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NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL
Omega-3-Fettsäuren
PHILIP C. CALDER*
Derzeit ist die Zufuhr sehr langkettiger Omega-3-Fettsäuren, Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), bei den meisten Individuen in den westlichen Ländern tief. Eine gute natürliche Quelle für diese Fettsäuren sind Meeresfrüchte, vor allem fettreiche Fische. Sehr langkettige Omega-3-Fettsäuren werden leicht in die Transportspeicher (Blutlipide) sowie die funktionellen (Zellen und Gewebe) und Reservepools (Fettgewebe) eingebaut. Diese Aufnahme ist dosisabhängig und weist für jeden Pool ein charakteristisches kinetisches Muster auf. Am schnellsten erfolgt die Aufnahme in die Blutlipide, gefolgt von den Blutplättchen sowie Leukozyten und schliesslich von den Erythrozyten. Bei ausreichenden Konzentrationen des Einbaus verändern EPA und DHA die physikalische Eigenschaft von Zellmembranen und der membraneiweissvermittelten Reaktionen, die Eicosanoidbildung, die Zellsignale sowie die Genexpression in vielen verschiedenen Zelltypen. Durch diese Mechanismen beeinflussen EPA und DHA die Gewebe- und Zellphysiologie und die Reaktionsweise von Zellen und Geweben auf externe Signale. In den meisten Fällen stimmen die zu beobachtenden Effekte mit Verbesserungen in den Profilen der Biomarker oder gesundheitsrelevanten Outcomes überein. Somit spielen sehr langkettige Omega-3-Fettsäuren zur Erlangung eines optimalen Gesundheitszustands und in der Prävention von Krankheiten eine Rolle.
Struktur, Nomenklatur und metabolische Beziehungen der Omega3-Fettsäuren
Fettsäuren sind Kohlenwasserstoffketten mit einer Carboxylgruppe am einen und einer Methylgruppe am anderen Ende. Die Carboxylgruppe ist reaktiv und bildet leicht Esterverbindungen mit alkoholischen Gruppen, beispielsweise mit Glykol oder Cholesterin, was zu Acylglycerolen (z.B. Triacylglycerole, Phospholipide) und Cholesterylestern führt. Die Länge der Fettsäureketten kann zwischen 2 und mehr als 30 betragen, und innerhalb der Kette können Doppelbindungen vorkommen. Fettsäuren mit Doppelbindungen werden als ungesättigte Fettsäuren be-
*Institute of Human Nutrition, School of Medicine, University of Southampton
zeichnet. Eine Fettsäure mit zwei oder mehr Doppelbindungen wird mehrfach ungesättigt genannt. Fettsäuren tragen gebräuchliche Namen und systematische Bezeichnungen. Sie werden auch in einer Kurznomenklatur angeführt, die die Anzahl der Kohlenstoffatome in der Kette, die Zahl der Doppelbindungen sowie die Stellung der ersten Doppelbindung bezüglich der Methylgruppe (ω [= Omega]; manchmal auch n genannt) angibt. Omega-3-Fettsäuren werden so genannt, weil ihre erste Doppelbindung beim C-Atom Nummer 3 liegt, wobei das Methyl-C als Nummer 1 gerechnet wird. Die einfachste Omega-3-Fettsäure ist die α-(= alpha) Linolensäure (18:3ω-3). Die α-Linolensäure wird aus der Linolsäure (18:2ω-6) durch eine mittels Delta-15-Desaturase katalysierte Desaturierung gebildet (verwirren-
