Transkript
ZAHNGESUNDHEIT
Zahnfreundliche Milchprodukte
BARBARA WALTHER
Obschon seit den Siebzigerjahren
dank der verbesserten Prophylaxe
(Schulzahnpflege, fluorierte Mund-
hygieneartikel, fluoriertes Salz) die
Kariesprävalenz stark abgenom-
men hat, sind je nach Bevölke-
rungsgruppe immer noch bis zu
45 Prozent der untersuchten Perso-
nen davon befallen. Langjährige
Forschung auf diesem Gebiet zeigt,
dass Milch und Milchprodukte
eine präventive und zum Teil sogar
regenerative Wirkung auf die Zahn-
gesundheit haben.
In vielen Sprachen werden die ersten Zähne Milchzähne genannt, doch der Zusammenhang von Milch und Zähnen ist nicht nur ein sprachlicher und geht auch weit über das Kleinkindalter hinaus. Schon in den Dreissigerjahren haben Forscher auf einen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und guter oraler Gesundheit hingewiesen.
Milch wirkt nicht kariogen
Karies ist eine Erkrankung von Zahnschmelz und Dentin, auch Zahnhartgewebe genannt. Sogenannte Plaquebakterien fermentieren Zucker zu Säuren, die den Zahnschmelz und/oder das Dentin entkalken, was zu Läsionen, Löchern und schliesslich zur Fäulnis des Zahns führt. Obschon auch Milch Zucker enthält, wirkt dieser nicht kariogen, denn im Gegensatz zu Saccharose, die den pH-Wert im Mund unter 5,0 fallen lässt, bleibt er nach dem Konsum von Laktose um 6,0. Gefährlich für den Zahnschmelz sind pH-Werte unter 5,5.
Gereifter Käse
als Säurepuffer
Milch und Milchprodukte sind aber nicht nur wegen ihres zahnschonenden Zuckergehaltes karieshemmend. Sie enthalten auch bedeutende Mengen an leicht verfügbarem Kalzium, das zusammen mit Caseinophosphopeptiden (CPP) bei der Fermentation von Milch zu einem Komplex wird, der die Kalziumkonzentration im Speichel sowie im Biofilm der Plaquebakterien erhöht. So wird einer Entmineralisierung des Zahns vorgebeugt und sogar eine Remineralisierung von bestehenden Läsionen bewirkt. Diese milchtypische Verbindung hat inzwischen bei verschiedenen Zahnhygieneprodukten (Zahnpaste, Kaugummis) Anwendung gefunden. Da der Gehalt dieser Komplexe insbesondere in Käse hoch ist, wurde die Wirksamkeit dieses Milchproduktes auf die Zahngesundheit in verschiedenen Studien überprüft. Zwischen den Käsesorten fanden sich dabei grosse Unterschiede: So fiel der pH-Wert in der Plaque nach dem Konsum verschiedener Sorten Halbhart- und Hartkäse kaum oder nur geringfügig ab, nach dem Konsum von Hüttenkäse trat ein mittlerer Abfall und nach Feta, Provolone und jungem Cheddar ein starker pH-Abfall auf unter 5,0 auf. Es scheint also, dass vor allem gereifter Käse diese puffernde Wirkung hat. Die karieshemmende Wirkung von Käse wird aber nicht allein dem Caseinophosphopeptid-Kalzium-Komplex zugeschrieben. Ein weiteres aus dem Kasein stammendes Peptid, das Glycomacropeptid, hat in In-vitro-Versuchen das Anhaften von kariogenen Bakterien wie dem Streptococcus mutans an der Zahnoberfläche gehemmt und damit einen wichtigen Mitspieler bei der Kariesentstehung geschwächt. Zudem regt das Kauen von Käse den Speichelfluss an, was eine verbesserte Reinigung der Zähne von Es-
sensresten bewirkt. Sogar Milchfett wird eine schützende Wirkung zugesprochen, die entweder physikalisch durch eine geringere Anhaftung von Speisen am Zahn oder mikrobiologisch durch einen bakteriostatischen Effekt der mittelkettigen Fettsäuren (C8–C12) hervorgerufen wird.
Milch nach zuckerhaltigen Lebensmitteln
Leider fehlen bis heute genügend gut angelegte klinische Studien, die den kausalen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Milch und Milchprodukten und einer verbesserten Zahngesundheit nachweisen können. Deshalb hat die EFSA 2008 auch eine dahingehende Auslobung von Milchprodukten bei Kindern abgelehnt. Alle bis heute erschienenen Übersichtsartikel gelangen jedoch auf Basis obiger Studien zum Schluss, dass Milch und Milchprodukte an sich nicht kariogen sind und eine schützende Wirkung nach dem Konsum von zuckerhaltigen Lebensmitteln haben können.
Korrespondenzadresse: Barbara Walther Eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras Schwarzenburgstrasse 161, 3003 Bern
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