrom konnte ein ähnlicher Verlauf bei depressiver Symptomatik dokumentiert werden. In einer Studie von Zheng et al. (10) wurde mittels FMT das Fäkalmaterial eines depressiven Patienten bei Mäusen induziert. Nach dem FMT wiesen die Mäuse deutlich depressive Symptome auf. Eine Veränderung der Darmmikrobiota wurde auch bei einer Vielzahl anderer psychiatrischer Störungen festgestellt, wie zum Beispiel der Schizophrenie, der schizoaffektiven Störung sowie bei Angststörungen. Die Evidenz ist bis heute jedoch begrenzt, und die genauen Mechanismen, wie eine veränderte Darmmikrobiota die Entwicklung psychiatrischer Erkrankungen begünstigt, sind noch nicht vollständig geklärt.
Beeinflussung der Darm-Hirn-Achse durch Darmbakterien
Zunehmende empirische Befunde deuten auf ein bidirektionales Kommunikationssystem zwischen dem Magen-Darm-Trakt und dem Gehirn hin. Diese Darm-Hirn-Wechselwirkungen können durch folgende Mechanismen auftreten: Mikrobielle Verbindungen kommunizieren mit dem Vagusnerv, welcher das Gehirn und den Verdauungstrakt miteinander verbindet. Eine zweite Kommunikationsform stellen die Metaboliten der Mikrobiota dar. Ausserdem interagieren die Darmmikroben mit dem Immunsystem, welches wiederum mit dem Gehirn kommuniziert (9). Und es besteht die Hypothese, dass eine durchlässige Darmwand die gegenseitige Kommunikation mit dem Gehirn anregt. Veränderungen der metabolischen Aktivität, die durch gestörte Darmbakterienarten hervorgerufen werden, haben eine geschwächte Abwehr der Magen-Darm-Schleimhaut zur Folge. Dies wiederum führt zu einer erhöhten Darmpermeabilität, sodass toxische Bakterienmengen in den systemischen Kreislauf absorbiert werden. Insbesondere wurde diese erhöhte Translokation von Bakterienprodukten durch die durchlässige Darmbarriere mit der Aktivierung des Immunsystems und der HHN-Achse in Zusammenhang gebracht. Diese Erkenntnisse stammen vorwiegend aus Studien mit keimfreien Tieren (9). Beispielsweise zeigte eine Studie von Sudo et al. (11) mit keimfreien Mäusen, dass die Abwesenheit einer normalen Darmmikrobiota signifikante Auswirkungen auf Stressreaktionen haben kann und
8 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 4|2017
PSYCHE UND ERNÄHRUNG
In Bezug auf Depressionen konnte gezeigt werden, dass bei entsprechender Ernährung das Erkrankungsrisiko und auch die Schwere der Symptomatik vermindert werden können.
diese Veränderungen teilweise durch Kolonisation des Darms rückgängig gemacht werden können. Im Einklang mit diesen Befunden haben weitere klinische Studien eine stressinduzierte Zunahme der bakteriellen Translokation bei Depressionen nachgewiesen. Die stressinduzierten Wechselwirkungen zwischen dem Darmmikrobiom und dem Gehirn werden weiter über zentrale Prozesse wie die Neurotransmission und die Neurogenese vermittelt. Zum Beispiel gibt es Hinweise zum Einfluss des Darms auf die Regulation und die Entwicklung des 5-Hydroxytryptamin- (5-HT-)Systems (auch Serotoninsystem genannt) und die Expression von BDNF, zwei essenzielle Faktoren in der Pathogenese von Depressionen. Zusammenfassend wird deutlich, dass eine veränderte Darmmikrobiota durch unterschiedliche Mechanismen die Entstehung psychischer Erkrankungen beeinflussen kann. An dieser Stelle stellt sich nun die Frage, wie man die Darmmikrobiota manipulieren kann, um die genannten Theorien zu prüfen. Hierzu werden im Folgenden drei Optionen vorgestellt: die Ernährungsumstellung, die Einnahme von Probiotika und die Methode des fäkalen Mikrobiomtransfers (FMT).
