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ERNÄHRUNG BEI NIERENERKRANKUNGEN
Ernährung nach Nierentransplantation
MICHAEL GIRSBERGER
Wie in der Normalbevölkerung sind auch bei Patienten nach Nierentransplantation kardiovaskuläre Erkrankungen die führende Todesursache (1). Hier spielt neben der medikamentösen Therapie der kardiovaskulären Risikofaktoren wie Übergewicht, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Hyperlipidämie auch die Ernährung eine zentrale Rolle. Ein besonderes Augenmerk gilt vor allem den Faktoren Übergewicht und Glukoseintoleranz, die nach Nierentransplantationen vermehrt auftreten, wobei ein direkter Zusammenhang der Prävalenz mit gewissen immunsuppressiven Medikamenten (wie z.B. Prednison) und deren Dosis gezeigt werden konnte (2). Hier gilt es von ärztlicher Seite, Risikofaktoren zu erkennen und zusammen mit dem Patienten, neben möglichen Anpassungen der Medikation, auch Veränderungen des Lebensstils zu diskutieren.
Andere Komplikationen, bei denen die Ernährung eine Rolle spielen kann, sind Elektrolytstörungen, Hyperurikämie, Osteoporose und chronisches Transplantatversagen. Einen weiteren Aspekt stellen durch Lebensmittel übertragene Krankheiten dar. Patienten nach Organtransplantationen haben bekannterweise ein erhöhtes Risiko insbesondere für bakterielle Infektionen (3), wobei das Risiko nach Nierentranplantation entsprechend der geringeren Immunsuppression im Vergleich zu Lungen-, Herz- und Lebertransplantation etwas geringer ist. Schliesslich sollten auch Nebenwirkungen der Medikamente, die zur Immunsuppression verwendet werden, sowie Interaktionen mit Lebensmitteln im Zusammenhang mit der Ernährung berücksichtigt werden.
Übergewicht und Insulinresistenz
In der Schweiz waren nach Bundesamt für Statistik 2007 rund 58 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen zwischen 45 und 64 Jahren übergewichtig oder adipös. Somit ist ein grosser Teil der Patien-
ten bereits vor einer Nierentransplantation übergewichtig. Nach Nierentransplantation kommt es häufig zusätzlich zu einer übermässigen Gewichtszunahme. Die durchschnittliche Gewichtszunahme nach Transplantation beträgt im ersten Jahr 10 Prozent (4). Ein Body Mass Index (BMI) über 30 kg/m2 ist der zweitstärkste Risikofaktor für die Entwicklung eines Diabetes mellitus nach Transplantation (stärkster Risikofaktor: Alter über 60 Jahre) (5). Untersuchungen von Übergewicht und Adipositas vor einer Transplantation hinsichtlich Transplantat- und Patientenüberleben haben unterschiedliche Resultate gezeigt. So kamen einige Studien zum Schluss, dass Transplantatversagen (6–8) oder Langzeitpatientensterblichkeit (8–10) bei adipösen Patienten erhöht sind, dagegen konnten andere Untersuchungen einen solchen Unterschied nicht nachweisen (11, 12). Dem gegenüber gibt es jedoch Hinweise, dass eine verzögerte Transplantatfunktion bei adipösen Patienten häufiger auftritt als bei einer normalgewichtigen Kontrollgruppe (6, 8, 11, 12). Zusätzlich sind Wundkompli-
kationen im postoperativen Verlauf häufiger bei adipösen Transplantationspatienten (6, 10–12). Ein weiteres Problem stellt das häufigere Auftreten eines Diabetes mellitus nach Transplantation bei bereits vor der Transplantation übergewichtigen Patienten dar (6, 10, 12). Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen, dass die Langzeitfolgen für das Patienten- und Transplantatüberleben bei adipösen Patienten nicht schwerwiegend genug sind, um von einer Transplantation abzusehen. Allerdings besteht eine erhöhte postoperative Morbidität, sodass den Patienten zu einer Gewichtsreduktion vor Transplantation geraten werden sollte. Die möglichen Folgen einer solchen Gewichtsabnahme wurden bis jetzt jedoch noch nicht in kontrollierten Studien untersucht. Interessanterweise konnte kürzlich gezeigt werden, dass übergewichtige Patienten seltener eine Nierentransplantation erhalten als vergleichbare Normalgewichtige, wobei zwischen Frauen und Männern Unterschiede im Ausmass des beobachteten Übergewichts bestanden. So ist die Wahrschein-
