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ERNÄHRUNG BEI NIERENERKRANKUNGEN
Ernährung bei Hämo- und Peritonealdialysepatienten
INEKE GRENDELMEIER*
Abhängig von der verwendeten Methode respektive der einbezogenen Studienpopulation sind 40 bis 70 Prozent der Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz mangelernährt. Das wirkt sich nicht nur auf die Lebensqualität aus, sondern stellt einen unabhängigen Risikofaktor für die Morbidität und die Mortalität in dieser Patientengruppe dar. Einerseits korreliert die Dauer an der Dialyse mit dem zunehmenden Auftreten von Mangelernährung, andererseits ist ein Teil der Patienten bereits im Stadium IV der Niereninsuffizienz mangelernährt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass diese Patienten schon fehlernährt mit der Dialysetherapie beginnen.
Prävalenz der Malnutrition bei Dialysepatienten
Malnutrition kann als Spätkomplikation des chronischen Nierenversagens angesehen werden. Mit der Abnahme der glomerulären Filtrationsrate sinkt die Proteinaufnahme. Die French National Cooperative Study konnte bei 7123 Patienten anhand des Body-Mass-Index (BMI), der normalisierten Protein-Catabolic-Rate (nPCR) und diverser Laboranalysen zeigen, dass bei bis zu 36 Prozent der Patienten eine schwere Malnutrition vorlag. Diverse kleinere und grössere Kohortenstudien konnten darüber hinaus belegen, dass eine ungenügende Proteinenergiezufuhr mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität einhergeht.
Ursachen für die Mangelernährung
Ursachen für eine nicht adäquate Ernährung bei Patienten an der Dialyse respektive im Prädialysestadium lassen sich unterteilen in eine mangelhafte Energie-
*KOA, Innere Medizin und Nephrologie, Med. Uniklinik, Kantonsspital Baselland, Liestal
zufuhr, einen vermehrten Verbrauch und eine mangelnde Nährstoffverwertung. Gründe hierfür sind: • eine reduzierte Nahrungsaufnahme • eine (zu) restriktive Diätverordnung • die sogenannte «Urämie» • die Mikroinflammation (MIA-Syndrom) • die metabolische Azidose • endokrine (Insulinresistenz, Hyperpara-
thyreoidismus, erhöhtes Plasmaleptin) und • gastrointestinale Faktoren (Gastroparese, Malabsorption). Die am einfachsten zu behebende Ursache ist eine ungenügende Dialysedosis, die zu Appetitlosigkeit und zur Anorexie führen kann. Besondere Vorsicht ist geboten bei Patienten, die ein niedriges Kt/V (Formel zur Berechnung der Dialysequalität; K = clearance, wird über den Harnstoff ermittelt, t = Zeit, V = Verteilungsvolumen) und einen tiefen Harnstoffwert aufweisen. Das kann fälschlicherweise als gute Dialysequalität interpretiert werden, hängt aber beim mangelernährten Patienten mit einer niedrigen Proteinzufuhr und dementsprechend mit einem
niedrigen Harnstoffwert zusammen. Bei gut dialysierten Patienten sollte bei Auftreten einer Mangelernährung eine akute, chronische oder eine okkulte, systemische Erkrankung ausgeschlossen werden. Nachfolgend sollen einige Faktoren, die auch bei gut dialysierten Patienten die Ernährung beeinflussen können, besonders erwähnt werden. Dazu gehören: • akute, chronische oder versteckte sys-
temische Erkrankungen, die eine inflammatorische Reaktion hervorrufen. Diese können durch vermehrten Energieverbrauch, erhöhte Zytokinaktivität und oxidativen Stress zu Malnutrition führen. Patienten mit Malnutrition sollten deshalb im Hinblick auf eine Entzündung gut abgeklärt und die Ursache behandelt werden. • die Dialysebehandlung selbst, die zu einem Verlust von Nahrungsbausteinen (z.B. Aminosäuren, Proteine, Vitamine) führt. • allzu restriktive Diätempfehlungen, die die Freude am Essen nehmen und zu einer mangelnden Kalorienzufuhr führen. Dabei sollte auch berücksichtigt
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werden, dass ein Teil der Kalorien durch Getränke zugeführt wird, sodass eine Trinkmengenrestriktion zu einer Reduktion der Energiezufuhr führen kann. • Medikamente zur Reduktion der Phosphataufnahme (sog. Phosphatbinder), die bei Dialysepatienten häufig zum Einsatz kommen; sie können die Nahrungsaufnahme beeinflussen. • die Gastroparese, die mit einer verzögerten Magenentleerung einhergeht und an der viele Patienten an der Dialyse, insbesondere Patienten mit Diabetes mellitus, leiden. Auch das intraabdominale Dialysat bei der Peritonealdialyse kann Völlegefühle verursachen. • die metabolische Azidose, die chronische Hypervolämie und die Retention mittelgrosser Moleküle, die die Verwertung, den Abbau und die Aufnahme von Nahrung, insbesondere von Proteinen und Aminosäuren, beeinflussen.
