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NAHRUNGSMITTELUNVERTRÄGLICHKEITEN
Reizdarmsyndrom: Ein Überblick über Pathophysiologie und Therapie
NORA SCHAUB*, LUKAS DEGEN*
An funktionellen gastrointestinalen Krankheiten, speziell dem Reizdarmsyndrom (RDS), leiden zwischen 5 und 15 Prozent der Bevölkerung (1). Obwohl nur zirka 25 Prozent der Betroffenen einen Arzt aufsuchen, können diese Krankheitsbilder durch ihren chronischen Verlauf nicht nur zu einem erheblichen Leidensdruck, sondern auch zu gesteigerten Arbeitsausfällen und zu vermehrten sozialen Kosten führen. Im ersten Abschnitt geht dieser Artikel auf die spezifische Klinik und die Diagnose des RDS ein. Daran anschliessend erhalten Sie einen Überblick über die komplexe Pathophysiologie, und schlussendlich wird das stufenweise therapeutische Vorgehen diskutiert. Nahrungsmittelassoziierte Aspekte des RDS werden in einem der nachfolgenden Artikel separat behandelt (s. Seite 12).
Klinik und Abklärung des Reizdarmsyndroms
Die Diagnose eines RDS wird klinisch anhand der sogenannten Rom-III-Kriterien gestellt (Tabelle 1). Typische Symptome sind Bauchschmerzen, die mit Stuhlunregelmässigkeiten verbunden sind. Je nach Art der Veränderung des Stuhlgangs werden dabei 3 klinische Phänotypen unterschieden: ein RDS mit Diarrhö (RDS-D), ein RDS mit Obstipation (RDS-O) und ein Mischbild (RDS-M). Differenzialdiagnostisch muss an ein breites Spektrum von Krankheiten gedacht werden, das sich von einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit, einer Zöliakie, einer bakteriellen Fehlbesiedelung des Dünndarms bis zu einer Nahrungsmittel- oder Kohlenhydratintoleranz erstreckt. Damit die Diagnose eines RDS bestätigt werden kann, braucht es wenige Abklärungen. In der Regel reichen eine Blutentnahme (Blutbild, C-reaktives Protein, Schilddrüsen-
*Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Basel
hormone, Eisenstatus, TransglutaminaseAntikörper), ein Calprotectin im Stuhl (Entzündungsmarker im Stuhl) und bei Diarrhö Stuhlanalysen auf Parasiten und Helminthen. Bei entsprechenden anamnestischen Hinweisen sollte dies durch einen Laktose-Malabsorptionstest (H2-Atemtest) ergänzt werden. Erst bei Alarmzeichen wie zum Beispiel einem ungewollten Gewichtsverlust, einem gastrointestinalen Blutverlust, einer Anämie oder bei erhöhten Entzündungszeichen ist eine weitergehende Diagnostik notwendig. Auch bei Betroffenen, deren Symptome erst nach dem 50. Lebensjahr auftreten, ist zumindest eine Endoskopie und allenfalls eine weitere abdominelle Bildgebung indiziert. Fehlen jedoch die Alarmzeichen, kann bei typischer RDSSymptomatik die Diagnose ohne weitere Abklärung zuverlässig gestellt werden.
