Transkript
HAUT UND SONNE
Fortbildung Dermatoonkologie
Dermatoskopie – was gibt es Neues?
Nach einem Vortrag von PD Dr. med. Ralph Braun vom 26.11.2009 in Zürich
Eine neue Generation von Dermatoskopen, die sich
den vergleichenden Einsatz von polarisiertem und
nicht polarisiertem Licht zunutze macht, hat die Der-
matoskopie revolutioniert. Neue dermatoskopische
Kriterien gewinnen an Bedeutung und führen zur
Entwicklung neuer Algorithmen und Musterana-
lysen.
Bei der Verwendung von polarisiertem Licht in der Dermatoskopie ging man bis vor Kurzem davon aus, dass mehr oder weniger dasselbe sichtbar wird wie beim Einsatz von nicht polarisiertem Licht. Eine amerikanische Veröffentlichung im Jahr 2007 zeigte jedoch, dass durch die Entwicklung einer neuen Generation von Dermatoskopen differenziertere Bilder möglich sind. Neu ist insbesondere, dass zwischen polarisiertem und nicht polarisiertem Licht hin- und hergeschaltet werden kann und das polarisierte Licht ohne Hautkontakt eingesetzt wird. Auf diese Art lässt sich die Läsion ohne Berührung auch unter der Haut betrachten, sodass man, ähnlich wie bei der Immersionsdermatoskopie, die diagnostisch relevanten Befunde sehen kann. Bei der vergleichenden Betrachtung mit polarisiertem und nicht polarisiertem Licht werden jedoch grosse Unterschiede deutlich: ● Pseudohornzysten: Die sonst praktisch nicht sicht-
baren Pseudohornzysten sind deutlich besser erkennbar.
● Regression, Peppering: Besonders bei Melanomen in sehr frühem Stadium auf sonnengeschädigter Haut ist Peppering in der Peripherie ein wichtiges Erkennungskriterium. Im nicht polarisierten Licht kann man den blauweissen Schleier als wichtiges Kriterium zur Melanomdiagnose gut erkennen. Im polarisierten Licht erst werden weissliche lineare Streifen, sogenannte chrysalisartige Strukturen, sichtbar. Diese liegen häufig in invasiven Melanomen vor, aber auch in Dermatofibromen, Basalzellkarzinomen und in etwa 10 Prozent der Spitz-Nävi.
In einer derzeit laufenden, neulich veröffentlichten prospektiven Studie am Universitätsspital Zürich wird gezeigt, dass die nur im polarisierten Licht erkennbaren weisslichen Streifen ein sehr verlässliches Zeichen für die Melanomerkennung sind. Da man die Haut nicht berühren muss, werden die Blutgefässe nicht leergedrückt, sodass man die Farben, das Blutvolumen und die Blutgefässe in der Läsion sehr gut sieht. Das dermatoskopische Bild mit der Standardimmersion eines Basalzellkarzinoms zeigt sich in der Praxis normalerweise so, dass man wohl die blaugrauen Globulinester sieht, aber zwischen diesen nichts erkennt. Um den Druck zu reduzieren, kann man zwar auch Ultraschallgel verwenden, doch erst mit dem neuen Gerät, ohne Hautkontakt, erkennt man die ganz feinen baumartigen Gefässe.
Algorithmus und Gefässmuster
Der Einsatz des polarisierten Lichtes ist so wichtig geworden, dass diese Entwicklung zu einer Veränderung des alten Algorithmus geführt hat.
11
medicos 1/2010
HAUT UND SONNE
Beim Dermatoskopieren sucht man wie bis anhin
im ersten Schritt gemäss den Kriterien einer melano-
zytären Läsion (Netzwerk, Globuli usw.), im zweiten
Schritt nach den Kriterien eines Basalzellkarzinoms.
Wenn diese nicht erfüllt sind, sucht man weiter nach
den Kriterien einer sebborhoischen Keratose bezie-
hungsweise einer vaskulären Läsion. Danach aber
sucht man neu im fünften Schritt nach Kriterien, die
ausschliesslich auf Gefässstrukturen zutreffen, die
man beispielsweise in nicht melanozytären Lä-
sionen findet: Das sind Haarnadelgefässe, glomeru-
läre Gefässe (Gefässkonvolute) sowie perlschnurartige und kranzförmige Gefässe. Beim Keratoakanthom sieht man Haarnadelgefässe umhüllt von einem weisslichen Hof. Die glomerulären Gefässe sind typisch für M. Bowen. Man findet sie in 80 Prozent der M.-Bowen-Läsionen und auch zum Teil in
Abbildung 1a: Klinisches Bild eines superfiziell spreitenden Melanoms (Breslow 1,3 mm, Clark-Level IV) am Rücken einer 57-jährigen Frau. Es handelt sich um eine 13 × 8 mm messende symmetrische Läsion mit einer regelmässigen Begrenzung und homogen dunkelbraunen Färbung. Die klinische Diagnose eines Melanoms ist nicht eindeutig.
Spinaliomen. Beim Klarzellakanthom kommen als
typisches Muster perlschnurartig aufgereihte Ge-
fässkonvolute vor. Von der Talgdrüsenhyperplasie
her bekannt sind die von der Peripherie ausgehen-
den bläulich-roten Kranzgefässe mit popcornartigen
Strukturen. Im Vergleich dazu sind die Kranzgefässe
im Basaliom schärfer begrenzt (da sie oberflächli-
cher liegen), verzweigen sich wesentlich stärker und
sind karminrot.