Erfassen der Malnutrition bezie-
hungsweise der Parameter für den
Ernährungszustand an der Dialyse
Anamnese und Status Die Patientenanamnese und die sorgfältige körperliche Untersuchung liefern erste hilfreiche Hinweise auf den Ernährungszustand und die mögliche Ursache für eine Mangelernährung. Der Patient sollte explizit nach Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsverlust oder -zunahme gefragt werden. Vor allem rasche (interdialytische) Gewichtszunahmen widerspiegeln eine übermässige Salz- und Wasserzufuhr im Intervall. Eine langsame Gewichtszunahme über Monate kann hingegen Ausdruck eines gesteigerten Appetits und eines besseren Ernährungszustandes sein. Wie bei anderen Patienten auch kann eine Mangelernährung durch eine Alkoholerkrankung, einen Diabetes mellitus und durch gastrointestinale Probleme mit Resorptionsstörungen ausgelöst werden. Psychosoziale Faktoren, die sich auf das Interesse, sich gut zu ernähren, sowie den Zugang zu entsprechenden Nahrungsmitteln und die Fähigkeit, sich Mahlzeiten zuzubereiten, auswirken, sollten ebenfalls in der Ernährungsanamnese
erfasst werden. Dabei sollten auch Depressionen ausgeschlossen werden. Bei der körperlichen Untersuchung ist besonderes Augenmerk auf den Volumenstatus des Patienten und sein «Trockengewicht» zu legen. Das Trockengewicht ist mit dem empfohlenen Idealgewicht zu vergleichen. Bei der monatlichen Visite sollen die Änderungen des Trockengewichtes erfasst werden.
Ernährungsprotokoll Alle sechs Monate ist bei jedem Patienten die Nahrungszufuhr zu erfassen. Idealerweise wird über einen kurzen Zeitraum, der Dialyse- und Nichtdialysetage mit einbezieht, ein Essprotokoll geführt, wobei der Patient die eingenommenen Mahlzeiten dokumentiert und mit Mengenangaben versieht. Aus diesen Angaben lässt sich die Energiezufuhr abschätzen.
Anthropometrie Die Anthropometrie dient der Evaluation der Körperfett- und der Muskelmasse. Es handelt sich hierbei um eine schnelle, nicht invasive und reproduzierbare Methode, die zum Beispiel von einer Ernährungsberaterin durchgeführt werden kann. Mit einer Hautfaltenmessung über dem Trizeps oder subskapulär kann die Körperfettmasse und mit einer Messung des Armumfanges die Muskelmasse geschätzt und mit Standardtabellen verglichen werden. Üblicherweise werden hierzu die in den National Health and Nutrition Examination Surveys (NHANESII 1976–1980) erhobenen Daten verwendet. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Werte für männliche sowie für diabetische weibliche Hämodialysepatienten und für alle Peritonealdialysepatienten nicht von gesunden Probanden unterscheiden. Bei nicht diabetischen Frauen sowie bei über 55-jährigen schwarzhäutigen diabetischen Frauen an der Hämodialyse muss berücksichtigt werden, dass diese Patientinnen tiefere Werte bei der Hautfaltenmessung aufweisen als die gesunde Population. Der Nachteil dieser Methode besteht darin, dass adäquate Aussagen nur dann gemacht werden können, wenn repetitive Messungen durch den gleichen Untersucher erfolgen.
Eine kompliziertere Methode zur Untersuchung der Körperzusammensetzung stellt die biolelektrische Impedanzmessung (BIA) dar. Auch diese Methode wurde inzwischen auf die Anwendbarkeit bei Dialysepatienten überprüft. Ihre Aussagekraft wird vor allem dadurch eingeschränkt, dass die Unterscheidung zwischen Fettmasse und Körperwasser schwierig ist.
