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HIGHLIGHTS AUS DER LITERATUR
Melanom oder harmloser Naevus? – EIS gibt’s an
Mit der elektrischen Impedanzspektroskopie lassen sich Muttermale besser beurteilen
Die Diagnostik von Hauttumoren hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Auflichtmikroskopie und Laserscan helfen heute, verdächtige Naevi hinsichtlich ihres Malignomrisikos zu beurteilen. Die Trefferquote lässt sich mit dem neuen System, der elektrischen Impedanzspektroskopie, noch steigern.
Selbst jeder Laie weiss heutzutage, dass bei Krebserkrankungen die Früherkennung im Fall des Falles die besten Heilungschancen bietet. Das gilt besonders für maligne Melanome. Daher geben sich Dermatologen bei der Inspektion viel Mühe, Muttermale nach der ABCDERegel zu beurteilen. Aber auch der erfahrenste Hautarzt kann keine 100-prozentige Diagnosesicherheit gewährleisten. Daher werden heute verdächtige Effloreszenzen sicherheitshalber exzidiert und histologisch untersucht. Etliche dieser Exzisionen sind jedoch letztlich unnötig. Hilfe bei der Diagnostik haben in den vergangenen Jahrzehnten das Auflichtmikroskop, die Videoauflichtmikroskopie und die konfokale LaserscanMikroskopie gebracht. Ein weiterer Schritt, nicht invasiv Melanome zu detektieren, ist die elektrische Impedanzspektroskopie (EIS).
225 Spikes messen die Gewebeleitfähigkeit
Die elektrische Impedanzmessung beruht auf der Fähigkeit der Zelle, Elektrizität zu leiten und zu speichern. Gesundes Hautgewebe hat im Gegensatz zu atypischem Gewebe eine andere Zellgros̈ se, Form, Ausrichtung, Kompaktheit sowie Struktur der Zellmembranen und entsprechend eine andere Leitfähigkeit – eine messbare Eigenschaft, die als elektrische Impedanz bezeichnet wird. Durch die Technologie der EIS wird diese veränderte Leitfähigkeit gemessen und kann zur schnellen Einschätzung nicht klar einzustufender Hautläsionen genutzt werden (1). Bei der Untersuchung werden insgesamt 225 mikroskopisch kleine Spikes, die an fünf Elektroden sitzen, in das Stratum corneum der zu untersuchenden Haut-
stelle eingebracht. Über diesen Kontakt werden für den Patienten nicht wahrnehmbare elektrische Signale gesendet. An den Spitzen zweier Elektrodensonden baut sich so ein messbares, wechselndes Potenzial auf. Die je nach Gewebebeschaffenheit variierenden Gesamtwiderstände, welche durch die Wechselströme unterschiedlicher Frequenzen (zwischen 1 kHz und 2,5 MHz) entstehen, werden durch das Gerät erfasst. (2) Das derzeit auf dem Markt befindliche Messgerät Nevisense® stellt nicht nur die Messwerte per se in Spektren dar, sondern errechnet durch einen erweiterten Algorithmus einen Bewertungsscore. Bei diesem Bewertungssystem ist ein Wert von 0 bis 10 möglich, wobei 0 einen negativ prädiktiven Wert und somit eine geringe Wahrscheinlichkeit für eine maligne Entartung der Hautläsion ausdrückt und 10 einen positiven prädiktiven Wert und die höchste Wahrscheinlichkeit für einen malignen Prozess widerspiegelt. Ab einem Wert von 4 aufwärts sollte das Muttermal entfernt und histologisch untersucht werden.
Hohe Sensitivität
Dass die Methode tatsächlich verlässliche Ergebnisse bringt, hat eine grosse internationale nicht kontrollierte und nicht randomisierte klinische Multizenter-Prospektivstudie ergeben. Insgesamt wurden darin 2416 Läsionen an 1951 Patienten untersucht (3). Die Ergebnisse: Von den in der Studie untersuchten 265 Melanomen im Frühstadium wurden 256 erkannt. Das ergibt eine Sensitivität für die Methode von
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96,6 Prozent. Darüber hinaus erreichte EIS eine Spezifität von 34 Prozent bei Muttermalen mit klinischem Verdacht auf ein malignes Melanom. Somit konnten unnötige Exzisionen deutlich reduziert werden. Ab Stadium T1b aufwärts (Tumordicke höher als 1 mm) lag die Erkennungsrate von EIS bei 100 Prozent. Im Vergleich zu visueller Untersuchung und Auflichtmikroskop lag die Erkennungsrate von EIS bei jeder Tumorstufe signifikant höher. Und noch ein Ergebnis: Bei nicht melanozytären Tumoren lag die Sensitivität bei 100 Prozent.
Weniger Nachuntersuchungen durch EIS
Eine aktuelle Studie aus dem Melanomland Australien bestätigt den diagnostischen Nutzen der EIS bei der Melanom-
diagnostik. Die Studiengruppe um Dr. Lilian Rocha vom Melanoma Institute of Australia in Sydney untersuchte 160 Naevi mittels sequenzieller digitaler Dermatoskopie (sequential digital dermoscopy imaging = SDDI) plus EIS (4). Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die Spezifität der EIS-Methode 83,1 Prozent und die Sensitivität 83,3 Prozent betrug. Ein weiteres Ergebnis: Da die Inzidenz von Melanomen in Australien sehr hoch ist, ist der Bedarf an Hautkrebs-Screening ebenfalls enorm. Daher sind die australischen Dermatologen bestrebt, diesen Bedarf zu senken. Die SDDI erfordert aber häufige Nachuntersuchungen. Mittels der Kombination mit EIS lässt sich diese Zahl senken. Denn für Patienten, die im EIS einen Score von unter 3 haben, erübrigen sich weitere Nachbe-
obachtungstermine. Patienten mit einem Scorewert von über 7 werden sofort der Exzision zugeführt. Nur Personen mit Werten von 4 bis 6 benötigen eine Nachbeobachtung. Somit errechneten die australischen Forscher eine Senkung des Untersuchungsbedarfs von 49,7 Prozent. L
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. Kellner C: Elektrische Impedanzspektroskopie (EIS) – innova-
tive Diagnostik in der Dermato-Onkologie. Face 2015; 4: 36–38.
2. Mohr P et al.: Electrical impedance spectroscopy as a potential adjunct diagnostic tool for cutaneous melanoma. Skin Res Technol 2013; 19(2): 75–83.
3. Malvehy J et al.: Clinical performance of the Nevisense system in cutaneous melanoma detection: an international, multicentre, prospective and blinded clinical trial on efficacy and safety. Br J Dermatol 2014; 171: 1099–1107.
4. Rocha L et al.: Analysis of an electrical impedance spectroscopy system in short-term digital dermoscopy imaging of melanocytic lesions. Br J Dermatol 2017, in press, doi: 10.1111/ bjd.15595.
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