Transkript
ALLERGIE
Die Rolle der epidermalen Barriere bei atopischer Dermatitis
Die epidermale Barriere des Stratum corneum
schützt unsere Haut vor Austrocknung und vor Pene-
tration von schädlichen Substanzen wie Irritanzien,
Allergenen und Mikroorganismen. Bei der atopi-
schen Dermatitis ist diese selbst bei nicht läsionaler
Haut gestört. Die Ursachen für eine gestörte Haut-
barriere sind vor allem die Veränderungen der Lipid-
zusammensetzung und der epidermalen Differenzie-
rung sowie die Filaggrinmutationen. Calcineurininhi-
bitoren und fetthaltige Emulsionen unterstützen eine
Regeneration der Barriere.
Die atopische Dermatitis ist eine sehr komplexe, multifaktoriell bedingte, chronisch-entzündliche Erkrankung. Sie entsteht durch eine Interaktion von genetischen und Umweltfaktoren sowie immunologischen, neurovegetativen und hautstrukturellen Störungen. Die gestörte Hautbarrierefunktion, wie sie bei atopischer Dermatitis auch bei nicht läsionaler Haut auftritt, hat in letzter Zeit als Pathogenesefaktor an Bedeutung gewonnen. Während eine intakte Hautbarriere den Organismus sowohl vor Wasserverlust als auch vor der Penetration von gesundheitsschädigenden Substanzen wie Irritanzien, Allergenen und Mikroorganismen schützt, ist bei extrem trockener Haut infolge einer atopischen Der-
matitis ein erhöhter Wasserverlust zu beobachten. Die Hautbarriere eines Neurodermitikers erleichtert das Eindringen von Umweltallergenen wie Hausstaubmilben, Tierepithelien von Katzen oder Hunden und Grasspollen in die Haut. Bei prädisponierten Patienten können diese Allergene über immunologische Prozesse eine allergische Entzündung triggern.
Hautbarriere und Immunsystem
Die physikalisch-chemische Barriere interagiert mit der Immunbarriere der Haut. Sie beeinflusst die Langerhans-Zellen und dendritischen Zellen, welche wichtig in der Pathogenese der atopischen Dermatitis sind. Die IgE-Rezeptoren der Langerhans-Zellen mediieren die Bindung von Umweltallergenen, vor welcher die geschwächte Hautbarriere zu wenig Schutz bietet (Abbildung). Dies ist die Initialphase einer Immunantwort vom TH2-Typ, die zu einer akuten Entzündung führt. Danach werden weitere Entzündungsmechanismen in Gang gesetzt, welche die Immunreaktion zum TH1-Typ verschieben und zu einer Chronifizierung der Erkrankung führen. Filaggrinpeptide sind für eine intakte epidermale Barriere von entscheidender Bedeutung. Durch Mutationen im Profilaggringen kommt es zum Verlust der Filaggrinpeptide in der Hautbarriere. Dieser epitheliale Barrieredefekt beeinflusst die Ätiologie des atopischen Ekzems massgeblich.
Ursachen für die Störung der Barrierefunktion
Die Hautbarriere ist hauptsächlich im Stratum corneum angesiedelt und besteht aus proteinreichen Korneozyten und lipidreichen interzellulären Berei-
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Filaggrinmutationen führen zu einem epidermalen Barrieredefekt
Allergene dringen in das Stratum corneum und die Epidermis ein
zur Entzündung führen. Es ist heute nicht klar, ob immunologische Störungen am Beginn der Erkrankung stehen und die Barrierestörung als sekundärer Effekt entsteht.
Genetische Disposition
Auslösung einer TH2-Immun-
reaktion via IL-4, IL-5, IL-13 sIgE Lc
Lc
TH 1 TH 2
TH 3
Atopie (atopisches Ekzem mit erhöhtem Asthmarisiko)
Abbildung: Der Verlust der Filaggrinpeptide in der epidermalen Barriere führt zu einem Barrieredefekt. Allergene können vermehrt eindringen und Entzündungsreaktionen auslösen. Filaggrinmutationen sind verantwortlich für eine atopische Prädisposition (atopisches Ekzem mit erhöhtem Asthmarisiko).
Barrieredefekt auch bei anderen allergischen Erkrankungen
Ein Teil der Patienten mit atopischem Ekzem entwickelt eine Allergiekarriere und ist auch von Asthma bronchiale, einer allergischen Rhinitis oder Nahrungsmittelallergien betroffen. Diese als atopisches Syndrom zusammengefassten Erkrankungen sind durch eine Störung der Barrierefunktion der entsprechend betroffenen Schleimhaut oder Haut charakterisiert. Beim allergischen Asthma geht man von einer Sensibilisierung über die Haut aus. Da Filaggrinpeptide für eine intakte epidermale Barriere von entscheidender Bedeutung sind, begünstigen Mutationen im Filaggringen Phänotypen, die in die atopische Karriere involviert sind, das heisst, sie stellen bei Patienten mit Ekzemen ein beachtliches Risiko für Asthma dar.