derweise werden die Desaturasen nach dem ersten C-Atom, das die eingefügte Doppelbindung trägt, bezeichnet, wobei aber das Carboxyl-C als Nummer 1 gerechnet wird). Tiere inklusive Menschen besitzen das Delta-15-Desaturase-Enzym nicht und sind daher zur α-Linolensäuresynthese nicht in der Lage. Pflanzen hingegen besitzen dieses Enzym und können so α-Linolensäure bilden. Obwohl Tiere die α-Linolensäure nicht zu synthetisieren vermögen, können sie diese durch weitere Desaturierung und Verlängerung der Kette metabolisieren. Die Desaturierung erfolgt an C-Atomen unterhalb von C-Atom Nummer 9 (vom Carboxyl-C her gezählt) und geschieht vor allem in der Leber. α-Linolensäure kann durch die Delta-6-Desaturase in Stearidonsäure (18:4ω-3) umgewandelt und diese zu
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20:4ω-3 elongiert werden (Abbildung 1). Diese Fettsäure kann durch Delta-5Desaturase weiter zur Eicosapentaensäure (20:5ω-3; bekannt als EPA) desaturiert werden (Abbildung 1). Es gibt auch einen Stoffwechselweg zur weiteren Umbildung von EPA in Docosahexaensäure (22:6ω-3; bekannt als DHA): dieser umfasst den Anbau von zwei C-Atomen zur Docosapentaensäure (22:5ω-3; bekannt als DPA), weitere Addition zweier C-Atome zu 24:5ω-3 und Desaturierung zu 24:6ω-3 sowie Translokation von 24:6 vom endoplasmatischen Retikulum zu Peroxisomen, wo zwei C-Atome durch limitierte Betaoxidation entfernt werden, was dann zu DHA führt (1). Kurzzeitstudien mit Isotopen-markierter α-Linolensäure und Langzeitstudien mit signifikant erhöhter Zufuhr von α-Linolensäure haben gezeigt, dass die Umwandlung von EPA, DPA und DHA gering ist, wobei nur eine sehr begrenzte Umwandlung bis hin zu DHA beobachtet werden konnte (2). EPA und DPA können auch aus DHA durch begrenzte Betaoxidation rückkonvertiert werden.
Quellen aus der Ernährung und typische Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren
Grüne Blätter enthalten einen signifikanten Anteil (typischerweise 55%) ihrer Fettsäuren in Form von α-Linolensäure, aber grüne Blätter sind keine ergiebige Quelle für Fett. Verschiedene Samen und Samenöle sowie einige Nüsse enthalten signifikante Mengen von α-Linolensäure. So enthalten Leinsamen und ihr Öl typischerweise 45 bis 55 Prozent der Fettsäuren in Form von α-Linolensäure, Sojabohnen dagegen nur 5 bis 10 Prozent. Auch Rapsöl und Baumnüsse enthalten α-Linolensäure, ebenso Maisöl, Sonnenblumenöl und Safloröl (Distelöl), allerdings nur in sehr geringer Konzentration. Unter Erwachsenen in westlichen Ländern beträgt die typische Zufuhr von α-Linolensäure 0,5 bis 2 g/Tag (2, 3). Die häufigste mehrfach ungesättigte Fettsäure in der westlichen Ernährung ist die Omega-6Fettsäure Linolsäure (18:2ω-6), die im Allgemeinen in fünf- bis zwanzigfach höheren Mengen konsumiert wird als die α-Linolensäure (2, 3).
Fische können klassifiziert
werden in magere Fische,
die Lipide in der Leber
speichern (z.B. Kabeljau),
und fettreiche («ölhaltige»)
Fische, die Lipide im Fleisch
einlagern (z.B. Makrelen,
Hering, Lachs, Thunfisch).
Verglichen mit anderen
Nahrungsmitteln sind Fi-
sche und Meeresfrüchte
gute Quellen für die sehr
langkettigen Omega-3-
Fettsäuren EPA und DHA.
Allerdings enthalten ver-
schiedene Arten von Fisch
unterschiedliche Mengen
dieser Fettsäuren und auch
verschiedene Verhältnisse
zwischen EPA und DHA.