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lichkeit einer Transplantation im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten bei Frauen bereits bei einem BMI über 25 kg/m2 geringer, bei Männern jedoch erst ab einem BMI über 35 kg/m2 (13). Aus ernährungsmedizinischer Sicht stehen Übergewicht, Glukoseintoleranz und Diabetes mellitus nach Transplantation (new onset diabetes after kidney transplantation, NODAT) im Vordergrund. Dabei ist die Prävalenz einer Glukoseintoleranz oder eines Diabetes mellitus nach einer Transplantation bis 30 Prozent höher als in der Normalbevölkerung (2). Es ist davon auszugehen, dass dies einen wesentlichen Beitrag zum eingangs erwähnten hohen kardiovaskulären Risiko leistet. Alter, Prednisondosis und die Einnahme von Betablockern sind mit einem höheren Risiko für NODAT assoziiert. Auch andere Immunsuppressiva wie Cyclosporin und Tacrolimus scheinen mit einem erhöhten Risiko verbunden zu sein (Tabelle). Azathioprin und Mycophenolat hingegen scheinen hier jedoch keinen negativen Einfluss zu haben (14). Zur allgemeinen Risikostratifizierung wurden verschiedene Scores entwickelt (z.B. SADPM, FOS-DM). Bei hohem Risiko für die Entwicklung eines NODAT können präventive Massnahmen wie körperliche Aktivität und Gewichtsreduktion gefördert werden. Zusätzlich sollte nach Transplantation eine engmaschigere Kontrolle der Glukosewerte erfolgen. Eine Alternative zur Risikoberechnung ist die Durchführung eines oralen Glukosetoleranztests vor Transplantation. Eine Übersicht der Risikofaktoren zeigt die Abbildung, wobei gewisse Faktoren beeinflussbar sind und andere nicht. Zur Prävention und Therapie einer Glukoseintoleranz spielt die Ernährung eine zentrale Rolle. So steigt die Insulinsensitivität bei Gewichtsreduktion und insbesondere nach Abnahme der viszeralen Adipositas. Auch körperliche Aktivität und moderater Alkoholkonsum haben einen positiven Einfluss auf Insulinsensitivität und HDL-cKonzentrationen. Im Gegensatz dazu hat Rauchen einen negativen Einfluss. Die Entwicklung eines NODAT hat mehrere negative Folgen. So ist zum Beispiel das Patientenüberleben geringer: Wie eine
Tabelle: Pathomechanismen diabetogener Medikamente (29)
Immunsuppressivum Kortikosteroide
Cyclosporine Sirolimus Tacrolimus
Pathogenese • verminderte periphere Insulinsensitivität • gehemmte Insulinproduktion und -sekretion • gesteigerte Glukoneogenese • verminderte Insulinsekretion • verminderte Insulinproduktion • erhöhte periphere Insulinresistenz • verminderte Insulinsekretion auf Glykose • verminderte Insulinsekretion • verminderte Insulinproduktion
Kommentar • Dosis abhängig • potenziell vermindertes NODAT-Risiko ohne Kortikosteroidgabe
• Dosis abhängig
• verstärkt diabetogen in Kombination mit Calcineurin-Inhibitoren • Dosis abhängig
nicht beeinflussbar
beeinflussbar
evtl. beeinflussbar
Ethnie Alter Familiäre Belastung Leichennierenspende HLA-Mismatching
HCV/ CMVInfektion
Anpassung der Immunsuppression: • Kortikosteroide • Tacrolimus • Cyclosporin
Übergewicht
Lebensstilanpassungen
Abbildung: Risikofaktoren für NODAT (29).
