Transkript
Ernährungsmedizin
Omega-3-Fettsäuren
Supplemente schützen Koronarpatienten
Zahlreiche Studienergebnisse belegen unter anderem die Wirksamkeit von
Gefässerweiternd Blutdrucksenkend
Omega-3-Fettsäuren zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Die Evidenz der vorliegenden Daten be-
Bessert Fliesseigenschaften des
Blutes
Omega-3Fettsäuren
Lipidregulierende Wirkung
wog die American Heart Association (AHA), die Zufuhr von Omega-3-
Reduktion des thrombogenen
Potenzials
Antientzündlich und anti-
arrhythmisch
Fettsäuren in ihre 2002 erstellten Guidelines aufzunehmen: Zur Primär-
Abbildung: Protektive Eigenschaften von Omega-3-Fettsäuren bei kardiovaskulären Erkrankungen (modifiziert nach (2).
prävention werden mindestens zwei Fischmahlzeiten pro Woche empfohlen; bei bestehenden Koronarerkrankungen kann dagegen die Gabe von Fischöl-Supplementen in Betracht gezogen werden. Ein kürzlich erschienener Review zum Thema (CCJM 2004; 71) resümiert Hintergründe und Erkenntnisse – die wichtigsten Informationen daraus werden hier kurz zusammengefasst.
Claudia Reinke
EPA und DHA
Es sind vorwiegend die im Fischöl reichlich enthaltenen, mehrfach ungesättigten, langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (C20:5) (EPA) und Docosahexaensäure (C22:6) (DHA), deren gesundheitsfördernde Wirkungen bei Koronarerkrankungen belegt wurden. Sie kommen vor allem in fetten Meeresfischen vor, wie Hering, Makrele, Lachs, Sardine und Thunfisch. EPA und DHA, die für diese Fische
ebenso essenziell sind wie für den Menschen, werden durch die im Plankton enthaltenen marinen Einzeller synthetisiert, die den Fischen als Nahrung dienen.
Alpha-Linolensäure
Die ebenfalls zu den Omega-3-Fettsäuren zählende Alpha-Linolensäure (ALA) ist etwas kurzkettiger (C18:3) und findet sich nicht in Fischen, sondern ist Bestandteil pflanzlicher Öle (Leinöl, Sojaöl oder Rapsöl). Die Zufuhr von ALA führt allerdings nicht zu höheren EPA- oder DHA-Plasmaspiegeln, da das dafür erforderliche Enzym, die Delta-6-Desaturase, beim Menschen nur beschränkt aktiv ist. ALA dient daher mehrheitlich als Energiebeziehungsweise Kalorienlieferant.
Studien belegen Koronar-
schutz für EPA und DHA
Evidenz für die koronarprotektiven Wirkungen von EPA und DHA in der Sekundärprävention brachten zwei randomisierte kontrollierte Studien, und zwar die DART (Diet And Reinfarction Trial) sowie die GISSI-Präventionsstudie. In der britischen DART-Studie wurde den rund 1000 Koronarpatienten der Verumgruppe nur geraten, sich fischreich zu ernähren. Während des Zweijahres-Follow-up wiesen diese Patienten gegenüber der Vergleichsgruppe eine relative Reduktion der Gesamtmortalität von 29 Prozent auf (p <
0,05). Die durchschnittliche EPA/ DHA-Einnahme durch die Fischmahlzeiten wurde auf etwa 600 bis 900 mg/Tag geschätzt. In der GISSI-Präventionsstudie mit über 11 000 PostinfarktPatienten und 3,5-jähriger Beobachtungszeit ergab sich in der Verumgruppe (die zusätzlich zur Standardmedikation und mediterraner Ernährung täglich 1 Kapsel mit 850 mg Omega-3-Fettsäuren erhielt) eine um 30 Prozent reduzierte kardiovaskuläre Mortalität (p = 0,024); der plötzliche Herztod reduzierte sich sogar um 45 Prozent (p = 0,01). Inzwischen liess sich die Bedeutung langkettiger Omega-3Fettsäuren in der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen sowohl in einer Subanalyse der Physicians Health Study (3) als auch in einer ReAnalyse der Nurses Health Study (4) nachweisen.