Dies hängt teilweise von
Stoffwechselcharakteristika
der Fische ab, aber auch
von ihrem Futter, der Wassertemperatur, der Jahreszeit und so weiter. Den-
Abbildung 1: Umwandlung von α-Linolensäuren in längerkettige, stärker ungesättigte Omega-3-Fettsäuren.
noch ist klar, dass eine
einzelne Mahlzeit mit ma-
gerem Fisch ungefähr 200
bis 300 mg sehr langketti-
ger Omega-3-Fettsäuren
enthält, während eine fett-
reiche Fischmahlzeit 1,5
bis 3 g bietet. Die letzte
Schätzung für den Fisch-
verzehr bei Erwachsenen
in Grossbritannien liegt bei
ungefähr 100 g magerem
Fisch und zirka 50 Gramm
fettreichem Fisch pro Wo-
che (4); ähnliche (und in gewissen Ländern sogar tiefere) Zufuhren sind in anderen Ländern Nordeuropas, Osteuropas, Nordamerikas und Australiens zu erwarten. Höher ist der Verzehr von mageren Fi-
Abbildung 2: Dosisabhängiger Einbau von Eicosapentaensäure in menschliche Plasmaphospholipide und mononukleäre Zellen im Blut. Gesunde junge Männer supplementierten ihre Ernährung mit unterschiedlichen Mengen von EPA-reichem Öl während 12 Wochen. Plasma- und mononukleäre (MNC-)Phospholipide (PL) wurden isoliert und ihre Fettsäurenzusammensetzung mittels Gaschromatografie bestimmt. Mittelwerte ± Standardfehler des Mittelwerts (SEM) von 23 oder 24 Teilnehmern pro Gruppe, ausgedrückt als EPA-Veränderungen gegenüber Woche 0 (Studienbeginn). Daten aus Ref. 11.
schen in südeuropäischen
Ländern, und von fettreichen Fischen in nien, Nord- und Osteuropa, Nordamerika
Japan und einigen anderen asiatischen und Australien beträgt ungefähr 0,15 bis
Staaten. Die durchschnittliche (mittlere) 0,25 g/Tag. Allerdings ist die Einnahme-
Zufuhr sehr langkettiger Omega-3-Fett- verteilung biphasisch, da es Menschen
säuren bei Erwachsenen in Grossbritan- gibt, die fettreiche Fische verzehren, und
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solche die dies nicht tun. So ergab eine neuere Schätzung eine mediane Zufuhr sehr langkettiger Omega-3-Fettsäuen bei australischen Erwachsenen von 0,03 g/Tag bei einer mittleren Zufuhr von 0,19 mg/Tag (5). Die Aufnahme dürfte in Populationen mit Verzehr grosser Mengen fettreicher Fische, wie in Japan, höher und regelmässiger sein als in Europa, Nordamerika und Australasien. Das aus dem Fleisch fettreicher oder aus der Leber magerer Fische gewonnene Öl wird als «Fischöl» bezeichnet und hat die herausragende Eigenschaft, sehr reich an sehr langkettigen Omega-3-Fettsäuren zu sein. Da verschiedene fettreiche Fische unterschiedliche Mengen von Omega-3Fettsäuren enthalten, gilt dies auch für die Fischöle. EPA und DHA umfassen etwa 30 Prozent der Fettsäuren in einer typischen Aufbereitung von Fischöl, was bedeutet, dass eine 1-Gramm-Kapsel ungefähr 0,3 g EPA plus DHA enthält. Hervorzuheben ist ferner, dass zwischen verschiedenen Fischen und Fischölen nicht nur die Menge von Omega-3-Fettsäuren, sondern auch der relative Anteil der einzelnen sehr langkettigen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren (EPA, DPA, DHA) schwanken kann. So ist Kabeljauöl reicher an EPA als DHA, während Thunfischöl mehr DHA als EPA enthält. Fischleberöle enthalten signifikante Mengen fettlöslicher Vitamine, vor allem Vitamin A und D. Präparate in Kapselform, die Omega-3-Fettsäuren in höheren Konzentrationen als in Standardfischöl enthalten, sind erhältlich. Fischölkapseln enthalten die Fettsäuren gewöhnlich in Form von Triglyzeriden. Anzumerken ist auch, dass Fischölkapseln ziemlich hohe Anteile an Palmitinsäure (16:0) und Palmitoleinsäure (16:1ω-7) sowie auch etwas Arachidonsäure (20:4ω-6) enthalten. Ausser den Fischölkapseln, die Omega-3-Fettsäuren als Triglyzeride enthalten, sind Omega-3Fettsäuren auch in Phospholipidform (z.B. als Krillöl) und als Äthylester (z.B. im pharmazeutischen Präparat Omacor®) erhältlich. Kapseln könnten eindeutig einen signifikanten Beitrag zur Zufuhr sehr langkettiger Omega-3-Fettsäuren leisten. Menschen, die wenig oder gar keinen Fisch essen, könnten durch eine einzige