Laboranalysen Bei Dialysepatienten kann die Bestimmung zirkulierender Plasmaeiweisse für die Evaluation des Ernährungszustandes hilfreich sein. Die Ergebnisse sollten aber immer im Zusammenhang mit der jeweiligen Grunderkrankung und den entsprechenden Limitationen interpretiert werden. Albumin: Die Plasmaalbuminkonzentration korreliert gut mit den Körpereiweissspeichern. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass ein Absinken des Albumins (< 38 g/l) bei Vorliegen einer Malnutrition erst spät beobachtet wird, was daran liegt, dass es eine lange Halbwertszeit besitzt und in der Leber noch lange produziert werden kann. Darüber hinaus kann eine Zunahme des Extrazellulärvolumens ein Absinken des Albumins durch Verdünnung vortäuschen. Das ist insbesondere bei anurischen oder hypervolämen Patienten vor der Dialyse zu berücksichtigen. Eine niedrige Plasmaalbuminkonzentration kann ebenfalls bei einer (okkulten) Infektion und inflammatorischen Zuständen auftreten und sollte nicht mit einer Malnutrition oder einer ungenügenden Dialysedosis gleichgesetzt werden. Die National Kidney Foundation Dialysis Outcome Quality Initiative (NKF-DOQI) empfiehlt monatliche Bestimmungen des Albumins bei Dialysepatienten. Präalbumin: Das Präalbumin kann bei Malnutrition ebenfalls absinken (< 300 mg/l), wird aber hauptsächlich durch die Nieren ausgeschieden und kumuliert bei Dialysepatienten. Aus diesem Grunde kann es nur im Sinne eines Verlaufsparameters genutzt werden, wenn serielle Messwerte vorliegen und ein Basalwert bestimmt wurde. Auch sollte, analog zum Albumin, eine
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andere Grundkrankheit ausgeschlossen werden. Transferrin: Transferrin wird üblicherweise bei Nierengesunden genutzt, um den Ernährungsstatus zu erfassen. Bei niereninsuffizienten Patienten muss berücksichtigt werden, dass das Transferrin zusätzlich auch aufgrund von Schwankungen der Eisenspeicher reduziert sein kann. Aminosäuren: Aminosäuren sind ein unzuverlässiger Parameter, da die Plasmakonzentrationen für essenzielle und nicht essenzielle Aminosäuren bei Dialysepatienten stark schwanken. Cholesterol: Ebenso wie bei nierengesunden Patienten sinkt auch bei Dialysepatienten die Cholesterolplasmakonzentration bei Malnutrition ab. Ein Wert von < 2,6 mmol/l (100 mg/dl) spricht für Mangelernährung. Es besteht eine umgekehrte Korrelation zwischen dem Cholesterinplasmaspiegel und der Mortalität. Harnstoff: Ein Absinken des vor allem seriell bestimmten prädialytischen Harnstoffs kann beim Dialysepatienten auf eine reduzierte Proteinzufuhr und eine Mangelernährung hinweisen. Daher sollte bei einem Absinken des Harnstoffs nicht reflexartig die Reduktion der Dialysedosis erfolgen. Kreatininproduktion: Da das Kreatinin im Skelettmuskel produziert wird, eignet sich die 24-h-Urin-Kreatininbestimmung bei Dialysepatienten zur Bestimmung der «Lean Body Mass». Diese korreliert mit dem Plasmaalbumin, dem Überleben und dem klinischen Outcome, allerdings müssen auch hier erhebliche interindividuelle Variationen sowie der klinische Status des Patienten mitberücksichtigt werden. Protein-Catabolic-Rate (PCR): Die PCR kann dazu genutzt werden, um die Proteinzufuhr eines (stabilen) Dialysepatienten zu evaluieren. Sie ist dann hilfreich, wenn zwischen einem gut dialysierten Patienten mit einem (wünschenswert) tiefen prädialytischen Harnstoffwert und einem Dialysepatienten mit tiefem Harnstoffwert aufgrund zu geringer Eiweisszufuhr unterschieden werden muss. Dabei wird bei Patienten mit konstanter Nahrungszufuhr der interdialytische Harnstoffanstieg im Serum inklusive der
Abbildung 1: Empfohlene tägliche Protein- und Kalorienzufuhr gemäss European Society for Clinical Nutrition (ESPEN), National Kidney Foundation (NKF) und European Best Practice Guidelines (EBPG)
Harnstoffausscheidung im Urin bei Patienten mit Restdiurese bestimmt und in Korrelation mit dem interdialytischen Intervall gesetzt. Die PCR sollte bei > 1 g/kg idealem Körpergewicht/Tag liegen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es keinen einzelnen Marker gibt, der zuverlässig über den Ernährungszustand eines Patienten Auskunft gibt. Das gilt insbesondere für Dialysepatienten, da sowohl die Niereninsuffizienz als auch die Dialyse eine Reihe von Parametern verfälschen können. Den besten Hinweis gibt immer noch die Kombination aus Klinik und (seriellen) Laborparametern.