Vergleichbare, überzeugende Studienergebnisse fehlen dagegen mit ALA bisher. Der Vergleich eines FischölSupplementes mit ALA-haltigen Senfsamenöl-Supplementen in einer randomisierten, plazebokontrollierten klinischen Doppelblindstudie zeigte zwar in beiden Gruppen (im Vergleich mit Plazebo) eine Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse, eine statistische Signifikanz liess sich jedoch nur in der mit Fischöl-Supplementen behandelten Gruppe belegen. Selbst die Resultate der Lyon Heart Study, die weniger koronare Todesfälle in der unter anderem mit Rapsölmargarine ernährten Patientengruppe ergab, werden
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Ernährungsmedizin
Glosse
Älterwerden findet man ja gemeinhin blöd. Es gibt zig ziemlich klischierte Situationen, wo es schon fast zum guten Ton gehört, sich darüber zu mokieren. An jedem Geburtstag zum Beispiel. Beim Entdecken von Falten/grauen Haaren/labbrigem Gewebe. Wenn man ein paar Drinks zu viel nicht mehr so locker wegsteckt wie früher. Wenn man älter geschätzt wird, als man ist. Et cetera. Bei all diesen Punkten geht es um den Körper, und wie er sich verändert. Nicht zum Guten nämlich. Glatte Haut ist gut. Straffes Gewebe. Un-graue Haare, oder schlicht: Haare. Fleckige Haut, schütteres Haar, schwaches Gewebe entsprechen nicht dem Schönheitsideal, denn das diktiert vor allem eins: Jugendlichkeit. Die Botschaft: Wir sind voller Elan, voller Leben, Kraft, Freude, Spass und sterben noch lange nicht, judihui. Aber Schönheitsideale ändern sich. So waren füllige Frauen im Barock das Nonplusultra, weil ihre Kurven die Botschaft trugen: Wir sind reich. Wir haben viel zu essen. Ätschbätsch. In der heutigen Zeit natürlich unvorstellbar. Trotzdem: Analog zu diesem Beispiel könnte es sein, dass irgendwann alte Körper in Mode sind, mit der Botschaft: Wir habens bis hier geschafft! Wir sind nicht verhungert, nicht an einer Überdosis gestorben, hatten keinen Autounfall, haben nie auf eine Starkstromleitung gepinkelt, unser Leben war zu gut, als dass wir uns hätten umbringen wollen – we made it. Wir sind Gewinner. Junge Menschen würden sich die Haare grau färben, mittels schmerzhafter Übungen das Bindegewebe ausleiern, Flecken auf die Hände schminken oder sich sogar Falten einkerben lassen. Die Kosmetikerin verkauft Cremes mit dem Slogan: «So alt haben Sie noch nie ausgesehen.» Absurd, nicht wahr? Eigentlich genauso absurd wie alle anderen Versuche, etwas zu sein, was man nicht ist.
Michèle Roten E-Mail: verlag@toaster.ch
vom Autor des Reviews – aufgrund der Vielfalt der in dieser Studie gleichzeitig getesteten Faktoren – als nicht eindeutig und überzeugend für die Intervention von ALA gewertet.