Zu den melanozytären Gefässen gehören die
Kommagefässe, Punktgefässe, die lineären und unre-
gelmässigen Gefässe, korkenzieherartige, atypische
Haarnadelgefässe und milchig rote Areale. Die atypi-
schen Haarnadelgefässe sieht man häufig im nodulären Melanom, die wie Kommas angeordneten
Abbildung 1b: Das dermatoskopische Bild der Läsion aus Abbildung 1a. Man erkennt zahlreiche verschiedene derma-
Kommagefässe im dermalen Nävuszellnävus. Wenn man das Dermatoskop etwas hin und her bewegt, sieht man, wie die Gefässe sich unter Druck füllen. Deshalb weisen nicht alle diese typische Komma-
toskopische Strukturen (Multikomponenten-Muster) wie unter anderem einen blauweissen Schleier im Zentrum, ein sogenanntes negatives Pigmentnetz, unregelmässige dunkelbraune Dots und Globuli in der Peripherie der Läsion.
form auf. Punktgefässe sind ein sehr wichtiges Kri-
terium bei melanozytären Läsionen. Sie können auf
das Frühstadium eines Melanoms hindeuten. Bei Aufnahmen, die mit Kontaktimmersion gemacht
Pigmentmuster
wurden, erkennt man auch eine strukturlose Zone. Beim Betrachten von Muttermalen trifft man bei fast
In der gleichen Läsion, ohne Kontakt mit polarisier- allen Patienten acht Muster an: Entweder haben die
tem Licht, sieht man auf einen Schlag die vielen klei- Male ein Pigmentnetzwerk beziehungsweise Inseln
nen Gefässe und chrysalisartigen Strukturen. Dann von Pigmentnetzwerken und sind zentral etwas hel-
ist die Diagnose klar, es kann keine gutartige Läsion ler mit peripherem Pigmentnetzwerk, oder sie sind
sein. Diese neuen Geräte eröffnen uns eine ganz zentral etwas dunkler, dann handelt es sich um Nävi,
neue Dimension, wie wir Hautkrebs noch früher er- oder aber im Zentrum liegen Globuli, und das Pig-
medicos 1/2010
kennen können.
mentnetzwerk bildet sich um diese herum. Wenn
Ein amelanotisches Melanom zeigt in der Vergrös- diese gutartigen Muster zu sehen sind, ist es sehr un-
serung ein polymorphes Gefässmuster. Bei atypi- wahrscheinlich, dass ein Melanom vorliegt. Dann
schen, lineär unregelmässigen, polymorphen Ge- gibt es auch dunkle oder helle Läsionen mit homo-
fässmustern sollte immer eine amelanozytäre Lä- gener Architektur. Bei genauem Hinsehen ist in der
sion ausgeschlossen werden. Der beschriebene Peripherie noch etwas Pigmentnetzwerk zu erken-
fünfte Schritt des neuen Algorithmus könnte den nen. Auch bei den Compound-Nävi finden sich im
12 Alltag in der Praxis verändern.
Zentrum meistens Netzwerk und Globuli, Pigment-
HAUT UND SONNE
netzwerk in der Peripherie. Wenn die Globuli nicht im Zentrum, sondern ganz symmetrisch in der Peripherie liegen, handelt es sich in der Regel um eine wachsende Läsion. Bei einem jungen Menschen ist das kein Problem. Bei einem älteren Menschen hingegen ist das ein Alarmzeichen, denn das Muttermal darf nicht mehr wachsen und muss deshalb entfernt werden. Der Referent zeigte die Veränderung einer Läsion bei einem jungen Menschen im Zeitraum zwischen 2005 bis Juli 2007, in welchem eine symmetrische Grössenzunahme erfolgte. Die zu Beginn homogen aufgebaute Architektur mit schönen Globuli, wie sie meistens bei Kindern vorliegt, entwickelte sich zum Multikomponenten-Muster mit mehr als drei Strukturen. Bei mehr als drei Strukturen (Globuli, Pigmentnetzwerk und homogene Strukturen) wird eine Läsion wieder verdächtig. Es gibt auch Muttermale, bei welchen zwei Formen vorliegen (Globuli unten und Netzwerk oben). Dies gilt als gutartiges Muster.
Wann muss exzidiert werden?
Liegt bei einer melanozytären Läsion keine der beschriebenen Muster vor, dann soll exzidiert werden (Abbildung 1a und 1b). Ein Alarmzeichen ist es zum Beispiel, wenn an einer Stelle (meistens peripher) eine Hyperpigmentierung auftritt oder eine der Netzwerkstellen dunkler ist beziehungsweise eine Hyper- oder Hypopigmentierung diffus in der Peri-
pherie zu sehen ist. Sobald das gutartige Muster durchbrochen wird, zum Beispiel die Globuli nicht schön im Zentrum, sondern heterogen über die Läsion verstreut sind oder die Läsion unterschiedliche Farben aufweist, muss biopsiert werden.
Zusammenfassung
Es gibt eine neue Generation von Dermatoskopen, die neben dem Einsatz von nicht polarisiertem Licht auch den Einsatz von polarisiertem Licht ermöglichen. Dadurch gewinnen neue dermatoskopische Strukturmerkmale wie das Chrysalismuster, das bisher nur im Melanom, Dermatofibrom, im Basaliom und im Spitz-Nävus gefunden wurde, an Bedeutung. Ebenso sind Gefässmuster und die neuen Algorithmen für die Diagnose sehr wichtig geworden. ●
Gisela Stauber-Reichmuth
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Ralph P. Braun Leitender Arzt Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Gloriastrasse 31 8091 Zürich Tel. 044-255 35 86 Fax 044-255 89 88 E-Mail: ralph.braun@usz.ch
Interessenkonflikte: keine
medicos 1/2010
13