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Prävention vor hellem Hautkrebs
Sonnenschutz beginnt schon bei den Kleinsten
Vor dem Sonnenbad eincremen – wie wichtig der Schutz vor UV-Strahlung ist, hat sich mittlerweile auch in der Allgemeinbevölkerung herumgesprochen. Weniger bekannt ist, dass dies nicht nur am Strand, sondern besonders bei Kindern bei jedem Aufenthalt im Freien erfolgen sollte. Hier können Hautärzte zur Aufklärung beitragen.
Keine Frage: Unser Umgang mit der Sonne hat sich gewandelt. Um 1900 galt ein heller Teint als chic. Entsprechend setzte man sich, wenn man es sich leisten konnte, möglichst erst gar nicht der Sonne aus. Dagegen war Mitte des 20. Jahrhunderts sonnengebräunte Haut in. Daher war es etwa in den 1970erJahren keineswegs üblich, sich beim klassischen Strandurlaub mit Sonnenöl einzureiben. Viel mehr war man der Meinung, dass man erst durch einen Sonnenbrand richtig braun würde – übrigens eine Ansicht, der laut einer aktuellen Umfrage noch immer die meisten Briten anhängen, wie Prof. Eggert Stockfleth aus Bochum (D) bei der 52. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) bemerkte.
Sonnenschäden der Vergangenheit – Patienten von heute
Die Versäumnisse der Vergangenheit, genauer gesagt die Sonnenanbeter von früher, bevölkern mit ihren aktinischen Keratosen (AK), Basaliomen oder fraglichen Plattenepithelkarzinomen heute die dermatologischen Praxen. Und das sind nicht wenige: In Deutschland ist heller Hautkrebs die häufigste Tumorentität – weit vor Darm- oder Brustkrebs. Das ma-
« »Die Dosis macht das Gift.
ligne Melanom liege bei Frauen an 6. und bei Männern an 8. Stelle der Krebsentitäten-Häufigkeitsliste, berichtete Stockfleth. Die Melanom-Forschung hat ergeben, dass Sonnenbrände in der Kindheit ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung des malignen Melanoms sind. Und auch der Zusammenhang zwischen massiver Sonnenexposition und hellem Hautkrebs ist – wenn auch nicht allgemein – bekannt.
Sonne meiden – gar nicht so einfach
Wie bei vielen Noxen gilt auch für das UV-Licht: «Die Dosis macht das Gift.» Denn bekanntlich verhindert zu wenig Sonnenlicht die Bildung von Vitamin D und bedingt dadurch Mangelerkrankungen wie Rachitis oder Infektanfälligkeit. Zuviel UV-Licht wirkt dagegen krebserregend. Doch es ist gar nicht so einfach, dieses Karzinogen zu vermeiden. Ozonloch und Klimawandel bescheren uns eine deutlich längere und intensivere UV-Exposition im Vergleich zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Dabei sollten wir uns keineswegs nur im Urlaub vor der UV-Bestrahlung in Acht nehmen müssen: 80 Prozent der UV-Exposition bekommen wir im Alltag – Arbeitsweg, Spaziergang, Einkaufen, Sport im Freien usw. – ab, und das hauptsächlich um die Mittagszeit. Daher werde traditionell in Spanien die Siesta genau zur Zeit der höchsten Sonnenintensität abgehalten – zwischen 11 und 16 Uhr, erläuterte Stockfleth.
Alltagssonnenschutz publik machen
Um künftig die Inzidenz von AK & Co. zu verringern, wird schon seit Jahren auf Präventionsmassnahmen hingewiesen – beispielsweise mittags die Sonne zu meiden, sich schattige Plätze zu suchen oder sich im Urlaub einzucremen. Um hier zur Aufklärung beizutragen, haben die europäischen Fachgesellschaften der Dermatologen «Euromelanoma» ins Leben gerufen. Die paneuropäische Initiative zur Hautkrebsprävention hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Allgemeinheit über die Prävention, Früherkennung und Behandlung von Hautkrebs – hellem wie schwarzem – zu informieren (www.euromelanoma.eu).