Pathophysiologie funktioneller Darmerkrankungen
Die komplexe Ätiopathogenese der FGIE und damit auch des RDS wird bis heute
nur teilweise verstanden. Die aktuell akzeptierten pathophysiologischen Konzepte gehen von einem Prozess aus, der durch verschiedenste Faktoren unterschiedlich beeinflusst wird. Dabei spielen viszerale Hypersensitivität, abnorme gastrointestinale Motilität, Dysfunktion des autonomen Nervensystems, Aktivierung des Immunsystems in der Darmmu-
Abkürzungen
ANS ENS FGIE
NNT RDS RDS-D RDS-O RDS-M SSRI
TZA ZNS
autonomes Nervensystem enterales Nervensystem funktionelle gastrointestinale Erkrankungen number needed to treat Reizdarmsyndrom Reizdarmsyndrom mit Diarrhö Reizdarmsyndrom mit Obstipation Reizdarmsyndrom vom Mischtyp selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer trizyklische Antidepressiva zentrales Nervensystem
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kosa, Veränderungen der gastrointestinalen Bakterienflora sowie psychologische und genetische Faktoren eine entscheidende Rolle (2) (Abbildung 2). Unter einer viszeralen Hypersensitivität wird die übermässige Wahrnehmung von Schmerzen in einem inneren Organ verstanden. Wird die Darmwand von Patienten mit RDS mit einem Ballon gedehnt, verspüren gewisse Reizdarmpatienten bereits früher Schmerzen als Gesunde (3). Vermutlich liegt diesem Phänomen eine abnorme Schmerzmodulation im zentralen Nervensystem (ZNS) oder eine chronische leichtgradige Entzündung in der Darmschleimhaut zugrunde (4). Die gastrointestinale Motilität wird vom enterischen Nervensystem (ENS) der Darm-
wand und vom autonomen Nervensystem (ANS) kontrolliert. Wird nun das sympathische Nervensystem überwiegend aktiviert, kann sich ein RDS-D entwickeln. Steht die Aktivierung des parasympathischen Nervensystems im Vordergrund, führt dies möglicherweise zu einem RDSO (5). Das Konzept, dass dem RDS auch eine chronische Entzündung in der Darmmukosa zugrunde liegen kann, wurde in den letzten Jahren durch viele Studien unterstützt. Histologisch lassen sich dabei vermehrt Mastzellen und Lymphozyten in der Schleimhaut nachweisen. Diese Entzündung ist wahrscheinlich die Konsequenz einer veränderten Zusammensetzung der Bakterienflora im Kolon (sog. Dysbiosis), zum Beispiel provoziert
Tabelle 1: Diagnostische Kriterien* des Reizdarmsyndroms (RDS) nach Rom III
Wiederkehrende Bauchschmerzen** plus ≥ 2 der folgenden Symptome
• Verbesserung mit/nach der Defäkation • Beginn assoziiert mit einer Änderung der Stuhlfrequenz • Beginn assoziiert mit einer Änderung der Stuhlform
• RDS-D: harte/geformte Stühle ≤ 25% der Stühle, breiige/wässrige ≥ 25% • RDS-O: breiige/wässrige Stühle ≤ 25% der Stühle, harte/geformte ≥ 25% • RDS-M: harte/geformte Stühle ≥ 25% der Stühle, breiige/wässrige ≥ 25%
* Kriterien werden in den letzten 3 Monaten erfüllt mit Beginn der Symptomatik mindestens 6 Monate vor der Diagnosestellung