Studie zeigte, nimmt das mittlere Langzeitüberleben nach NODAT mit 8,1 gegenüber 11,0 Jahren deutlich ab (15). Eine andere Studie ergab, dass 5 Jahre nach Transplantation noch 83 Prozent der NODAT-Patienten leben, im Vergleich zu 93 Prozent der Nicht-Diabetiker (14). Auch das Transplantatüberleben nimmt ab, obwohl sich dieser Unterschied mit dem verringerten Patientenüberleben zu decken scheint. Eine weitere Folge sind gehäufte Infektionen und Sepsis. Hier gibt es Anzeichen, dass Hyperglykämien die Immunantwort verändern (16, 17). Harnwegsinfekte und Pneumonien stehen als Infektherde im Mittelpunkt. Weitere Komplikationen im Zusammenhang mit einem Diabetes mellitus, wie die Ke-
toazidose und Hyperosmolarität, sowie ophtalmologische Probleme wie die Retinopathie, Neuropathie und schwere Hypoglykämien treten sowohl bei NODAT als auch bei nicht transplantierten Diabetikern auf (18). Für die Diagnostik eines NODAT gelten die gleichen Richtlinien wie für nicht transplantierte Patienten. Wichtig ist, dass eine HbA1c-Messung frühestens 3 Monate nach Transplantation durchgeführt werden soll, da bei früherer Bestimmung das Risiko eines falsch negativen Resultats besteht. Es wird empfohlen, unabhängig von Risikofaktoren, in den ersten 4 Wochen nach Transplantation 1-mal wöchentlich einen Nüchternglukosewert zu bestimmen. Auch bei der
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Therapie gelten die Richtlinien nicht transplantierter Patienten, wobei bei der Anwendung von Metformin zur Vorsicht geraten wird, da das Risiko einer Laktatazidose bei Niereninsuffizienz steigt. Häufig wird im Verlauf der Einsatz von Insulin notwendig. Wie bereits erwähnt, können Immunsuppressiva einen negativen Einfluss auf die diabetogene Stoffwechsellage haben. Eine Anpassung dieser Medikation muss jedoch immer gegen mögliche Nachteile, wie das erhöhte Risiko einer Abstossung, abgewogen werden.
Hyperurikämie
Hyperurikämie ist häufig nach Nierentransplantation und ist möglicherweise eine Folge der Immunsuppressiva wie Cyclosporin und Tacrolimus, der Diuretika und der eingeschränkten Nierenfunktion (19). Mehrere epidemiologische Studien haben eine Assoziation zwischen Hyperurikämie und kardiovaskulärem Risiko gezeigt, wobei ein kausaler Zusammenhang umstritten ist. So konnte bis jetzt nicht gezeigt werden, dass die Senkung der Harnsäure das kardiovaskuläre Risiko reduziert. Eine retrospektive Studie ergab, dass eine Hyperurikämie einen signifikanten Risikofaktor für das Transplantatüberleben darstellt (20). Gicht tritt bei nierentransplantierten Patienten deutlich häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Meistens ist die Hyperurikämie jedoch nur leicht ausgeprägt und asymptomatisch und braucht keine Diät oder medikamentöse Therapie. Wird der Einsatz von Medikamenten jedoch notwendig, kann das bei diesen Patienten problematisch werden. Allopurinol interagiert mit Azathioprin, und NSAR und Colchicin sind in Anbetracht der häufig eingeschränkten Nierenfunktion nicht einsetzbar. Vor allem zur Sekundärprophylaxe wird heutzutage meist die medikamentöse Therapie einer Diät vorgezogen. Bei Nierentransplantierten spielt die Diät jedoch wegen der beschränkten Möglichkeiten in der Medikamentenwahl eine wichtige Rolle. So sollte auf exzessiven Alkoholkonsum und sehr purinreiche Nahrungsmittel verzichtet werden.
Dyslipidämie
Die Prävalenz einer Dyslipidämie ist nach Nierentransplantation stark erhöht. Rund 60 Prozent der Patienten haben erhöhte Gesamtcholesterin- und LDL-c-Werte. Auch die Hypertriglyzeridämie ist mit einer Häufigkeit von 35 Prozent sehr hoch. Hingegen sind erniedrigte HDL-cWerte mit 15 Prozent vergleichbar häufig wie in der Normalbevölkerung (21). Mögliche Gründe für diese hohe Prävalenz der Dyslipidämie sind Immunsuppressiva (Sirolimus, Cyclosporin, Tacrolimus, Glukokortikoide), andere Medikamente wie Diuretika und Betablocker sowie Übergewicht, Insulinresistenz, Proteinurie und eine eingeschränkte Nierenfunktion. Obwohl lipidsenkende Diäten nach Nierentransplantation weniger wirksam sind im Vergleich zu dem Ausmass der dadurch erreichten Lipidsenkung in der Normalbevölkerung (22), spielt die Ernährung zusätzlich zur medikamentösen Therapie eine wichtige Rolle. So können Gesamtcholesterin und LDL bis zu 10 Prozent und Triglyzeride bis um 6 Prozent mit diätetischen Einstellungen gesenkt werden (23). Trotz den Anzeichen, dass LDL nach Nierentransplantation (möglicherweise mitbedingt durch Calcineurinhemmer) eine erhöhte Oxidationsanfälligkeit hat, fehlen Studien, die eine Gabe von Antioxidanzien wie Vitamin C und E stützen würden. Zumindest in der Normalbevölkerung gibt es Daten, die einer solchen Therapie keine Effekte bescheinigen.