Kinderhaut schützen
Appelle zum Sonnenschutz richten sich in der Regel an Erwachsene oder dienen der Früherkennung von bereits manifesten Sonnenschäden. Ziel der Prävention sei es jedoch, diese Schäden von Anfang an zu vermeiden, betonte Stockfleth. Er erläuterte das mit
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dem Bild des «Sonnenkontos»: Auf dieses Konto wird seit der Geburt kumulativ «eingezahlt». Irgendwann ist dieses Konto mit Expositionsdauer und UV-Intensität voll und es zeigen sich z. B. AK. Je früher und je häufiger dieses «Sonnenkonto» gefüllt wird, desto eher zeigen sich die Sonnenschäden auf der Haut. Das bedeutet: Der Schutz muss schon im Kindesalter beginnen – auch weil die Haut von Kindern dünner und empfindlicher ist als die von Erwachsenen. Die hauteigene UV-Schutzbarriere entwickelt sich primär ab dem zweiten Lebensjahr und ist erst im Teenageralter vollständig abgeschlossen. Deswegen haben Kinder eine sehr kurze Eigenschutzzeit vor UV-Strahlung von nur fünf bis zehn Minuten. Damit der Sonnenschutz schon früh beginnt, wurde die Aufklärungskampagne «SunPass – Hautkrebsprävention im Kindergarten» unter der Federführung der European Skin Cancer Foundation (escf-network.eu) initiiert. Diese von der Deutschen Krebsgesellschaft (DGK) und dem Unternehmen Pierre Fabre/Avène in Deutschland gestartete Kampagne hat zum Ziel, die UV-Exposition der Kindergartenkinder zu reduzieren, bei Eltern und Erziehern das Bewusstsein für Sonnenschäden zu wecken und langfristig die Inzidenz von Hautmalignomen zu senken. Und auch die Kinder sollten um die Bedeutung von Sonnenschutz wissen.
Kasten:
Euromelanoma
Euromelanoma ist eine europaweite Kampagne zur Sensibilisierung und Aufklärung über Hautkrebs und die Bedeutung der Früherkennung. Die Initiative wurde 1999 ins Leben gerufen und hat sich zum Ziel gesetzt, die Bevölkerung über Risikofaktoren, Prävention, Früherkennung und Behandlungsmöglichkeiten von Hautkrebs zu informieren. Die Euromelanoma-Kampagne bietet kostenlose Hautkrebs-Screenings in verschiedenen europäischen Ländern an. Diese Screenings werden von Dermatologen durchgeführt. Ziel ist es, Hautkrebs frühzeitig zu erkennen und die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung zu erhöhen. In der Schweiz wird die Kampagne von der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) koordiniert. (AZA) Weitere Infos sowie Material unter
https://www.derma.swiss/patienten/nationale-hautkrebskampagne/
So können sie u.a. via Malbuch spielerisch lernen, dass die Sonne nicht nur guttut. Das Projekt SunPass ist mittlerweile in den meisten Ländern Europas, so auch in der Schweiz, etabliert.
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Richtig eincremen: nur genug Creme schützt
Ausser dem Aufenthalt im Schatten und Bekleidung schützen bekanntlich Sonnencremes mit hohem Lichtschutzfaktor vor Hautschäden wie vorzeitiger Hautalterung (Elastose) und DNA-Schäden. Damit diese Externa wirken, müssen sie gewissenhaft auf alle belichteten Hautstellen und in genügender Menge aufgetragen werden, d.h. 2 g/cm2 Körperoberfläche – bei einem Erwachsenen seien da pro Creme-Vorgang etwa 20 g erforderlich, betonte Stockfleth. Da ist eine Flasche Creme schnell leer. Wie gut Sonnencreme unter Alltagsbedingungen tatsächlich vor DNA-Schäden schützt, haben Dermatologen des King’s College in London untersucht (1). Eine Formulierung mit sehr hohem Lichtschutzfaktor wurde mit 0,75, 1,3 und 2,0 mg/cm2 von hellhäutigen Probanden aufgetragen. Die ungeschützte Kontrollhaut wurde 4 Standard-Erythem-Dosen (SED) simulierter UV-Strahlung ausgesetzt, die mit Sonnenschutzmittel behandelten Stellen 30 SED. Auch wie die Sonnencreme üblicherweise im Urlaub genutzt wird, haben die Forscher durch UV-Bestrahlung an 5 aufeinanderfolgenden Tagen simuliert. Die Kontrollhaut erhielt täglich 1 SED und die mit Sonnenschutzmittel behandelten Stellen erhielten täglich 15 (alle 3 Auftragsstärken) oder 30 (2,0 mg/cm2) SED. Im Vergleich zu ungeschützten Kontrollstellen reduzierte das verwendete Sonnenschutzmittel die DNASchäden bei 1,3 und 2,0 mg/cm2 in allen Fällen signifikant. Die Verringerung bei typischer Sonnenschutzmittelverwendung, wie sie mit der Dosierung von 0,75 mg/cm2 simuliert wurde, zeigte keinen signifikanten Schutz vor DNA-Schäden. Fazit: Mehr Aufklärung für den richtigen Gebrauch von Sonnenschutzmitteln tut Not.