** An mindestens 3 Tagen pro Monat während der letzten 3 Monate.
Abbildung 1: Pathophysiologische Konzepte des Reizdarmsyndroms (modifiziert nach [2])
durch einen vorübergehenden gastrointestinalen viralen oder bakteriellen Infekt (6). Im klinischen Alltag fällt speziell die Bedeutung dieser Hypothese auf, da viele Patienten nach einem gastrointestinalen Infekt erstmals Reizdarmbeschwerden verspüren (sog. postinfektiöses RDS ) (7). Neben den somatischen Veränderungen lassen sich bei Reizdarmpatienten gehäuft auch psychiatrische Erkrankungen erkennen. 20 bis 70 Prozent der Patienten, die ärztliche Hilfe beanspruchen, leiden an einer Depression, und 20 bis 50 Prozent an einer generalisierten Angst- oder Panikstörung (8, 9). Viele der Psychopathologien manifestieren sich nach schwerwiegenden Lebenserfahrungen (physischer oder sexueller Missbrauch) oder chronischen Belastungssituationen. Doch nicht jeder Patient mit RDS ist psychopathologisch auffällig. In der Regel stehen diese Pathologien bei Menschen mit ausgeprägter Reizdarmsymptomatik und gehäuften Arztkonsultationen deutlicher im Vordergrund. Situativer Stress kann die Symptome eines RDS zwar verschlimmern, ist aber nicht – wie oft irrtümlicherweise vermutet – ein alleiniger Auslöser. Insgesamt ist die Interaktion zwischen Darm und ZNS in der Pathophysiologie des RDS derart zentral, dass sich der Begriff der «dysregulated brain-gut axis» etabliert hat (10). In der Regulation dieses Zusammenspiels hat sich Serotonin sowohl im ENS als auch ZNS als wichtiger Neurotransmitter erwiesen. Serotonin ist deshalb ein interessanter therapeutischer Ansatzpunkt. Der Rolle der Ernährung beim RDS wurde in den letzten Jahren wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt (siehe dazu Seite 12). 20 bis 80 Prozent der RDS-Patienten berichten über eine Verschlechterung ihrer Symptome nach Einnahme von gewissen Speisen (11). Die häufig postprandial akzentuierten RDS-Beschwerden sind meist Ausdruck einer viszeralen Hypersensitivität mit einer deutlicheren Wahrnehmung von normalen physiologischen Reaktionen nach der Nahrungsaufnahme. Grundlage dafür ist auch hier wieder die Interaktion zwischen ENS, ZNS und ANS. Ein normaler
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gastrokolischer Reflex zum Beispiel wird bei gewissen Reizdarmpatienten deutlicher wahrgenommen (12). Die Kolonmotilität wird dadurch gesteigert, was zu einem imperativen Stuhldrang führt. Das ENS reagiert auf chemische (Amine, Salicylate, Glutamate) und mechanische (vorwiegend Distension) Stimuli im Darmlumen. Amine, Salicylate und Glutamate sind normale Inhaltsstoffe unter anderem in Gemüsen, Früchten, Nüssen. Über eine direkte Aktivierung der Mastzellen in der Darmschleimhaut verursachen diese eine vermehrte Ausschüttung von Leukotrienen, die dann zu einer gesteigerten Gefässpermeabilität und Motilität führen. Dehnungen des Darms durch verschiedenste konsumierte Nahrungsanteile können als rein mechanisches Moment die dem Patienten vertrauten Bauchschmerzen provozieren. Osmotisch aktive Nahrungsbestandteile (z.B. nicht absorbierbare Zucker) führen durch den vermehrten Influx von Wasser in den Dünndarm zu einer Distension mit gesteigerter Motilität und Diarrhö. Schlussendlich kann auch die bakterielle Fermentation von schlecht absorbierbaren Kohlenhydraten im Kolon durch die Produktion von Kohlendioxid, Laktat und kurzkettigen Fettsäuren für (schmerzhafte) Blähungen und Diarrhö verantwortlich sein (Abbildung 3).