Ernährungsbedarf bei
Dialysepatienten (HD/PD)
Den speziellen Bedürfnissen von Dialysepatienten sollte bei einer Ernährungsberatung Rechnung getragen werden. Protein- und Energiebedarf: Es ist anzunehmen, dass rund 40 Prozent der Hämodialysepatienten eine Proteinenergiemalnutrition aufweisen. Bei Dialysepatienten kommt es schon allein aufgrund des Verfahrens zu Eiweissverlusten (z.B. via Dialysefilter) und zu einem katabolen Zustand. Die zu empfehlende Proteinzufuhr liegt bei 1,2 g/kg KG/Tag, wobei Peritonealdialysepatienten aufgrund des zusätzlichen Proteinverlustes über das Dialysat einen noch etwas höheren Proteinbedarf haben. Damit ein optimales metabolisches Gleichgewicht erreicht
werden kann, muss gleichzeitig auf eine adäquate Gesamtenergiezufuhr von 30 bis 40 kcal/kg/Tag geachtet werden. Abbildung 1 fasst die Empfehlungen unterschiedlicher internationaler Guidelines zusammen. Vitamine: Ein Mangel an aktiviertem Vitamin D liegt gelegentlich bei älteren Dialysepatienten aufgrund mangelnder Zufuhr und ungenügender Lichtexposition vor und sollte somit behandelt werden. Die meisten Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz weisen aber vor allem eine verminderte Bildung von 1,25(OH-)2-Vitamin D3 auf und sollten deshalb, unter Berücksichtigung des Kalzium-Phosphat-Haushalts und des intakten Parathormons (iPTH), eine Calcitriol-Substitution erhalten. Vitamin C wird durch die Dialyse entfernt und sollte durch Zufuhr von 60 bis 200 mg Ascorbinsäure/Tag ersetzt werden. Ein Vitamin-B12-Mangel liegt bei Dialysepatienten nicht häufiger vor als bei anderen Patienten. Ein Folsäuremangel lässt sich zwar beobachten, ist aber selten von klinischer Relevanz. Diese beiden Vitamine sollten vor allem dann bestimmt und eventuell substituiert werden, wenn Anzeichen eines Mangels vorliegen (z.B. megaloblastäre Anämie, Polyneuropathie). Vitamin B6 ist im Serum und in den Erythrozyten chronischer Dialysepatienten ebenfalls erniedrigt und sollte daher substituiert werden (5–10 mg/Tag). Vitamin-A-Substitutionen sollten dagegen
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Abbildung 2: Die Unterscheidung zwischen Fehlernährung und Unterernährung impliziert unterschiedliche Interventionsschritte beim Dialysepatienten (IDPN = intradialytische parenterale Ernährung).