Umwelt als Triggerfaktor
chen. Die Stratum-corneum-Lipide sind lamellär an- In den letzten Jahrzehnten haben verschiedene Fak-
geordnet und bestehen zum Grossteil aus Chole- toren zu einer Zunahme von Allergien in der Bevöl-
sterol, freien Fettsäuren und Ceramiden (Sphingo- kerung geführt, welche sich auf verändertes Verhal-
lipide). Bei Patienten mit atopischem Ekzem wird ten und eine veränderte Umwelt zurückführen las-
aufgrund einer verringerten Ceramidaseaktivität sen. Dazu gehört der übermässige Gebrauch von
und eines daraus folgenden Ceramidmangels weni- Seifen, Detergenzien und Shampoos, welche die
ger Sphingosin gebildet, das durch Abspaltung von Haut irritieren und die Hautbarriere beeinträchti-
Fettsäuren aus den Ceramiden im Stratum corneum gen. Gut isolierte Wohnräume führen zu einem
gebildet wird. Ceramide stabilisieren nicht nur die feuchten Innenraumklima, das die Ausbreitung von
interzellulären Lipidlamellen, sondern können auch Schimmel und Hausstaubmilben begünstigt. Es gibt
Wasser speichern. Eine weitere Ursache liegt in einer Hinweise dafür, dass eine chronische Exposition mit
Störung des ω-6-Fettsäure-Metabolismus, welcher gering dosierten Irritanzien die Haut bereits entzün-
zu einem Mangel an essenziellen Fettsäuren wie den und zu Ekzemen führen kann.
γ-Linolensäure führt und durch Einnahme von
Nachtkerzenöl verbessert werden kann. Eine weitere Ursache für die gestörte Barriere liegt in der erhöhten Proliferation und gestörten Differen-
Antimikrobielle Proteine in der natürlichen Immunabwehr
zierung der Keratinozyten, welche Einfluss auf die Neben der defekten Hautbarriere sind auch immuno-
Keratinexpression haben. Gendefekte führen dazu, logische Störungen beziehungsweise eine Infektab-
dass wichtige Strukturproteine wie Involucrin und wehrschwäche Ursache für die zum Teil massive
Loricrin oder das S100-Protein Filaggrin nicht gebil- Kolonisation der Neurodermitikerhaut mit pathoge-
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det werden. Bis zu einem Fünftel, bei schwerer ato- nen Keimen. Eine Ursache für die selten auftre-
pischer Dermatitis sogar die Hälfte der Patienten tenden Superinfektionen ist die verminderte Ex-
weisen Mutationen im Filaggringen auf. Filaggrin ist pression von antimikrobiell wirkenden Peptiden
an der Bildung der Hautbarriere und der Hydrata- (Kathelizide, Beta-Defensin-2). Der Einsatz von Beta-
tion der epidermalen Hautbarriere beteiligt. Die Fi- methason und Pimecrolimus kann die Expression
laggrinmutation scheint also eine der Primärursa- dieser Proteine normalisieren. Neuere Studien zei-
chen für die Dysfunktion der Hautbarriere und die gen, dass bei der atopischen Dermatitis der Gehalt
12 immunologischen Veränderungen zu sein, welche an antimikrobiellen Proteinen höher ist als bei ge-
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sunder Haut, aber tiefer als bei der Haut von Psoriatikern. Offenbar reicht aber die Menge an antimikrobiellen Proteinen bei Patienten mit atopischer Dermatitis trotzdem nicht aus, um einen genügenden Schutz vor Infektionen zu gewährleisten.
Einfluss von medikamentösen Therapien auf die Hautbarriere
Starke Kortikosteroide werden bei schweren Erkrankungen nur zu Beginn der Behandlung eingesetzt, weil sie eine verminderte Bildung von epidermalen Lipiden und eine Atrophie der Haut begünstigen. Calcineurininhibitoren wie Pimecrolimus (Elidel®, Merz) hingegen tragen zur Wiederherstellung der Hautbarriere bei. Ebenso haben lipidhaltige Hautpflegeprodukte (z.B. Antidry, Curea Soft, Eucerin, Excipial, Linola, Nutraplus, Physiogel oder Bal-
neum, Cremol-Ritter oder Der-med) einen positiven
Effekt auf die Hautbarriere. Externa, die die Barriere
unterstützen, stellen einen wichtigen Pfeiler in der
Neurodermitisprävention und somit konsequenten
Hautpflege im Alltag dar, da bei einer defekten Haut-
barriere Allergene leichter eindringen können, was
wiederum einen neuen Erkrankungsschub auslösen
kann.
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Gisela Stauber-Reichmuth
Interessenkonflikte: Einige der Autoren des Originalbeitrags wurden von Novartis unterstützt.
Literatur: Proksch E. et al.: Role of the epidermal barrier in atopic dermatitis. J Dtsch Dermatol Ges 2009; 7 (10): 899–910.
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