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KONGRESSBERICHT
EADV
Heller Hautkrebs als Berufserkrankung
Heisser Sommer – hohe Krebsraten erwartet
Obwohl die Sonne eines der gefährlichsten Karzinogene ist, sind viele Menschen, die im Freien arbeiten, nur unzureichend gegen ihre Strahlung geschützt. Unter den Malignomen, die durch die Strahlung der Sonne ausgelöst werden, ist der helle Hautkrebs die häufigste Form. Auf dem letztjährigen EADV-Kongress in Paris warnten Experten in einem gemeinsamen Appell: «Nach unserer Einschätzung hat der berufsbedingte helle Hautkrebs bereits epidemische Ausmasse erreicht, die wir nicht länger ignorieren dürfen.»
In dem deutschen Projekt GENESIS-UV werden seit 2014 Daten zur UV-Exposition von OutdoorArbeitern – zum Beispiel Landwirte, Strassenarbeiter, Saisonarbeiter, Bauarbeiter, Dachdecker und so weiter – gesammelt und ausgewertet. Die bisherigen Ergebnisse sind alarmierend: Die Sonnenexposition von Kanalbauarbeitern zum Beispiel betrug 581 Standard-Erythem-Dosen (SED), die von Dach- und Fassaden-Bauarbeitern 494 SED (1). Für die Standard-Erythem-Dosis wurde von der WHO ein Tagesgrenzwert von 130 SED festgelegt (2). Mittlerweile wird deutlich, dass dieser Grenzwert routinemässig bei Outdoor-Arbeitern in Deutschland um etwa das Fünffache überschritten wird – und dabei gehört Deutschland noch nicht einmal zu den sonnigsten Regionen in Europa. Darüber hinaus berücksichtigen diese Messdaten noch nicht den Rekordsommer von 2018, der neben extrem hohen Temperaturen auch extrem hohe Belastungen mit Sonnenstrahlen in nördlichen Ländern brachte.
Je mehr SED, desto mehr heller Hautkrebs
Aktuelle Hautkrebsstatistiken haben bestätigt, dass diese Überschreitung des Grenzwertes um das Fünf-
fache nicht ohne Folgen für die Betroffenen bleibt: So wurden im Jahr 2017 in Deutschland 8831 neue Fälle von berufsbedingtem Hautkrebs registriert (2). «Aufgrund des sonnigsten Sommers des Jahrhunderts ist in Zukunft ein weiterer Anstieg zu erwarten», erläuterte Prof. Swen Malte John aus Osnabrück (D). Bei der Mehrheit handle es sich um hellen Hautkrebs, zu dem Plattenepithel- und Basalzellkarzinome, aber auch aktinische Keratosen als Krebsvorläufer gezählt werden. Zu Unrecht würden diese Hautkrebsformen als harmlos angesehen, gab John zu bedenken: «Diese Krebsformen können auch Metastasen bilden und zum Tod führen.» Wenn auch selten, so könne eben auch heller Hautkrebs die Betroffenen schwer belasten. Darüber hinaus ist heller Hautkrebs eine Form einer chronischen Erkrankung, die meist mehr als nur eine einzelne Intervention notwendig macht. Wird eine Läsion entfernt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sich innerhalb eines Jahres eine neue Läsion entwickeln wird, bei 30 Prozent, so John: «Ich habe Patienten, die alle zwei bis drei Wochen mit neuen Läsionen zu mir kommen. Heller Hautkrebs ist dann eine hochgradig chronische Erkrankung, die nicht geheilt werden kann.»
Abbildung: Berufe mit der höchsten UV-Strahlenbelastung
Outdoor-Arbeiter als Hochrisikogruppe
Das Risiko von Menschen, die im Freien arbeiten, ist für das Basalzellkarzinom um 43 Prozent gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht, für das Plattenepithelkarzinom ist es sogar doppelt so hoch. Verglichen mit Menschen, die in Innenräumen arbeiten, haben Menschen, die mehr als 5 Jahre im Freien gearbeitet haben, ein dreimal so hohes Risiko, ein Basalzellkarzinom, ein Plattenepithelkarzinom oder aktinische Keratosen zu entwickeln (3). Darüber hinaus wurde in einer weiteren Studie gezeigt, dass Outdoor-Arbeiter häufig besonders aggressive Formen des hellen Hautkrebses entwickeln (4). Das Wissensdefizit in der Allgemeinbevölkerung über dieses Risiko sei enorm, bemängelte John. Viele der Betroffenen beklagen, nicht über die Gefahren
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EADV
Foto: DGUV
der UV-Strahlung sowie über den hellen Hautkrebs als Erkrankung informiert worden zu sein – weder von ihren Arbeitgebern noch von ihren Ärzten. Auch der ICD-11-Katalog (International Classification of Diseases), im Juni 2018 veröffentlicht, wurde erst in seiner jetzigen Form entsprechend aktualisiert, sodass jetzt nicht nur eine Unterscheidung zwischen Basalzellund Plattenepithelkarzinomen, sondern erstmals auch eine Kennzeichnung des Hautkrebses als Berufskrankheit möglich ist.
EADV fordert standardisierte Registrierung
Europaweit besteht das Problem, dass die meisten
Krebsregister die Registrierung und Auswertung von
hellem Hautkrebs überhaupt nicht ermöglichen –
und selbst wenn, wird es von den Ärzten nicht akkurat
umgesetzt. «Die EADV befürwortet daher eine stan-
dardisierte Registrierung aller Fälle von hellem Haut-
krebs sowie detaillierte Angaben in den Fällen, die
als Berufserkrankung anspruchsberechtigt sind. Nur
dann können wir das volle Ausmass erfassen und er-
folgreich Präventionsmassnahmen sowie regelmäs-
sige Screenings etablieren, die dann auch in ganz Eu-
ropa verpflichtend sind», betonte John. «Nach
unserer Auffassung hat der berufsbedingte helle
Hautkrebs bereits epidemische Ausmasse erreicht,
die wir nicht länger ignorieren dürfen.»
L
Adela Žatecky
Sonnenschutz wird bei der beruflich bedingten Sonnenexposition immer noch
zu sehr vernachlässigt.
Foto: DGUV
Referenzen: 1. Pressemitteilung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Update
2018. https://dguv.de/de/mediencenter/pm/pressemitteilung_131586.jsp 2. DGUV: Häufigste bestätigte Berufskrankheiten. www.dguv.de/medien/inhalt/me-
diencenter/pm/pressearchiv/2018/3_quartal/berufskrankheiten_2017.png. 3. John SM et al.: CONSENSUS REPORT: Recognizing non-melanoma skin cancer, in-
cluding actinic keratosis, as an occupational disease – A Call to Action. JEADV 2016; 30(Suppl. 3): 38–45. 4. Apalla Z et al.: Farmers develop more aggressive histologic subtypes of basal cell carcinoma. Experience from a Tertiary Hospital in Northern Greece. JEADV 2016; 30(Suppl. 3): 17–20.
Quelle: Pressekonferenz beim 27. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 12. bis 16. September 2018 in Paris.
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