Abbildung 3: Zeitverlauf des Einbaus von Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure in menschliche mononukleäre Blutzellen. Gesunde Individuen supplementierten ihre Ernährung durch Fischölkapseln mit 2,1 g EPA plus 1,1 g DHA pro Tag während 12 Wochen (angedeutet durch den Balken). Die Blut-Mononukleären-Phospholipide (PL) wurden nach 0, 4, 8 und 12 Wochen isoliert und ihre Fettsäurenzusammensetzung mittels Gaschromatografie bestimmt. Mittelwerte ± Standardfehler des Mittelwerts (SEM) von 8 Teilnehmenden. Daten aus Ref. 13.
Standard-Fischölkapsel ihre tägliche Zufuhr an sehr langkettigen Omega-3Fettsäuren zum Beispiel um das Fünffache (und mehr) steigern.
Supplementierung mit sehr langkettigen Omega-3-Fettsäuren verändert die Fettsäurezusammensetzung von Plasma, Zellen und Geweben beim Menschen
Verschiedene Plasmalipidpools, Zellen und Gewebe haben unterschiedliche, charakteristische Zusammensetzungen von Fettsäuren. Eine Veränderung der Fettsäureprofile ist nach Ergänzung der Ernährung durch Fischölkapseln vielfach beobachtet worden. Studien berichten, dass eine solche Supplementation zum Erscheinen von EPA und DHA in Plasmalipiden, Blutplättchen, Erythrozyten, Leukozyten, Kolongewebe, Herzgewebe und sehr wahrscheinlich vielen anderen Zellund Gewebetypen führt. Der Einbau von EPA und DHA aus Fischölkapseln erfolgt zum Teil auf Kosten mehrfach ungesättigter sehr langkettiger Omega-6-Fettsäuren wie Arachidonsäure und geschieht dosisabhängig. So berichteten Studien mit einer täglichen Zufuhr von EPA und DHA in Dosierungen von 1 bis 5 g über eine nahezu lineare Beziehung zwischen EPA-Aufnahme und EPA-Gehalt in Plasmaphospholipiden (6, 7), und Blonk et al. (8) beobachteten lineare Beziehungen zwischen Zufuhren von EPA und DHA von
1,5, 3 und 6 g/Tag und den Anteilen dieser Fettsäuren in Plasmaphospholipiden. Sanders und Roshanai (9) zeigten einen dosisabhängigen Einbau von EPA und DHA in Plättchenphospholipide bei Männern, die zwischen 1,6 und 6,5 g EPA und DHA pro Tag während drei Wochen einnahmen. In anderen Studien war die Aufnahme von EPA und DHA in Blutneutrophile (10) und von EPA in Plasmaphospholipide und in mononukleäre Zellen im Blut (11) linear dosisabhängig (Abbildung 2). In einer eleganten Studie, die Dosisantwort und zeitlichen Verlauf über zwölf Monate bei älteren Männern verband, beobachteten Katan et al. (12) die Fettsäurezusammensetzungen von Serumcholesterylestern, Erythrozyten und Fettgewebe. Diese Untersuchung bestätigte, dass EPA und DHA in den Pool zirkulierender Lipide und in Erythrozyten eingebaut werden, wenn ihre Zufuhr gesteigert wird. Sie belegte zudem den Einbau von EPA und DHA in Fettgewebe, also einen Speicherpool, bei höherer Zufuhr. Die Studie brachte aber auch den eindeutigen Beweis, dass die Einlagerung in verschiedene Pools mit variierenden Raten und in verschiedenem Ausmass (d.h. mit unterschiedlicher Effizienz) erfolgt und mit der Zufuhr (zumindest in den untersuchten Dosen) nicht in einer strikt linearen Form zusammenhängt. Die Studie von Katan et al. (12) zeigte, dass die nahezu maximale Einlagerung beider Fettsäu-
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Abbildung 4: Übersichtsschema der interagierenden Mechanismen, durch welche Fettsäuren die Zellfunktion beeinflussen könnten.