Wirkmechanismus der
Omega-3-Fettsäuren
Daten aus epidemiologischen und randomisierten klinischen Studien weisen darauf hin, dass EPA und DHA in der Lage sind, das Risiko eines plötzlichen Herztodes zu senken, weil sie die Empfindlichkeit des Myokards für das Auftreten fataler Arrhythmien reduzieren und damit die Übererregbarkeit des Herzens dämpfen können. Hinweise für diesen Wirkmechanismus der Omega-3-Fettsäuren zeigten sich in Zellkulturstudien sowie in Tierversuchen. Aus zahlreichen anderen Studien kennt man die übrigen positiven Effekte von EPA und DHA auf die Blutlipide (insbesondere die Triglyzeride) und Plättchenfunktionen, auf das Gefässendothel, die Fliesseigenschaften des Blutes und den Blutdruck sowie ihre entzündungshemmenden Eigenschaften (Abbildung). So gut wie alle diese Studien nutzten allerdings weit höhere Dosen (3–20 g) als in der DART- oder der GISSI-Studie, wo weniger als 1 g Fischöl pro Tag appliziert wurde. Wo diese geringen Dosen physiologisch eingreifen und durch welche biologischen Mechanismen die in diesen Studien gezeigten Wirkungen zu Stande kommen, wird immer noch nicht ganz verstanden.
Gesichert ist allerdings, dass ein grosser Teil der Omega-3-Fettsäuren unverändert von den Körperzellen aufgenommen und in die Zellmembranen eingebaut werden. Hier verdrängen sie die (zu den Omega-6-Fettsäuren gehörende) Arachidonsäure und können so zur Beruhigung entzündlicher und thrombosefördernder Prozesse beitragen. Zudem stellen die in den Zellmembranen angereicherten Omega-3Fettsäuren ein Reservoir dar, aus dem sie bei Bedarf jederzeit freigesetzt werden können, wie beispielsweise bei ischämischen Ereignissen, wo Omega-3Fettsäuren eine Normalisierung des Kalziumflusses durch die Zellmembranen bewirken und somit das Entstehen von Herzrhythmusstörungen erschweren.
Empfohlene Einnahme
Wie bereits erwähnt, wird Koronarpatienten – gemäss den Guidelines der AHA – die Einnahme von etwa 1 g EPA/DHA pro Tag in Form von Supplementen empfohlen. Zur Primärprävention raten die Guidelines stattdessen, zwei Fischmahlzeiten pro Woche zu sich zu nehmen. Wer allerdings keinen Fisch mag, kann – am besten nach ärztlicher Rücksprache – auch zu Supplementen greifen. Wer sich ausserdem daran stört, dass es gelegentlich zu einem unangenehm «fischigen» Aufstossen kommen kann, sollte die Kapseln am besten erst abends einnehmen oder sie vor der Einnahme einfrieren.
Quecksilbergehalt in Fischen
Die Verschmutzung der Seen und Meere hinterlässt auch an den dort lebenden Tieren ihre Spuren. Vor allem das Schwermetall Quecksilber reichert sich bevorzugt im Fett von Fischen am Ende der Nahrungskette an. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die handelsüblichen Seefische nur geringe Mengen an Schwermetallen wie Quecksilber und Blei sowie organische Rückstände enthalten. Dennoch rät die FDA schwangeren Frauen und solchen, die es werden wollen, sowie den stillenden Müttern auf ihrer Info-Site unter www. cfsan.fda.gov/~dms/admehg3.html, auf besonders belastete Arten wie Schwertfisch, Hai und Goldbrasse zu verzichten. Am selben Ort lassen sich im Übrigen auch die Quecksilberbelastungen ausgewählter Fischarten abrufen. Fischöl-Supplemente enthalten dagegen keine Quecksilber-Rückstände. I
Literatur: 1. Harris, WS.: Fish oil supplementation: Evidence for health benefits. CCJM 2004; 71(3): 208–221. 2. Kleine-Gunk, B.; Anti-Aging – moderne medizinische Konzepte. Uni-Med Verlag 2003. 3. Albert, CM et al.: Blood Levels of Long-Chain n-3 Fatty Acids and the Risk of Sudden Death. N Engl J Med 2002; 346: 1113–1118. 4. Iso H et al.: Intake of Fish and Omega-3-Fatty Acids and Risk of Stroke in Woman. JAMA 2001; 285: 304–312.
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