den Symptomen erleichtern und das Verständnis für die verschiedenen Therapieansätze öffnen. Die Therapie des RDS ist individuell an den Symptomen und dem Leidensdruck des Patienten auszurichten. Dabei müssen oft verschiedenste Medikamente/Substanzklassen ausprobiert und/oder kombiniert werden. Bei der Therapie von FGIE wirkt sich immer auch
ein hoher Plazeboeffekt aus, der in gewissen Studien über 70 Prozent betrug und dem im klinischen Alltag ein wichtiger Stellenwert zukommt (13). Patienten mit dominanten RDS-Beschwerden beanspruchen oft ein ganzes Netz von Betreuern (Hausarzt, Gastroenterologe, Ernährungsberater, Psychiater/Psychologe), die idealerweise gemeinsam mit dem Betrof-
Tabelle 2: Therapieansätze beim Reizdarmsyndrom
Allgemeinmassnahmen
• Positive Arzt-Patienten-Beziehung • Erklärung der pathophysiologischen Konzepte • Stufenweise Therapie gemäss den Leitsymptomen und dem Leidensdruck des Patienten • Betreuer-Netz: Hausarzt, Gastroenterologie, Ernährungsberatung • Psychotherapeut
Symptomorientierte medikamentöse Therapie
Obstipation
• Ballaststoffe
• Laxanzien: Makrogole, stimulierende Laxativa
• Prokinetika: Prucaloprid, Lubiproston
Diarrhö
• Loperamid
• Probiotika
• Rifaximin
Bauchschmerzen
• Spasmolytika
• Schmerzmodulatoren: TZA, SSRI
Alle • Phytotherapeutika
Ernährungstherapie Psychotherapie Alternative Therapien
• Ballaststoffe, Laktose, Fruktose, FODMAPs, Gluten, Probiotika • ev. in Ergänzung mit Psychopharmaka (TZA, SSRI) • Hypnose • Akupunktur
Therapie des Reizdarmsyndroms
Allgemeine Grundsätze Die Therapie des RDS umfasst allgemeine, diätetische, medikamentöse, psychotherapeutische und alternativ/komplementäre Massnahmen (Tabelle 2). Eine erfolgreiche Betreuung von Reizdarmpatienten braucht Zeit und beruht auf einer positiven Arzt-Patienten-Beziehung. Ist die Diagnose gestellt, steht die adäquate Information an erster Stelle. Der Patient soll dabei erfahren, dass schwerwiegende organische Krankheiten ausgeschlossen worden sind und dass er an einem RDS leidet, das zwar seine Lebensqualität, nicht aber seine Lebenserwartung beeinträchtigt. Das Aufzeigen der pathophysiologischen Mechanismen, vor allem auch der engen Interaktion zwischen Darm und ZNS, kann den Umgang mit
Abbildung 2: Interaktion von Nahrung und Darm (modifiziert nach [25]).
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fenen ein Therapiekonzept erarbeiten und verfolgen. In den anschliessenden Kapiteln werden die therapeutischen Möglichkeiten beim RDS skizziert, ohne jedoch auf die Ernährungstherapie einzugehen, die in einem separaten Kapitel dieser Ausgabe detailliert behandelt wird.
Therapie des Reizdarmsyndroms mit Obstipation Eine ballaststoffreiche Ernährung kann eine Obstipation wesentlich verbessern. Viele Patienten klagen darunter allerdings über zusätzliche störende Blähungen, die letztlich zu einer Umstellung der Stuhlregulation auf eine medikamentöse laxative Therapie zwingen. In erster Linie kommen dabei osmotische Laxativa vom Typ Macrogole zum Tragen. Diese verursachen bei gleichem Effekt auf die Stuhlkonsistenz/-frequenz weniger Nebenwirkungen (insbesondere Blähungen) als Laktulose. Bei ungenügendem Effekt können zusätzlich stimulierende Laxanzien versucht werden, die allerdings oft Bauchkrämpfe provozieren. Neben diesen klassischen Laxanzien bietet der Serotonin (5-HT)-Rezeptor im ENS einen interessanten therapeutischen Ansatz. Von den am 5-HT-Rezeptor isoliert angreifenden Medikamenten ist im Moment lediglich der hochselektive 5-HT4Agonist Prucaloprid erhältlich, der die Motilität des gesamten Gastrointestinaltraktes stimuliert (14). Im Gegensatz zu anderen Ländern ist Prucaloprid in der Schweiz jedoch nur für die therapierefraktäre idiopathische Obstipation bei Frauen zugelassen. Ähnlich verhält es sich mit dem Chloridkanal-2-Aktivator Lubiproston, der über einen Influx von Chlorid und Wasser ins Darmlumen zu einer vermehrten Motilität und Verbesserung der Stuhlfrequenz-/beschaffenheit und auch zu einer Reduktion von Bauchschmerzen führen kann (15).
