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KONGRESSBERICHT
SGML 2022
Ästhetische Medizin
Mit Permanent Make-up gegen Stigmatisierung
Postoperative narbige Verziehungen oder Hypopigmentation im Gesicht setzen vielen Patienten psychisch zu. Abhilfe kann hier ein medizinisches Permanent Make-up schaffen. Mit den Techniken der Dermapigmentierung können die Lippenkonturen korrigiert oder Verfärbungen an den übrigen Hautton angeglichen werden. Ebenso lassen sich nach einer Brustoperation die Mamillen optisch wiederherstellen oder bei Alopecia areata beispielsweise die Augenbrauen nachzeichnen. Deshalb hat Permanent Make-up seit Jahren einen festen Platz in der medizinischen Ästhetik.
Dermatologen wissen schon seit Langem, wie eng Hautbild und Psyche miteinander verzahnt sind. Und nicht immer ist es möglich, durch die Behandlung eine Restitutio ad integrum zu erreichen. Es bleiben oft sichtbare Makel – und diese setzen auch einer gesunden Psyche heftig zu: abschätzige, neugierige Blicke oder sogar Ekel bei den Mitmenschen sind nicht selten. Sie mindern das Selbstwertgefühl und damit die Lebensqualität der Betroffenen enorm. Diese optischen Makel können viele Ursachen haben – von narbigen Verziehungen, z. B. nach einer Hasenscharten-OP, über postinflammatorische Hyperpigmentierung bis zum Haarverlust, z. B. bei einer Alopezie.
eingestochen. Deshalb hält sie auch nicht lebenslang, sondern nur einige Jahre – eine Anpassung an veränderte optische Erfordernisse ist also möglich. PMU kommt aus Asien und hat sich seit den 80erJahren in Europa verbreitet. Ende der 90er-Jahre habe man das Hygienemodul – eine Einheit aus Nadel und Düse – entwickelt, so die Präsidentin des Schweizer Fachverbands für Permanent Make-up weiter. Diese Technik reizt die Haut weniger, als es beim klassischen Tattoo der Fall ist. Hauptsächlich wird PMU als kosmetische Massnahme vor allem im Gesicht eingesetzt – z. B. um dauerhaft einen schönen Bogen bei den Augenbrauen zu erreichen oder die Lippenkonturen zu korrigieren.
Camouflage hilft – aber oft nicht genug
Hier kann Farbe, genauer gesagt Make-up, helfen. Hautärzte empfehlen seit vielen Jahren bei nicht operativ behandelbaren Hautverfärbungen wie Vitiligo oder grossflächigen Hämangiomen Camouflage-Make-up. Das ist allerdings täglich aufzutragen und erfordert einiges Geschick und Erfahrung für ein optisch zufriedenstellendes Ergebnis. Auch bei anderen optischen Makeln kann eine Weiterentwicklung aus der Kosmetik helfen: das medizinische Permanent-Make-up (PMU). Wie die Dermapigmentologin Caroline Rindlisbacher (Mönchaltorf) auf der Jahrestagung der SGML berichtete, hat sich PMU aus dem Tätowieren entwickelt. Anders als beim klassischen Tattoo werden kleinere Areale behandelt, und die Farbe wird weniger tief in die Haut
Schweizer Fachverband für Permanent Make-up
Wer sich über die Möglichkeiten des medizinischen Permanent Make-ups informieren will, findet entsprechende Hinweise auf der Website des Fachverbands (https://www. permanentmakeup-verband.ch/de/pmu). Dort sind ebenfalls die Adressen der qualifizierten Dermapigmentologen aufgeführt, die beim Schweizer Fachverband für Permanent Make-up – der erste seiner Art in Europa – ihre Prüfung abgelegt haben.