wegen der Gefahr einer Überdosierung mit dem fettlöslichen Vitamin vermieden werden. In den letzten Jahren rückte das Vitamin K als protektiver Faktor gegen Atherosklerose gerade bei Dialysepatienten in den Fokus. Patienten, die Langzeitantibiotika erhalten und/oder eine mangelhafte Zufuhr an Vitamin K aufweisen, können von einer Substitution mit 10 mg/Tag profitieren. Für Dialysepatienten stehen orale Formulierungen von Vitamin-B-Komplex in Kombination mit Vitamin C und Folsäure zur Verfügung. Mineralien: Phosphat ist bei Dialysepatienten häufig erhöht. Um eine Hyperphosphatämie und einen sekundären Hyperparathyreoidismus zu verhindern, sollte die Phosphatzufuhr auf 800 bis 1000 mg Phosphat/Tag reduziert werden. Das kommt in Konflikt mit der empfohlenen täglichen Eiweisszufuhr. Ein 70 kg schwerer Dialysepatient sollte zirka 80 g Eiweiss/Tag zu sich nehmen. Das bedeutet eine tägliche Phosphatzufuhr von 1100 mg. In Abhängigkeit von Vitamin D werden 40 bis 80 Prozent Phosphat resorbiert, was einer Nettozufuhr von 800 bis 1700 mg in 2 Tagen entspricht. Eine Dialysesitzung kann aber nur 500 bis 700 mg Phosphat entfernen, sodass eine positive Phosphatbilanz, ein erhöhtes Kalziumphosphatprodukt und intaktes Parathormon sowie ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko resultieren. Diesem Umstand kann durch entsprechende
Ernährungsempfehlungen (proteinreiche Nahrungsmittel mit niedrigem Phosphatgehalt), den Einsatz von Phosphatbindern und ein ausreichendes Dialyseregime Rechnung getragen werden. Dialysepatienten wird eine maximale Zufuhr von 2000 mg Kalzium/Tag empfohlen. Dieser Grenzwert kann jedoch überschritten werden, vor allem wenn kalziumhaltige Phosphatbinder eingesetzt werden. Das lässt sich durch einen Wechsel auf kalziumfreie Phosphatbinder umgehen. Um die interdialytische Gewichtszunahme zu kontrollieren, die mit der Salz- und Wasserzufuhr korreliert, wird eine maximale Zufuhr von 5 bis 6 g (75 mg/kg KG) Natriumchlorid empfohlen. Je mehr die Eigendiurese abnimmt, umso mehr gewinnen die Salz- und die Wasserinstruktion beziehungsweise -restriktion an Bedeutung. Bei einem anurischen Patienten wird pro 8 g NaCl 1 Liter Wasser benötigt, um die Serumosmolarität aufrechtzuerhalten. Bei der Beratung von Dialysepatienten sollte auf sogenannte «versteckte» Salze hingewiesen werden. Die tägliche Flüssigkeitszufuhr lässt sich durch eine einfache Faustregel ermitteln: Demnach werden zum täglichen Volumen der Eigendiurese 500 ml Trinkmenge addiert. Patienten, die vor der Dialyse einen Serumkaliumwert von > 6 mmol/l aufweisen, sollten eine Beratung über kaliumarme Ernährung erhalten. Gleichzeitig sind immer andere mögliche Auslöser (z.B.
Metabolische Azidose, medikamentöse Ursachen, Zelluntergang) auszuschliessen. Lassen sich keine behandelbaren Gründe finden, können Kaliumaustauscherharze eingesetzt werden. Spurenelemente: Ein chronischer Eisenmangel ist bei Dialysepatienten aufgrund von Blutverlusten (Blutprobenentnahme, Verluste an der Dialyse, gastrointestinale Blutungen) häufig zu beobachten. Zusätzlich kann die Eisenresorption bei Dialysepatienten durch Protonenpumpenhemmer und Phosphatbinder aufgrund erhöhter gastraler pH-Werte eingeschränkt sein. Die meisten Dialysepatienten erhalten intravenöse Eisensubstitutionen. Empfohlen ist eine tägliche Zufuhr von 8 mg Eisen bei männlichen und 15 mg Eisen bei prämenopausalen weiblichen Dialysepatienten. Die routinemässige Substitution von Zink und Selen wird nicht empfohlen.