ren in Serumcholesterylester innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Supplementation erfolgt, während die maximale Aufnahme in Erythrozyten erst zwischen 56 und 182 Tagen zustande kommt. Yaqoob et al. (13) berichteten von einer zeitabhängigen Einlagerung von EPA und DHA in mononukleäre Zellen im Blut, wobei der nahezu maximale Einbau nach vier Wochen Supplementation erreicht wurde (Abbildung 3). Nach Abbruch der Supplementation kehrte die EPA-Konzentration in den Mononukleären innert acht Wochen zum Ausgangswert zurück, während die Zellen DHA zurückzuhalten schienen. Dies ist den Befunden von OppSnijders et al. (14) ähnlich, die beobachteten, dass der Erythrozyten-EPA-Gehalt acht Wochen nach Supplementationsende zum Ausgangswert zurückkehrte, während DHA erhöht blieb. Dieselben Beobachtungen eines Verlusts von EPA und einer selektiven Retention von DHA nach Beendigung der Fischölsupplementation sind auch für Blutplättchen gemacht worden (15). Somit bietet die Literatur eine bedeutende Anzahl von Studien, die belegen, dass EPA und DHA bei gesteigerter Zufuhr in Blut-, Zell- und Gewebelipiden eingebaut werden.
Erhöhte Einnahme von sehr langkettigen Omega-3-Fettsäuren nützt der Gesundheit
Ein erhöhter Gehalt an Omega-3-Fettsäuren in Zellen und Geweben kann die Zellfunktion durch verschiedene Mechanismen beeinflussen, wie Abbildung 4 zeigt. Diese umfassen: • Veränderungen in den physikalischen
Membraneigenschaften wie Membranzustand («Fluidität») und Schichtanordnung, die ihrerseits die Aktivität der Membranproteine beeinflussen, zu denen Rezeptoren, Transporteiweisse, Ionenkanäle und Signalenzyme gehören • Effekte auf Signalwege, entweder durch Modifikation der Expression, Aktivität oder Avidität von Membranrezeptoren oder durch Modifikation der intrazelluläreren Signaltransduktionsmechanismen. Als Ergebnis dieser Wirkungen wird die Aktivierung von Transkriptionsfaktoren verändert und die Genexpression modifiziert. • Veränderungen im Muster der produzierten Lipidmediatoren. Die verschiedenen Mediatoren haben unterschiedliche biologische Aktivitäten und Potenzen. Durch diese Mechanismen und die resultierende Modifikation von Zell- und Ge-
webefunktion üben die langkettigen Omega-3-Fettsäuren ihre physiologischen Wirkungen aus (16). Diese sind in der Tabelle in Beziehung zu gewissen Gesundheits- und klinischen Nutzen zusammengefasst. Eine Anzahl kardiovaskulärer Risikofaktoren wird durch sehr langkettige Omega-3-Fettsäuren günstig verändert. Dazu gehören Blutdruck (17), Plättchenreaktivität und Thrombose (18), Plasma-Triglyzeridkonzentrationen (19), Gefässfunktion (20), Herzrhythmusstörungen (21) und Entzündungen (22). Als Folge ist eine gesteigerte Zufuhr langkettiger Omega-3-Fettsäuren mit einem verminderten Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität assoziiert (23). So haben Supplementationsstudien mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren eine reduzierte Mortalität belegen können (24–28). Auch einige andere, nicht kardiovaskuläre Effekte dieser Fettsäuren sind dokumentiert (Tabelle), was den Schluss nahelegt, dass diese Fettsäuren bei vielen Störungen von Nutzen sein könnten. Zum Beispiel sind sie mit Erfolg bei rheumatoider Arthritis (29) und in einigen Studien bei entzündlichen Darmerkrankungen (30) eingesetzt worden und könnten auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen nützlich sein (22). DHA hat eine bedeutende strukturelle Rolle in Auge und Hirn, und es ist bekannt, dass die entsprechende Zufuhr in frühen Lebensabschnitten, wenn sich diese Organe entwickeln, von vitaler Bedeutung ist (3, 4, 31, 32). Neue Studien haben zudem das Potenzial der langkettigen Omega-3-Fettsäuren herausgestrichen, zur Verbesserung von Lernen und Verhalten in der Kindheit beizutragen (33) und die Last psychiatrischer Erkrankungen bei Erwachsenen zu verringern (34).
