Transkript
SGML
Nachrichten der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Laseranwendungen (SGML)
Das juristische Mysterium der Patientenaufklärung
Schneiden, Stechen, Veröden ist aus juristischer Sicht eine Persönlichkeitsverletzung, eine Körperverletzung sowie ein Eingriff in die körperliche Integrität. Somit erfüllt der Arzt verschiedene Tatbestände durch seine täglichen Handlungen. Diese Tatbestände lassen sich durch eine gültige Einwilligung rechtfertigen (1). Die Aufklärung ist eine der wichtigsten Gültigkeitsvoraussetzungen der Einwilligung (2). Im Allgemeinen ist die Aufklärung im Praxisalltag von enormer Wichtigkeit, um verheerende juristische Konsequenzen zu verhindern.
NORA LIPP (BLaw), ANDREAS HOTTIGER (BLaw)
Verheerende Konsequenzen verhindern In der Praxis ist es eher selten, dass ein Arzt keine Aufklärung vornimmt. Das Hauptproblem liegt vielmehr bei der Sicherung der Beweise (3). Das Misslingen eines Beweises, ob aufgeklärt wurde oder nicht, zieht gravierende Folgen nach sich (4). Handelt der Arzt ohne Einwilligung des Patienten beziehungsweise scheitert der Nachweis einer gehörigen Aufklärung, haftet er für den gesamten angerichteten Schaden, auch wenn er die Behandlung medizinisch korrekt ausgeführt hat (5). Aus diesem Grund ist nicht nur das Aufklärungsgespräch von grosser Bedeutung, sondern auch dessen Dokumentation.
Formale Anforderungen an die ärztliche Aufklärung Sofern keine spezialgesetzlichen Vorschriften bestehen, bedarf die Aufklärung keiner bestimmten Form (6). Da der Arzt aber beweisen muss, dass der Patient in die Behandlung eingewilligt hat (7), ist eine schriftliche Einwilligung nach der Aufklärung mit allfälligen Zeugen empfehlenswert (8). Während des Aufklärungsgespräches ist es sinnvoll, ein eingriffsspezifisches Aufklärungsprotokoll zu führen, welches während des Aufklärungsgesprächs mit dem Patienten ausgefüllt, mit allfälligen Skizzen ergänzt und am Schluss dem Patienten als Kopie nach Hause gegeben wird (9). Weiter hat die Aufklärung
vor dem Eingriff mit angemessener Überlegungsfrist zu erfolgen (10). Das Aufklärungsgespräch hat in klaren, einfachen und verständlichen sowie wahrheitsgetreuen Worten zu erfolgen (11). Wichtig ist, dass am Ende des Aufklärungsgespräches und vor dem Eingriff eine Einwilligungserklärung eingeholt wird. Diese ist am besten schriftlich und mit Unterschrift des Patienten zu dokumentieren. Eine solche Einwilligungserklärung könnte zum Beispiel folgendermassen lauten: Ich wurde in verständlicher Weise mündlich sowie schriftlich über die Behandlung aufgeklärt. Dabei hatte ich die Gelegenheit, Fragen über Art und Bedeutung des Eingriffes, insbesondere über spezielle Risiken und mögliche Komplikationen, über Nebenwirkungen und Folgemassnahmen sowie über Behandlungsalternativen und Kosten zu stellen. Alle meine Fragen wurden zufriedenstellend beantwortet. Ich habe keine weiteren Fragen, fühle mich genügend informiert und willige hiermit nach angemessener Bedenkzeit in die geplante Behandlung ein.
28 SZD 5/2014
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Nachrichten der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Laseranwendungen (SGML)
Eingriffsaufklärung (Aufklärung über den medizinische Eingriff)
Diagnoseaufklärung Informationen über den Ist-Zustand: Befund, Diagnose und Prognose (v.a. Verlauf der Krankheit ohne Behandlung)
Verlaufsaufklärung Informationen über künftige Entwicklungen: Vorstellung möglicher Behandlungen, Ablauf und Wirkung der Behandlungen (insbs. Nebenwirkungen), Vorstellung allfälliger Alternativen
Risikoaufklärung
Informationen über das Risiko der Therapie
Sicherungsaufklärung
Informationen, wie sich der Patient zukünftig verhalten soll, um die Heilung zu fördern und diese nicht zu beeinträchtigen
Wirtschaftliche Aufklärung (15)
Informationen über die wirtschaftlichen Aspekte der Behandlung (insbs. anfallende Kosten und Übernahme der Krankenkasse)
Inhalt der ärztlichen Aufklärung Durch ihre Vielseitigkeit lassen sich keine konkreten Inhaltsangaben für die Aufklärung definieren (12). Nach dem Bundesgericht ist der Arzt jedoch verpflichtet, den Patienten in angemessener Weise über Art und Risiken der Behandlung aufzuklären, ausser wenn es sich um alltägliche Massnahmen handelt, die keine besonderen Gefahren oder bleibenden Beeinträchtigungen mit sich bringen (13). Nach Rechtsprechung und Lehre besteht die Aufklärung aus einer Eingriffs- und Sicherungsaufklärung sowie einer wirtschaftlichen Aufklärung (14). Da sich der Patient erfahrungsgemäss nicht mehr gut an das Aufklärungsgespräch erinnern kann, ist ihm eine Kopie des Aufklärungsprotokolls oder -bogens sehr behilflich. Gerade auch bei der Sicherungsauf-
klärung lohnt es sich, ein Merkblatt mit
nach Hause zu geben, insofern es viele
Verhaltensregeln nach der Behandlung
zu beachten gilt. Die Abgabe eines sol-
chen Merkblatts kann zu Beweis-
zwecken auch in der Krankenakte oder
im Aufklärungsprotokoll festgehalten
sein.
L
Bei Fragen und Unklarheiten gibt Ihnen die SGML gerne Auskunft:
Präsidentin der SGML Dr. med. Bettina Rümmelein Grütstrasse 55, 8802 Kilchberg Tel. 043 343 93 01 E-Mail: praxis@dr-ruemmelein.ch
Sekretariat SGML Nora Lipp und Andreas Hottiger Grütstrasse 55, 8802 Kilchberg Tel. 079 269 61 57 E-Mail: info@sgml.ch Internet: www.sgml.ch
1. vgl. z.B. BGE 133 III 121, E. 4.1.1. 2. Gächter Thomas/Rütsche Bernhard, Gesund-
heitsrecht, Ein Grundriss für Studium und Praxis, 3. Aufl., 2013 Basel, Rz. 319. 3. Fellmann Walter, in: Kuhn Moritz/Poledna Tomas (Hrsg.), Arztrecht in der Praxis, 2. Aufl., Zürich 2007, S. 171. 4. FN 3, S. 171. 5. BGE 133 III 121, E. 4.1.1; FN 3, S. 171. 6. FN 1, Rz. 323. 7. vgl. BGE 133 III 121, E. 4.1.3. 8. FN 1, Rz. 318. 9. vgl. SAMW und FHM, Rechtliche Grundlagen im medizinischen Alltag, Ein Leitfaden für die Praxis, 2. Aufl., Muttenz 2013, S. 42. 10. FN 1, Rz. 323. 11. BGE 105 II 284, E. 6c; BGE 133 III 121, E.4.1.2. 12. FN 3, S. 170. 13. BGE 117 Ib 200, E. 2a und 3b. 14. vgl. zur ganzen Tabelle FN 3, S. 173 ff.; FN 2, Rz. 321. 15. BGE 119 II 456, E. 2d.
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