Optionen zur Beeinflussung der Darmmikrobiotika
Option Ernährung: In ersten Studien konnte nachgewiesen werden, dass Diät- und Lebensstiländerungen zu Verbesserungen der depressiven Symptomatik führen können. Laut einem Review von Lang et al. (4) konnte bisher Folgendes gezeigt werden: Auf symptomatischer Basis wurde in acht verschiedenen Studien nachgewiesen, dass eine japanische und mediterrane Diät, bestehend aus Olivenöl, Fisch, Früchten, Gemüse, Nüssen und nicht prozessiertem Fleisch, depressive Symptome verringert. In weiteren Studien wurde sowohl eine vegane Diät über 18 Wochen als auch eine vegetarische Diät mit einer verbesserten Stimmung assoziiert. Ausserdem wurde in verschiedenen Interventionsstudien nachgewiesen, dass eine mediterrane Diät mit Nüssen, ein 6-Monats-Diätprogramm, eine proteinreduzierte Diät und der Konsum von Joghurt depressive Symptome und Angst sowie Leptin und C-reaktives Protein reduziert und Dopamin und Serotonin erhöht. Umgekehrt konnte in einer prospektiven Studie mit 87 000 postmenopausalen Frauen gezeigt werden, dass eine Ernährung mit erhöhtem glykämischem Index, wenig Laktose und wenig Früchten wiederum mit Depressionen assoziiert war (4). Bezüglich der genannten Interventionsstudien muss allerdings angemerkt werden, dass diese Befunde auf sehr heterogenen Populationen beruhen und im Falle von Depressionen der Interventionseffekt nicht unterschätzt werden sollte. Erfreulicherweise konnte jedoch eine kürzlich publizierte Studie zeigen, dass auch eine Diätintervention im Vergleich mit einer sozialen Intervention zu einem starken Rückgang von Symptomen bei Patienten mit schweren Depressionen geführt hat (12).
Des Weiteren wurden beim Einsatz von spezifischen Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. Kalzium, Chromium, Folsäure, mehrfach ungesättigte Fettsäuren [PUFA], Vitamin D, B12, Zink, Magnesium und D-Serine) in verschiedenen randomisierten kontrollierten Studien bei depressiven Patienten antidepressive Effekte erzielt. Eine Metaanalyse von Sarris et al. (13) konnte bei folgenden Nahrungsergänzungsmitteln diesen Effekt bestätigen: Omega-3-Fettsäuren, S-Adenosylmethionine, Vitamin D und Folsäure. Aus diesen breit gefächerten Ergebnissen wird deutlich, dass die Ernährung via Darm-Hirn-Achse einen wesentlichen Einfluss auf das Wohlbefinden, insbesondere Angst, depressive Verstimmungen und Entzündungsaktivität im Körper hat. In Bezug auf Depressionen konnte gezeigt werden, dass bei entsprechender Ernährung das Erkrankungsrisiko und auch die Schwere der Symptomatik vermindert werden können. Eine angepasste Diät ist somit eine (noch) unterschätzte und nicht genügend erforschte Therapiemassnahme bei depressiven Patienten. Option Probiotika: Eine weitere Möglichkeit zur gezielten Beeinflussung der Mikrobiota ist der Einsatz von Probiotika. Präklinische Daten zeigten die vorteilhafte Wirkung von Probiotika auf die Normalisierung der HHN-Achsen-Aktivität, des BDNF-Spiegels und der 5-HT-Neurotransmission (9). Insbesondere konnten bestimmte probiotische Bakterien wie Lactobacilli und Bifidobakterien eine stressinduzierte HHN-Achsen-Aktivierung bei Ratten nivellieren und eine antidepressive oder anxiolytische Aktivität hervorrufen. Auch klinische Studien zeigten, dass die Verabreichung von Probiotika an gesunde Probanden depressive Symptome, Angst, Rumination und Aggressionen signifikant zu vermindern vermag und eine Senkung des Kortisolspiegels bewirkt. Darüber hinaus zeigte eine Pionierstudie bei gesunden Probanden, dass die Einnahme von probiotischen Bakterien in fermentierter Milch über vier Wochen die Hirnaktivität in angstrelevanten Regionen während der Betrachtung erschrockener und wütender Gesichtsausdrücke reduzierte (13). In einem nächsten Schritt wurde in einer klinischen Studie der Effekt einer achtwöchigen probiotischen Nahrungsmittelergänzung bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Depression untersucht (14). Die Autoren fanden signifikant verminderte Depressionswerte, verminderten oxidativen Stress und geringere akute Entzündungsmarker bei den Patienten, die das Probiotikum erhielten. Obwohl grössere Untersuchungen zur Replikation dieser Befunde erforderlich sind, deuten diese Studien darauf hin, dass die Wiederherstellung gestörter Darmmikrobiom-HirnWechselwirkungen über probiotische Bakterien eine vielversprechende Behandlungsstrategie bei Depressionen darstellen kann (15). Option fäkaler Mikrobiomtransfer (FMT): Eine weitere wirksame Methode zur Veränderung der gast-rointestinalen Mikrobiota ist ein FMT. Die Praxis des FMT reicht bis in die Geschichte des 4. Jahrhunderts zurück, als dieser erstmals in der chinesischen Medizin