Empfehlungen zur Steigerung der Zufuhr sehr langkettiger Omega-3Fettsäuren
Die Erkenntnis der Nutzen der sehr langkettigen Omega-3-Fettsäuren hat zu einer Reihe von Empfehlungen zur Förderung der Zufuhr dieser Fettsäuren durch verschiedene staatliche, nicht staatliche und Berufskörperschaften geführt. Typische Empfehlungen gelten für eine mini-
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male Zufuhr von 0,2 bis 0,65 g/Tag (4, 35, 36) oder von 1,5 g/Tag (3) zur allgemeinen Gesundheitsförderung sowie von 1 g/Tag zur Herzinfarktprävention (37–39) und von 2 bis 4 g/Tag zur Triglyzeridsenkung (36). Bei Personen, die nicht regelmässig fettreichen Fisch verzehren, dürfte die Zufuhr dieser Fettsäuren < 0,1 g/Tag oder sogar noch viel tiefer liegen (5). Sind solche Personen nicht willens, ihre Ernährungsweise zu ändern und mehr Fisch zu essen, werden sie eindeutig nicht in der Lage sein, die empfohlene Zufuhr von EPA und DHA zu erreichen. Eine Möglichkeit, die gewünschte Zufuhr zu erzielen, wäre hingegen die Einnahme von Fischölkapseln (oder -flüssigkeit). Die Einnahme einer einzigen 1-Gramm-Fischölkapsel pro Tag würde es vielen Konsumenten ermöglichen, den konservativsten Empfehlungen zu entsprechen (35), da sie auf diese Weise mit ungefähr 0,3 g EPA plus DHA täglich versorgt würden. Die Einnahme mehrerer Kapseln oder konzentrierterer Formen verkapselter Omega-3-Fettsäuren oder von flüssigem Fischöl würde es erlauben, auch weniger konservativen Empfehlungen nachzukommen. Schlussfolgerungen Derzeit ist die Zufuhr der sehr langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) bei den meisten Individuen in den westlichen Ländern tief. Eine gute natürliche Quelle für diese Fettsäuren sind Meeresfrüchte, vor allem fettreiche Fische. Fischölkapseln enthalten diese Fettsäuren ebenfalls, wobei eine Standardkapsel von 1 Gramm ungefähr 0,3 Gramm EPA plus DHA enthält; auch konzentriertere Präparate sind erhältlich. Sehr langkettige Omega-3-Fettsäuren werden aus Kapseln sehr leicht in die Transportspeicher (Blutlipide) sowie die funktionellen (Zellen und Gewebe) und Reservepools (Fettgewebe) eingebaut. Diese Aufnahme ist dosisabhängig und weist für jeden Pool ein charakteristisches kinetisches Muster auf. Am schnellsten erfolgt die Aufnahme in die Blutlipide, gefolgt von den Blutplättchen sowie Leukozyten und schliesslich von den Erythrozyten. Bei ausreichenden Konzentrationen des Einbaus Tabelle: Zusammenfassung der physiologischen Wirkungen und potenziellen klinischen Nutzen sehr langkettiger Omega-3-Fettsäuren Physiologische Rolle sehr langkettiger Omega-3-Fettsäuren Potenzieller klinischer Nutzen Ziel Regulierung des Blutdrucks Senkung des Blutdrucks Hypertonie; CVD Regulierung der Plättchenfunktion verminderte Thrombosewahrscheinlichkeit CVD Regulierung der Blutkoagulation verminderte Thrombosewahrscheinlichkeit