Transkript
BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Rechtliche Aspekte der Ästhetischen Medizin
Juristische Orientierungshilfen für die ärztliche Praxis
Ärztin oder Kosmetikerin – wer darf welche Produkte mit medizinischer oder kosmetischer Zweckbestimmung, beispielsweise Lasergeräte oder Blitzlampen, anwenden? Und was muss bei Arzneimittelbehandlungen ausserhalb der von Swissmedic zugelassenen Indikationsbereiche beachtet werden? Gerade bei der Faltenbehandlung mit Botulinumtoxin bewegen sich in der Ästhetischen Medizin tätige Ärzte häufig im Bereich des Off-Label-Use. Über praktisch wichtige heilmittelrechtliche Fragen sprach Prof. Dr. iur. Bernhard Rütsche, Direktor des Zentrums für Recht und Gesundheit sowie ordentlicher Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Universität Luzern, am 28. August 2014 in Kilchberg (ZH) an einer Fortbildungsveranstaltung der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Laseranwendungen (SGML).
Der Hersteller definiert die Zweckbestimmung seines Gerätes selbst. Wenn es sich um einen medizinischen, also krankheitsbezogenen Zweck handelt, bringt der Hersteller sein Gerät als Medizinprodukt in Verkehr und unterstellt sich dadurch strengen Regeln bezüglich der Anwendung. Gemäss Medizinprodukteverordnung dürfen Laser der Klasse 4 und hochenergetische Blitzlampen nur von Ärztinnen und Ärzten oder unter ärztlicher Kontrolle und Verantwortung von ausgebildeten Fachpersonen (Kosmetikerinnen mit eidgenössischem Fachausweis) angewendet werden. Ärztliche Betreuung muss vor und nach der Behandlung durch Kosmetikerinnen FA sichergestellt sein. Während also gefährliche Geräte im Kosmetikinstitut (ohne Arzt) nicht angewendet werden dürfen, ist die Anwendung weniger gefährlicher Geräte derzeit noch erlaubt. Schwerwiegende Vorkommnisse bei der Anwendung der Medizinprodukte müssen Swissmedic gemeldet werden. Dermatologen dürfen Lasergeräte und Blitzlampen beliebig für kosmetische Zwecke einsetzen, weil keine gesetzlichen Regelungen vorschreiben, zu welchen Zwecken zugelassene Geräte von Ärzten eingesetzt werden dürfen. Dabei ist die Aufklärung wichtig, und die Einwilligung des Patienten legt den vom Arzt frei gewählten Zweck fest.
Nicht jedes Lasergerät ist ein Medizinprodukt
Statt als Medizinprodukt kann der Hersteller sein Produkt mit kosmetischer Zweckbestimmung in Verkehr bringen (gemäss dem Produktesicherheitsgesetz und der Verordnung über elektrische Niederspannungserzeugnisse). In der Regel (aber nicht in allen
Fällen) weisen auch diese Produkte wie Medizinprodukte eine CE-Kennzeichnung auf. Dabei handelt es sich um eine Konformitätsbewertung durch eine private Stelle, wobei die Übereinstimmung mit europäischen Normen kontrolliert wird. Die Zulassung von Lasergeräten und Blitzlampen stellt also kein staatliches Bewilligungsverfahren dar, sondern ein liberales, selbst reguliertes System mit CE-Kennzeichnung. Anders als bei den Medizinprodukten fehlen derzeit noch Regelungen für die Anwendung von Lasergeräten und Blitzlampen mit kosmetischer Zweckbestimmung. Alle Personen dürfen solche Geräte anwenden, also auch Kosmetikerinnen ohne Fachausweis. Künftig soll jedoch dafür gesorgt werden, dass die berufliche Anwendung solcher Geräte nur durch fachlich qualifizierte Personen mit Sachkundeausweis erfolgt. Die Vernehmlassung zum entsprechenden Bundesgesetz über den Schutz vor Gefährdungen durch nicht ionisierende Strahlung und Schall (NISSG) wurde inzwischen abgeschlossen.
Off-Label-Use von Botulinumtoxin als Standard in der Ästhetischen Medizin
Botox® (Botulinumtoxin Typ A) ist ein Arzneimittel, das gemäss Fachinformation nicht für ästhetische Indikationen, aber für verschiedene medizinische Indikationen zugelassen ist (z.B. Blepharospasmus, zervikale Dystonie, Strabismus, Hyperhydrosis axillae). Ist es dennoch erlaubt, Botox® ausserhalb der medizinischen Indikationen auch für ästhetische Zwecke zu verwenden? Beim Off-Label-Use (Abgabe ausserhalb der Fachinformation, die von Swissmedic mit dem Zulassungsentscheid genehmigt wurde) muss rechtlich zwischen drei Kategorien unterschieden
18 SZD 5/2014
Rechtliche Aspekte der Ästhetischen Medizin
werden: Standardbehandlung, Heilversuch (nicht etablierte Behandlung) und Forschung (Einsatz zu Forschungszwecken). Solange die Sorgfaltspflichten eingehalten werden, ist Off-Label-Use als Standard zulässig (Standard gemäss wissenschaftlicher Erkenntnis, in internationalen Leitlinien beschrieben, gemäss ärztlicher Praxis und Erfahrung). Im Heilmittelgesetz werden die Sorgfaltspflichten ganz allgemein definiert als Pflicht zur Beachtung der anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften. Im Zweifelsfall müssen die «anerkannten Regeln» durch medizinische Gutachten geklärt werden. Für einen einzelnen Heilversuch mit experimentellem Charakter gelten strenge Anforderungen (keine Standardbehandlung nützt, das Risiko-Nutzen-Verhältnis ist positiv, minimale wissenschaftliche Evidenz durch erste klinische Versuche ist vorhanden). Für den Einsatz in der For-
schung sind Bewilligungen der Ethikkommission und
von Swissmedic nötig.
Im Bereich des Off-Label-Use bewegen sich Ärzte
auch dann, wenn sie Vistabel® (Botulinumtoxin Typ A)
nicht nur für die zugelassenen Indikationen (mittel-
schwere bis schwere Glabellafalten, mittelstarke bis
starke seitliche Augenfalten, also Krähenfüsse) ver-
wenden. Die Anforderungen an die Aufklärung der
Patienten sind beim Off-Label-Use erhöht. Weil der
Hinweis auf die Lektüre der Packungsbeilage nicht
möglich ist, muss der Arzt die Informationen selbst
vermitteln und genau über Wirkungen und Neben-
wirkungen aufklären. Botox® und Vistabel® sind ver-
schreibungspflichtig und dürfen prinzipiell nur von
Ärztinnen und Ärzten gespritzt werden.
L
Alfred Lienhard
20 SZD 5/2014