Indikation Augenbrauen
Doch nicht nur um schöner zu werden, sondern auch um nur im Alltag unauffällig zu erscheinen, kann PMU eingesetzt werden – quasi als rekonstruktive Massnahme. Eine häufige medizinische Indikation für PMU ist der Verlust der Haare im Gesicht nach einer Chemotherapie oder bei Alopecia areata totalis. Schliesslich wirkt ein Mensch ohne Augenbrauen merkwürdig und zieht neugierige bis abschätzige Blicke auf sich. Patienten, die krankheitsbedingt keine oder nur sehr dünne Augenbrauen bzw. Wimpern haben, kann durch PMU wieder zu mehr Selbstwertgefühl verholfen werden. Mit einer Strichelung der injizierten Farbe wird der Eindruck gesunder normaler Augenbrauen bzw. eines Wimpernkranzes erzielt. Stört eine Narbe den Augenbrauenbogen – entsteht z. B. der Eindruck der höhnisch hochgezogenen Brauen –, lässt sich das durch die PMU-Zeichnung eines seitengleichen Brauenbogens korrigieren (Abbildungen 1A und 1B).
Optisch voller Haarschopf durch PMU
Apropos Haare: Auch bei schütterem Kopfhaar lässt sich durch Trichopigmentierung optisch der Eindruck von vollem Haar erreichen, indem der
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Haarboden mit Farbe versehen wird (Abbildungen 2A und 2B).
Abbildungen 1: Die wegen einer Narbe fehlenden Haare im Bereich der Augenbraue (1A) wurden durch PMU optisch ergänzt (1B). Bild: Inna Bennoun, Swiss Color® Israel
Korrektur der Lippenkontur
Und auch bei den Lippen gibt es für PMU nicht nur kosmetische, sondern auch medizinische Indikationen: z. B. nach Schliessung einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (Hasenscharte), bei der sich die natürliche Kontur der Lippen oft nicht vollständig herstellen lässt. Eine Lippenform-Asymmetrie kann mit PMU optisch wieder ausgeglichen werden. Ausserhalb des Lippenepithels liegende Narben können durch PMU an den individuellen natürlichen Hautton angepasst werden.
Narben farblich angleichen
Das gilt nicht nur für das Gesicht, sondern auch für Narben an anderen sichtbaren Körperstellen. Wenn z. B. eine Narbe am Knie verhindert, dass die Patientin ihre Beine zeigen will, lässt sich mit einer TeintAngleichung dieses Hindernis überwinden. In Kombination mit anderen Methoden der ästhetischen Medizin kann noch mehr erreicht werden, z. B. wenn ein Höhenunterschied im Hautniveau besteht, kann durch eine Unterspritzung des Narbengewebes das gewünschte Endresultat erzielt werden. Eine farbliche Angleichung kann auch bei kleineren Vitiligo-Arealen versucht werden. Das ist allerdings wegen der Änderung der Farbe der gesunden Umgebungshaut nur bedingt möglich, da die Haut an den unbedeckten Stellen im Sommer naturgemäss dunkler wird.
Abbildungen 2: Bei schütterem Haar (2A) lässt sich durch strichförmige PMU der Kopfhaut (2B) der Eindruck eines volleren Haarwachstums erzielen. Bild: Natural Design, Dottikon Abbildungen 3: Bei der Brustwarzenpigmentierung wird die fehlende Mamille (3A) mit PMU optisch nachgezeichnet (3B). Bild: Amalia Moreno, Swiss Color® Spanien
Sonderform Brustwarzenkorrektur
Eine Sonderform dieser Narbenbehandlung ist die
Brustwarzenpigmentierung. Nach Eingriffen an der
Brust kommt es – selbst bei chirurgischer Umgehung
der Brustwarze – häufig zu einer Depigmentierung
oder Verziehung der Mamille. Im Vordergrund der
medizinischen PMU steht hier vor allem die Neupig-
mentierung der Brustwarze sowie des Brustwarzen-
hofs (Abbildungen 3A und 3B). Ziel ist es, das natür-
liche Erscheinungsbild der weiblichen Brust
wiederherzustellen – und damit den Patientinnen ein
grosses Stück Weiblichkeit und Selbstwertgefühl zu-
rückzugeben. Denn eine fehlende oder verzogene
Brustwarze wirkt sehr merkwürdig und könnte mög-
liche Sexualpartner abschrecken.
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Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Workshop «Permanent Make-up: Chancen und Risiken» beim Kongress «SGML22 Laser and Procedures Zurich» am 24. Januar 2022 in Zürich.
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