Behandlung der Mangelernährung
bei Dialysepatienten
Wie eingangs erwähnt, sollte ein Dialysepatient, der Anzeichen einer Mangelernährung aufweist, im Hinblick auf mögliche zugrunde liegende Ursachen sorgfältig evaluiert werden und eine entsprechende kausale Therapie erhalten. Medikamente, die mit der Nahrungsaufnahme und -verwertung interferieren, sollten, wenn möglich, abgesetzt werden. Bei einer Gastroparese kann ein Versuch mit prokinetisch wirksamen Medikamenten unternommen werden. Es gilt, primär zu unterscheiden, ob es sich um eine Fehlernährung (= qualitative Mangelernährung) mit mangelnder oder falscher Versorgung an Vitaminen und Mineralien oder um eine Unterernährung (= quantitative Mangelernährung), also eine mangelnde Kalorienzufuhr, handelt. Das impliziert unterschiedliche Vorgehensweisen (Abbildung 2). Der Patient sollte hinsichtlich der Dialysequalität untersucht und entsprechende Massnahmen sollten zur Optimierung ergriffen werden. Falls eine Verbesserung des Ernährungszustandes mit diesen Massnahmen inklusive einer Ernährungsberatung nicht erreicht werden kann, sollte schrittweise vorgegangen werden:
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angefangen bei einer oralen Supplementation bis hin zu einer parenteralen Ernährung. Die orale Substitution ist die einfachste und kostengünstigste Variante zur Nährstoffergänzung. Mittlerweile sind diverse Produkte für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz auf dem Markt. Dabei ist darauf zu achten, dass das eingesetzte Produkt, neben einem niedrigen Kaliumgehalt, eine adäquate Eiweiss- und Kalorienzufuhr gewährleistet und der Salzrestriktion Rechnung getragen wird. Eine andere Form der Nahrungsergänzung sind die Sondenernährung oder die intradialytische parenterale Ernährung (IDPN). IDPN heisst, dass während der Dialysebehandlung eine Nährlösung verabreicht wird. Diese Methode ist Patienten vorbehalten, bei denen durch eine orale Supplementation keine Verbesserung des Ernährungszustandes zu erreichen ist. Verwendet werden Nährlösungen, die für eine totale parenterale Ernährung geeignet sind. Eine typische Lösung enthält 10 Prozent Aminosäuren, 40 bis 50 Prozent Glukose und10 bis 20 Prozent Lipide. Diese Methode ist sicherlich nicht nur die teuerste, sondern auch die am wenigsten effiziente: Der Patient erhält die Ernährung nur drei Mal pro Woche, wobei 30 Prozent der Nährstoffe durch die Dialyse wieder entfernt werden.
Besonderheiten bei Peritoneal-
dialysepatienten
Das meiste des Obenerwähnten gilt gleichermassen für Hämo- und Peritonealdialysepatienten. Unterschiede bestehen in einem erhöhten Eiweissverlust über das Dialysat sowie dem Umstand, dass die Füllung des Abdomens den Appetit hemmen kann, und darin, dass die Diätvorschriften weniger streng gehandhabt werden müssen, da Peritonealdialysepatienten ihre Eigendiurese länger erhalten können und der Flüssigkeits- und Kaliumhaushalt somit weniger Probleme bietet. Ebenfalls muss berücksichtigt werden, dass als osmotischer Hauptträger bei der Peritonealdialyse glukosehaltige Lösungen unterschiedlicher Konzentration eingesetzt werden, wobei zirka 60 Prozent der enthaltenen Glukose absorbiert werden. Je nach Glukosekonzentration werden zwischen 109 und 309 kcal pro 2-l-Beutel aufgenommen. Dementsprechend muss die Kalorienzufuhr über die Nahrung angepasst werden. Inzwischen stehen Aminosäurelösungen zur Verfügung, die als Dialysat eingesetzt werden können, um den Verlust von Aminosäuren auszugleichen. Um eine Überversorgung mit Aminosäuren, einen Harnstoffanstieg sowie eine metabolische Azidose zu vermeiden, sollte pro Tag nicht mehr als ein Beutel einer solchen Lösung verwendet werden. Gleichzeitig sollten
500 bis 700 kcal Kohlenhydrate zugeführt werden, um die Aminosäuren optimal zu metabolisieren. Patienten mit einem Füllvolumenproblem sollten den Bauch vor der Mahlzeit leeren und kleine Portionen zu sich nehmen. Zudem sollte die Dialyseverschreibung überprüft werden.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Ineke Grendelmeier
Nephrologie/Medizinische Universitätsklinik
Kantonsspital Baselland
Rheinstrasse 26, 4410 Liestal
E-Mail: ineke.grendelmeier@ksbl.ch
Literatur und Quellenangaben: 1. Fouque D, Vennegoor M, ter Wee P et al.; EBPG Guideline on nutrition. Nephrol Dial transplant 2007; 22 Suppl 2:ii 45–87. 2. Marsha Wolfson, Steve J Schwab, Alice M Sheridan, Wolters Kluwer. Pathogenesis and treatment of malnutrition in maintenance dialysis, UpToDate©2014. 3. Dombros N, Dratwa M, Feriani M et al.; European best practice guidelines for peritoneal dialysis. 8. Nutrition in peritoneal dialysis. Nephrol Dial Transplant 2005; 20 Suppl 9: ix28–ix33. 4. Ernährung des Hämo-und Peritonealdialysepatienten, J. Saupe und R. Hirschberg. Aus: Dialyseverfahren in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag, 6. Auflage, 2003. 5. Cano N, Fiaccadori E, Tesinsky P et al.; ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Adult renal failure. Clin Nutr 2006; 25: 295–310.
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