DNA-Schäden durch Blue Light
Und Sonnencreme ist nicht gleich Sonnencreme. In die Wahl des entsprechenden Sonnenschutzmittels fliessen viele Faktoren ein: s Höhe des UV-B- und des UV-A-Schutzes s Galenik (fettig, komedogen, Weissel-Effekt, kleb-
rig, wasserfest) s Auftrage-Eigenschaften (Spray, Creme, Lotion) s Eignung für Kinder s Kombinierbarkeit mit anderen topischen Arznei-
mitteln, z.B. bei Akne, Atopischer Dermatitis, Psoriasis). Jetzt ist noch eine weitere Anforderung an die Lichtschutzmittel hinzugekommen: der Schutz vor Blue Light. Bei der Suche nach den Ursachen von Hautschäden wurde nämlich eine weitere schädliche Strahlungsqualität ausser der UV-A- und UV-B-Strahlung identifiziert, die ebenfalls die DNA schädigt und auf deren Konto ein Teil der Tumor-Entstehung geht: High Energy visible (HEV) Blue Light (400–450 nm). Es
ist ein Teil des Lichtspektrums der Sonne und dringt noch tiefer in die Haut ein als UV-A und UV-B. Blue Light s verursacht länger anhaltende Hyperpigmentie-
rung s hat proliferationshemmende und mit oxidativem
Stress assoziierte Effekte s steigert die Bildung von reaktiven Sauerstoff-Spe-
zies (ROS) s stört die Hautbarriere s wirkt proinflammatorisch. Insgesamt werde etwa die Hälfte des oxidativen Stresses in der Haut durch sichtbares Licht erzeugt, so Stockfleth. Und etwa ein Viertel der Zellschäden gehen auf das Konto von Blue Light.
Neu: Filter gegen Blue Light
Mittlerweile hat die Industrie auf diese neuen Er-
kenntnisse reagiert und Cremes mit Filtern entwi-
ckelt, die nicht nur gegen UV-A und UV-B, sondern
auch gegen Blue Light schützen. Wie Stockfleth be-
richtete, sei ein solcher Filter Phenylen-Bis-Diphenyl-
triazin, auch TriAsorB™ genannt.
Um die photoprotektive Wirksamkeit dieses neuen
Filters zu testen, wurden die Absorption und Refle-
xion von TriAsorB™ in den verschiedenen Spektral-
bereichen des Sonnenlichts gemessen:
s UV-A und UV-B
s sichtbares Licht (VIS), einschliesslich Blaulicht
(hochenergetisches sichtbares Licht = HEV)
s Infrarot-Licht (IR).
Die DNA-Schäden wurden mit rekonstruierter
menschlicher Epidermis bewertet: 8-Hydroxy-2’-Deo-
xyguanosin (8OHdG) als Reaktion auf HEV-Exposi-
tion, Pyrimidindimere (CPDs) und (6-4)-Photopro-
dukte nach sonnensimulierter Strahlung (solar
simulated radiation = SSR).
Ergebnis: TriAsorB™ ist ein UV-B- und UV-A-Filter mit
breitem Spektrum, einschliesslich langem UV-A. Zu-
dem absorbiert es auch VIS-Strahlung, insbesondere
im HEV-Bereich. Diese Strahlungen werden ebenfalls
reflektiert. Der Schutz im IR-Spektralbereich ist
schwach. Darüber hinaus schützt der Sonnenfilter die
Haut vor den durch HEV induzierten oxidativen Läsio-
nen 8OHdG und verhindert SSR-induzierte DNA-
Schäden (2).
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Industrie-Symposium von Pierre Fabre Pharma «Sonnenschäden & AK: Erkennen, Behandeln, Vorbeugen», bei der 52. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) am 28. April 2023 in Berlin
Referenzen: 1. Young AR et al.: Suboptimal Application of a High SPF Sunscreen Prevents Epider-
mal DNA Damage in Vivo. Acta Derm Venereol. 2018;98(9):880-887. 2. Bacqueville D et al.: Phenylene Bis-Diphenyltriazine (TriAsorB), a new sunfilter pro-
tecting the skin against both UVB + UVA and blue light radiations. Photochem Photobiol Sci. 2021;20(11):1475-1486.
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