Hypertonie
Nach Nierentransplantation weisen 50 bis 80 Prozent der Patienten erhöhte Blutdruckwerte auf. Mögliche Ursachen dafür sind wieder Immunsuppressiva (Kortikosteroide, Sirolimus, etwas weniger Tacrolimus) sowie eine Hypertension im Zusammenhang mit den Eigennieren oder eine essenzielle Hypertonie und Stenose der Nierentransplantatarterie. Cyclosporin führt beispielsweise zu einer Konstriktion des Vas afferens im Glomerulum und damit zu einer erniedrigten glomerulären Filtrationsrate mit konsekutiver Volumenund Salzretention. Gemäss den Richtlinien für nicht transplantierte Patienten mit arterieller Hyper-
tonie empfiehlt sich eine Salzrestriktion als diätetische Massnahme, bei Übergewicht kann eine Gewichtsabnahme sinnvoll sein, aber auch moderater Alkoholkonsum, körperliche Aktivität, Rauchstopp und die reduzierte Aufnahme gesättigter Fettsäuren und Cholesterin. Zwar gab es eine Studie mit 129 nierentransplantierten hypertonen Patienten, die keiner Salzbeschränkung unterlagen; ein Zusammenhang zwischen Salzzufuhr und Hypertonieprävalenz konnte hier nicht nachgewiesen werden (24). Bei einer insgesamt jedoch spärlichen Studienlage bei dieser Population scheint es dennoch sinnvoll, die erwähnten allgemeinen Richtlinien zu nutzen.
Hypomagnesiämie
Calcineurininhibitoren wie Cyclosporin und Tacrolimus können zu einem erhöhten renalen Magnesiumverlust führen. Eine Hypomagnesiämie kann wiederum die Toxizität der Calcineurininhibitoren verstärken. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Hypomagnesiämie, koronarer Herzkrankheit, Insulinresistenz und Diabetes ist in der Normalbevölkerung nicht bewiesen.
Kalzium und Phosphat
Die Störungen des Knochenstoffwechsels bei chronischer Niereninsuffizienz bessern sich meistens nach Nierentransplantation. Jedoch können gewisse Probleme auch weiter bestehen. So kann es zur Persistenz eines sekundären Hyperparathyreoidismus im Sinne einer tertiären Nebenschilddrüsenüberfunktion kommen, die mit Hypophosphatämie und gelegentlich auch Hyperkalzämie einhergeht. Hypophosphatämie ist häufig nach Nierentransplantation und wird durch einen tubulären Phosphatverlust verursacht. Weitere Ursachen sind – neben einem erhöhten Parathormon – möglicherweise die Gabe von Kortikosteroiden oder ein Vitamin-D-Mangel. Hypophosphatämie wiederum kann zu Knochenmarksuppression, Insulinresistenz und Muskelschwäche führen. Niedrige Phosphatspiegel im Rahmen des tubulären Verlusts können meistens durch eine Phosphat-
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substitution korrigiert werden. Eine Substitution ist trotz hohem Phosphatanteil in der westlichen Ernährung häufig erforderlich. Ein Verlust der Knochendichte ist ein häufiges Problem nach Nierentransplantation und wird durch einen persistierenden Hyperparathyreoidismus, Niereninsuffizienz, Azidose oder Kortikosteroide ausgelöst. Bei normaler Nierenfunktion und normaler Funktion der Nebenschilddrüse sind es vor allem die Kortikosteroide, die für die Entwicklung einer Osteoporose verantwortlich sind. Diese zeigt sich oft schon früh nach Transplantation, wobei der höchste Knochenmasseverlust in den ersten 6 bis 12 Monaten stattfindet, wenn die Dosierung des Kortisons am höchsten ist. Neben direkter Hemmung des Knochenaufbaus durch eine Hemmung der Osteoblasten führen Kortikosteroide auch zu verminderter intestinaler Kalziumaufnahme und vermehrtem renalem Kalziumverlust mit folglich erhöhter Parathormonausschüttung im Rahmen der negativen Kalziumbilanz. Präventive Massnahmen beinhalten sowohl allgemeine Vorkehrungen, wie Rauchstopp und körperliche Betätigung als auch genügende Kalziumzufuhr und gegebenenfalls Thiaziddiuretika bei Hyperkalziurie.