CVD Regulierung der PlasmaTriglyzeridkonzentrationen verminderte PlasmaTriglyzeridkonzentrationen Hypertriglyzeridämie; CVD Regulierung der Gefässfunktion verbesserte vaskuläre Reaktivität CVD Regulierung des Herzrhythmus Verringerung von Arrhythmien CVD Regulierung der Entzündung geringere Entzündung entzündliche Erkrankungen (Arthritis, entzündl. Darmerkrankungen, Psoriasis, Lupus, Asthma, zystische Fibrose, Dermatitis, Neurodegeneration …); CVD Regulation der Immunfunktion verbesserte Immunfunktion Immunschwäche Regulierung des Knochenumbaus Erhaltung der Knochenmasse Osteoporose Regulierung der Insulinsensitivität verbesserte Insulinsensitivität Typ-2-Diabetes Regulierung des Tumorzellwachstums verringertes Tumorzellwachstum und -überleben einige Karzinome Regulierung visueller Signalbildung (Rhodopsin) optimierte visuelle Signalbildung defizitäre visuelle Entwicklung beim Säugling (v.a. Frühgeburten) strukturelle Komponenten des Zentralnervensystems optimierte Hirnentwicklung Defizite bei kognitiven – kognitive und Lernprozesse Prozessen und Lernen beim Säugling und in der Kindheit CVD: kardiovaskuläre Erkrankungen verändern EPA und DHA die physikalische Eigenschaft von Zellmembranen und der membraneiweissvermittelten Reaktionen, die Eicosanoidbildung, die Zellsignale sowie die Genexpression in vielen verschiedenen Zelltypen. Durch diese Mechanismen beeinflussen EPA und DHA die Gewebe- und Zellphysiologie und die Reaktionsweise von Zellen und Geweben auf externe Signale. In den meisten Fällen sind die zu beobachtenden Effekte vereinbar mit Verbesserungen in den Profilen der Biomarker oder gesundheitsrelevanter Outcomes. Somit spielen sehr langkettige Omega-3-Fettsäuren in der Erlangung eines optimalen Gesundheitszustands und in der Verhütung von Krankheiten eine Rolle. Langkettige Omega-3-Fettsäuren schützen nicht nur gegen kardiovaskuläre Morbidität, sondern auch gegen Mortalität. In gewissen Situationen, beispielsweise bei rheumatoider Arthritis, können sie auch als Therapeutika nützlich sein, was allerdings eine hohe Zufuhr erfordert. Aufgrund der anerkannten Gesundheitsverbesserungen durch langkettige Omega-3-Fettsäuren sind Empfehlungen zur Steigerung ihrer Einnahme erfolgt. Dies kann zwar durch einen gesteigerten Verzehr fettreicher Fische erzielt werden, für viele Individuen stellen jedoch auch Fischölkapseln eine gangbare Option zum Erreichen der empfohlenen Zufuhr dar. 27 5/08 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL Korrespondenzadresse: Professor Philip C. Calder Institute of Human Nutrition School of Medicine University of Southampton MP887 Southampton General Hospital Tremona Road Southampton SO16 6YD, UK Tel. 0044-2380 795 250 Fax 0044-2380 795 255 E-Mail: pcc@soton.ac.uk (Übersetzung: Halid Bas) Referenzen 1. Sprecher H. 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