10 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 4|2017
PSYCHE UND ERNÄHRUNG
dokumentiert wurde. In der westlichen Kultur wurde FMT 1958 von Eisenman verschrieben, um einen Fall von pseudomembranöser Kolitis zu behandeln (6). Das Verfahren des FMT umfasst den Transfer von Darmmikrobiota von einem gesunden Spender an einen Patienten. Das Ziel des Verfahrens ist, eine stabile mikrobielle Zusammensetzung im Darm einzuführen oder wiederherzustellen (6). Typischerweise wird der Stuhl in sterile und isotonische Kochsalzlösung suspendiert und verdünnt, homogenisiert und filtriert. FMT wurde sowohl mit frischem als auch mit gefrorenem und aufgetautem Material durchgeführt, wobei keine Unterschiede in der Sicherheit oder Wirksamkeit gezeigt wurden. FMT kann entweder via oberen (z.B. Gastroskopie) oder über den unteren Gastrointestinaltrakt (z.B. per Koloskopie oder Retentionsklistier) durchgeführt werden. Ausserdem entwickelt sich derzeit als Reaktion auf die Nachfrage nach klinischen Partnern und Patienten die Methode der oralen Einnahme mithilfe von Kapseln. Bis anhin konzentrieren sich die meisten klinischen Erfahrungen auf den Einsatz von FMT bei Patienten mit rezidivierendem Clostridium difficile (CDI). Im Detail wurde bisher von einer kumulativen Heilungsrate von mehr als 90 Prozent berichtet (6). Durch die Manipulation der Darmmikrobiota hat der
FMT das Potenzial, als eine neue Behandlungsoption bei vielen weiteren Erkrankungen eingesetzt zu werden, die mit einer Darmdysbiose assoziiert sind. Eine Reihe von Fallstudien konnte die Wirksamkeit für eine Vielzahl anderer Krankheiten nachweisen, einschliesslich Colitis ulcerosa, Stoffwechselstörungen (Obesity, metabolisches Syndrom und DM), Autoimmunerkrankungen und neurologischer Erkrankungen wie Multiple Sklerose (MS). Beispielsweise wurden erste positive Effekte in Tierstudien und klinischen Studien mit Menschen zu den Auswirkungen von FMT auf MS untersucht. Unter der bereits genannten Hypothese der HirnDarm-Achse rücken nun auch psychiatrische Erkrankungen und ihre gastrointestinalen Nebenerscheinungen in den Fokus. So wurde in einer neueren Studie von Kang et al. (16) FMT bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus getestet. Der Beginn des Autismus wird oft von einer Darmstörung begleitet. Kang et al. konnten nachweisen, dass die gastrointestinalen Symptome wie Obstipation, Diarrhö, Verdauungsstörungen und Bauchschmerzen um 80 Prozent zurückgingen. Darüber hinaus verbesserten sich die autistischen Verhaltenssymptome signifikant; beide Ergebnisse waren auch noch nach einem 8-WochenFollow-up ersichtlich.
PSYCHE UND ERNÄHRUNG
Die zunehmenden Erkenntnisse rund um die Mikrobiota des Menschen rücken auch mögliche Therapien für psychiatrische Patienten vermehrt in den Vordergrund.
Aufgrund der einzigartigen Zusammenstellung des Fäkalmaterials im Vergleich zu den meisten Therapeutika sowie der historischen Entwicklung von FMT mangelt es bis jetzt an relevanten pharmakokinetischen oder metabolischen Daten. Die mit FMT assoziierten Wirkstoffe sind vermutlich lebensfähige gastrointestinale Mikroben, die nicht metabolisiert werden wie herkömmliche Arzneimittel. Stattdessen wird ein Teil der Mikroben den Darm des Patienten kolonisieren und sich vermehren, wodurch die herkömmliche Mikrobiota überschrieben wird. Die inaktiven Bestandteile der Fäkalien zusammen mit den Glycerinund salzhaltigen Hilfsstoffen werden vom Patienten normal ausgeschieden, indem sie im Dickdarm absorbiert oder als Stuhl eliminiert werden (6). Die Ergebnisse der Behandlung mit FMT deuten darauf hin, dass Fäkalien eine vorteilhafte Kombination von Darmbakterienstämmen enthalten, weitaus reichhaltiger im Vergleich zu herkömmlichen darmrevitalisierenden Mitteln und somit günstiger für die Reparatur von gestörten nativen Mikrobiota durch die Einführung einer vollständigen, stabilen Gemeinschaft von Darmmikroorganismen sind. Fäkalien enthalten auch zusätzliche Substanzen (Proteine, Gallensäuren und Vitamine), die zur Wiederherstellung der Darmfunktion beitragen könnten (17).