Albumin
Hypoalbuminämie ist, wie bei der Normalbevölkerung, auch bei nierentransplantierten Patienten mit erhöhter Sterblichkeit assoziiert (25) sowie mit einem Transplantatverlust nach Nierentransplantation (26). Warum dieser Zusammenhang besteht, ist nicht klar. Bekanntlich ist Albumin ein negatives AkutPhase-Protein, sodass eine Hypoalbuminämie möglicherweise eine bestehende systemische Inflammation widerspiegelt.
Nahrungsmittelbedingte Infektionen
Grundsätzlich ist das Risiko für Infektionen nach einer Nierentransplantation erhöht, wobei bakterielle Infekte eine zentrale Rolle spielen. Im Gegensatz zur Lungen-, Herz- und Lebertransplantation ist die Mortalität durch Infektionskrank-
heiten nach Nierentransplantation jedoch deutlich seltener. Ein wichtiger Grund dafür ist die Tatsache, dass die Immunsuppression nach Nierentransplantation bei lebensbedrohlichen Infektionen vorübergehend unterbrochen oder sogar gestoppt werden kann, da bei einem dadurch möglicherweise (?) entstehenden Transplantatversagen im Rahmen einer Abstossung des Organs eine Ersatztherapie mit der Dialyse zur Verfügung steht. Für die Abwehr nahrungsmittelbedingter Infektionen spielt das Lymphsystem des Gastrointestinaltrakts (gut-associated lymphoid tissue [GALT]) eine zentrale Rolle. Medikamente zur Immunsuppression beeinflussen die Aktivität der B- und TLymphozyten, womit auch die Abwehrfunktion des GALT eingeschränkt wird. Daraus folgt, dass bei organtransplantierten Patienten nur 20 bis 30 Prozent der Menge eines Krankheitserregers, die einen gesunden Erwachsenen erkranken lassen, bereits zu Symptomen führen (27). Diese Patienten sind dadurch deutlich anfälliger für nahrungsmittelbedingte Infektionen. Zudem kann der Krankheitsverlauf schwerwiegender sein, eine kürzere Inkubationszeit aufweisen und mit stärkeren Symptomen, im Extremfall schwerer Dehydrierung, Organversagen, Sepsis oder Tod, einhergehen. Zur Prävention sollten die auch für Gesunde geltenden Massnahmen wie cook it, boil it, peel it or leave it (braten, kochen, schälen oder sein lassen) eingehalten werden. Zudem sollte auf eine gute Händehygiene geachtet werden. Vor allem bei Reisen in Länder mit niedrigem Hygienestandard ist Vorsicht geboten, da hier neben der erhöhten Infektionsgefahr meist auch die medizinische Versorgung deutlich schlechter ist.
Ernährung und Immunsuppressiva
Die Bioverfügbarkeit der Calcineurininhibitoren Tacrolimus und Cyclosporin variiert stark. Beide werden in erster Linie durch Zytochrom-P450-Isoenzyme (vorwiegend CYP 3A4) in der Leber und im Dünndarm metabolisiert. Dies führt zu zahlreichen Interaktionen mit anderen Medikamenten, die ebenfalls über diese
Enzyme metabolisiert werden, wie Verapamil, Nifedipin, Colchicin und verschiedene Antibiotika. Auch gewisse Nahrungsmittel können einen Einfluss auf die Pharmakokinetik von Medikamenten haben. So erhöht zum Beispiel Grapefruitsaft die orale Verfügbarkeit von Cyclosporin und anderen Medikamenten, die über CYP3A4 metabolisiert werden. Interessanterweise verändert Grapefruitsaft jedoch die Verfügbarkeit von intravenös verabreichtem Cyclosporin nicht, sondern scheint nur die intestinale Aktivität von CYP3A4 zu beinflussen, nicht jedoch die hepatische (28). Auch das Transportprotein P-Glykoprotein spielt eine zentrale Rolle für die Pharmakokinetik gewisser Medikamente. Dieses Trägerprotein befindet sich unter anderem in der Zellmembran von Enterozyten und transportiert gewisse Substanzen, unter anderen beispielsweise auch Cyclosporin und Tacrolimus, zurück in das intestinale Lumen. Neben Grapefruitsaft hat möglicherweise auch Orangensaft einen Einfluss auf P-Glykoprotein. Johanniskraut, das oft gegen Depressionen eingesetzt wird, induziert intestinales CYP 3A4 und intestinales P-Glykoprotein, wobei es zu schwerwiegenden Interaktionen mit Cyclosporin kommen kann, bis zu einer akuten Abstossung eines Nierentransplantats.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Michael Girsberger
Abtlg. für Nephrologie
Medizinische Universitätsklinik
Kantonsspital Baselland
4410 Liestal
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