Therapie des Reizdarmsyndroms mit Diarrhö Zur symptomatischen Therapie der Diarrhö wird im klinischen Alltag vor allem Loperamid eingesetzt. Loperamid verlangsamt die Kolontransitzeit über eine
Bindung an den Opioidrezeptor im ENS und senkt dadurch die Stuhlfrequenz (16). Da die veränderte Bakterienflora im Darm bei FGIE eine mögliche Rolle spielt, ist die Korrektur dieser Dysbiosis mittels Antibiotikum oder Probiotikum eine weitere therapeutische Option. Mehrere doppelblinde plazebokontrollierte Studien mit dem schlecht absorbierbaren Antibiotikum Rifaximin suggerieren, dass die Behandlung für mehrere Wochen zu einer Symptomverbesserung, vor allem der Blähungen und Flatulenz, führen könne (17). Allerdings sind für den klinischen Alltag die Dosierung, die Therapiedauer sowie Langzeitfolgen inklusive Resistenzentwicklungen noch unklar. In der Schweiz ist Rifaximin für diese Indikation nicht zugelassen. Probiotika scheinen mehrere der pathophysiologischen Mechanismen des RDS (viszerale Hypersensitivität, Dysmotilität, Dysbiosis, Entzündung) positiv zu beeinflussen. Etliche Studien haben den Nutzen beim RDS untersucht, insgesamt zeigen davon etwa dreiviertel einen positiven Effekt (Verminderung von Blähungen/Flatulenz bzw. Schmerzen). Es gibt allerdings keinen Konsens, welche der Organismen/Präparate wirklich effizient sind. Eine ausführliche Besprechung des Einsatzes von Probiotika finden Sie in diesem Heft im Kapitel «Ernährungstherapie beim RDS».
Therapie von Schmerzen beim RDS Die Genese der Bauchschmerzen beim RDS ist komplex und nicht nur Folge von spastischen Darmkontraktionen. Auch die veränderte zentralnervöse Verarbeitung von Afferenzen aus dem ENS ist daran beteiligt, wobei psychiatrischen Begleiterkrankungen und verschiedenen anderen Stressoren eine wichtige modulierende Rolle zukommt. Spasmolytika wie Mebeverin, Pinaveriumbromid und Butylscopalamin werden im klinischen Alltag häufig und mit gutem Erfolg bei Bauchkrämpfen eingesetzt, obwohl die Datenlage unbefriedigend ist. Antidepressiva werden primär als viszerale Analgetika zur Schmerzmodulation eingesetzt, haben aber auch einen Nutzen bei allenfalls vorhandenen
psychiatrischen Begleiterkrankungen. Verschiedene trizyklische Antidepressiva (TZA) (z.B. Amitriptylin) erwiesen sich in randomisierten kontrollierten Studien als wirksam, und in Metaanalysen liess sich der Nutzen mit einem «number needed to treat» (NNT) von 4 dokumentieren (18). Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) (z.B. Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin) scheinen zwar die Bauchschmerzen etwas weniger gut zu beeinflussen, haben aber einen positiven Effekt auf das allgemeine Wohlbefinden. In Metaanalysen wird der therapeutische Nutzen der SSRI wie bei den trizyklischen Antidepressiva mit einem NNT von 4 eingeschätzt (18). Im Unterschied zu den psychiatrischen Therapieindikationen sind die Antidepressiva beim RDS initial niedriger zu dosieren. Trotzdem können störende Nebenwirkungen wie Obstipation bei den TZA und Diarrhö bei den SSRI die weitere Therapie erschweren oder gar verunmöglichen.