Fazit und Ausblick
Die zunehmenden Erkenntnisse rund um die Mikrobiota des Menschen rücken auch mögliche Therapien für psychiatrische Patienten vermehrt in den Vordergrund. Obwohl weder die Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Darmmikrobiom noch die Wechselwirkungen der Darmbakterien untereinander vollständig verstanden werden, sehen viele Wissenschaftler ein grosses Potenzial in der Manipulation der Darmmikrobiota. Weitere Studien sind notwendig, um die Anwendung im Bereich der Depressionen auf Sicherheit und Wirksamkeit zu prüfen. Jedoch scheint das Potenzial der drei Ansätze Ernährungsumstellung, Probiotikasupplementation und FMT vielversprechend für zukünftige adjuvante Behandlungsstrategien einer Depression zu sein.
Literatur: 1. WHO: Factsheet WHO Depression. Factsheet Depression, 2016. 2. Ferrari F, Villa RF: The Neurobiology of Depression: an Integrated Overview from Biological Theories to Clinical Evidence. Mol Neurobiol 2016; 54: 4847–4865. 3. Keller MB, Hirschfeld RMA, Demyttenaere K et al.: Optimizing outcomes in depression: focus on antidepressant compliance. Int Clin Psychopharmacol 2002; 17: 265–271. 4. Lang UE, Beglinger C, Schweinfurth N et al.: Nutritional Aspects of Depression. Cell Physiol Biochem 2015; 37: 1029–1043. 5. Singh M: Mood, food, and obesity. Front Psychol 2014; 5: 925. 6. Xu M-Q, Hai-Long C, Wei-Qiang W: Fecal microbiota transplantation broadening its application beyond intestinal disorders. World J Gastroenterol 2015; 21: 102–111. 7. Vrieze, A., Van Nood E, Holleman F et al.: Transfer of Intestinal Microbiota From Lean Donors Increases Insulin Sensitivity in Individuals With Metabolic Syndrome. Gastroenterology 2012; 143: 913–916. 8. Jiang, H, Ling Z, Zhang Y et al.: Altered fecal microbiota composition in patients with major depressive disorder. Brain Behav Immun 2015; 48: 186–194. 9. Cryan JF, Dinan TG: Mind-altering microorganisms: the impact of the gut microbiota on brain and behaviour. Nat Rev Neurosci 2012; 13: 701– 712. 10. Zheng P, Zeng B, Zhou C et al.: Gut microbiome remodeling induces depressive-like behaviors through a pathway mediated by the host’s metabolism. Mol Psychiatry 2016; 21: 786–796. 11. Sudo N, Chida Y, Aiba Y et al.: Postnatal microbial colonization programs the hypothalamic-pituitary-adrenal system for stress response in mice: Commensal microbiota and stress response. J Physiol 2004; 558: 263–275. 12. Jacka FN, Berk M: Depression, diet and exercise. Med J Aust 2013; 16: 21–23. 13. Sarris J, Murphy J, Mischoulon D et al.: Adjunctive Nutraceuticals for Depression: A Systematic Review and Meta-Analyses. Am J Psychiatry 2016; 173: 575–587. 14. Akkasheh G, Kashani-Poor Z, Tajabadi-Ebrahimi M et al.: Clinical and metabolic response to probiotic administration in patients with major depressive disorder: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Nutrition 2016; 32: 315–320. 15. Luna RA, Foster JA: Gut brain axis: diet microbiota interactions and implications for modulation of anxiety and depression. Curr Opin Biotechnol 2015; 32: 35–41. 16. Kang D-W, Adams JB, Gregory AC et al.: Microbiota Transfer Therapy alters gut ecosystem and improves gastrointestinal and autism symptoms: an open-label study. Microbiome 2017; 5:10. 17. Smits LP, Bouter, KEC, de Vos WM et al.: Therapeutic Potential of Fecal Microbiota Transplantation. Gastroenterology 2013, 145: 946–953.
Korrespondenzadresse: Laura Mählmann Universitäre Psychiatrische Kliniken Wilhelm-Klein-Strasse 27 4002 Basel E-Mail: Laura.Maehlmann@upkbs.ch
12 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 4|2017