Andere Medikamente Das Phytotherapeutikum STW 5 enthält 9 Pflanzenextrakte und wird in der Schweiz und Deutschland wegen seiner krampflösenden, prokinetischen und schmerzlindernden Eigenschaften beim RDS verbreitet eingesetzt (19). Andere Phytotherapeutika sind Pfefferminzöl und Artischockenextrakte. Obwohl überzeugende Studien fehlen, ist ein Therapieversuch mit Phytotherapeutika gerechtfertigt. Entschäumende Substanzen (Simethicon, Dimethicon) sind zur Behandlung von Blähungen beim RDS nicht wirksam.
Psychotherapie, komplementäre und alternative Therapien Aufgrund der Pathogenese des RDS mit einer gewissen Assoziation zu psychiatrischen Erkrankungen beziehungsweise zu anderen Stressoren ist es naheliegend, dass neben der symptomatischen medikamentösen Therapie auch ganzheitlichere Behandlungsansätze zur Anwendung kommen. Dazu gehören neben der Empfehlung zu Sport und Entspannungstechniken vor allem die Psychotherapie, Akupunktur und Hypnotherapie.
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Der therapeutische Nutzen der kognitiven Verhaltenstherapie ist gut belegt (20). Mit einer Behandlung über 3 Monate liess sich in der qualitativ überzeugendsten Studie eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität, der psychischen Komorbidität und der gastrointestinalen Symptome erreichen (70% Verbesserung in der Therapiegruppe vs. 37% Verbesserung in der Kontrollgruppe mit alleiniger Beratung) (21). Akupunktur kann die serotoninerge und cholinerge Neurotransmission der «braingut axis» beeinflussen (22). Mehrere randomisierte Studien suggerieren einen positiven Effekt auf die Lebensqualität und die Bauchbeschwerden. Allerdings fand sich dieser Nutzen sowohl in der Therapie- als auch Kontrollgruppe (23). Der Effekt ist demnach am ehesten durch die Interaktion des Therapeuten mit dem Patienten zu erklären und nicht ein direktes Resultat der Akupunktur. Verschiedene Studien unterlegen den kurz- und langfristigen Nutzen einer medizinischen Hypnotherapie. Eine Cochrane-Metaanalyse der publizierten Studien suggeriert, dass sich durch die Hypnotherapie die Reizdarmbeschwerden vermindern, die Lebensqualität verbessern und die depressiven Symptome lindern lassen. Obwohl diese Resultate vielversprechend sind, ist die Qualität, aber auch die Vergleichbarkeit der einzelnen Studien derart unbefriedigend, dass weiterhin ein gewisser Zweifel an der Wirkung der Hypnotherapie bleibt (24).
Zusammenfassung
Die Diagnose des RDS wird nach Ausschluss von wichtigen Differenzialdiagnosen klinisch anhand der Rom-IIIKriterien gestellt. Die Pathophysiologie des RDS ist komplex. Die veränderte Interaktion zwischen Darm und ZNS (dysregulated brain-gut axis) führt zu einer gestörten viszeralen Schmerzwahrnehmung und Darmmotilität. Zusätzlich scheint auch eine Veränderung der Darmflora (Dysbiosis) eine ursächliche Rolle zu spielen. Die Ernährung ist nicht ein eigentlicher Auslöser, sondern ein modulierender Faktor von Reizdarmbeschwerden. Hauptursachen sind nicht immunvermit-
telte Nahrungsmittelintoleranzen auf dem Boden einer viszeralen Hypersensitivität. Die Therapie des RDS umfasst allgemeine, medikamentöse, diätetische, psychotherapeutische und alternative/ komplementäre Massnahmen. Eine positive Arzt-Patienten-Beziehung und die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Betreuer (Hausarzt, Gastroenterologe, Ernährungsberater, Psychotherapeut) in einem Netzwerk sind besonders bei RDS-Patienten mit ausgeprägten Beschwerden essenziell.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Nora Schaub
Abteilung für Gastroenterologie und
Hepatologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4, 4031 Basel
E-Mail: Nora.Schaub@usb.ch
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